„Mir gefallen Körper, die nicht von Zwängen, sondern von Leidenschaften geformt sind!“ Theresa Lachner
Wie man geniesst und diätlos glücklich wird
Das Gute steckt im Müesli, das Schlechte im Schwein.
Oder: Was dick macht, ist des Teufels Werk. So predigen es Heerscharen von Ernährungsexperten. Doch ein Spezialist widerspricht ihnen allen. Er will beweisen, dass Diäten nichts nützen und Abnehmen sogar die Lebenserwartung verkürzen kann.
Dr. Nicolai Worin greift in seinem Buch Diätlos glücklich so viele Ernährungsthesen an, dass einem beim Lesen der Appetit kommt.
Der Autor fährt schweres Geschütz auf, etwa wenn er die japanischen Sumo-Ringer ins Feld führt. Die sind wahrlich dick. Um ihre Kolossfigur zu erreichen und zu halten, müssen sie täglich mindestens 7000 Kilokalorien verdrücken. Ihr Geheimnis? Sie trainieren stundenlang, sie bewegen sich unaufhörlich.
„Fett macht fett. “ Diese Botschaft, schreibt Worin, dringe täglich in unser Bewusstsein, infiltriert vom bösen Zeitgeist. Fett sei Sünde. Wer ein fettes Hängebauchschwein verspeist und sich selbst einen Hängebauch zulegt, schade nicht nur sich, sondern belaste auch die Gesellschaft mit vermeidbaren Kosten.
„Karg, grün, ballaststoffreich und fettarm – das macht nicht nur schlank, sondern bringt uns auch der ewigen Gesundheit näher. Die Kost muss einen Hauch vorindustrieller Armseligkeit haben, um wirklich gesund zu sein – wie das Essen eines italienischen Bauern oder eines japanischen Fischers vor hundert Jahren! “
Doch keine einzige, noch so seriös wirkende Studie habe je bewiesen, dass fettarme Ernährung die dicken Probleme löst. Besorgniserregend sei, dass diese Falschbotschaft „mit kommerziellem Schwung und grossem Erfolg in die Ernährungsgemeinden getragen“ werde.
Mit einleuchtenden Beispielen zeigt der Kollegen-Kritiker Worin, dass der Fettanteil in Speisen völlig egal ist: „Zunehmen kann man nur, wenn die Kalorienzufuhr den Energieverbrauch übersteigt. Alles macht auf Dauer gleich dick – egal, ob fett- oder kohlenhydratreich –, solange ein Kalorienüberschuss entsteht, also eine positive Energiebilanz. “
Fett Fett sein lassen
Die afrikanischen Massai, die ständig in Bewegung sind und mehr als die Hälfte ihrer Kalorien aus Fett beziehen, bleiben meist schlank. Ebenso muss ein Büroangestellter, der täglich über 3000 Kalorien zu sich nimmt, keinen Bauch fürchten – vorausgesetzt, er läuft vor oder nach der Arbeit die nötigen Kilometer.
Der Autor lobt die Südländer, die trotz fettiger Speisen schlanker bleiben als Deutsche oder Amerikaner. Der Grund: Wasser und Brot zu den Mahlzeiten sättigen besser. Auch langsames Essen, Gespräche zwischendurch und bewusstes Geniessen helfen. Kein Italiener käme auf die Idee, Süssstoff in seinen Espresso zu rühren, kein vernünftiger Franzose würde eine kalorienreduzierte Mousse bestellen.
Geradezu „pervers“ nennt der Autor die Dämonisierung von Fett. Seit Urzeiten essen Menschen Fett besonders gern – wegen seines Aromas, seines Geschmacks, seiner Konsistenz. Es sättigt, liefert lebenswichtige Fettsäuren. „Hätte die Natur uns so auf Fett programmiert, wenn es Gift für uns wäre? Hat die Evolution hier versagt? Ein Fehler im System? Warum reagieren wir auf andere Gefahren in der Nahrung mit Abneigung, aber nicht auf Fett? “ Lassen wir Fett also Fett sein. Doch bleiben wir beim Thema Übergewicht. Massives Übergewicht gehört in ärztliche Hände. Aber was ist „massiv“? Ein paar Kilo zu viel?
Wer sich einer vermeintlich logischen Diät unterzieht, sollte die Ironie erkennen: „Was sind schon Gallensteine, die sich bei Reduktionsdiäten gern bilden? Wen stört die Entkalkung der Knochen, die Osteoporose und Brüche begünstigt? Wer kümmert sich um erhöhte Harnsäure, die mitten im Abnehmprozess einen Gichtanfall auslöst? “
Es geht noch weiter: „Ein bisschen Leberprobleme, eine kleine Krise im Wasser- und Elektrolythaushalt, der Verlust von Muskelmasse – das alles ist doch zu verkraften, wenn man endlich das lästige Übergewicht loswird. “
Nicolai Worin ist nicht der Einzige, der vor radikalem Abnehmen warnt und stattdessen Genuss empfiehlt. Auch der Arzt Hans Balzli, Autor von Büchern wie „Körperschönheit trotz Mutterschaft“ und „Nütze die Arbeitspause“, war ein Geniesser. Bereits 1931 veröffentlichte er „Gastrosophie, ein Brevier für Gaumen und Geist“. Darin schrieb er: „Ich will die Bejammernswerten nicht beeinflussen oder gar verführen, die – gefangen in Vorurteilen – verkünden, Ernährung sei etwas Niedriges, Tierisches, Materielles. Sie verschreien jede Freude am Essen als Sünde und verweigern selbst den bescheidensten Genuss. Ihnen ist nicht zu helfen. Ich will sie ihrem grässlichen Frass nicht abspenstig machen. “ Balzli schliesst mit dem Satz: „Denn böse sind nur hungrige und unbefriedigte Menschen. “ Ein Gedanke, über den man nachdenken sollte.
Worin vergleicht Marilyn Monroe in „Some Like It Hot“ mit Kate Moss. Monroe galt einst als Traumfrau mit Traumfigur. „Heute würde sie als Model für Übergrössen gelten. “ Doch Worin sieht Hoffnung: „Schlimmer kann es nicht mehr werden. Der geordnete Rückweg ist der einzige Weg. “
Das bedeutet: Keine Lebensmittel sind verboten. Jedes Essen soll zufrieden machen. Geniessen Sie mit gutem Gewissen – Ihr Wohlbefinden wird es Ihnen danken. Und lassen Sie sich von niemandem terrorisieren, weder von Ernährungsberatern noch von fragwürdigen Langzeitstudien.
Klinische Studien zu Diäten
Dazu drei Studien an fast 50’000 Frauen im Alter von 50 bis 80 Jahren, die während acht Jahren den Einfluss einer Diät mit geringem Fettgehalt (low fat diet) auf die Inzidenz von Brustkrebs (sollte das Risiko vermindern!), Kolonkarzinom (dito!) und auf das kardiovaskuläre Risiko (auch das sollte abnehmen!). Und was kam dabei heraus? Die Diät reduzierte keines der geprüften Risiken – weder das für Karzinome noch jenes für Herz-Kreislauf-Vorfälle! Ob dieses Ergebnis den Eindruck verstärkt, dass mit Diäten wenig bis nichts zu ereeichen ist, und dass man zwar mit Exzessen das Leben verkürzen, es mit Restriktionen aber kaum verlängern kann?! (Prentice RL, et al. / Beresford SA, et al. / Howard BV, et al. Low-fat dietary pattern and risk of invasive breast cancer / colorectal cancer / cardiovascular disease. The Women’s Health Initiative randomised controlled dietary modification trial. JAMA 2006;295:629-42 / 643-54 / 655-66).
Fuck it, bitch. Stay fat!
Dieses Buch von Samantha Irby „We never meet in real life“ war mal dringend nötig. Das Thema ist nicht neu – ein Rant gegen Diäten – aber wie sie’s aufschreibt lässt den Leser auf diese tiefe, behäbige Weise lachen, die Alltagsweisheit signalisiert. Kostprobe:
„Do you really need another article about how important it is to eat a big breakfast full of healthy fats and whole grains to curb afternoon snacking? NO, YOU DO NOT. You need bitches to write about how comfortable maternity jeans are for women who aren’t really pregnant. And sexy ways to remove a bra that has four hooks. I’m always amused when they encourage you to eat “instead” foods, like eating an apple when you really want to rub a bacon cheeseburger all over your boobs is a fair substitute.“
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Veröffentlicht am 17. Juni 2017 von Dr. med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
23. November 2024