Autor: Dr. med. Thomas Walser

  • Burnout

    Burnout

    Psychisch-Physischer Erschöpfungszustand

    In meiner Hausarztpraxis habe ich den Begriff „Burnout“ selten verwendet. Er suggeriert oft, dass allein die Arbeit Menschen „ausbrennt“ und sie wenig dagegen tun können. Natürlich gibt es Arbeitsplätze, die Burnout begünstigen, und chronische Überlastung oder Dauerstress führen zweifellos dazu. Doch ebenso entscheidend sind die persönlichen Voraussetzungen, Ressourcen und Reaktionen. Auch unsere eigenen Eigenschaften tragen dazu bei, dass wir in diesen „psychisch-physischen Erschöpfungszustand“ geraten – so habe ich das Phänomen treffender beschrieben. Die Erschöpfung bleibt dabei das zentrale Symptom.

    Menschen brennen nicht aus, weil eine Aufgabe zu schwer oder eine Verantwortung zu gross ist. Sie brennen aus, wenn sie keinen Einfluss auf ihr Handeln haben, wenn sie sich ohnmächtig fühlen. Achtsamkeitsübungen und Entspannungstechniken helfen da oft wenig. Statt die Erschöpfung als individuelles Problem zu betrachten, sollten Betroffene das „Empörungspotential ihres Burnouts“ erkennen, wie Ursula Nuber es in Psychologie Heute (01/2016) nennt. Unser Körper wehrt sich gegen Überreglementierung, Ausbeutung und ständige Verfügbarkeit. Burnout ist daher auch eine Kompetenz. Wer ausbrennt, sollte das nicht als Schwäche oder Versagen sehen, nicht beschämt den Kopf senken und schuldbewusst versuchen, seine „Akkus“ wieder aufzuladen. Vielmehr kann er stolz auf sein Engagement sein – „müdstolz“, wie Peter Handke es nannte. Ein Müdstolzer erkennt seine Leistung an und hat kein Problem damit, sich und anderen einzugestehen: „Ich kann nicht allem gerecht werden!“

    Die Arbeitswelt macht krank

    Es wäre entlastend, wenn man sagen könnte: Logisch bin ich gerade in einer Krise, denn die Welt ist es auch. Ich glaube, es wäre allgemein besser, wenn es bei psychischen Problemen nicht immer nur den Impuls gäbe, «nach innen zu schauen» und das Individuum in die Pflicht zu nehmen. Im letzten Jahrhundert (zu Beginn und vor allem in den Dreissigjahren) war es „in“ – und man konnte es ruhig zeigen, dass man häufig einen „Nervenzusammenbruch“ hatte. Die Welt war zu stressig für das Individuum und mit diesem Zusammenbruch schuf man sich, durch die Gesellschaft allgemein legitimiert, eine Auszeit, in der man wieder zu Kräften kam.
    Wie wohltuend wäre auch heute wieder ein solches Narrativ. Eines, das psychische Probleme im Kontext der Zeit sieht und unterstreicht, wie schwierig es manchmal ist, nicht durchzudrehen. Eines, das Burnouts nicht nur kuriert, sondern auch fragt: Warum macht die Arbeitswelt krank? Eines, das Ängste nicht nur behandelt, sondern auch wissen will:
    Wie machen wir dieses Welt weniger schrecklich?

    Die Sinnlosigkeit der Arbeit

    Der Ausdruck Burnout verschleiert, dass die Erschöpfung kein quantitatives Problem ist, sondern auch mit der Sinnlosigkeit der Arbeit zu tun haben könnte, damit, nicht selbst über die Ziele der Arbeit bestimmen zu können, damit, gegen die eigenen Interessen oder moralischen Über­zeugungen handeln zu müssen, oder mit dem Gefühl, nichts bewirken zu können. Er verschleiert auch, dass die Erschöpfung, die inzwischen ja selbst (oder gerade?) in Aktivistinnen­kreisen ein zunehmendes Problem darstellen soll, weniger eine Folge der Arbeits­menge als eine Folge der nagenden Furcht ist, letztlich könnte alles für die Füchse gewesen sein.

    Was tun? Vielleicht könnten wir damit anfangen, wenigstens den Begriff Burnout fallen zu lassen. Denn wer sich selbst ein Burnout diagnostiziert, versteht sich, ohne es zu merken, als Dampf­maschine. Er spielt dabei den Mächtigen in die Hände, für die es weniger ermüdend ist, über Quantitäten zu streiten als über Inhalte, über Arbeits­mengen als über politische und soziale Konflikte.
    (der erschöpfte Daniel Strassberg in der Republik, 14.06.22)

    Arbeit kann dein Hirn vergiften

    Es hat sich in einer seriösen Studie gezeigt, dass sich im Laufe eines anstrengenden Bürotages etliche toxisch wirkende Abfallstoffe im Gehirn ansammeln, die dazu führen, dass am Ende des Tages das allseits bekannte Erschöpfungsgefühl einsetzt. Auch Entscheidungen, die am Ende des Arbeitstages getroffen werden, sind generell als schlechter zu bewerten als Entscheidungen, die in der ersten Tageshälfte getroffen werden. Hinzu kommt die immense Bedeutung der Ernährung im Laufe des Tages. So werden mit einem Gefühl der Sättigung bessere kognitive Entscheidungen getroffen, während ein Hungergefühl eher der Feinmotorik dient. Konterkariert wird die Qualität der Entscheidung aber wiederum durch die vorherige Arbeitsdauer. Am Ende des Arbeitstages werden eher Entscheidungen bevorzugt, die einen geringeren Aufwand nach sich zu ziehen scheinen.
    Die StudienautorInnen empfehlen mehr Pausen während eines Arbeitstages und eine Umstrukturierung der Aufgaben im Laufe dieser Arbeitstage, um den Einfluss der externen Faktoren positiver für sich zu nutzen.
    (Studie: Wiehler A, Branzoli F, Adanyeguh I, Mochel F, Pessiglione M. A neuro-metabolic account of why daylong cognitive work alters the control of economic decisions. Curr Biol. 2022 Aug 22;32(16):3564-3575.e5. doi: 10.1016/j.cub.2022.07.010. Epub 2022 Aug 11. PMID: 35961314. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35961314/)

    Totalerschöpfung

    Burnout umfasst eine tiefe Identitätskrise, die oftmals ihren Ursprung in zu hohen Erwartungen an eine Situation hatte. Die letztendliche Totalerschöpfung ist das sozial akzeptierte Zeichen nach aussen, dass etwas nicht stimmt. Burnout ist allerdings mehr als Erschöpfung, die auch entstehen kann wenn man wegen Termindruck drei Wochen durcharbeitet oder fünf Freunden am Stück beim Umzug hilft. Burnout entsteht früher und geht tiefer. Wer selbst noch in der Lage ist, die Reissleine zu ziehen und aktiv Dinge zu tun, die einem gut tun, ist zum Glück noch ein Stück vom Burnout entfernt.

    Fabienne Riener hat in ihrem wunderbaren Text (hier) beschrieben, wie Burnout entsteht: Meistens eben nicht von drei Nachtschichten in einer Woche, sondern eher dann, wenn man lange auf ein Ziel hinarbeitet und regelmässig seine Grenzen überschreitet. Ein spannender Text, den alle lesen sollten, die öfter mal länger arbeiten.

    Chronischer Stresszustand (Dauer-Dysstress), viele Reize, grosse Anforderungen wirkt auf den Sympathikus, auf unsere katabole Seite des Vegetativen Nervensystem (via Cortisol vor allem) und kann in Verlust von Neuroplastizität des Hirns münden (Atrophie des Hippocampus, Schrumpfung der Hirnzellen)! Dies ist zwar schon reversibel (durch Entspannung, Bewegung,…), aber dennoch alarmierend.

    Vita activa vs. Vita contemplativa

    Die Vita activa beschreibt eine Lebensform, bei der praktische Arbeit und soziale Betätigung im Vordergrund stehen. Die Vita contemplativa hingegen ist dem Betrachten und der Kontemplation gewidmet. Die Menschen definieren sich heutzutage oft über ihre Vita activa, indem sie viel arbeiten und danach noch für einen Triathlon trainieren.
    Die Anerkennung für den Teil unseres Lebens, der der Vita contemplativa zugeordnet wird, fehlt oft, obwohl er genauso wichtig ist.
    Es ist auch Teil der Sinnfrage, die sich die Menschen stellen. Sie fragen sich nicht nur, was der Sinn ihrer Arbeit ist, sondern auch, was der Sinn ihres Lebens ist.
    Eine Möglichkeit, um mehr Vita contemplativa in den Alltag zu integrieren, ist pro Tag eine halbe Stunde in der Natur zu verbringen, zum Beispiel am See oder im Wald spazieren zu gehen. Der Wald ist zwar eine massive Reizüberflutung, aber er ist auch eine, die erdet. Ganz im Gegensatz zu einem iPad oder iPhone. Die Welt hier drin kann unser Gehirn nicht verstehen und mündet in einer Erschöpfung.

    Burnoutsymptome

    Das Standard-Messinstrument bei Burnout ist der Maslach Burnout Inventory, der 3 Dimensionen untersucht:
    Emotionale Erschöpfung, Depersonalisation und reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit.

    Typische Burnout Symptome sind:

    • Konzentrationsprobleme, permanente Müdigkeit, Mattigkeit, Kraftlosigkeit und Erschöpfung – und dies alles nicht nur an einem besonders schlechten Arbeitstag, sondern oft.
    • Lustlosigkeit, Übellaunigkeit, Gereiztheit
    • Gefühle des Versagens, der Sinnlosigkeit, der Ineffektivität
    • Gefühl von Überforderung und Angst, den Anforderungen nicht mehr gewachsen zu sein
    • mangelndes Interesse am Beruf, Kunden/Patienten oder Aufgabenbereich, Gleichgültigkeit gegenüber Projekten, die man normalerweise spannend finden würde.
      Daraus resultierender Zynismus (bis Depersonalisierung)

    Körperliche Symptome können ähnlich wie bei der Depression sehr vielfältig auftreten:

    • Schlafstörungen
    • Kopfschmerzen
    • Verspannungen
    • Rückenschmerzen
    • unspezifische Schmerzen
    • erhöhtes Schmerzempfinden
    • veränderter Blutdruck
    • Engegefühle in Brustkorb und Hals, Atemnot
    • Libidoverlust
    • Zyklusstörungen bei der Frau
    • Suchtverhalten (zur „Eigentherapie“ der psychischen Symptome…)
    • Atypische Gewichtsveränderungen
    • Magen-Darm Beschwerden

    Stadien der Entstehung und begleitende Schlafstörungen

    • Stadium 1) STRESS: Einschlafstörungen
    • Stad. 2) BURNOUT: Ein- und Durchschlafstörungen
    • Stad. 3) FOLGEKRANKHEITEN – als Beispiel die Depression: Früherwachen

    Burnout und Depression

    Es ist umstritten, wo die Definition eines „Burnout“ beginnt und wo die einer „Depression“ aufhört. Überschneidungen sind gross – Unterscheidung nur partiell möglich. Die Prophylaxe beider Zustände ist ähnlich – die Therapie zum Teil und betrifft beim Burnout häufiger in Arbeitssituations-Verbesserungen (siehe weiter unten).
    Als Musterbeispiel soll die weltweite Situation der Landwirte stehen: In einer Umfrage von 2018 soll in Deutschland jeder vierte Bauer Burnout gefährdet sein. Studien zur psychischen Situation von Landwirten zeigen dabei, dass (in Kanada) jeder vierte Landwirt, sein Leben nicht lebenswert findet oder in den vergangenen 12 Monaten an Suizid gedacht hat. Eine amerikanische Pilotstudie fand unter Landwirten heraus, dass 75 Prozent der Landwirte an einer Angststörung leiden, mehr als die Hälfte litt an Depressionen. In Frankreich nahmen sich im Jahr 2017 650 Landwirte das Leben. Die Suizidrate lag damit 50 Prozent höher, verglichen mit dem Rest der Bevölkerung.
    Mehr über die Depression hier >>>

    Burnout als Ende des Sebstoptimierungszwangs

    Hierzu Juli Zeh, die selbst ein Burnout erlebte (Interview mit dem Tagesspiegel vom 5.11.18):
    Ab den 60er Jahren hiess es doch: Sei anders! Finde dich selbst!
    Die Grundidee war, den Menschen von Zwängen und übergeordneten Mustern zu befreien, in die er hinein gepresst wird. Sei es die Religion, die patriarchale Familie, der hierarchische Arbeitgeber. Erst mal ein schöner Gedanke. Nur, was tun mit dieser individuellen Freiheit? Aha, Selbstverwirklichung. Diesen Raum muss man dann auch füllen. Dass das mit enorm viel Druck verbunden ist, haben viele nicht bedacht.
    Die Chance wird zum Imperativ: Du musst deine Freiheit nutzen, du musst gut sein, glücklich sein. Das führt dazu, dass schon Dreijährige im Kindergarten Chinesisch lernen sollen, damit sie mit 24 Jahren einen guten Job bekommen. Die Biografie muss bis ins Letzte durchgeplant sein, nur keinen Fehler machen. Wie soll man sich denn entspannen, wenn man zu dieser Optimierung gezwungen ist, egal worum es geht, Sport, Sex, Liebe, Familie?
    Dies führt unweigerlich irgendwann ins Burnout, in die absolute Erschöpfung!

    Burnout, auch eine gestörte Fähigkeit zur Empfindung positiver Emotionen?

    Die Realität eines Menschen wird durch seinen Fokus bestimmt. Ganz ähnlich ist es mit dem Gefühl, das seine Wahrnehmung beeinflusst. Ganz oft, wenn wir uns leer und ausgebrannt fühlen, vergessen wir, dass sich dadurch, was wir wahrnehmen, verändert und achten nicht mehr auf die übrige Welt um uns herum. So erinnern sich etwa Personen, die sich gestresst oder ausgebrannt fühlen, bei einer Reihe positiver, neutraler und negativer Bilder mit erstaunlicher Detailtreue an das, was auf den negativen Bildern zu sehen ist, wo hingegen sie keine Fakten von den positiven oder neutralen Bildern zu berichten wissen.

    Aus evolutionsbiologischer Sicht möge das auch sinnvoll sein. Wenn Sie auf der Flucht vor einem Säbelzahntiger sind, achten Sie vielleicht darauf, wer Sie noch gerne zum Mittagessen hätte oder was Ihnen bei der Flucht im Weg ist, aber Sie werden wohl nicht innehalten und einen schönen Regenbogen bewundern. Für das Überleben unserer Art ist das auch gut so, doch für das individuelle Wohlbefinden und Glück ist das verheerend.

    Burnout ist im Grunde die gestörte Fähigkeit zur Empfindung positiver Emotionen – und Interventionen, die bei Burnout erfolgreich sind, haben offenbar alle etwas gemeinsam: Sie alle steigern die Fähigkeit einer Person, positive Emotionen zu erleben: Weiterlesen.

    Elternburnout

    Manchmal geraten Eltern in eine Erschöpfung, die anders aussieht als das Jobburnout. Die Mütter und Väter entwickeln Fluchtfantasien, träumen davon, die Familie zu verlassen, vernachlässigen ihre Kinder, können keine emotionale Beziehung mehr zu ihnen aufbauen und neigen sogar zu Gewalt. Sie sind erschöpft davon, dass sie Eltern sind.
    Zwei Studien erbrachten die Bestätigung, dass Elternburnout anders ist als Jobburnout. Fluchtgedanken etwa seien charakteristisch für Eltern – vielleicht weil sie sich nicht krankmelden und bei Erschöpfung nicht ohne weiteres erholen könnten. Die Wirkung auf die Kinder sei gravierend, schreiben die Autoren. Betroffene berichteten übereinstimmend von ihrem Scheitern, emotionale Bindungen zu den Kindern zu pflegen, und von ihrer Aggressivität.
    Ob die Erscheinungsformen Ursache oder Folge des Elternburnouts sind, ist wissenschaftlich nicht geklärt. Es könne auch sein, dass es eine gemeinsame Ursache für die erhöhte Neigung gebe, bei Stress in Fluchtgedanken zu verfallen und die Kinder aus den Augen zu verlieren, etwa ausgeprägter Neurotizismus. Es gibt Hinweise auf Anfälligkeiten: etwa mangelnde Unterstützung des sozialen Netzwerks, der Wunsch, eine perfekte Mutter oder ein perfekter Vater zu sein, fehlende Unterstützung durch den Partner oder fehlende Fähigkeiten, mit Stress und heftigen Emotionen umzugehen.
    (Moïra Mikolajczak u. a.: Parental burnout: What is it, and why does it matter? Clinical Psychological Science, 7/6, 2019. DOI: 10.1177/2167702619858430)

    Abgrenzung zu Erschöpfung und chronischer Fatigue bei ME/CFS und weiteren Ursachen

    Was hilft prophylaktisch und auch therapeutisch gegen das Burnout?

    • Nein sagen lernen!
      Sie können nicht immer allen alles recht machen, ob im Beruf oder in Beziehungen! Wer keine Grenzen ziehen kann, wird unzufrieden und hat bald das Gefühl, dass andere mehr über die eigene Energie und Zeit verfügen als man selbst. Lernen Sie ihre eigenen Bedürfnisse kennen und leben Sie danach.
      Die Arbeitsstelle scannen auf Situationen, in denen wir ohnmächtig sind: Überreglementierung, Ausbeutung und Allverfügbarkeit. Burnout ist eine Kompetenz. Wer ausbrennt, sollte sich das nicht als Schwäche oder Versagen auslegen, er kann stolz sein auf sein Engagement – „müdstolz„. Ein Müdstolzer weiss um seine Leistung und hat daher kein Problem damit, sich und anderen einzugestehen: „Ich kann unmöglich allem gerecht werden!“
      Er empört und wehrt sich an der richtigen Stelle.
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    • Seine Resilienz vergrössern. Die „Resilienz“ ist unsere Kraft zum „Gedeihen trotz widriger Umstände“.
      Dazu ausführlich hier >>>
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    • Dann ist in unserer Zeit des Dauerstress die Entspannung das A und O. Der Rhythmus von Spannung und Entspannung (Kontakt und Rückzug, etc.) sollte auch über die Arbeitswoche weg erhalten bleiben. Das optimale Modell für Dauerstressgeplagte und Leute mit Burnoutgefährdung ist eine 80%-Arbeit mit einem ganztägig freien Mittwoch!
      Ein tägliches Mittagsschläfchen von 30 bis 45 Minuten (nicht länger!) wäre natürlich optimal!
      Weiterlesen >>>
      Auch im Winter kann man saisongerechter Leben und sich bei kürzerem Tageslicht und grösserer Nachtlänge mehr zurückziehen, zur Ruhe kommen und länger Schlafen: also mehr erholen und entspannen (mehr dazu).
      Allgemein lässt sich sagen, dass ein Stärken des Parasympathikus (anabole Seite, regenerativ) hilft (für bessere Verdauung, gegen Schlafstörung und für optimale Reparation).
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    • In der «Müdigkeits­gesellschaft» gehen alle Mitglieder permanent an die Grenzen ihrer Mobilisierbarkeit, der Burnout wird zur Universal­pathologie, zum permanent drohenden Leistungs­infarkt. Dem setzt Byung-Chul Han in seinem neuen Buch „Vita contemplativa“ ein Ethos des Flanierens, des Schlenderns, des Verweilens entgegen.
      Denn alles, was der menschlichen Existenz nach Han einen wirklichen Sinn gibt – die Liebe, das Fest, die Kunst­erfahrung –, hat sein Geheimnis darin, nicht zweck­gerichtet zu sein, kein Ziel zu haben und Zeit zu beanspruchen für nichts als sich selbst. «Das Leben», schreibt Han, «erhält seinen Glanz erst von der Untätigkeit (…) Das wahre Leben beginnt in dem Moment, in dem die Sorge um das Überleben, die Not des schieren Überlebens aufhört. Der letzte Zweck menschlicher Anstrengungen ist die Untätigkeit.»
      Und das Zeremoniell der Untätigkeit – hier werden Hans Reflexionen unmittelbar politisch – ist auch ein Korrektiv für unser «instrumentales Natur­verständnis», das die Welt nur als Ressource betrachtet und unseren Zwecken unterwirft.
      Etwas überspitzt gesagt: Um die Natur zu schonen, die fossilen Brenn­stoffe im Boden zu lassen, müssen wir zuallererst unser Grund­ethos ändern. Um Ressourcen zu sparen, müssen wir wieder lernen, zu verschwenden: unsere Zeit. Wir müssen die Welt so annehmen, wie sie ist. Bei ihr verweilen. Um sie zu betrachten und zu feiern.
      (aus „Die Ökologie des Verschwendens“ von Daniel Binswanger, die Republik 01/23)
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    • Distanz zur Arbeit erhöhen: Keine ständige Erreichbarkeit zu Hause, also keine Arbeitsmails, natürlich auch keine Telefons. Aber auch keine ununterbrochene Erreichbarkeit während der Arbeit! Um konzentriert zu arbeiten, müssen Perioden von 30 bis 40 Minuten völlig störungsfrei sein! Deshalb:
      – Zeitfenster festlegen, wann man erreichbar ist und wann nicht.
      – Antwortfristen festlegen (nicht sofort, sondern dann, wenn es passt).
      – Push-Nachrichten ausschalten.
      – Nein-Sagen, auch mal zum Chef, wenn es sein muss!
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    • Ein Internet, welches mich beherrscht – und nicht umgekehrt, macht krank und brennt aus: Weiterlesen >>>
    • Aufgaben delegieren: Man muss nicht immer alles selber machen – und auch nicht sofort – und auch nicht perfekt!
      Perfektionismus (höchste Ansprüche an sich selbst, strenge Selbstkritik und die ständige Sorge, Fehler zu begehen) kann krank machen, depressiv und ausgebrannt. Therapeutisch hilft, dem „Inneren Kritiker“ mit Mitgefühl zu begegnen. Menschen, die trotz leistungsfordernder Gedanken in schwierigen Momenten achtsam und liebevoll zu sich waren oder eigene Misserfolge eher als Teil der menschlichen Entwicklung sahen, geht es darauf wesentlich besser.

    Stellen Sie sich die dazu die Frage: „Wem gehört mein Leben?!“ (Robert Betz)

    Wer nicht zum Burnout neigt

    Menschen, die offen, fair, verträglich und gewissenhaft sind, haben ein geringeres Risiko, ein berufliches Burnout zu erleiden. Dies ergab eine Onlinestudie mit rund 500 Erwerbstätigen. Diejenigen, die laut dem Hexaco-Persönlichkeitsmodell bei diesen Eigenschaften höhere Werte erzielten, berichteten zum zweiten Befragungszeitpunkt seltener über Burnoutsymptome als die Personen mit hohen Werten beim Neurotizismus und mit höherer Emotionalität.

    Das Forschungsteam schlussfolgert: Menschen mit den Eigenschaften Ehrlichkeit und Bescheidenheit, Verträglichkeit und Extraversion verhalten sich im Job anders. Sie engagieren sich, legen Wert auf wechselseitige Fairness und sind gut im Strukturieren und Organisieren. Sie sehen auch die negativen Aspekte ihres Jobs. Dies befähige sie, sich damit auseinanderzusetzen und aktiv etwas zu verändern.

    Wer das nicht macht, neigt dazu, sich emotional zu distanzieren, schnell zu überfordern und erschöpft zu fühlen, und gerate so schneller in ein Burnout.
    (Karolien Hendrikx u.a.: Personality and burnout complaints: The mediating role of proactive burnout prevention behaviors at work. Scandinavian Journal of Psychology, 2024. DOI: 10.1111/sjop.13005)

    Aber wie sagt man es nun dem Chef?

    Es erleben heute deutlich mehr Menschen als noch vor zwanzig Jahren chronische Erschöpfung durch Arbeit. Das ist nicht nur schlecht für persönliche Schicksale, sondern auch für die Produktivität von Unternehmen. Weswegen viel dafür spricht, dass nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Chefs verstehen, was Burnout ist.

    Erraten kann er oder sie es nicht, selbst wenn er oder sie schon sensibilisiert ist? Drei gute Argumentationshilfen dazu können Sie hier finden.

    Warum Ärztinnen mehr Burnout entwickeln als Ärzte

    Der grösste Unterschied zwischen Ärztinnen und Ärzten besteht in der Erwartung, die wir an sie haben. Und das hat Folgen: Ärztinnen sind gefährdeter für Burnouts.
    Wir (Patientinnen und Patienten) wünschen uns eine einfühlsame Behandlung nach den aktuellen medizinischen Erkenntnissen. Ärztinnen sind eher in der Lage als ihre männlichen Kollegen, beide Erwartungen gleichermassen zu erfüllen: Sie zeigen mehr Empathie im zwischenmenschlichen Umgang. Das lässt sich zum Beispiel daran erkennen, dass sie mehr Fragen stellen und sich mehr Zeit für Gespräche nehmen. In Ärztin-Patienten-Gesprächen geht es häufiger um Gefühle verglichen mit Arzt-Patienten-Gesprächen. Deshalb bekommen Ärztinnen häufiger das Prädikat „gut“ als ihre männlichen Kollegen.
    Wenn sich aber ein Arzt als besonders einfühlsam zeigt, wird ihm im Gegensatz dazu eher das Prädikat „sehr gut“ verliehen. Allein schon deshalb, weil wir seltener die Erfahrung machen, dass Männer über Gefühle reden, sind wir positiv überrascht und schätzen in der Folge auch die fachlichen Qualitäten des Arztes höher ein. Diese Verknüpfung passiert bei Ärztinnen seltener und weniger stark.
    Wie seltsam: Wir wünschen uns einfühlsamere Medizin, bewerten sie aber unterschiedlich, je nachdem, ob wir sie von einer Frau oder einem Mann bekommen. Wir schimpfen auf die kalte, unpersönliche Apparatemedizin und verurteilen gleichzeitig den sanfteren Ansatz als weniger kompetent, womöglich weniger hilfreich – zumindest tendenziell.
    Relevant ist dieses Phänomen allein schon deshalb, weil inzwischen die Hälfte der Mediziner weiblich sind und zwei Drittel der Medizinstudenten. Frauen prägen die Medizin der Zukunft. Aber auch wir Patienten. (Quelle: Silke Jäger, piqd, 5.5.18).
    Daraus entsteht eine Dynamik, die zur Folge hat, dass Ärztinnen schneller und anders ausbrennen als Ärzte.
    Der weiterführende Text erklärt sehr anschaulich, wieso: burnout-bei-aerztinnen.pdf

    Millennials brennen speziell aus

    Das Gefühl permanenter psychischer Überlastung drängt vor allem die Generation der zwischen 1981 und 1996 Geborenen (Millennials) sowohl zum Dauerarbeiten, wie auch zum Dauerndwegwollen. Das Lesen dieses fundierten Essay lohnt sich natürlich auch für andere Geburtsjahrgänge:
    www.buzzfeednews.com/article/annehelenpetersen/millennials-burnout-generation-debt-work.

    Zur Lektüre: Byung-Chul Han: «Vita contemplativa oder von der Untätigkeit». Ullstein, Berlin 2022. 128 Seiten, ca. 37 Franken.

    Veröffentlicht durch Dr.med. Thomas Walser am 07. Mai 2018
    Letzte Aktualisierung:
    21. März 2024

  • Saisongerecht leben – im Winter und im Sommer

    Saisongerecht leben – im Winter und im Sommer

    Monotonie des Verhaltens >>> Frühlingsmüdigkeit

    Meist leben wir übers ganze Jahr weg plus-minus gleich. Wir gehen ungefähr zur selben Zeit schlafen, verlängern den dunklen Winterabend mit viel Licht und stehen zur selben Zeit auf, da wir in allen Jahreszeiten  immer etwa zur selben Zeit arbeiten gehen. Wir bewegen uns in der warmen Jahreszeit ev. etwas mehr draussen – ernähren uns aber ganzjährig immer gleich…
    Diese Monotonie kann sich gesundheitlich auswirken. Der Tribut dafür zahlt unser Körper (und die Seele) zum Beispiel mit der sogenannten „Frühlingsmüdigkeit“. Damit versuchen wir an Erholung nachzuholen, was wir im Winter versäumt haben.

    Was wäre denn nun ein „saisongerechteres“ und damit gesünderes Verhalten?!

    Saisongerechter Leben

     Thema optimales Verhalten im WINTER optimales Verhalten im SOMMER
     Verhalten Kälter und weniger Licht bei kürzeren Tagen: Cocooning, Rückzug:
    „sesshaft“

    Wärmer und mehr Licht bei längeren Tagen: mehr raus:
    „unterwegs“
     Nachtlänge und Schlaf längere Schlafenszeit:
    längere Nächte und weniger Licht sollte in früherer Einschlafzeit und längerem Schlaf münden („Winterschlaf“).
    kürzere Schlafenszeit:
    Man schläft natürlicherweise kürzer (quasi „mediterran“ mit viel Abendsonne).
     Ernährung längere Nachtfastenzeit:
    Man isst dann optimal nur noch, wenn es hell ist, also nur 8 bis 10 Stunden täglich. Im Winter ist also ein eigentliches „intermittierendes Fasten“ (16:8) das natürliche und gesunde Verhalten!
    Etwas „schwereres“ Essen mit mehr Fett – auch Getreide und Milchprodukte.
    kurze Nachtfastenzeit:
    Man isst wie ein Mensch in der Jäger- und Sammlerzeit bevor er sesshaft wurde, also kein oder wenig Getreide und ohne Milch = die sog. Paleodiät oder „mediterran“, nordische Ernährung.
    Leichtere Nahrung – mehr Früchte und Gemüse.
     Arbeitszeit späterer Arbeitsbeginn und weniger Arbeitsstunden.
    früherer Arbeitsbeginn und mehr Arbeitsstunden.
     Bewegung In der kälteren Jahreszeit mit kürzeren Tagen haben wir normalerweise weniger Bewegung.
    In der wärmeren Jahreszeit mit mehr Licht und längeren Tagen haben wir mehr Bewegung.
     Körpergewicht und Bauchfett
    Einesteils bewegt man sich zwar weniger, jedoch isst man mit dem 16:8 -„Fasten“ im Winter so, dass man auch kein Bauchfett zulegt. Die winterliche Zunahme an Gewicht und Bauchfett  (Winterspeck) ist also eine Mär!
    Im Sommer bewegt man sich wieder mehr und hält so sein Körpergewicht und Bauchumfang.
     Entspannung und Erholung
    Entspannung durch Rückzug, in der Ruhe: /entspannung/
    Entspannung durch Bewegung: siehe als Beispiel „Jogging als Meditation“.
     Blutdruck Unser Blutdruck steigt etwas mit abnehmenden Aussentemperaturen.
    Unser Blutdruck sinkt mit zunehmenden Aussentemperaturen, ist also stark Jahreszeiten-abhängig. Eine nötige blutdrucksenkende Therapie sollte also übers Jahr variiert werden.

    Im Takt der Natur – im Garten:
    Gärtnern hat etwas Therapeutisches, denn es verankert uns im Rhythmus des Lebens. Gartenarbeit folgt dem Takt der Jahreszeiten -und es ist schon deshalb eine Auszeit vom Sprint auf dem Zeitstrahl (Weiterlesen in Psychologie-Heute).

    Frauen können sich ihr Leben „zyklusgerechter“ einrichten. Literatur dazu: „Back to the roots – zyklisch leben mit immenser Freude“ von Josianne Hosner, Quittenduft-Verlag.

    Wir sind Gewohnheitstiere, die meist durchs ganze Jahr monoton auf dieselbe Art und Weise schlafen, essen, arbeiten und uns bewegen. Wäre es nicht lebendiger, uns eher saisongerechter und damit wechselhafter durch das Jahr zu bewegen?!

    Letzte Aktualisierung durch Dr.med. Thomas Walser:
    14. Januar 2024

  • Bewegung – gesunde körperliche Aktivität

    Bewegung – gesunde körperliche Aktivität

    Wie viel Bewegung braucht man?
    Die WHO empfiehlt 150 Minuten moderaten oder 75 Minuten intensiven Ausdauersport pro Woche, plus zwei Einheiten Krafttraining (am besten mit dem Eigengewicht zu Hause). Jede Bewegung zählt: Schon wenige Minuten intensiver Anstrengung täglich senken das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Demenz und Krebs. 4.000 Schritte täglich reduzieren das Sterberisiko.
    Wer im Haus in oberen Geschossen wohnt, lebt statistisch länger als die Bewohner im Erdgeschoss. Warum denn dies? Wer oben wohnt, benutzt öfter auch mal die Treppe statt den Aufzug – falls es überhaupt einen Lift gibt. Und dieser alltäglich Mix körperlicher Betätigungen ist gesund.

    Welche Art Bewegung?
    Der alltägliche Mix als Basis (Treppensteigen, Einkaufen, Arbeitsweg gehen,…) – und zusätzlich alles was Freude macht (Sport aller Art, Krafttraining, Wanderungen, Tanzen).
    Moderate Intensität und massvoll ist genügend.
    Intensiver Ausdauersport als Selbstoptimierung kann sogar schädlich sein.

    Benefiz durch Bewegung

    Eine Stunde Mix an moderater Bewegung jeden Tag ergibt auf fünfzig Jahre hochgerechnet vier Jahre zusätzliche Lebenszeit. Allerdings hat man dann zwei Jahre mit Sport verbracht. Aber auch dies ist keine „verlorene“ Zeit!

    Und: Wer im Haus in oberen Geschossen wohnt, lebt statistisch länger als die Bewohner im Erdgeschoss. Warum denn dies? Wer oben wohnt, benutzt öfter auch mal die Treppe statt den Aufzug – falls es überhaupt einen Lift gibt. Und dieser alltäglich Mix körperlicher Betätigungen ist gesund.

    Die körperliche Fitness ist beim gesund Altwerden das Allerwichtigste

    Die Lebenserwartung ist stark gestiegen. Auch mit chronischen Erkrankungen oder Bewegungsbehinderungen wird man heute über 80 Jahre alt. Wie kann man noch älter werden? Forscher untersuchten 195 Personen, die im Durchschnitt 82,3 Jahre alt waren, um Unterschiede zwischen Menschen, die 95 Jahre oder älter werden, und jenen, die dieses Alter nicht erreichen, zu finden. Entscheidend sind nicht Herzkrankheiten, chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Diabetes, Demenz, Parkinson, Krebs, Depression, Multimorbidität oder Polypharmazie, sondern die körperliche Fitness. Ein Test, der Balance, Koordination und Laufgeschwindigkeit prüfte, erfasste diese. Auch ohne Kausalitätsbeweis motivieren diese Daten, körperlich aktiv zu bleiben, wenn man den 100. Geburtstag feiern möchte.
    (J Am Geriat Soc. 2024, doi.org/10.1111/jgs.18941.)

    Sport für über 70jährige >>>

    Myokine, die Botenstoffe der Muskeln

    Apropos Muskeln: Haben Sie schon Mal etwas von Myokinen gehört? Das sind Muskel­botenstoffe, die durch unser Blut rauschen. Abgegeben werden sie, wenn unsere Muskeln arbeiten. Ihre heilsame Wirkung entfalten Myokine im Gehirn, im Herz, im Fettgewebe und an vielen weiteren Stellen unseres Körpers.
    Muskeln wirken heilsam. Ihr Training senkt das Risiko für Diabetes, Bluthochdruck und Krebs, verbessert das Gedächtnis und verlängert das Leben. Doch warum? Forscher kommen der Antwort näher: Winzige Moleküle, Myokine genannt, halten den Körper jung. Diese Wundermittel, die Muskeln bei Aktivität freisetzen, durchströmen das Blut und wirken im Herz, Gehirn und Fettgewebe. Auch im Magen-Darm-Trakt und der Haut entfalten sie ihre Wirkung. Wir verfolgen ihren Weg im Körper.

    Im Herzen stärken Myokine die Muskelzellen, verhindern starre Fasern im Herzmuskel und machen das Herz elastischer. Das ist lebenswichtig, denn das Herz muss unaufhörlich Blut pumpen. Im Gehirn fördern Myokine das Wachstum neuer Hirnzellen und Verknüpfungen. Der Hippocampus, wichtig für das Gedächtnis, wächst messbar bei regelmässigem Sport. Myokine regen Hirnzellen an, neuronale Wachstumsfaktoren auszuschütten. So verlangsamt Sport den geistigen Abbau und beugt Demenz vor.

    Myokine verbessern die Zuckeraufnahme der Zellen, darunter Muskelzellen. Sie verlangsamen die Verdauung, wodurch weniger Zucker ins Blut gelangt und Blutzuckerspitzen vermieden werden. So schützen sie vor Diabetes. Myokine beeinflussen auch die Bauchspeicheldrüse und den Darm, die daraufhin GLP-1 ausschütten, das Hungergefühl bremst und den Blutzuckerspiegel stabilisiert. Sport wirkt ähnlich wie Abnehmspritzen, die GLP-1 enthalten.

    Myokine sind natürliche Fettverbrenner. Sie lösen Fettsäuren aus dem Bauchfett und aktivieren die Fettverbrennung im Muskel. Bauchfett ist besonders schädlich, da es Entzündungen fördert und Krankheiten begünstigt. Myokine schmelzen das Fett und mindern Entzündungen. Forscher entwickeln Medikamente, die Muskelwachstum stimulieren und Fett abbauen, ohne Muskelmasse zu verlieren.

    Myokine wirken auch antientzündlich, indem sie an Immunzellen andocken und entzündungshemmende Stoffe fördern. In Experimenten reagierten Probanden, die Sport trieben, weniger stark auf Bakterienbestandteile. Myokine könnten überschiessende Entzündungen verhindern. Sie lenken auch Immunzellen ins Tumorgewebe und senken das Krebsrisiko. Sport verlängert das Leben nach einer Krebserkrankung.

    Krafttraining stärkt die Knochen, indem es knochenbildende Zellen aktiviert. Myokine binden an diese Zellen und hemmen knochenabbauende Zellen. Sport macht die Haut elastischer, indem er die Kollagenproduktion steigert und die Wundheilung unterstützt.

    Im Muskel selbst reparieren Myokine Schäden und fördern das Muskelwachstum. Sie aktivieren Satellitenzellen, die neue Muskelzellen bilden und Eiweisse produzieren.

    Wie viel Sport braucht man? Myokine werden bei jeder Muskelarbeit freigesetzt. Die WHO empfiehlt 150 Minuten moderaten oder 75 Minuten intensiven Ausdauersport pro Woche, plus zwei Einheiten Krafttraining. Jede Bewegung zählt: Schon wenige Minuten intensiver Anstrengung täglich senken das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. 4.000 Schritte täglich reduzieren das Sterberisiko.

    Wer neu beginnt, sollte kleine, erreichbare Ziele setzen: Übungen nach dem Aufstehen, mit dem Fahrrad zur Arbeit oder ein Spaziergang nach Feierabend. Wichtig ist, die Übungen in den Alltag zu integrieren. So wird aus einem lästigen Ritual eine gesunde Gewohnheit. Der Gedanke an die Myokine, die bei jeder Bewegung freigesetzt werden, kann motivieren.
    (Quelle: zeit.de/gesundheit)

    Zuerst gute Nachrichten für die, welche nicht gerne „Sport“ machen

    Sie bewegen sich gerne. Aber Fitnessstudios können Sie nicht ausstehen, vom Joggen kriegen Sie Knieprobleme und Fahrradfahren in der Grossstadt macht Sie so nervös, dass es nicht gesund sein kann…
    Es gibt nun eine neue Studie, die Sie freuen wird. Diese zeigt, dass ausgedehnte Sportsessions für die Gesundheit nicht nötig sind.

    .

    Nicht die Dauer oder Intensität einer Aktivität ist entscheidend, sondern die Häufigkeit – und der Mix! Und… nicht mehr als sieben Stunden täglich rumsitzen.

    Die Studie, um die es hier geht, ist nicht irgendeine. Denn als man sich in den USA daran machte, die offiziellen Bewegungsempfehlungen auf den neuesten Stand zu bringen, stellte man fest, dass es fast keine neueren, grossen Studien gab, die zuverlässig zeigen konnten, wie viel Bewegung gesund war und das Leben verlängerte. Also riefen einige der Wissenschaftler eine entsprechende Studie ins Leben und werteten dafür Daten von fast 5000 Frauen und Männern aus. Das Ergebnis: Dreimal am Tag zehn Minuten (auch moderate) Bewegung oder fünfzehnmal zwei Minuten sind wahrscheinlich genauso gut wie 30-minütige Einheiten!
    Wichtig: Es geht hier um Gesundheit, nicht um Ausdauer. Wenn Sie ihre Ausdauer entwickeln wollen, helfen Ihnen die zehnminütigen Sportschübe wenig. Und: Es handelte sich um eine epidemiologische Studie, das heisst, es wurde kein direkter kausaler Zusammenhang zwischen Bewegung und längerem Leben festgestellt. Sie war auch kurzfristig angelegt. Trotzdem werden die Bewegungsempfehlungen in den USA entsprechend angepasst werden.
    Und… leistungsbetonte Ausdauer ist nicht gesund!

    Oder noch kürzer?

    HIIT (high intensity interval training): einmal pro Stunde 20 Sekunden Sprint auf der Stelle…

    Ganz so wenig Mühe kostet es doch nicht, was Wissenschaftler im Fachblatt Medicine and Science in Sports and Exercise vorstellen. Das Team der University of Texas in Austin testete Freiwillige, die auf einem feststehenden Ergometer mit Schwungrad vier Sekunden lang alles gaben. Nach einer Pause von 45 Sekunden ging es erneut für vier Sekunden in die Vollen, insgesamt fünfmal. Stündlich wiederholten die Probanden die Belastung über acht Stunden hinweg, also die Länge eines Arbeitstages.
    In der Sportmedizin galt lange die Auffassung, dass Ausdauer optimal trainiert, wer dreimal pro Woche 50 Minuten joggt, radelt, schwimmt oder rudert. Mit regelmässig 150 Minuten wöchentlich könne, so die Annahme, das Leben um mehrere Jahre verlängert werden. In jüngster Zeit setzte sich die Erkenntnis durch, dass intensive Belastungen von über 6 Stunden pro Woche überhaupt nicht gesund ist und dass 75 Minuten pro Woche (in vielen kleinen Einheiten)  ähnlich nützlich sind.
    Ich finde das super – wenig bringt schon Einiges. Einmal pro Stunde 20 Sekunden wären im Alltag aber leichter umzusetzen und genauso sinnvoll. Statt des Trainingsrades könne ein Sprint auf der Stelle oder ein schneller «Hampelmann» ähnliches leisten – oder draussen in der Natur mal kurz einen Anstieg schneller rauflaufen.
    Die Studie hält wichtige Anregungen bereit: Kurz das sesshafte Leben unterbrechen und ein paarmal täglich ausser Atem kommen, stimuliert genussvoll Muskeln, Leber und Kreislauf. Würde man die Menschen auf zehn Minuten intensive Betätigung am Tag bringen, wäre die Rate der Herzkreislaufkrankheiten halbiert – enttäuscht aber leider gegen die Hypertonie.
    (Studien hier & hier & hier (Hypertonie))

    Aber bedenken Sie auch Folgendes:

    Somatisches, Funktionelles und Zirkeltraining

    Auf dem Fitnessmarkt gewinnen Trends wie dieses „Somatische Training“ (welch unsinniger Name – Gegensatz von psychischen Training?), funktionelles Training oder Zirkeltraining zunehmend an Beliebtheit. Diese Trainings umfassen lebensnahe, mehrgelenkige Übungen, oft mit dem eigenen Körpergewicht. Zirkeltraining verzichtet weitgehend auf Pausen und kombiniert Kraft- mit Ausdauertraining. Klingt grossartig, oder? Nicht so eintönig wie monotones Maschinentraining!

    Doch diese modischen Trainingsmethoden haben eine Schattenseite: Sie spiegeln die radikal nutzenorientierte, atemlose 24/7-Multioptionsgesellschaft wider, in der man nie zur Ruhe kommt und ständig Multitasking betreibt. Obwohl sie als „kreativer“ gelten als das Training an Maschinen, fehlt ihnen für echte Kreativität eines: die Kultur der Pause, wie sie im klassischen Bodybuilding üblich ist. Die paar Minuten Erholung zwischen schweren Sätzen, in denen man ziellos durchs Studio schlendert und Gedanken schweifen lässt – solche scheinbar verschwenderischen Leerlaufphasen und ineffizienten Unbestimmtheitsmomente fehlen der Nonstop-Gesellschaft.
    (Idee aus Konsumkritik von Jörg Scheller in Psychologie Heute, 10/2023)

    Auch nicht tägliche Bewegung senkt die Mortalität

    Eine 2022 veröffentlichte grosse Kohortenstudie aus der USA zeigt deutlich, dass Menschen, die nur ein- oder zweimal pro Woche sich sportlich bewegen (sog. „Weekend Warriors“ – aber bitte dann nicht auch noch leistungsbetont selbstoptimiert!) gesundheitlich gleich gut dastehen, wie solche, die dies täglich tun:
    pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35788615/

    Ausdauersport?

    Wir sind ja meist überzeugt, dass Ausdauersport gesund ist und er unser kardiovaskuläres Risiko reduziert. Eine belgische Forschergruppe belehrt uns nun eines Besseren (Studie).
    Sie verglichen das Ausmass der Koronarsklerose von 191 lebenslangen Ausdauersportlern mit 191 Späteinsteiger-Ausdauersportlern (Beginn nach dem 30. Lebensjahr) sowie mit 176 gesunden Nicht-Athleten, die in ihrem Leben keinen Ausdauersport betrieben hatten. In allen drei Gruppen handelte es sich nur um Männer mit einem medianen Alter von 55 Jahren. Keiner der Probanden war Raucher, keiner war übergewichtig und bei keinem war eine koronare Herzkrankheit bekannt. Die Koronarsklerose wurde mittels Computertomographie quantifiziert: Anzahl und Lokalisation von Plaques, Verkalkungs-Score und -Häufigkeit sowie Stenosegrad der Koronarien. Überraschend fand sich eine Dosis-Wirkungs-Beziehung, das heisst je länger der Ausdauersport betrieben wurde, desto wahrscheinlicher fand sich eine relevante Koronarsklerose. Die Parameter, die für eine ischämische Herzkrankheit prädestinieren, waren bei den lebenslangen Ausdauersportlern am höchsten: Anzahl Plaques, proximale Plaques, signifikante Stenosen und gemischte Plaque-Verkalkungen. Bei den Nicht-Sportlern waren sie am geringsten, die Späteinsteiger lagen meist dazwischen.

    Stopp Ausdauersport?! Ist dies die anatomisch-pathologische Erklärung des Sport-Paradoxes «plötzlicher Herztod bei Athleten»? Die Autorenschaft schlägt vor, die Studie zeitlich noch auszudehnen, um auch entscheidende kardiovaskuläre Ereignisse zu erfassen.

    Hatte Winston Churchill doch recht? Auf die Frage eines Reporters, warum er trotz Whisky und Zigarrenrauchen so alt geworden sei, soll er geantwortet haben: «No sports!». Er starb im Alter von 91 Jahren. Was er aber verschweigt: Er hatte immer Hunde und ging mit ihnen im Grünen spazieren. Dies war wohl Match-entscheidend!

    Kann eine langfristige körperliche Aktivität die Sterblichkeit und die biologische Alterung beeinflussen?

    Dieser Frage widmeten sich jetzt Forschende der Universität von Jyväskylä in Finnland mit einem überraschenden Ergebnis: Eine moderate körperliche Aktivität wirkte sich am stärksten positiv auf die Langlebigkeit aus und konnte die Sterblichkeitsrate in einem Zeitraum von 30 Jahren um 7% verringern.

    Die WHO empfiehlt 150 bis 300 Minuten moderater bzw. 75 bis 150 Minuten stärkerer körperlicher Aktivität pro Woche. Die Forschenden nahmen diese Empfehlungen zum Anlass, deren Auswirkungen auf die Sterblichkeit und das genetisches Erkrankungsrisiko zu untersuchen.

    Eine höhere Aktivität brachte hingegen keinen zusätzlichen Vorteil im Hinblick auf die Sterblichkeit. Die sehr aufwendige Zwillingsstudie wurde im European Journal of Epidemiology veröffentlicht.

    Im Gegenteil: Die hochaktive Gruppe war jedoch im Durchschnitt 1,2 Jahre biologisch älter als die moderat aktive Gruppe und 1,6 Jahre älter als die aktive Gruppe.

    Die biologische Alterung war bei denjenigen beschleunigt, die sich am wenigsten und die sich am meisten bewegten.

    Im Rhythmus gesunden – „3in3“, mässig und regelmässig – genussvoll, im Grünen

    In vielen medizinischen Studien hat man entdeckt, dass erst eine gewisse Dauer an moderater Bewegung – „rhythmisch“ – die Voraussetzung für Prophylaxe und Heilung bei Krankheiten schafft: dies zur Abwehrstärkung und Immunmodulation, gegen chronische Entzündungen (auch Neuroinflammation) und Autoimmunstörungen (M.Crohn), selbst gegen Krebs (Prostata) und auch zum Abnehmen (oder beim Metabolisches Syndrom).

    Die Gesamtdauer beträgt etwa 3 Stunden (150-180 Min) pro Woche mässige Bewegung und regelmässig auf 2-3 Portionen verteilt – oder eben viel häufiger. Deshalb nenne ich die daraus folgende Regel „3in3“ oder besser den „3in3-Rhythmus“:
    3 Stunden Bewegung pro Woche in 3 Portionen: also 3×1 Stunde – oder 6×30 Minuten, …
    Es sollte nicht intensiver und langdauernder Sport sein, sondern die Bewegung kann kurz und moderat, jedoch dann täglich und häufig sein.

    Entscheidend ist der Rhythmus von Unruhe und Ruhe oder Bewegung, von Spannung und Entspannung, von Selbstkontrolle und Genuss, von Kontakt und Rückzug – von Arbeit und Freizeit.
    Der Philosoph Byung-Chul Han nennt dies „Lücken“ im Leben: „Glück heisst ursprünglich „Gelücke“. Es hat mit Lücken zu tun. Vielleicht ist die Lücke sogar wesentlich für das Leben…“ – und weiter: „Kommunikation ohne Lücke ist Lärm. Wir ertragen heute keine Lücke, keine Stille mehr.“ Jede Lücke wird sofort mit dem Zücken des Smartphones gefüllt. Man verträgt keine Lange-Weile mehr (siehe meinen früheren Blogbeitrag darüber: http://walserblog.ch/2012/10/27/langeweile-alles-andere-als-langweilig/).

    Nur wenn wir im Tages-, Wochen- und Jahresverlauf jene Erholungspausen einhalten, die uns biologisch vorgeschrieben sind, kann unser Organismus seine Funktionen – wie beim Resetting eines Computers – immer wieder synchronisieren und Abweichungen vom Sollzustand (auch zum Beispiel krebsartiges Ausflippen von Organzellen mit Abwehrvorgängen des Immunsystems) ausgleichen. Ignorieren wir diese Bedürfnisse, werden die Abweichungen immer grösser – und damit verliert auch der Organismus immer mehr die Fähigkeit, von selbst in seine Ordnung zurückzufinden.

    Bewegung in Rhythmen lassen besser denken

    Schon in den antiken Wandelhallen, dann in der Kreuzgängen der Klöster, auch Schüler, die im Gehen Vokabeln büffeln, Schauspieler, die beim Rollenlernen herumlaufen – alle sie wussten es, was nun in den Neurowissenschaften benannt werden kann, dass im Gehen gewisse Hirnregionen (vor allem der Hippocampus) besser arbeiten können.
    Der Rhythmus, vor allem regelmässige von mittlerer Geschwindigkeit sind gut zum Lernen geeignet. Regelmässige, langsame für Meditation und tranceartige Zustände.
    Man kann sogar behaupten, dass das abstrakte Denken nur eine verfeinerte Nutzung der praktischen Funktionen unseres Gehirns ist, die darin besteht, den Körper in angemessener Art und Weise zu bewegen. Deshalb ist die Affinität des Denkens zur Bewegung und des Gehens vorhanden.
    (Mehr darüber hier >>>)

    Wie beginne ich: mit Willenskraft? Nein: mit Gewohnheiten

    Wir überschätzen uns und unsere Willenskraft. Wir glauben, wenn wir uns nur am Riemen reissen, könnten wir jederzeit unser Verhalten steuern und unsere Ziele erreichen. Das stimmt aber leider nicht.

    Entscheidend ist der passende Mix

    Eine Metastudie der Columbia University an über 130’000 Menschen von 2021 ergab: Ein tägliches Training von 30 Minuten reduziert die Gefahr von Frühsterblichkeit um bis zu 80 Prozent – aber nur bei jenen Menschen, die weniger als sieben Stunden pro Tag sitzen. Bei Erwachsenen, die das aber mehr als 11 Stunden täglich tun, ist ein solches Training so gesehen wirkungslos. Wer zu lange sitzt, macht also die lebensverlängernde Wirkung der halbstündigen Schinderei im Fitnesscenter quasi zunichte.
    Entscheidend ist der passende Mix.
    Auch Menschen, die nur wenige Minuten bei mittlerer oder hoher Intensität trainieren, können das Risiko von Frühsterblichkeit senken – vorausgesetzt, sie bewegen sich sonst mindestens sechs Stunden lang. Zum Beispiel Eltern mit kleinen Kindern, die es aus zeitlichen Gründen nicht schaffen, 30 Minuten in einem Fitnessstudio ihre Muskeln und ihr Herz zu stählern. Nichtsdestotrotz könnten sie ein gesundes Bewegungsprofil pflegen, indem sie in ihrem Alltag körperlich oft aktiv sind, zum Beispiel öfters einmal die Treppe nehmen anstatt den Lift, Strecken gehen anstatt zu fahren.
    ( Chastin S., McGregor D. et al: Joint association between accelerometry-measured daily combination of time spent in physical activity, sedentary behaviour and sleep and all-cause mortality; British Journal of Sports Medicine, May 2021)

    Sitzen ist das neue Rauchen

    Der Vergleich bleibt im Gedächtnis und trifft teilweise zu: Amerikanische Forscher analysierten über ein Dutzend Studien zum Sitzen. Sie entdeckten, dass Menschen, die mehr als acht Stunden täglich sitzen und sich nicht bewegen, ein Sterblichkeitsrisiko aufweisen, das dem von Rauchern ähnelt.

    Doch Rauchen und Sitzen unterscheiden sich grundlegend. Rauchen ist eine Sucht, die 20 bis 30 Prozent der Erwachsenen betrifft. Sitzen hingegen betrifft uns alle von klein auf: in der Schule, im Bus, bei der Arbeit. Sitzen prägt unsere Sozialisation. Während wir mit dem Rauchen aufhören können, ist es kaum möglich, nie wieder zu sitzen. Allerdings ist nicht jede Minute im Sitzen schädlich.

    Nach acht Stunden Sitzen pro Tag steigt das Krankheitsrisiko, wenn wir uns nicht bewegen. Viele Studien belegen dies. Wer stundenlang ununterbrochen sitzt, erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen wie Typ-2-Diabetes.

    Auch unser Gehirn profitiert von Bewegung. Beim Gehen oder in Bewegung denken wir oft klarer. Telefonate oder Besprechungen lassen sich gut bei einem Spaziergang an der frischen Luft führen.

    Selbst im Sitzen lohnt es sich, in Bewegung zu bleiben. Ändern Sie laufend Ihre Sitzhaltung. Mal ein Bein überschlagen, die Knie anziehen oder im Schneidersitz sitzen – all das hilft, nicht steif zu werden.

    Und nochmals: Wer sich viel bewegt, kann auch länger sitzen, ohne dass damit ein erhöhtes Erkrankungsrisiko einhergeht.

    Schrittzähler – Fitnesstracker

    Zuerst mal sollte eine Sportuhr und Schrittzähler  kein Instrument zur weiteren Selbstoptimierung, sprich Selbstkasteiung sein und damit auch ein  „neoliberalen Handgelenk-Stasi“, der uns kontrolliert und beherrscht. Nein, im besten Fall können sie uns aber vor Selbsttäuschungen befreien!

    Wie viele Schritte braucht es denn für ein gesünderes Leben?
    Es ist eine Zahl, die Forscherinnen und Forscher mehr umtreibt als andere: die Anzahl Schritte, die es braucht, um bis ins hohe Alter gesund zu sein. Hoch im Kurs ist dabei die 10’000, vor über 50 Jahren zu Werbezwecken erfunden und bis heute ein Renner. Doch ist sie tatsächlich das Mass aller Dinge? Eine internationale Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist in einer jüngst publizierten gross angelegten Studie nicht nur dieser Frage nachgegangen. Sie hat daneben erforscht, welche Rolle die Schrittfrequenz spielt. Genauer: ob sich die positive Wirkung der Bewegung verstärkt, wenn man zügiger marschiert.

    Für die Studie trugen gegen 80’000 Erwachsene zwischen 40 und 80 Jahren während sieben Tagen ununterbrochen einen Fitnesstracker am Handgelenk. Dieser zählte nicht nur ihre Schritte, sondern registrierte auch deren Kadenz – also wie viele Schritte es pro Minute jeweils waren.

    Bereits 2000 Schritte zeigen eine Wirkung:
    Im Anschluss an die Beobachtungswoche mit Fitnesstracker dokumentierten die Forscherinnen das Befinden der Teilnehmenden während sieben Jahren. 2813 Probanden erkrankten und 1325 starben in dieser Zeitspanne an Krebs, 10’245 erlitten Herz-Kreislauf-Erkrankungen, und 664 Personen erlagen diesen. Anhand des grossen Datensatzes stellten die Wissenschaftler fest, dass sich nicht erst bei 10’000 Schritten eine positive Wirkung auf die Gesundheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigte.
    Denn: Deren Risiko, vorzeitig zu sterben, Herz-Kreislauf-Probleme zu bekommen oder an Krebs zu erkranken, sank pro 2000 Schritte täglich um rund 10 Prozent. Sprich, wer 4000 Schritte täglich geht, senkt es um 20 Prozent, bei 6000 Schritten sind es 30 Prozent und so weiter. Laut Studienautorinnen geht diese Rechnung auf bis zu einer Anzahl von 10’000 Schritten. Darüber hinaus konnten sie die zusätzliche Wirkung nicht belegen.

    Gegen Demenz lässt sich mit Spaziergängen ebenfalls wirkungsvoll vorgehen – und bei dieser Prävention muss die 10’000er-Marke nicht geknackt werden. Um das Risiko einer Demenz um die Hälfte zu reduzieren, reichen offenbar 9000 Schritte. Doch auch wer weniger unterwegs ist, beugt in dieser Hinsicht vor. Gemäss Studie sinkt die Gefahr einer Demenzerkrankung bereits bei 4000 Schritten um 25 Prozent.

    Zügige sind gesundheitlich im Vorteil:
    Allerdings sind Schritte nicht gleich Schritte. Die gross angelegte Studie zeigt, dass auch das Tempo eine präventive Rolle spielt. Dazu haben die Forscherinnen untersucht, wie hoch die maximale Schrittfrequenz der Probandinnen innert einer halben Stunde pro Tag jeweils war. Und stellten fest: Teilnehmerinnen, die schnell – pro Minute 80 bis 100 Schritte – unterwegs waren, erfreuten sich einer besseren Gesundheit. Im Vergleich zu langsamen Geherinnen senkten die Zügigen das Risiko eines vorzeitigen Todes um 35 Prozent, jenes einer Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankung um 25 Prozent und jenes, an Demenz zu erkranken, um 30 Prozent.

    Laut Studienautoren geht es im Grundsatz darum, schneller zu marschieren als das Wohlfühltempo, das sich die Menschen mit der Zeit angewöhnt haben – und so den Puls nach und nach in die Höhe zu treiben. Denn schon 30 Minuten zügiges Gehen pro Tag hat einen positiveren Effekt. Diese halbe Stunde reduziert das Risiko einer Herz-, einer Krebs-, aber auch einer Demenzerkrankung stärker, als wenn man genau dieselbe Schrittzahl in gemächlicherem Tempo zurücklegt.

    Die gute Nachricht für Faulpelze ist dabei, dass es offenbar nicht nötig ist, die empfohlene halbe Stunde am Stück zu gehen, damit sich diese Wirkung entfaltet. Gemäss Studie können es auch mehrere kürzere Intervalle sein, die über den Tag hinweg verteilt werden. Ob joggen statt gehen das Risiko einer Erkrankung noch zusätzlich senkt, vermochten die Wissenschaftlerinnen nicht zu eruieren. Doch eine wissenschaftliche Arbeit aus dem Jahr 2013 legt nahe, dass es für den Herz-Kreislauf kaum eine Rolle spielt, ob eine Person eine bestimmte Strecke joggend oder zügig marschierend zurückgelegt – mit ein Grund ist, dass der Geher dafür länger braucht als der Läufer.
    Auch Forscherinnen und Forscher der Harvard Medical School in den USA haben sich mit der allheilbringenden Schrittzahl befasst. Sie haben für eine Studie aus dem Jahr 2019 rund 17’000 ältere Frauen mit Schrittzählern ausgerüstet. Nach etwas mehr als vier Jahren zeigte sich: Der positive gesundheitliche Effekt setzte bei rund 3000 Schritten pro Tag ein. Bei 4400 Schritten täglich halbierte sich das Risiko der Probandinnen, früh zu sterben.

    Weitere Risiken der Fitness-Tracker

    Neben den psychologischen Aspekten warne ich auch vor einer möglichen Fehlinterpretation der gesammelten Daten. Die meisten Menschen sind keine Experten für die Analyse ihrer eigenen Gesundheitsdaten. Falsche Schlussfolgerungen können die Folge sein. Auch die ethischen Implikationen der Technologie müssen thematisiert werden. Wenn Unternehmen wie Amazon ihre Mitarbeiter mit Wearables überwachen, stellt sich die Frage, ob diese Art von „Überwachungskapitalismus“ die Grenze zur Ausbeutung überschreitet.

    Fitness-Tracking hat also zwei Gesichter: Auf der einen Seite hilft es, mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren, auf der anderen Seite birgt es Risiken für psychische Gesundheit und persönliche Freiheit.

    Zuviel des Guten: Sport- oder Bewegungssucht

    Wer zu exzessiv und zwanghaft Sport treibt und dabei Verletzungen und Krankheiten ignoriert und seine Sozialkontakte schleifen lässt, der leidet an einer sogenannten Sport- oder Bewegungssucht. Sie haben keine sportlichen Ziele, sie trainieren um des Trainings willen. Dabei spielt es keine Rolle, wie viele Stunden jemand pro Woche trainiert. Sonst müsste man die meisten Spitzensportler als sportsüchtig klassifizieren. Das sind diese aber (meist) nicht. Sobald sich im Training ein Muskel hart anfühlt, hört ein Spitzensportler  sofort auf. Und es ist auch kein grosses Problem, wenn sie an einem Tag mal nicht trainieren können.

    Der Begriff Sport- oder Bewegungssucht ist zwar schon fast 50 Jahre alt, doch erst in den letzten Jahren ist exzessives Sporttreiben mit all seinen negativen Konsequenzen in den Fokus der Sportwissenschaft gerückt. Mittlerweile gibt es viele Studien und Fallberichte, die darauf hindeuten, dass Sportsucht in mehreren Punkten anderen Verhaltenssüchten ähnelt, etwa der Spielsucht, Kaufsucht oder Internetsucht.

    So konnten in einer Metastudie zum Thema «Exzessives Sporttreiben» gezeigt werden, dass von neun identifizierten Kriterien einer Spielsucht sieben ein Pendant bei einer Sportsucht haben. Dazu zählen unter anderem:

    • Trainingsumfang steigt mit   der Zeit.
    • Entzugssymptome, wenn   Trainings ausfallen.
    • Gedanken kreisen ständig   um den Sport.
    • Sport als Mittel, um mit   negativen Stimmungen und  Stresssituationen umzugehen.
    • Job, Partnerschaft und  soziale Kontakte leiden unter  dem exzessiven Sport.

    Trotz dieser Parallelen zur Spielsucht: Offiziell anerkannt ist die Diagnose Sportsucht (noch) nicht. Weder im internationalen Handbuch der statistischen Klassifikation von Krankheiten (ICD-11) noch im Diagnostischen und statistischen Leitfaden psychischer Störungen (DSM-5) wird «Sport- oder Bewegungssucht» aufgeführt. Von den Verhaltenssüchten gilt bislang einzig die Spielsucht als offizielle Diagnose.

    Übertraining ist die Bezeichnung für die physiologischen Vorgänge, Sportsucht das Wort für die psychologische Seite des gleichen Phänomens.

    Der Zusammenhang zwischen Essstörungen und Sportsucht ist mittlerweile gut belegt, wobei Essstörungen in der Regel zur Sportsucht führen. Der Umkehrschluss gilt aber nicht. Bei weitem nicht jede oder jeder Sportsüchtige habe auch Ernährungsprobleme.

    Es wird heute auch vermutet, dass exzessives Sporttreiben eine Reaktion auf chronischen Stress oder bedrückende Situationen sein kann. Von verschiedenen anderen Suchterkrankungen weiss man, dass diese oft mit Depressionen, Angststörungen oder psychotischen Erkrankungen einhergehen. Genau dies könnte auch bei der Sportsucht der Fall sein.

    Bewegung auf dieser Website

    Eines meiner Kernthema in Arbeit auch als Sportarzt und Rolfer und auf dieser Website dr-walser.ch ist die Bewegungs- und Haltungsverbesserung.
    Zusammengefasst habe ich auf folgenden Seiten darüber bereits geschrieben:

    Hier habe ich noch weitere Arten von Bewegung aus gesundheitlichem Winkel erforscht. Im Zentrum steht für mich meist eine gesunde Haltung und ein ökologisches, also gelenk- und gewebeschonendes Bewegungsmuster:

    Dann auch die Auswirkung von Bewegung zur Prophylaxe oder Therapie weiterer Krankheiten:

    Und Auswirkung direkt auf Körpersymptome:

    Hier finden Sie noch meinen speziellen Blog über Rolfing, Haltung, Bewegung mit Themen wie „Richtiges Stehen am Stehpult“, Probleme einer gespannten Extensorenschlinge, Kniegelenke schonen, HIIT – Ausdauer optimal trainieren, Wanderstöcke, flacher Bauch, Rucksack tragen,…

    Letzte Aktualisierung von Thomas Walser:
    02. Februar 2025

  • Rolfing – Strukturelle Integration

    Rolfing – Strukturelle Integration

    Lass deinen Körper nicht zum Gefängnis werden.
    Erobere deinen Raum und deine Möglichkeiten zurück!

    Man kann nicht über den Körper hinausgehen, bevor man ihn nicht befreit hat (Ida Rolf).

    „It’s not how deep you go,
    it’s how you go deep“ (Ida Rolf)

    Die Schüler kommen zum Lehrer und fragen ungeduldig, wann er Ihnen beibringt, wie die Revolution funktioniert.
    Der Lehrer: „Wie sitzt ihr?!“

    Kurzes Merkblatt übers Rolfing >>>

     Was ist das?

    „Rolfing“ wird nach seiner Begründerin IDA P.ROLF benannt. Sie arbeitete als Biochemikerin am Rockefeller-Institut der Columbia University.

    Die Rolfing-Methode will dem Menschen helfen, im Gleichgewicht mit sich selbst und seiner Umgebung zu leben.
    Der „Rolfer“/ die „Rolferin“ versucht, das Verhältnis des ganzen Organismus zur Schwerkraft besser zu gestalten und setzt sich als Ziel, den aus der Form geratenen Körper wieder „ins Lot“ zu bringen, um eine bessere Grundlage für die Gesamtpersönlichkeit zu schaffen. Wir lernen, unseren Körper als Ausdruck unserer Person zu erleben.
    Rolfing ist eine „Strukturelle Integration“ – mit Betonung auf „Integration“.

    Der Rolfer bearbeitet das Bindegewebe, das den Körper umhüllt: Muskelhüllen, Faszien, Sehnen, Bänder, Knochenhaut, Organhüllen und Membranen – die Zeltschnüre des Körpers, wenn man Muskeln als Zeltplanen und Knochen als Zeltstangen betrachtet. Faszien sind zähe Häute aus Bindegewebe, die Knochen, Muskeln und Organe umschliessen und verbinden. Dieses dreidimensionale Netz verleiht dem Körper Zusammenhalt und Form und bestimmt seine Grundstruktur. Faszien tragen zur nötigen Spannung für aufrechtes Stehen und Gehen bei und entlasten so die Muskulatur.

    Tensegrity – Konzept der kinetischen Ketten und myofaszialen Verbindungen

    „Tensegrity“ bezeichnet ein Bauprinzip der Architektur, das von Richard Buckminster Fuller in den 1960ern begründet wurde. Der Begriff steht für „tensional integrity“. Die Balance von Kompression und Zugspannung wird genutzt, um Strukturen zu bauen. Dies führt dazu, dass sie gleichzeitig leichter und stärker sind. Ein Beispiel für diese Bauweise ist die Kurilpa Bridge in Brisbane, Australien.

    Tensegrity-Strukturen kombinieren Flexibilität, Widerstandsfähigkeit und Kraft mit einem Minimum an Energie- und Materialaufwand. Das menschliche muskuloskelettale Netzwerk kann als Paradebeispiel einer „Bio-Tensegrity“- Architektur betrachtet werden. Die körperliche Stabilität beruht nicht auf der Stärke von einzelnen Sehnen und Muskeln, sondern darauf, dass Kräfte durch das körperliche Netzwerk weitergeleitet und verteilt werden.

    Copyright Robert Schleip, München

    Physiologischerweise wird eine Spannungserhöhung in einer Muskel- Sehneneinheit an die Kette weitergeleitet – unter der Voraussetzung, dass die koordinative und neuronale Steuerung dies ermöglichen und die Weiterleitung nicht durch ungünstige Statik oder myofasziale Dysbalancen behindert wird. Funktioniert dieses Prinzip nicht, kommt es zur lokalen Überlastung.
    Häufig findet man dann die grössten Auswirkungen einer Störung in diesem Zugspanungs-Netzwerk diagonal gegenüber (als Beispiel stört eine Blinddarmnarbe im rechten Unterbauch am stärksten im linken Schulter-Bindegewebsbereich).

    Fernsehmitschnitt (MDR, 11.11.2010 – Hauptsache gesund) zum Thema Faszien und Rolfing mit faszinierenden Detailaufnahmen aus dem Inneren des Bindegewebes.

    Faszinierende Faszien in einer ARTE-Doku: https://youtu.be/-f_Z6qxbhDo

    aus DIE ZEIT, Nr. 45/2021

    Schwerkraft

    Eine besondere Rolle kommt der Schwerkraft zu, unter deren Einfluss wir uns ständig befinden. Faszien verkürzen und verhärten sich unter diesen Einflüssen. Da das Fasziennetz aus einem zusammenhängenden System von Bindegewebehüllen besteht, werden Fehlspannungen von einem Teil des Körpers zu einem anderen übertragen und beeinträchtigen so die Statik des ganzen Körpers. Der Körper gerät aus dem Gleichgewicht, was einen erhöhten  Kraftaufwand für aufrechte Haltung und Bewegung zur Folge hat. Dies führt wiederum oft zu Verspannungen, Ermüdung, vorzeitigen Abnutzungserscheinungen und Schmerzen.
    Ida Rolfs grundlegende Erkenntnis war, dass sich das Spannungsmuster der Faszien durch eine ganz bestimmte Form der manuellen Behandlung dauerhaft verändern lässt.
    Dabei werden mit präzisem und sensiblem Druck verklebte Bindegewebsschichten gelöst, Verkürzungen im Gewebe gedehnt und verhärtete Stellen geschmeidig gemacht. Im Mittelpunkt steht dabei nicht die Behandlung von Symptomen, sondern die Verbesserung der Statik des gesamten Körpers, maximale Aufrichtung und ökonomische Bewegungsformen (speziell zum Gehen/Laufen).
    (Siehe dazu auch das Tonic Function Model von Hubert Godard: hubertgodard.pdf)

    Rolfing ist ein wunderbares Konzept zur Gesundheitsförderung. Es konzentriert sich auf die Nutzung von Ressourcen, sodass Symptome wie Schmerzen oder Skoliose in den Hintergrund treten. Stattdessen rücken freie, ökonomische Bewegungen und Haltungen im Alltag in den Vordergrund. Dabei verschwinden die genannten Symptome oft nebenbei und sekundär.

    Alltag als Übung

    Bewusstseinsschaffung für diese neuen Haltungen und Bewegungen ist ein grosser Teil dieser Körpertherapie. Ökonomie der Bewegung ist das Ziel, Bewegungsintelligenz wird gefördert (>>>hier am Beispiel des Laufens erklärt).

    Die Mitarbeit und Verantwortung des Klienten ist absolut gefordert.

    Was können Sie im Rolfing gewinnen?

    Bewusstheit im Alltag: die alltäglichen Bewegungen und Haltungen stehen bei mir im Zentrum (Stehen, Gehen, Sitzen, Liegen). Die Bewegungsintelligenz kann enorm wachsen.
    Andere Kräfte neben der heute so allgegenwärtigen Muskelkraft (sprich Bodybuilding, Kraftraum, Fitness…) kennen lernen und gezielt einsetzen: Schwerkraft und Stützkraft der Erde (Gewicht und Gegenkraft) und die elastische Spannkraft des Bindegewebes, der gedehnten Faszien. Diese Kräfte sind „kostenlos“. Die Bewegung wird dadurch katzenhafter und mit mehr Schwung und Sanftheit federnder und entspannter (siehe dazu auch meine Seite zum Joggen und den Nature-Beitrag zur Galoppbewegung des Pferdes), ökonomischer und intelligenter. Die Bewegungsqualität kommt vom im Westen üblichen anpackenden, fixierten und eingeschränkten „To-do“ zum „Not-to-do“, will heissen: Bewegung, die wie von selbst entsteht, mit Nachlassen der aktiven Spannung, geschmeidig.

    „Meditative“ Konzentration auf Gewicht spüren, auf Entspannung zu Beginn der Bewegung (anstatt die üblicherweise muskuläre Kontraktion), auf Dehnung, Verlängerung der Mittellinie, des körperlichen Innenraums (anstatt Verkürzung), also um passive Spannung (im Gegensatz zur aktiven Spannung, die verkürzt und staucht), auf Verbesserung des Gleichgewichts (des Gestütztwerdens, des Offenwerdens der Sinnesorgane Auge, Innenohr und Füsse).

    Ein Gefühl für Gleichgewicht bekommen, d.h. vor allem in welcher Richtung mein Gewicht fällt, die Schwerkraft auf meinen Körper wirkt.
    Dazu Folgendes: Ich höre in meinen Rolfingsitzungen immer wieder, dass es so  mühsam sei, „immer“ an die neuen Haltungen zu denken…
    Ökonomische Alltagsbewegung und –haltungen sind ähnlich einer Meditation: Zuerst beginnt man achtsam bei beiden mit dem Einnehmen der neuen Haltung. Dieser bewusste Übergang braucht einen eigenen Raum und auch etwas Zeit. Nachher kann man nur noch die Früchte ernten und alles wird leichter. Die Bewegung geht wie von selbst, also ökonomisch weiter – und die Sitzposition zum Meditieren wird leicht und ruhig. Man kommt in seinen Flow.

    Mit der Zeit (und nach einigen Rolfingsitzungen) fängt Ihr Körper an, gegen unökonomische Bewegungen und Haltungen zu rebellieren. Er fordert von selbst, d.h. durch Empfinden eines neuen, leichteren Körpergefühls, diese neu gelernten, ökonomischen, leichten, schwingenden, federnden, katzenartigen Bewegungen und Haltungen.
    Weiterlesen >>> Übergänge-Zwischenräume

    Bewegung aus Entspannung und von Innen

    Sie lernen im Rolfing eine Bewegung, die durch Muskelentspannung ausgelöst  wird und nicht durch Muskelkontraktion. Dies ist eine katzenartige, geschmeidige Bewegung, die häufig durch unser Eigengewicht, die Schwerkraft startet.
    Sie beginnt mit Entspannung.
    Dies ergibt eine (Geh-) Bewegung aus den inneren, achsennahen  Muskeln mit ihrem Bindegewebe. Dies ist unser „Core“ oder Kern. Er besteht aus dem dadurch aktivierten und lang gebliebenen Psoasmuskel (Schwingen der Beine hinten weit in den Bauch hinein von den Rippen her) und auch aus dem beim Joggen stets aktiven tiefsten Bauchmuskel Transversus abdominis und den kleinen direkt an der Wirbelsäule gelegenen Multifidi-Muskeln.
    Die oberflächlichen Muskeln bleiben dabei entspannt. Diese oberflächlichen Haltemuskeln würden bei Aktivierung viel mehr zu Verspannungen und Verkürzungen neigen. Dies würde dann zu einer Kompression unseres Innenraums führen.
    Sie erleben dabei das Gefühl, Ihr Körper laufe von selbst.

    Zum „Tao und Zen“ in der Strukturellen Integration und zum Komplementären von Yoga, Tai Chi, …

    Stabilität durch Länge und aus dem Bindegewebe

    …und nicht aus Muskelkräftigung:
    Die Stabilität und gleichzeitig Beweglichkeit unseres Körpers wächst mit der Länge des Gewebes und nicht mit der Stärke der Muskeln (was zur Verkürzung und Steifigkeit führen kann): Sie entsteht also besser aus der elastischen Spannkraft der „Bindegewebshülle“ (Lesen Sie dazu meinen Blogbeitrag über das „Body Stocking“!).

    Video über Rolfingarbeit (Astrid Widmer)

    Was es nicht ist

    Rolfing ist kein esoterischer Gemischtwarenladen, kein Drive-in-Satori, kein Instant-Yoga, wo man nur hinzuliegen hat, durchgeknetet wird und als neuer Mensch rausgeht. Es ist nicht die Methode, die DIE Veränderung in Ihrem Leben bewirkt (wie viele erwarten). Rolfing ist keine Psychotherapie.

    Körperarbeit im allgemeinen oder hier das Rolfing allein führt noch nicht zu Deinem „Wahren Selbst“. Sie kann aber sehr fruchtbar sein, wenn bereits die Voraussetzungen dazu vorhanden sind, aber körperlich-strukturelle Einschränkungen, wie Verpanzerung, Unflexibilität, Ungleichgewicht behindern.
    Vor allem nützt sie kaum etwas bei der Selbstfindung, um einen persönlichen Mangel, eine Leere und das Fehlen einer Essenz im Leben zu beheben oder zu verdecken.
    Dasselbe kann man über „Energiebefreiung“ durch Rolfing sagen: Wenn man „Buddha-Natur“ erreichen will, ist dies etwas viel Substantielleres und Tieferes als Energie (Chi, Prana, Kundalini, Shakti, Libido, Orgon…). Doch müssen all diese Energien erfahren und befreit sein, wenn jemand in der Lage sein soll, in den Bereich der „Essenz“ zu gelangen. Dazu hilft auch wiederum das Rolfing.

    Kurzum: Rolfing ist eine klar strukturell ausgerichtete Körpertherapie, was natürlich nie ausschliesst, dass nicht psychische, psychosoziale, energetische und Selbstfindungs-Dinge Raum haben und auch geschehen…

    psychosomatische Aspekte

    Wie steht’s? Wie geht’s?
    Man fühlt sich belastet.
    Jemand ist ein schlaffer Sack.
    Man ist aufrichtig.
    Man hat keinen Halt mehr.
    Man steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden…
    Man ist präsent.
    Man ist blockiert oder in Bewegung.
    Ich gehe dorthin, wo es mich (vom eigenen Körpergewicht) hin zieht.


    (Copyright beim Cartoonisten/Illustrator)

    Leichtigkeit und Gleichgewicht ergibt Inneren Frieden


    (Copyright beim Cartoonisten/Illustrator)

    Lesen Sie mehr über den „Inneren Frieden“ >>>

    Ist das nicht diese furchtbar brutale Körpertherapie?

    Ida Rolf war eine Visionärin, was die Rolle des Bindegewebes (des Fasziennetzes) im menschlichen Körper anbelangt. Sie bezog die Form des Körpers auf das Feld, in dem er sich befindet und dem er unterworfen ist: auf die Schwerkraft. Diese Ida Rolf war keine gute Pädagogin oder positiver ausgedrückt: ein sehr pragmatisch arbeitendes Genie (siehe auch ihr sehr unsystematisches Buch „Rolfing – strukturelle Integration“, Hugendubel) und konnte ihren direkten Schülern nicht deutlich weitergeben, was sie da tat. Diese Rolfer der 1.Generation kopierten deshalb ihren sehr kräftigen Arbeitsstil (man nannte sie auch „Miss elbow“!) ohne genau zu wissen, warum sie das taten.
    So wurde dieses frühe Rolfing häufig zur „Widerstandsarbeit“ und der Rolfer zum brutalen „Widerstandsbrecher“.
    Heute ist auch der theoretische Hintergrund nachgearbeitet: Man „weiss, was man tut“ und mit dem Widerstand wird sehr sorgfältig umgesprungen, d.h. auch viel sanfter gearbeitet!

    „Haltung“ hat nichts mit „Halten“ zu tun

    Die Bewegung entsteht bei der „Tonic Function“ (Hubert Godard) und bei der „Normal Function“ (Hans Flury) – der Idealbewegung des Rolfings – aus den intrinsischen Tiefenmuskeln und ihres Bindegewebes (des sog. „Core“ oder Kerns), was auch andere Konzepte als zentrales Element ihrer Methode betrachten (Spiraldynamik, Pilates, Feldenkrais, Alexander…).

    Die Stabilisierung des Körpers geschieht durch Aktivierung dieser Kernstrukturen (Einschub für Mehrdenker: Mein Kollege und Scharfdenker Hans Flury würde hier sofort Einwände anbringen: Für ihn existiert in der Normal Function keine Stabilität, alles fliesst und das macht Angst und damit muss der Mensch leben lernen. Alle „gemachte“ Stabilität ist unökonomisch, verkürzt, staucht…). Dr.med. Hans Flury orientiert sich konsequent an den Eckpfeilern der Strukturellen Integration nach Ida Rolf: die strukturelle Betrachtung des menschlichen Körpers, die Rolle der Schwerkraft und die Plastizität des Bindegewebes. Hubert Godard, der als ehemaliger Tänzer einen breiten Erfahrungshintergrund unterschiedlichster Bewegungsschulen (u.a. Alexander-Technik, Feldenkrais) besitzt, erweiterte die strukturelle Sicht- und Arbeitsweise des Rolf-Movement um neurologische, sozial-psychologische und künstlerische Gesichtspunkte. Er ist Professor für die Erforschung der menschlichen Bewegung an der Universität VII in Paris. Godard eröffnet unserem ursprünglich recht „statischen“ Konzept ganz neue Dimensionen, indem er die Bedeutung der Koordination und der sensorischen Orientierung in die Behandlung des Fasziensystems mit einbezieht.

    Normal Function (Flury)Tonic Function (Godard)
    Physische StrukturSensorische Struktur
    Elastizität des BindegewebesTonische Funktion der Muskulatur
    Physikalische Gesetze von Schwerkraft und StützkraftHirn-Nerven-Physiologie
    (Tabelle aus Hans Georg Brecklinghaus, Atem Bewegung, Handbuch für Strukturelle Integration, Freiburg 2007)

    Beide Ansätze ergänzen sich sehr gut und können je nach Situation und Klientel sehr spezifisch angewendet und kombiniert werden.

     Eine häufige Haltung in der 1. Welt

    Die Abbildung des Mädchens zeigt deutlich die Problembereiche vor der 1.Sitzung: Das Gewicht (oder Lot) fällt insgesamt eher hinter der Mittellinie runter. Die Beine sind überstreckt, das Becken oben nach vorne gekippt. Die Bauchwand drängt vor. Der Brustkorb sackt zusammen und ist insgesamt nach hinten gekippt. Die Vorderseite des Körpers ist kürzer als die Hinterseite. Der Kopf muss mit einer starken Verschiebung nach vorne ausgleichen. Die Atmung ist dadurch sowohl im unteren Rücken, wie auch im oberen Brustkorb eingeschränkt.
    Hier gleich eine Bemerkung aus der Praxis: Diese Betrachtungen am stehenden Körper sind mit Vorsicht zu geniessen. Ein wahres Bild einer Grundstruktur eines Menschen sieht man nur in Bewegung, v.a. im Gehen (Unterscheidung von Haltung (muskulär, schnell wechselnd) und Struktur (bindegewebig, nur langsam wechselbar: z.B. durch Rolfing eben…)).

    Die Abbildung des Mädchens nach zehn Rolfing-Sitzungen zeigt die Veränderungen im Sinne einer integrierten Struktur. Sie sind in den Umrisszeichnungen durch die eingetragenen Achsen der grossen Körperblöcke verdeutlicht.
    Im Idealfall verändert sich die Struktur in einer Serie von zehn Sitzungen hin zu horizontalen Körperebenen. Man würde aber die Integration erst in den (Alltags-)Bewegungen sehen, die geschmeidiger und katzenartig  v.a. mit elastischer Spannung des Bindegewebes und mit der Schwerkraft/Gewicht und nur minimal mit aktiver Muskelkraft ausgeübt werden können.

    In der Regel besteht eine Behandlung im Rolfing aus einer Folge von etwa zehn aufeinander aufbauenden Sitzungen.
    Die Körperstruktur ist nach einer solchen Serie besser geordnet. Aufrechte Haltung und Bewegung fallen leichter, der Brustkorb kann sich weiter dehnen und erlaubt eine freiere, tiefere Atmung. Fehlbelastungen von Gelenken und belastende Spannungsmuster im Gewebe sind verringert. Oft hat dies die Verminderung oder das Verschwinden von Schmerzen zur Folge. Patienten berichten meist von einem Gefühl der Leichtigkeit und des allgemeinen Wohlbefindens.
    Dieses gute Körpergefühl kann sich auch auf die Psyche übertragen. Eine aufrechte und entspannte Haltung wirkt sich oft positiv auf das Selbstbewusstsein aus. „Mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu stehen“ gibt vielen Menschen ein Gefühl von Sicherheit und Ausgeglichenheit.

    Besser  joggen

    Wie läuft’s denn so?!
    Gehen Sie Ihrem Jogging-Stil auf den Grund und optimieren Sie Ihr Training Schritt für Schritt. Für optimale Gelenkschonung und begeisternde Lauf-Effizienz gebe ich auch persönliche Tipps während eines Rolfingprozesses.

    Empfehlen kann ich auch die Rolferin Astrid Widmer in Zürich, die das Joggen nach derselben „afrikanischen“ Methode lernt: www.rolfingpraxis.ch

    Faszien und Rückenschmerzen

    Tatsächlich stehen die Faszien im Verdacht, chronische Schmerzen zu verursachen. Der Grund: Versteift sich das Bindegewebe, drückt es offenbar auf darin liegende Nerven und löst so mitunter qualvolle Pein aus. Kreuzschmerzen etwa sind vermutlich in vielen Fällen nicht auf abgenutzte Bandscheiben zurückzuführen, sondern auf eine versteifte Lendenfaszie.

    Wie „trainiere“ ich die Faszien am effektivsten?

    Vor allem federnde und schwingende Bewegungen halten Faszien elastisch. Dazu braucht es keine eigentlichen „Übungen“ – die Alltagsbewegung und -haltung sollte federnd und schwingend sein. Im Rolfing lernen Sie auch dies. Geduld ist dabei wichtig: Ein Effekt setzt erst nach mehreren Monaten ein.

    Faszien und Nervensystem

    Es hat sich gezeigt, dass während der Manipulation des Bindegewebes das (autonome) Nervensystem hochaktiv ist. Robert Schleip hat dies in einer spannenden Übersichtsarbeit zusammengefasst und verweist dabei auf die Präsenz von Mechanorezeptoren im Fasziensystem (v.a auf die interstitiellen Rezeptoren), aber auch auf neu entdeckte fasziale glatte Muskelzellen. Dies könnte die vom Behandler erlebte Faszienplastizität stimmig erklären. Es deutet auch auf einen engen Zusammenhang zwischen Faszien und Vegetativum hin. Faszien als Aussenstellen des autonomen Nervensystems. Jede Manipulation der Faszien ist vor diesem Hintergrund auch eine Einwirkung auf das Vegetativum und jede Veränderung des autonomen Nervensystems kann eine unmittelbare wie langfristige Veränderung im Faszientonus bewirken (www.somatics.de/Osteop_Mediz/Faszien.htm).
    Literatur zum Verhältnis von Rolfing zur viszeralen Osteopathie: Peter Schwind, Faszien- und Membrantechnik, 2003, Urban & Fischer, München (www.muenchnergruppe.de).

    Sehr lesenswert auch der Artikel von Hans Flury in Osteopathische Medizin (und Interview mit Peter Schwind).

    Faszientraining

    Neuerdings nennen viele Rolfer ihr Wirken auch „Faszientraining“.
    Hier drei Beispiele:

    1. Robert Schleip: „Faszien Fitness“, Riva
    2. und hier auf meiner Website ein PDF-Dokument als Selbstanleitung: www.dr-walser.ch/faszientraining.pdf .
      Dazu nur soviel: Das Wichtigste im Rolfing sollte die Integration unseres Körpers sein – und diese wird durch diese Faszienübungen kaum verbessert. Für meine Ansicht der Dinge sind die Übungen auch zu wenig präzis erklärt, auf was es exakt ankommt, will man wirklich die Faszien in erster Linie trainieren (und nicht vor allem die Muskeln).
      Hier ein paar Faszienübungen von Robert Schleipp: faszientraining-schleipp.pdf
    3. Das „Falten gegen die Wand“ von Hans Flury, eine fast schon optimale Übung zum „Faszientraining“: www.dr-walser.ch/falten_gegen_eine_wand.pdf .
      Eine weitere wunderbare alltäglich begleitende Übung kann der „Flight of the Eagle“ sein: Anleitung.

    Bewegung aus dem Fasziennetz

    Einschub: Raubtiere, Katzen bewegen sich vor allem aus dem Bindegewebe!

    Zum Beispiel lassen Katzen sich beim Springen zuerst in das elastische Netz (oder die Feder) ihres Bindegewebes fallen und lassen sich dann spielend, leicht hinauskatapultieren.

    Schwung im Galopp durch Katapult-Muskeln

    Amüsantes aus Nature 421, 35-36 (2003):
    Als Alan Wilson vom Royal Veterinary College in Hatfield vor drei Jahren mit seinen Studenten die Leistung von Pferdemuskeln berechnete, kam die Gruppe zu einem überraschenden Schluss: Bewegen sich Pferde nur mit Muskelkontraktion, scheint ihr Bewegungsapparat für einen Galopp mit einer Geschwindigkeit von über 40 Kilometern pro Stunde zu schwach. Daher suchten die Forscher nach einem weiteren Antriebsmechanismus – und wurden fündig. Pferde können demnach ihre Muskeln und Sehnen wie Gummibänder spannen Anmerkung Thomas Walser: Dies impliziert das alte Knochen/Muskel-Modell des Körpers – Falls Wilson Ida Rolf kennen würde, dächte er vielleicht auch an die elastische Spannkraft des Bindegewebes, des Fasziennetzes!), die gespeicherte Energie schlagartig entladen und diese „Katapulte“ zur Beschleunigung einsetzen.
    Für die Untersuchungen liessen die Wissenschafter Pferde auf Kraftmessplatten, die präzise den Druck der Hufe auf den Untergrund messen, traben und filmten die Tiere beim Galopp auf einem Laufband. Aus den so gewonnenen Daten berechneten sie den Bewegungsablauf für ein Vorderbein. Dabei bezogen sie die Winkel aller Gelenke, die Kräfte, die auf Muskeln und Sehnen einwirkten, sowie die Beschleunigung der verschiedenen Teile des Beins in die Rechnung ein. Als die Forscher die Bewegung anschliessend in einem Computer simulierten, entdeckten sie den Katapult-Mechanismus: Während der Vorderhuf des Pferdes aufgesetzt ist und sich der Oberkörper im Schwung über diesen hinweg nach vorne schiebt, werden die Muskeln und Sehnen gedehnt. Die dabei gespeicherte Energie wirft das Bein anschliessend katapultartig nach vorne und macht es damit bereit für den nächsten Schritt. Nur so könnten Pferde die schnelle Schrittfolge bei einem Galopp durchhalten, erklärt Wilson. Die Katapult-Muskeln, die einen hohen Anteil an langfaserigem Kollageneiweiss enthalten, das sich gut dehnen lässt, produzieren laut den Berechnungen der Forscher rund hundertmal mehr Leistung als ein nur über Muskelkontraktionen funktionierender Bewegungsapparat. Auch bei Kamelen und Straussen vermutet das Team einen ähnlichen Mechanismus. Schliesslich hätten alle grossen und langbeinigen Tiere das Problem, dass grosse Muskeln langsamer und weniger effizient sind als kleine, erklärt Wilson.
    Selbst der Mensch könnte seine Muskeln und Sehnen als Gummibänder gebrauchen, vermutet er. Auf ihren Kraftmessplatten und Laufbändern schreiten und rennen deshalb – ausser Pferden, Straussen und Kamelen – auch Versuchspersonen. Haben also Katapulte den Weltrekordhalter Tim Montgomery in 9,78 Sekunden über die 100-Meter- Distanz geschleudert? In einigen Jahren sollte die Antwort hierauf bekannt sein, hofft Wilson im Artikel von Nature… Würde er Rolfing kennen, hätte er die Antwort bereits heute zur Hand!

    Und dann dasselbe beim Menschen im Jahr 2008:
    „Auf den Spuren der Rumpfmuskeln“ erschien im Schweiz.Med.Forum: www.dr-walser.ch/rumpfmuskeln.pdf .
    Was mir dabei ins Auge gestochen ist:
    „Dabei zeigt sich, dass die Rumpfmuskulatur beim Patienten mit chronischen Rückenschmerzen tendenziell früher aktiviert wird – und nicht verspätet!“
    Und dann den Schluss daraus: „Übungen zur Stabilisierung der Wirbelsäule (gemeint ist das Auftrainieren der Mm. obliquus ext., obl.int. und des transversus abdominis – Zitat: „Bei Bewegungen des Rumpfes werden diese Muskeln vorsorglich aktiviert, um der Wirbelsäule zusätzlichen halt zu geben.“) stellen bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen indessen nach wie vor eine sinnvolle therapeutische Intervention dar.“
    Man könnte diese Resultate aber auch ganz anders interpretieren. Im Rolfing unterscheidet man ein allgemeines Prinzip der optimalen Bewegung und auch Haltung, eine allgemeine Bedingung wäre besser, und eine kleine Zahl spezieller Bedingungen (die nicht ganz immer eingehalten werden können). Die allgemeine: Jede Bewegung wird durch selektive Reduktion von aktiver Spannung ausgelöst. Allgemein und physikalisch korrekt: Jede Zustandsänderung (Beschleunigen, Bremsen, Richtungsänderung) des Körpers oder eines beliebig kleinen Teils des Körpers wird durch eine Nettokraft bewirkt, die bei selektiver Reduktion von aktiver Spannung in Erscheinung tritt. Diese Nettokraft ist immer die Schwerkraft oder die elastische Kraft gedehnter Faszien oder beides.
    Beim optimalen Stehen geben in einer leichten Faltung die gedehnten Faszienschlingen so dem Körper den Halt wie gespannte Gummibänder – und nicht die Rumpfmuskeln (siehe genauer zusammengefasst hier: www.dr-walser.ch/oekonomie_der_bewegung.pdf).

    Manchmal muss man die allgemein gültige Ansicht verlassen und das Ganze mit mehr Distanz betrachten. Es geht dabei aber ein Bruch auf (nach Bachelard: siehe dazu mein Gespräch mit dem Hans Flury: dr-walser.ch/hansflury), der für uns Wissen-schafter schwer zu ertragen ist.

    Weitere Körperarbeit als Ergänzung

    Man kann überspitzt sagen, dass wir durch dieses Intrinsisch-Werden der Bewegung, durch die Aktivierung der Kernstrukturen und durch die Verbesserung des Gleichgewichtes in der „Normal Function“ des Rolfings  „kostenfrei“ auch die spiralige Verschraubung der Körperstruktur erreichen, die im Konzept der Spiraldynamik angestrebt wird.
    Sie ist eine wunderbare Ergänzung zum Rolfingprozess: Stabilität und Flexibilität kann dadurch noch zunehmen.
    Umgekehrt profitiert die Spiraldynamik durchs Rolfing in besserem Gleichgewicht und in der Verlagerung auf die intrinsische Bewegung.

    Dies kann man auch über sehr gut angeleitetes Pilates, Feldenkrais und die Alexandertechnik behaupten.

    Die hoch besungene „Stärkung“ dieser Rumpfstabilisatoren (Tiefenmuskeln) erreicht man übrigens frank und frei mit gut ausgeführtem Joggen – oder auch mit Wandern/Gehen/Flanieren oder (fischähnlich gutem) Crawlen!

    Yoga, Tai Chi, … als Ergänzung

    Was kann ich mit Sicht aus der Strukturellen Integration (Rolfing) her betrachtet, von Yoga (und anderen asiatischen Bewegungslehren, wie Tai Chi, Qigong,… und Kampfformen, wie Karate, Judo, Kendo, Wendo,…) erwarten, falls sie „gesundheitlich günstig“ sein sollen – man könnte auch „ökonomisch“ sagen, d.h. schonend für unserer Gelenke, Sehnen und Muskeln?!

    Ziele dieser Anwendungen, die häufig genannt werden, können unter Folgendem zusammengefasst werden:

    • Der „gleichmütige“ Geist des „Not to do!“, des Loslassens ist stärker, als das „To do!“ (Nicht schwimmen, sondern dich vom Fluss tragen lassen): Der Geist des Tao und des Zen.
    • Zentriert und stabil aus der Mitte (Hara, Kundalini, etc.).
    • „Aufrecht, biegsam und stark wie das Schilfrohr im Wasser oder wie der Bambus.“
    bambus

    Aus der Strukturellen Integration kennen wir das Prinzip der unangestrengten, ökonomischen Bewegung (und Haltung) im Gleichgewicht mit Bewegungsbeginn durch Reduktion der vorhandenen aktiven Spannung im Körper. Ich „lasse mich Gehen“ (und meine Beine schwingen sekundär hinten nach) und gehe nicht aktiv (hinter meinen Beinen nach). Die „Gratiskräfte“ werden entdeckt und benützt (Schwerkraft und Stützkraft der Erde, elastische Spannkraft des Bindegewebes) und höchstens minimal die Muskelkraft und wenn, dann primär die intrinsischen, tiefen, achsennahen Kernmuskeln. Länger und weiter werden ist das Ziel. Zuviel aktive Muskelarbeit verkürzt und verspannt unsere Oberfläche und staucht unseren Innenraum. Ökonomische Bewegung ist ruhig, schwingend und geschmeidig (katzenartig). Die Stabilität unseres Körpers entsteht durch Länge und aus dem Bindegewebe (und bleibt dabei beweglich und elastisch) – und nicht mit Muskelkräftigung (mit der Gefahr von Steifigkeit und Enger-Werden): Lesen Sie dazu meine Blogbeitrag übers „Body Stocking„)

    Dieser Anfang mit Spannungsreduktion ergibt ein „Not to do!“, eine isometrische „Tiefenaktivierung“ (Stabilität aus dem Bindegwebecontainer und dem Core) ergibt also eine Zentrierung und die dabei gleichzeitig mögliche Entspannung (der Oberfläche), die Biegsamkeit des Bambus!
    Dies ist auch eine Voraussetzung, dass unser Innenraum länger und weiter, unser Körper aufrecht und im Gleichgewicht sein kann.

    >>> Es hilft unter anderen:

    • Die Füsse beckenbreit und parallel… (dr-walser.ch/oekonomie_der_bewegung.pdf#page=2)
    • Die Hüftachse ist etwas hinter dem Lot (Tai Chi,…)…
    • Keine angespannte, äussere Bauchwand (Yoga,…)…
    • Und: nicht ZU aufrecht (bei „gehaltenem“, zu aufrechtem Stehen kommt das Becken nach vorn und man beginnt voll „in seiner Oberfläche zu hängen“ und damit die oberflächlichen Muskeln zu spannen (v.a. die äussere Bauchwand, Quadriceps und den Nacken) – damit verhindert man absolut die wichtige Tiefenaktivität und Zentriertheit! Füsse, Unterschenkel, Oberschenkel, Rumpf und Kopf sollten etwas eine Mittellinie in Form einer Zickzacklinie aufweisen. Unser Oberkörper weist dabei eine vorne konvexe Form auf (Brustbein senkrecht, Schultergürtel und Kopf liegen locker und balancierend oben drauf).

    Über den interessanten Aspekt, dass unser „Core“ auch eine „Aussenseite“ hat, lesen Sie hier: www.dr-walser.ch/hubertgodard.pdf#page=4).

    Wenn man bei den östlichen Bewegungs- und Kampfformen etwas Grundsätzliches bemängeln will, dann vielleicht der fehlende Bezug zum Alltag, zu unserer alltäglichen Bewegung und Haltung. Hier kann u.a. die Strukturelle Integration (Rolfing) und darin vor allem der aktive Teil der Bewusstseinsbildung (auch „Rolfing Movement“ oder „Normal Function“ genannt) ein sehr nützliches Bindeglied sein.

    Mein favorisierter Yogazugang sind die wunderbar geführten Yogaflow-Sessions von Mady Morrison 

    Myofasziale Triggerpunkttherapie als Ergänzung

    Seit den grundlegenden Arbeiten von Travell und Simons („Myofascial Pain and Dysfunction“, Williams & Wilkins, Baltimore, 1983/92) existiert ein neues Paradigma der Schmerzmedizin: Viele Bewegungsapparat-Schmerzen haben ihren Ursprung in der Muskulatur. Durch Überlastung oder Überdehnung können in einem Muskel Zonen unbeweglicher Zellen entstehen, die schlecht durchblutet und daher schmerzhaft werden. Diese erkrankten Muskelstellen lassen sich tasten:
    Hartspannstränge mit empfindlichen Stellen (sog. Triggerpoints). Dort lässt sich ein Schmerz provozieren, der oft in andere Körperregionen ausstrahlen kann (sog. Referred pain). Durch geeigneten manuellen Druck und Dehnung dieser Triggerpunkte, zusammen mit Faszientechnik, passiver und aktiver Dehnung des ganzen Muskels lässt sich der Schmerz und zusammenhängende vegetative und neurologische Symptome auch nach langer Zeit wieder beseitigen.
    Damit können häufig auch unklare Schmerzzustände (wie chronische Kopfschmerzen, Zustände nach Schleudertrauma, chronische Prostatitis und andere Beckenschmerzen (auch Dysmenorrhoe), Gesichtsschmerzen (auch Kieferschmerzen oder Glossitis), Karpaltunnelsyndrom,
    Tennis- oder Golfer-Ellbogen, chronische Achillessehnenschmerzen, etc. gelöst werden. Es ist aber sehr wichtig, dass man durch diese lokale Therapie die Gesamtintegration des Körpers nicht stört, d.h. es erfordert auch eine Kombination von lokaler Arbeit mit der strukturellen Integration (Rolfing!). Diese Technik, die neben dem Bindegewebe (im Rolfing) auch den Muskel einbezieht und damit ergänzend wirkt, habe ich im IMTT gelernt (www.imtt.ch).

    Beispiel einer Schmerzausstrahlung (hier aus Triggerpunkten der Scalenimuskel):

    Evidenz / Forschung:

    • Forschung im Bereich der künstlichen Intelligenz, Embodiment und in Biorobotik (v.a. durch das Team von Prof.Dr. Rolf Pfeifer, Universität Zürich, Dep. of Informatics: www.ifi.unizh.ch/ailab/ – sehr spannend sein Buch „How the Body Shapes the Way We Think, a New View of Intelligence“) ergaben sehr ökonomische und menschliche Bewegungen von einfachsten Robotern mit den Rolfing-Prinzipien der Bewegung. Im Gegensatz dazu laufen die kompliziert Hirn-gesteuerten Roboter, z.B. von Sony, völlig unnatürlich und mit enormen Energieverbrauch.
    • Rückenschmerzen und keine Ende?
      Führt das Wuchten des Kühlschranks beim Umzug zwangsläufig zu Rückenschmerzen? Ist Bettruhe bei Beschwerden im Kreuz wirklich die beste Therapie? Und sind Röntgenaufnahmen und bildgebende Verfahren die Ultima ratio aller Diagnostik? Maurits W. van Tulder vom Vrije University Medical Centre in Amsterdam ist daran gelegen, einige verbreitete Mythen und Halbwahrheiten zu korrigieren, die sich um Rückenschmerzen ranken (M.W. van Tulder, Schwerpunkt: Rückenschmerz: Die Behandlung von Rückenschmerzen Mythen und Fakten, Der Schmerz 6/2001).
      Er berichtet, dass nur sehr wenige der herkömmlichen Therapieansätze wirklich halten, was sie versprechen. So konnte nachgewiesen werden, dass Bettruhe, Physiotherapie (Krankengymnastik) und Übungstherapie bei akuten Schmerzen wirkungslos bleiben. Dies gilt übrigens auch für Akupunktur. Bei chronischen Verläufen ist eine Intervention mit Antidepressiva und Akupunktur ebenfalls unwirksam.
      Also Schmerzen und kein Ende? Als gesichert gilt, dass die Behandlung akuter Rückenschmerzen mit entzündungshemmenden und entspannungsfördernden Medikamenten den Krankheitsverlauf verkürzen und chronische Verläufe verhindern hilft. Trotz aller Beschwerden sollte auf Bewegung nicht verzichtet werden – vor allem bei chronischen Schmerzen sollte der Behandlungsschwerpunkt auf aktiven Übungen liegen. Auch verhaltenstherapeutische Anwendungen und gemischte Behandlungsprogramme (Chirotherapie/manuelle Eingriffe, wie Rolfing oder Triggerpunkttherapien in Kombination mit Rückenschulung/Haltungs- und Bewegungsverbessernde Massnahmen (wie ich dies z.B. in meine Rolfingsitzungen integriere) erwiesen sich als zielführend.
    • Laufen oder joggen fördert die menschliche Evolution – Forscher überprüften, welche charakteristischen Merkmale das Laufen ermöglicht hatten. Dazu gehörte die Entwicklung von langen, federartig arbeitenden Sehnen ( > Bindegewebsfaszien als Ausläufer ), die besonders Energie sparend sind. Muskeln sorgen dann für die Stabilisierung des Körpers beim Laufen (D.M.Bramble, D.E.Liebrman, Endurance running and the evolution of Homo; Nature 432,345-352, 18 Nov 2004).
    • Integrative Programme gegen chronische Rückenschmerzen, die Arbeitsplatzinterventionen (Ergonomie, Alltagshaltungen), kognitive Elemente und direkte Arbeit am Patienten beinhalten, sind viel effektiver als die Arbeit am Patienten allein: siehe hier: wonca-bmj-340.htm
      Auch bei Nackenschmerzen nachgewiesen: Bei hartnäckigen Nackenschmerzen sollte man nicht gleich zu Schmerzmitteln greifen. Besser sind Übungen, die man bis zu achtmal täglich macht. Auch Wirbelsäulen- Manipulation durch eine Fachperson, etwa einen Physiotherapeuten, half besser als Medikamente.
      Das zeigt eine Studie der Northwestern Health Sciences University in Bloomington (USA) mit fast 300 Teilnehmern (Annals of Internal Medicine, 2012 Jan 3;156(1 Pt 1):1-10).
    • Evid Based Complementary Altern Med. 2014 Jul 2. pii: 2156587214540466: Gait Changes Following Myofascial Structural Integration (Rolfing) observed in children with Cerebral Palsy. Hansen AB et al.
      Abstract: Children with spastic cerebral palsy experience difficulty with ambulante ation. Structural changes in muscle and fascia may play a role in abnormal gait. Myofascial structural integration (Rolfing) is a manual therapy that manipulates muscle and soft tissues to loosen fascia layers, reposition muscles, and facilitate alignment. This study aimed to document gait characteristics of 2 children with cerebral palsy and (2) effects of myofascial structural integration on their gait. Children received 3 months of weekly therapy sessions by an experienced practitioner. Gait parameters were recorded at baseline and after treatment using an electronic walkway. Children with cerebral palsy demonstrated abnormal velocity and cadence, decreased step length and single support times, and increased double support time. After treatment, both children demonstrated improvement for 3 months in cadence and double support time. The objective gait analyses demonstrated temporary improvements after myofascial structural integration in children with spastic cerebral palsy. © The Author(s)
    • Front Pediatr. 2015 Sep 10;3:74. doi: 10.3389/fped.2015.00074. eCollection 2015. Myofascial Structural Integration Therapy on Gross Motor Function and Gait of Young Children with Spastic Cerebral Palsy: A Randomized Controlled . Loi EC et al.
      Abstract: Though the cause of motor abnormalities incerebral palsy is injury to the brain, structural changes in muscle and fascia may add to stiffness and reduced function. This study examined whether myofascial structural integration therapy, a complementary treatment that manipulates muscle and fascia, would improve gross motor function and gait in children <4 years with cerebral palsy. Participants (N = 29) were enrolled in a randomized controlled trial (NCT01815814) or Open Label Extension. The main outcome was the Gross Motor Function Measure-66 assessed at 3-month intervals. Gait (n = 8) was assessed using the GAITRite(®) electronic walkway. Parents completed a survey at study conclusion. Comparing Treatment (n = 15) and Waitlist-Control groups (n = 9), we found a significant main effect of time but no effect of group or time × group interaction. The pooled sample (n = 27) showed a main effect of time, but no significantly greater change after treatment than between other assessments. Foot length on the affected side increased significantly after treatment, likely indicating improvement in the children’s ability to approach a heel strike. Parent surveys indicated satisfaction and improvements in the children’s quality of movement. MSI did not increase the rate of motor skill development, but was associated with improvement in gait quality.
      PMID: 26442234 [PubMed]
    • J Phys Ther Sci. 2017 Jun;29(6):1010-1013. doi: 10.1589/jpts.29.1010. Epub 2017 Jun 7.
      Influence of structural integration and fascial fitness on body image and the perception of back pain. Baur H et al.
      Department Sport Science, University Innsbruck, Austria.

      Abstract: [Purpose] The aim of this study was to examine the influence of Structural Integration and Fascial Fitness, a new form of physical exercise, on body image and the perception of back pain. [Subjects and Methods] In total, 33 participants with non-specific back pain were split into two groups and performed three sessions of Structural Integration or Fascial Fitness within a 3-week period. Before and after the interventions, perception of back pain and body image were evaluated using standardized questionnaires. [Results] Structural Integration significantly decreased non-specified back pain and improved both „negative body image“ and „vital body dynamics“. Fascial Fitness led to a significant improvement on the „negative body image“ subscale. Benefits of Structural Integration did not significantly vary in magnitude from those for fascial fitness. [Conclusion] Both Structural Integration and Fascial Fitness can lead to a more positive body image after only three sessions. Moreover, the therapeutic technique of Structural Integration can reduce back pain.
      PMCID: PMC5468186 Free PMC Article
    • Wilczyński J, Habik Tatarowska N, Mierzwa Molenda M. Deficits of Sensory Integration and Balance as Well as Scoliotic Changes in Young Schoolgirls. Sensors (Basel). 2023 Jan 19;23(3):1172. doi: 10.3390/s23031172. PMID: 36772216; PMCID: PMC9919114.
      Abstract:
      The aim of this study was to assess the relationship between sensory integration and balance deficits as well as scoliotic changes in young schoolgirls. The study comprised 54 girls aged 11 years with scoliotic changes. The Clinical Test of Sensory Integration and Balance of the Biodex Balance System platform were used to analyze the deficits in sensory integration and balance. Scoliotic changes were assessed using the Diers Formetric III 4D optoelectronic method. In the present study, there was a significant relationship between sensory integration and balance deficits as well as spine curvature angle (°) (p = 0.01), vertebral surface rotation (°) (p = 0.03), pelvic tilt (°) (p = 0.02), and lateral deviation (mm) (p = 0.04). The integration of the sensory systems has a positive effect on the structure of the intended and controlled movement as well as body posture and the development of the spine. In the treatment of scoliotic changes, one should also consider exercises that improve sensory integration as well as position and balance reactions.
      https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9919114/
    • J Clin Med. 2022 Oct 5;11(19):5878. doi: 10.3390/jcm11195878.
      Influence of Rolfing Structural Integration on Active Range of Motion: A Retrospective Cohort Study, Andreas Brandl et al.

      Abstract:

      Background: Recent work has investigated significant force transmission between the components of myofascial chains. Misalignments in the body due to fascial thickening and shortening can therefore lead to complex compensatory patterns. For the treatment of such nonlinear cause-effect pathology, comprehensive neuromusculoskeletal therapy such as the Rolf Method of Structural Integration (SI) could be targeted.
      Methods: A total of 727 subjects were retrospectively screened from the medical records of an SI practice over a 23-year period. A total of 383 subjects who had completed 10 basic SI sessions met eligibility criteria and were assessed for active range of motion (AROM) of the shoulder and hip before and after SI treatment.
      Results: Shoulder flexion, external and internal rotation, and hip flexion improved significantly (all p &lt; 0.0001) after 10 SI sessions. Left shoulder flexion and external rotation of both shoulders increased more in men than in women (p &lt; 0.0001) but were not affected by age.
      Conclusions: An SI intervention could produce multiple changes in the components of myofascial chains that could help maintain upright posture in humans and reduce inadequate compensatory patterns. SI may also affect differently the outcome of some AROM parameters in women and men.


    • www.rolfing.ch/faszienforschung/

     Weitere Links

    26minütiges Video von Mathias Avigdor, Rolfer in der Westschweiz  – u.a. auch Interview mit Hubert Godard: rolfing: 26 minütige Präsentation auf Deutsch

    Schweizerisches Rolf-Institut: www.rolfing.ch
    Europäisches Rolf-Institut: www.rolfing.org
    Internationales Rolf Institute in Boulder: www.rolf.org

    Einige Punkte der strukturellen Bewegungslehre (Normal Function von Flury) und das Tonic Function Model von Hubert Godard.

    Die Laufhaltung als Beispiel einer ökonomischen Bewegung.

    Zur Haltung bei anderen Sportarten und Körperübungen lesen Sie hier mehr: www.dr-walser.ch/haltung_im_sport/!

    Und hier ein Gespräch mit Hans Flury über Theorie und Praxis des Rolfings.

    Und hier noch von Wolf Wagner (auf englisch) eine Einführung der wichtigsten Fragen, die die Theorie der „Strukturellen Integration“ absteckt!

    Und auf meiner Website über das Gleichgewicht und über den Rundrücken – und in meinem Blog u.A. über das Tao und Zen im Rolfing oder über den „schönen flachen Bauch“.
    Zur Achtsamkeit im Alltag (in der alltäglichen Bewegung und Haltung).

    Video über meine Rolfingkollegin Astrid Widmer bei der Arbeit

    Literatur

    Ein sehr gutes Übungsbuch der „Normal Function“, d.h. ökonomischen Alltagsbewegung: Die neue Leichtigkeit des Körpers, Dr.med.H.Flury, Rolfer und Arzt (PDF hier).

    Hubert Ritter: „Rolfing – Strukturelle Integration“,
    München 2012, ISBN: 978-3-9812781-1-8

    Faszien als sensorisches und emotionales Organ – Faszien als Sinnesorgan von Robert Schleip, Katja Bartsch

    Sammlungen von Rolfing-spezifischen Arbeiten im Internet:
    rolf.org/
    pedroprado.com.br/
    resourcesinmovement.com/articles-archive/

    Veröffentlicht am 26.06.2017 von Dr.med. Thomas Walser
    Letzte Aktualisierung:
    19. Januar 2025

  • Ernährung

    Ernährung

    ESSEN kann THERAPIE sein – aber primär: GENUSS!

    Ratschläge zur Ernährung

    Was kann man heute in der Ernährung noch raten?

    Ich plädiere für einen entspannten Umgang mit der Ernährung. Zwanghaftes Streben nach Perfektion schadet der Psyche. Ein Stück Sahnetorte am Sonntag oder eine Tüte Chips ab und zu ist unproblematisch, wenn man sich sonst gesund ernährt und starkes Übergewicht vermeidet. Wer langfristig eine gesunde Basis hat, muss keine Angst vor gelegentlichem Junkfood haben.
    Die Ernährungsforschung der letzten Jahre zeigt mit ihren widersprüchlichen Befunden, dass es beim Essen weder strenge Gebote noch Verbote geben kann.
    Was kann man also heute noch raten?

    In Kürze

    Fülle die Hälfte deines Tellers mit buntem Gemüse und Obst – 30 verschiedene Sorten pro Woche.
    Belege ein Viertel mit Vollkornprodukten wie Hafer, Flocken, Pasta oder Brot.
    Den letzten Viertel bestücke mit eiweissreichen Lebensmitteln wie Hülsenfrüchten (Erbsen, Bohnen, Lupinen, Soja, Erdnüsse), Nüssen, Hartkäse, Fisch oder Ei (Weidefleisch nur sparsam).
    Ergänze täglich hochwertige Pflanzenöle wie Oliven-, Lein- und Rapsöl.

    Und halte die ideale Reihenfolge während einer Mahlzeit bei:
    1. Zuerst die Ballaststoffe (Gemüse, Salat, Nüsse), dann
    2. die Proteine (Nüsse, Hartkäse, Hülsenfrüchte, Fisch, Ei) und nur zum Schluss ab und zu
    3.) die Stärke (Brot, Pasta) und wenig Zucker (als Nachspeise!).

    • „Eat food. Mostly plants. Not too much.“ (Michael Pollan)
      „vrai, végétal, varié.“ (Anthony Fardet)
    • „mässig, regelmässig“:
    • Alles mit Mass. Iss weniger und langsamer. Iss nur, wenn du Hunger hast, nicht aus Langeweile. Gewöhne dich an kurze Hungerperioden: verlängere die Nachtfastenzeit und verzichte auf Zwischenmahlzeiten. Höre auf deinen Bauch.
      Iss mit Lust und Freude, aber beende den Genuss, bevor du übersättigt bist. Nur soviel, dass Du „normalgewichtig“ bleibst (Was ist normales Gewicht?).
      .
    • Geniesse, was du isst. Lerne, zu spüren, was dein Körper – und deine Seele – braucht und was dir im Moment gut tut. Das Ziel wäre also ein Wechsel von Genuss und Zurückhaltung, da wirklicher Genuss ohne zeitweiligen Verzicht nicht denkbar ist.
      .
    • Fürs Kauen brauchst du gute Zähne: Pflege sie liebevoll. Je einfacher die Mahlzeiten, desto dankbarer der Magen. Sei beim Essen guter Stimmung. Bei schlechter Laune verzichte lieber ganz. Schmücke den Esstisch und serviere die Speisen appetitlich und fantasievoll.
      .
    • Iss regelmässig, maximal dreimal täglich. „Am Morgen iss wie ein Kaiser, zu Mittag wie ein König, abends wie ein Bettler.“ (siehe dazu das Intervallfasten oder Dinner-Cancelling). Es hat sich als sehr günstig erwiesen, dass man regelmässig über den Tag weg, aber nicht zu häufig,  maximal dreimal pro Tag isst.
      Licht und Nahrung sind die wichtigsten Taktgeber für den Menschen. Sie sind am besten synchron. Das heisst, man nimmt nach Möglichkeit eine Hauptmahlzeit und (eins bis) zwei kleinere Mahlzeiten pro Tag zu sich. Man isst wenn möglich nur bei Tageslicht, da mit Eintreten der Dunkelheit unser Stoffwechsel sich umstellt und Fett und die Kohlenhydrate viel langsamer abgebaut werden.
      .
    • Vermeide zu viele tierische Produkte und Kohlenhydrate, besonders Backwaren mit Hefeschnellgärung. Bevorzuge Sauerteigbrot aus Vollkorn.
      .
    • Trinke viel, aber nicht zu viel, und achte auf deinen Durst.
      .
    • Iss, was wild wächst oder lebt. Wähle bunte Lebensmittel: 30 verschiedene Pflanzensorten pro Woche. Weiterlesen >>>
    • Bevorzuge regionale und saisonale Produkte.
    • Meide Lebensmittel, die deine Urgrossmutter nicht erkannt hätte. Verzichte auf Produkte, die als „light“, „fettarm“, „fettfrei“ oder „glutenfrei“ beworben werden, sowie auf solche, die im Fernsehen angepriesen werden.
    • Der Verarbeitungsgrad von Lebensmitteln ist ebenso wichtig wie der Nährstoffgehalt. Auch pflanzliche Industrieprodukte können problematisch sein: Viel Fastfood ist vegan, etwa Getränke, Chips, Snacks und Süssigkeiten. Achte beim Einkaufen auf kurze und verständliche Zutatenlisten, um schädliche chemische Zusatzstoffe zu vermeiden.
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    • Koche selbst, wenn du etwas für deine Gesundheit tun willst.
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    • Bleibe körperlich aktiv: „Lieber fett und fit als mager und matt! “ Es kommt nicht primär auf das Gewicht an, sondern auf die Fitness.
      .
    • Wähle zum Sattessen immer auch etwas Protein (Käse, Nüsse,…) mit viel Gemüse und Obst. An apple a day keeps the doctor away (besser: zwei bis drei)! Keine Fruchtsäfte allein.
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    • Der grösste Irrglaube ist, man könne seine Gesundheit durch ein einziges Lebensmittel besonders boosten. Das Konzept der Superfoods wie Chiasamen, Açai-Beeren und Moringa funktioniert nicht. Langfristig spielt es keine grosse Rolle, welche Hülsenfrüchte, Gemüsesorten oder Nüsse du isst. Eine ungesunde Ernährung lässt sich nicht durch Ingwer-Shots oder Selleriewasser kompensieren.

    Geniessen

    Esswaren sind Genussmittel, Moodfood oder „Stimmungsnahrung“. Sie sind zum Geniessen da! Wirf deine Nährwerttabellen, Diätratgeber und Multivitaminpillen in den Müll und beginne, dein Essen zu geniessen. Auch Mediziner und Ernährungsexperten mussten umdenken. Jahrzehntelang lehrten sie, alles, was Spass macht und schmeckt – Alkohol und Zucker, Fett und Salz – mache uns krank.

    Doch der Biss in die Praline, der Schluck Rotwein oder der dampfende Espresso lassen uns wohlfühlen und sind Labsal für die Seele. Diesem Gefühl kann man trauen. Wissenschaftliche Analysen haben nachgewiesen, dass Schokolade Hunderte von Aromastoffen und einige marihuanaähnliche Substanzen enthält, die nachhaltige Genusswonnen bereiten.

    Natürlich gilt auch hier: alles in Massen. Werde nicht zum „Chocoholic“. Siehe dazu auch meine Seite „Genuss und Schuldgefühle“! Hier noch eine interessante Studie über die Korrelation von Schokoladenkonsum und der Anzahl der Nobelpreisträger in einer Nation.

    Wenn Du für deine Gesundheit etwas tun willst, koche Dir selbst

    Denn sonst kochen die, die dafür bezahlt werden. Und die würden uns so schnell und billig wie möglich abspeisen!
    Iss alles, was du willst, und geniesse es. Du willst Apfelkuchen? Iss heute Abend einen ganzen Apfelkuchen! Mit Keksen und Eis? Iss alle Kekse und das ganze Eis, das du heute Abend schaffst. Du musst nur eines tun: Mach alles selbst, den Kuchen, das Eis, die Kekse!
    Du weisst, was dann passiert: Wenn du alles selbst kochst, wirst du heute Abend vermutlich weder Apfelkuchen noch Kekse noch Eis essen – oder nur sehr wenig.

    Vollwertig

    Bevorzuge möglichst naturbelassene, vollwertige Nahrungsmittel, d.h. nicht solche denen irgendwelche Teile entzogen sind (raffinierte) – also Vollkornmehl anstelle von weissem Mehl (Vollkornbrot, Vollkornteigwaren),  Vollreis oder Naturreis anstelle von poliertem Reis, frische Speisen anstelle von Konserven,… „Vollwertig“ dürfte sich Gemüse, Obst und Getreide eigentlich nur nennen, wenn es aus biologischem Anbau stammt, welcher ohne Gifte zum Spritzen und Düngen auskommt.

    Immer Produkte aus der Nähe bevorzugen (Auf den Markt gehen! – Direkt beim Bauern kaufen! Eigener Garten – auch nur auf dem Fenstersims!). Nahrung aus fremden Kontinenten empfehle ich zu reduzieren oder zu meiden. Die heute (mit ungeheurem Energieverschleiss) aus Übersee – zu Spottpreisen – importierte Nahrung wird in riesigen Monokulturen angepflanzt, was gegen die Natur ist und deshalb einen massiven Wasserverbrauch und enorme Düngung und Pestizide/Insektengifte nötig macht. Ferner fordert jeder lange Transport Massnahmen der Haltbarmachung, was heute wiederum meist mit der chemischen Keule erfolgt. Paradebeispiele sind Bananen, Ananas, aber auch Kaffeebohnen!

    Saisongerechte Salate, Gemüse und Obst auftischen: Tomaten, Gurken und Kopfsalat nur kaufen, wenn sie nicht aus beheizten Treibhäusern stammen! Im Winter beschränkt man z.B. den Kopfsalatkonsum. Auch Eier sind Saisonartikel. Wenn wir Freilandeiern den Vorzug geben, müssen wir uns darauf einstellen, dass die Hühner im Winter weniger legen (Weiterlesen über „saisongerechtes“ Essen hier unten & in meinem Blog).

    Um es mit Michael Pollan zu sagen: „Essen Sie nichts, was ihre Urgrossmutter nicht als Essen erkannt hätte!“ (aus „64 Grundregeln ESSEN“)

    Mediterrane Ernährung

    Die sogenannte mediterrane Ernährung könnte man auch „Jäger und Sammler-Ernährung“ nennen (siehe dazu auch die „Paleodiät„). Sie kann als Muster einer gesunden Ernährung angesehen werden. Man kann sich dabei auf eine stattliche Anzahl von Beobachtungsstudien und eine darauf basierende Metaanalyse aus Italien stützen (Francesco Sofi et al. BMJ 2008;337:a1344). Diese fand ein signifikant geringeres Risiko für die Gesamt- und für die kardiovaskuläre Mortalität (-10%), eine geringere Häufigkeit von Krebserkrankungen und ein geringeres Risiko an Krebs zu sterben (-10%) sowie eine geringere Inzidenz von M.Parkinson und Alzheimer (-15%). Auch das Risiko, an einer Depression zu erkranken sinkt bei einer mediterranen Diät.

    Die Mittelmeer-Diät kann auch die Sterblichkeit deutlich senken. In einer Langzeitstudie über 25 Jahre konnten Dr. Shafqat Ahmad und ein Team aus Forschern der Harvard Medical School, der Uppsala Universität und der ETH Zürich erstmals zeigen, dass die Einhaltung der mediterranen Kost mit einem um 23% geringeren Risiko für frühzeitigen Tod verbunden ist. Die Ergebnisse wurden in JAMA Network Open publiziert.

    In einer grossen Studie von 25’000 griechischen Frauen und Männer zeigte sich, welche Faktoren bei einer gesunden mediterranen Ernährung wichtig sind:

    • mässiger Alkoholkonsum
    • geringer Verzehr von Fleisch und Fleischprodukten – aber viel Fisch (bei sogenannt „grüner mediterraner Ernährung“, welche vielleicht noch gesünder ist, isst man gar kein Fleisch und wenig Fisch & wenig Milchprodukte/ Eier)
    • viel Gemüse und Hülsenfrüchte
    • viele Früchte (zwei Handvoll pro Tag) und Nüsse (eine Handvoll)
    • 30 verschiedene, mehrfarbige Pflanzensorten pro Woche…
    • mehr einfach ungesättigte als gesättigte Fette oder Öle- d.h. mehr Lein-, Oliven- oder Rapsöl und mehr Nüsse – und weniger Sonnenblumen-, Maiskeim-, Distelöl und Fleisch.
    • Dazu gehört auch wieder das Massvolle: Essen Sie wenig und kleine Portionen wie die Japaner.

    Das Essen von viel Getreide und von wenig Milchprodukten war aber nur mit einer minimalen gesundheitlichen Besserung verbunden.(Anatomy of health effects of Mediterranean diet: Greek EPIC prospective cohort study -Trichopoulou A, Bamia C, Trochopoulos D. BMJ  2009 (July 4); 338: b2337 http://fulltext519.notlong.com/)

    Eine mediterrane Ernährung ist mehr als nur die Zusammensetzung von Mahlzeiten. Sie ist Ausdruck von Tradition und einer ritualisierten Lebensführung, bei der die Verwendung ausgesuchter Produkte, die Zubereitung und das entspannte Geniessen im Kreis der Familie oder mit Freunden eine grosse Bedeutung haben. Menschen in Südeuropa bestätigt die Studie darin, zu tun, was sie immer schon getan haben. Inwieweit Leute in Nord- und Mitteleuropa von den Erkenntnissen profitieren, bleibt eine unbeantwortete Frage. Sie werden es vielleicht nur dann, wenn sie einen mediterranen Lebensstil übernehmen – und nicht nur einen mediterranen Speiseplan.

    Nordische Ernährung

    Sie ist ganz ähnlich wie die mediterrane Küche, aber saisonaler und vor allem regionaler. Z.B. Wurzelgemüse statt Auberginen/Tomaten. Bei Rezepten aus der mediterranen Küche kann zur Kritik angeführt werden, dass z.B. Tomaten im Winter nicht passen. Daher scheint mir dieser nordische Ansatz sehr interessant.

    Mediterrane ErnährungNordische Ernährung
    OlivenölRapsöl, Leinöl, Nussöl
    Gemüse, Hülsenfrüchtemöglichste lokale Gemüse: Wurzelgemüse, Kohl, Hülsenfrüchte
    ObstBeeren, insbesondere wild wachsende Sorten; heimisches Obst wie Äpfel oder Birnen
    VollkornweizenVollkornroggen, -hafer, -gerste
    NüsseNüsse
    Fisch und MeeresfrüchteSüsswasserfisch, Seefisch
    Fleisch, Geflügel in MassenWild, fettarmes Fleisch und Gefügel in Massen
    Käsefettarme Milchprodukte wir Joghurt oder Skyr; Käse

    Der nordische Ernährungsplan im Überblick

    • regional und saisonal!
    • Reichlich Gemüse, dazu Beerenfrüchte und anderes heimisches Obst
    • Kartoffeln, Reis und Pasta möglichst als Vollkornvariante und nur in geringem Umfang (nur etwa 15 Prozent Anteil)
    • Fleisch nur in Massen („Sonntagsbraten-Prinzip“), am besten Wild oder aus artgerechter Haltung, aber dreimal pro Woche Fisch
    • Traditionelle Zubereitungsmethoden verwenden, wie schonendes Garen im Ofen/Schmortopf (Niedrigtemperatur) oder Fermentieren von Fisch und Gemüse (Milchsäuregärung)
    • Meiden von zuviel Butter und fettreichen Milchprodukten
    • Wurstwaren nur sehr selten.

    Ganz egal, ob man sich mit der nordischen oder mediterranen Kost befasst – beide Ernährungstypen sind sehr gesund und empfehlenswert. Es geht hier um hochwertige Öle, um reduzierten Fleischkonsum, aber um Ballaststoffe sowie Fisch und um eine fett- und zuckerarme Ernährung.


    Paleodiät (Steinzeit- oder Jäger- und Sammlerernährung):
    Alles begann mit der Beobachtung, dass Völker, die immer noch als Jäger und Sammler leben, eine erstaunlich niedrige Herzinfarkt- und Schlaganfall-Inzidenz haben, und diese aber ansteigt, sobald sie sich der typischen westlichen Ernährungsweise anpassen. Daraus entstand dann die Idee, eine „Jäger-und-Sammler-Diät“ auszuprobieren. Wie der Name schon verrät, beruht diese auf der vermuteten Ernährungsweise aus der älteren Steinzeit bevor der Mensch sesshaft wurde und Getreide anpflanzte und Kühe hielt. Damals nahm man hauptsächlich Fisch, mageres Fleisch, Früchte, Gemüse, Nűsse und Eier zu sich. Getreide und Milchprodukte gehörten nicht auf den Speiseplan – also kein Brot, kein Käse, keine Butter, keine Pasta, kein Reis. Und auch keine Fertigprodukte, Farbstoffe, Functional Food usw.. Das stellt natürlich einen grossen Unterschied zu unserer heutigen Ernährungsweise dar.

    Entscheidend könnte bei der Paleo- oder mediterranen Ernährung die Kombination von ungesättigten Fetten mit Gemüsen wie Spinat, grünem Salat, Rucola oder Fenchel sein. Diese enthalten viel Nitrat. Zusammen mit den ungesättigten Fetten – zum Beispiel aus Olivenöl, Nüssen oder Avocado – bildet das Nitrat einen Stoff, der den Blutdruck senkt. Dies ist zudem ein Hinweis, dass Nitrat in Gemüse keineswegs so schädlich ist, wie man früher annahm. In den vergangenen Jahren zeigten bereits mehrere Studien, dass eine nitratreiche Ernährung für Herz und Gefässe von Nutzen ist.

    Iss also wie die Italiener. Oder die Griechen. Oder die Franzosen. Oder die Japaner. Vielleicht aber mit weniger Pasta, keinem Brot, wenig Käse und Butter…

    In dieselbe Richtung zeigt die grosse und sehr sorgfältig durchgeführte PURE-Studie, die zeigt, dass vor allem 7 Lebensmittel unser Leben verlängern: Ein hoher Anteil an Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse, Milchprodukte, Fisch und (selten) Weide-Fleisch.
    Beim Fleisch würde ich ein grosses Fragezeichen stehen lassen.

    Ernährung als Ersatzreligion – Abgrenzung und Erhöhung über andere

    Was ist richtige Ernährung? Wie sollte sie aussehen? Welche Lebensmittel gehören dazu, welche nicht? Und wer kann sie sich leisten?
    Diese Fragen sind heute mehr als nur Stoff für Lifestyle-Debatten. Die Antworten prägen zunehmend unsere Identität, bestimmen unsere soziale Schicht und Lebensphilosophie. Essgewohnheiten dienen längst dazu, sich von anderen abzugrenzen.
    Früher war das Essen privat und kaum ein Thema für die Öffentlichkeit. Heute ist Ernährung ein Statement, eine Form des Selbstmarketings. „Man ist, was man isst“ gilt mehr denn je. Der Essensstil ist zur politischen Überzeugung, zur Ersatzreligion geworden, die man stolz zur Schau stellt und missionarisch verbreitet. Ernährung wird oft mit moralischer Überzeugung gleichgesetzt. Bewusster Umgang mit Nahrung ist an sich gut. Kritikwürdig ist nur der inszenatorische Charakter. Wenn man Essgewohnheiten nutzt, um sich über andere zu erheben, die keinen so kritischen und bewussten Zugang zu Lebensmitteln haben – oft, weil ihnen die finanziellen Mittel fehlen.

    Kohlenhydrate

    Kohlenhydrate wie Reis, Brot, Kartoffeln und Pasta beruhigen und entspannen, während Fett träge macht. Eiweisse hingegen stärken den Körper und aktivieren. Morgens also Proteine, abends Kohlenhydrate! Man könnte einwenden, dass man vor Anstrengungen am besten nichts oder kohlenhydratreich isst – Tiere jagen auch mit leerem Magen, essen danach und ruhen dann. Das zeigt, dass man „Regeln“ beim Essen mit Vorsicht geniessen sollte.

    Noch ein Tipp für einen gesunden Blutzuckerhaushalt und zur Diabetesprophylaxe: Kohlenhydrate nie allein oder zu Beginn einer Mahlzeit essen – immer nach Pflanzen oder Ballaststoffen.
    Lesen Sie hier weiter „Wenig Kohlenhydrate ist besser!

    Zucker

    Zucker hebt sofort die Stimmung. Ob Schokolade, Konfitüre, Eis oder Kuchen: Der Blutzuckerspiegel steigt ebenso schnell wie unsere Laune, da der Körper Endorphine produziert. Die Lust auf Zucker ist uns angeboren: Schon Babys lächeln zufrieden, wenn man ihnen das erste Mal Zuckerlösung auf die Zunge träufelt (Muttermilch ist ebenfalls sehr süss). Bei Salzigem und Saurem verziehen sie dagegen das Gesicht. Bitteres ist in der Natur meist giftig.
    Zucker verstärkt die süssen Momente des Lebens. Feste ohne Süssigkeiten sind unvorstellbar. Hochzeiten, Geburtstage, Ostern, Weihnachten oder neue Rituale wie Halloween lassen sich kaum ohne Bonbons, Schokolade oder Biskuits feiern. Und was wäre ein heisser Sommertag ohne den Besuch an einem Glacestand?
    Auch sprachlich überzieht ein Zuckerguss das Gute, Schöne, Wahre. Kinder, kleine Kätzchen und andere niedliche Wesen gelten als „süss“, geliebte Partner ebenso. Wer jemandem Komplimente bis an die Schmerzgrenze macht, schmiert ihm Honig ums Maul. Kurz: Das gute Leben ist voller Süsse.
    Dazu passt eine universelle menschliche Vorliebe für diesen Geschmack: Die Versuchung ist stets gross, der Verzicht auf Schokolade, Eis, Kuchen oder andere Süssigkeiten trotz bester Vorsätze kaum durchzuhalten. Netten Menschen fällt es womöglich besonders schwer, die Finger von zuckrigen Versuchungen zu lassen. Forscher berichten zumindest von einem Zusammenhang, der sich in diese Richtung interpretieren lässt. Wie sie im Journal of Research in Personality schreiben, schätzen Menschen mit verträglicher Persönlichkeit Süsses in besonderem Masse. Weniger freundliche Charaktere offenbaren zumindest eine etwas geringere Vorliebe für Gezuckertes.

    Probleme mit Zucker

    Ein Problem entsteht bei kurzkettigem, schnell wirkendem Zucker (Weisszucker, Weissmehl): Der Blutzuckerspiegel schiesst in die Höhe und fällt nach einer Stunde wieder ab. Diese Unterzuckerung (Hypoglykämie) erzeugt ein starkes Hungergefühl und ein Teufelskreis beginnt (wieder ein Riegel und nach einer Stunde wieder eine Cola. ..).

    Zudem erhöht Zuckerkonsum das Hormon Insulin im Blut, das die Bauchspeicheldrüse ausschüttet. Insulin verhindert den Fettabbau im Körper. Zwischenmahlzeiten können also dick machen!

    Die goldene Regel für einen gesunden Blutzuckerhaushalt (Diabetesprophylaxe): Kohlenhydrate nie allein oder zu Beginn einer Mahlzeit – immer nach Pflanzen/Ballaststoffen.

    Zuckerhaltige Limonaden (Coca, Red Bull und Konsorten) bergen noch weitere Tücken:

    • Der Konsum von mindestens zwei zuckerhaltigen Limonaden am Tag erhöht die Wahrscheinlichkeit für Gicht um 85 Prozent. (BMJ, Bd.336, S.309)
    • Diese Studie zeigt einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen dem täglichen Konsum von mit Zucker gesüssten Getränken und einem erhöhten Risiko für Leberkrebs sowie dem Risiko, an einer chronischen Lebererkrankung zu sterben. (Zhao L et al. Sugar-Sweetened and Artificially Sweetened Beverages and Risk of Liver Cancer and Chronic Liver Disease Mortality. JAMA. 2023 Aug 8;330(6):537-546. doi: 10.1001/jama.2023.12618. [Link])

    Künstliche Süssstoffe

    Noch eine Bemerkung zu den künstlichen Süssstoffen (oder Zuckeraustauschstoffe wie Saccharin (E 954), Cyclamat (E 952), Aspartam (E 951), Splenda = Sucralose (E 955), Acesulfam K (E 950), Isomalt (E 953), Thaumatin (E 957)…): Sie können dann ein Problem werden, wenn du sie allein, ohne etwas Nahrhaftes zu dir nimmst. Sie treiben die Insulinproduktion hoch und liefern aber zugleich nicht genug Kalorien: Der Hunger wird angeregt, ohne gestillt zu werden. Forscher vermuten, dass diesen Süssstoffen mit der Fähigkeit, Süsses mit Kalorien zu assoziieren, in die Quere kommt. Dadurch werde es schwieriger, die Essensmenge zu kontrollieren. Das System kommt nicht zur Ruhe. Jemand, der eben um 14 Uhr einen künstlich gesüssten Snack gegessen hat, wird schon gegen 16 Uhr ein Stück Kuchen haben wollen.

    Frühere Studien lieferten bereits Hinweise, dass ein hoher Süssstoff-Konsum mit einer schlechteren Blutzucker Kontrolle verbunden ist und dass der HbA1c-Wert mit zunehmendem Konsum Süssstoff-haltiger Getränke ansteigt.
    Kalorienfreie Süssstoffe beeinträchtigen offenbar die Aufnahme und die Kontrolle des Blutzuckers, indem sie das Darmmikrobiom durcheinanderbringen, wie australische Forscher erstmals zeigen konnten. [54th Annual Meeting of the European Association for the Study of Diabetes (EASD), 1. bis 5. Oktober 2018, Berlin].

    Und hier:
    Eine sehr umfassende und sorgfältige Studie findet, dass diverse, bisher als metabolisch neutral angesehene künstliche Süssstoffe zu charakteristischen Veränderungen des kolorektalen (intestinalen) Mikrobioms und damit zusammenhängenden sekundären Veränderungen bei einer Reihe von systemisch zirkulierenden Metaboliten («Metabolom») führen. Die Folge davon war, was man eigentlich verhindern möchte: Die Glukosetoleranz verschlechterte sich signifikant, wobei die interindividuellen Unterschiede recht gross waren. Die klinischen Implikationen künstlicher Süssstoffe könnten also negativer Art sein, die Ernährungsberatung mithin (nochmals) schwieriger.
    Cell. 2022, doi.org/10.1016/j.cell.2022.07.016.

    Selbst der beliebte Zuckeraustauschstoff Xylit oder auch Erythrit scheinen mit einem erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen assoziiert. (European Heart Journal; Witkowski M, et al: 06/2024)

    Also: Besser noch wenig pflanzlichen Zucker als reine Chemie! (Behavioral Neuroscience, Bd.122, S.161)

    Gesunde bewältigen Blutzuckerschwankungen problemlos

    Was sind Glukosespitzen? Einige Pseudowissenschaftler behaupten, Nichtdiabetiker sollten bei einem Anstieg von mehr als 30 Milligramm Zucker pro Deziliter Blut nach dem Essen alarmiert sein. Dieser Wert ist unbegründet und erfunden.

    Bei gesunden Westeuropäern übersteigt ein normaler Frühstücksanstieg oft diesen Wert. Auch nach Mittag- und Abendessen sind höhere Werte üblich. 140 mg/dl nach den Mahlzeiten sind unproblematisch. Gesunde verkraften auch kurze Peaks über 160 oder 180 mg/dl. Vor dem Essen liegt der Durchschnittswert bei Nichtdiabetikern bei etwa 80 mg/dl.

    Unser Körper ist darauf ausgelegt, viel Glukose zu verarbeiten. Bei starkem Anstieg schüttet die Bauchspeicheldrüse Insulin aus, das den Zucker schnell in die Zellen transportiert.  Hohe Werte nach dem Essen werden erst problematisch, wenn der Körper seinen Zuckerstoffwechsel nicht mehr selbst regulieren kann. Das geschieht, wenn die Zellen nicht mehr auf Insulin reagieren, wenn sie taub für das Signal werden. Übergewicht ist die Hauptursache für Insulinresistenz, da Fettzellen Botenstoffe produzieren, die die Hormonfühler desensibilisieren. Abnehmen, Sport oder mehr Bewegung im Alltag machen die Rezeptoren wieder empfindlicher.

    Bleibt dies aus, verliert der Körper zunehmend die Fähigkeit, Zucker aus den Blutgefässen abzutransportieren. Aus Insulinresistenz entsteht Typ-2-Diabetes. In diesem Stadium haben Betroffene oft mehr als acht Stunden am Tag Blutzuckerwerte über 140 mg/dl, nach den Mahlzeiten sind auch 180, 200 oder 220 mg/dl nicht selten. In solchen Mengen wird Blutzucker tatsächlich gefährlich.

    Bei Diabetikern ist nachgewiesen, dass extreme und häufige Schwankungen das Risiko für Gefässe und Organe erhöhen. Doch solche Belastungen betreffen Gesunde nicht. Bei Diabetikern verstärken zudem andere Faktoren die Zuckerwirkung: eine chronische, durch Fettgewebe angeheizte Entzündung im Körper und gestörte Signalwege im Gehirn.

    Insulin und metabolisches Syndrom

    Hyperinsulinismus (Metabolisches Syndrom): Leute, die unter Hyperinsulinismus (zuviel Insulin im Blut) leiden, können Kohlenhydrate nicht mehr richtig verarbeiten und in Energie umwandeln. Bei ihnen lagert sich – ganz typisch für diese (vererbte) Stoffwechseldisposition – Fett vor allem in der Bauch- und Taillengegend ab. Leider besitzen einen Grossteil der Übergewichtigen diese Störung. Insulin ist ein anaboles Hormon. Im Fettgewebe bewirkt es eine Hemmung der Lipolyse und eine Steigerung der Lipogenese. Es bunkert das Fett an Bauch und Hüften. Solange Insulin im Blut schwimmt, können fettabbauende Enzyme ihre Wirkung nicht entfalten und wir nicht abnehmen. Zudem führt Insulin an der Muskulatur zur vermehrten Glukoseaufnahme und Glykogenspeicherung. Ferner nimmt durch die Blutzuckerabnahme die Glukosurie (Zuckerausscheidung im Urin) ab. Energiereiche Glukose, die vorher mit dem Harn verlorengegangen ist, bleibt nun im Körper und wird, wenn sie nicht verbraucht wird, als Fett gespeichert.
    Ein Hyperinsulinismus kann der Hausarzt diagnostizieren. Dann heisst es nur noch einmal am Tag Vollkorn, geschrotetes Korn und kein Brot oder Backwaren essen. Teigwaren, Reis, Hülsenfrüchte oder Kartoffeln nur noch in kleinen Mengen essen. Es ist der „glykämische Index = GI“ der Lebensmittel wichtig.

    Man isst am besten mehr Gemüse und Früchte (vielleicht aber Obst nur zwei Handvoll täglich) und schlussendlich auch mehr Eiweiss… Denn Eiweiss in nicht allzu grossen Portionen provoziert die Ausschüttung von Glucagon, einem Hormon, das Fett aus den Zellen holt (die Atkins-Diät, d.h. nur noch Speck und Spiegeleier, ist deshalb noch lang nicht richtig. Man nimmt anfangs tatsächlich etwas ab, mag sich aber nie lange so einseitig ernähren!).

    Übrigens: Bananen schmecken zwar sehr süss. Sie enthalten aber nur mittlere Mengen an Fruchtzucker, etwa 3,6 Gramm pro 100 Gramm. Deutlich mehr hat es in Äpfeln, Birnen, Kirschen und Trauben.

    Zwischenmahlzeiten unterhalten den Hyperinsulinismus (Insulin wird selbst bei einem Apfel wieder ausgeschüttet). Pausen von mehr als 7 Stunden zwischen den Mahlzeiten sind ideal und nachts ab und zu sogar 14 Stunden (siehe meine Seite über das Dinner Cancelling).

    Kurzum: Nordische Ernährung, Traditionelle Mittelmeerkost (mediterrane Ernährung), Paleodiät (Essen wie ein „Jäger und Sammler“), die LOGI-Methode und die Vollwert-Ernährung sind typische Beispiele für eine Kost mit niedrigem GI bzw. niedriger GL – ohne dass diese Werte hier explizit dokumentiert werden. Und diese Formen der Ernährung werden auch bereits heute von fast allen Forschern als empfehlenswert gegen das Metabolische Syndrom eingestuft.

    Fett

    Zuerst mal: Es gibt keine einzige Untersuchung, die einen langfristigen gesundheitlichen Nutzen einer fettarmen Diät belegt. Aber: Fett macht hungrig! Schon länger vermuten Mediziner, dass fettes Essen süchtig macht. Fett aktiviert das Hungerhormon Ghrelin. Die Folge: Statt zu sättigen, fördert das fette Essen den Appetit und man isst noch mehr.
    Wichtig ist auch hier v.a. die Qualität der Fette. Unterscheiden wir die Omega-6- von den Omega-3-Fettsäuren (auch n-6 oder n-3-Fettsäuren): Die mehrfach ungesättigten Omega-6-Fettsäuren (unter ihnen ihr wichtigster Vertreter, die Linolsäure) findet sich besonders reichhaltig in bestimmtem Pflanzenölen wie Sonnenblumen-, Maiskeim- und Distelöl. Die Omega-3-Fettsäuren existieren im Fisch (v.a. in fetten Meeresfischen, wie Hering, Lachs, Makrelen – aber auch in Süsswasserfischen, nur bei wild und nicht in Zucht lebenden). Dort v.a. die DHA (Docosaheexanensäure) und die EPA (Eicosapentaensäure) und eine etwas kürzerkettige, die Alpha-Linolensäure vorwiegend in Pflanzen, v.a. in Oliven-, Lein- und Rapsöl und in vielen Nüssen (speziell in Baumnüssen, natürlich auch im Walnussöl) und in grünem Gemüse. Der Nachteil dieser Pflanzen-n-3-Fettsäuren ist ein geringerer Wirkungsgrad als Herzschutz (und nur in Verbindung mit gleichzeitig eingenommenen Antioxydantien, zum Beispiel in Form von Gemüse und Olivenöl, wirksam) – geringer als die Fisch-n-3-Fettsäuren. Auch Wildtier-Fleisch hat gutes n-3, in kleineren Mengen auch Eier und Milch von Weidetieren! Die Tierhaltung ist also enorm wichtig (anderes Futter)!
    Omega-6 ist wohl doch nicht so schlecht wie es lange dargestellt wurde – man hat es aber sowieso genügend in unserer täglichen Nahrung. Was meist fehlt sind die Omega-3. Die beachtet man nach Möglichkeit und isst dann mehr davon!

    Langer Rede kurzer Sinn:
    Mehr Fisch (v.a. wilder, freilebender, auch einheimischer oder direkt daraus das Fischöl), mehr Lein-, Oliven- oder Rapsöl und Nüsse und grünes Gemüse – und weniger Sonnenblumen-, Maiskeim- und Distelöl (siehe auch bei der mediterranen oder nordischen Ernährung).

    Übrigens: Je bitterer ein Öl (v.a. Olivenöl) ist, umso mehr Polyphenole (Antioxidantien) enthält es (siehe unter „Stärkung des Immunsystems„). Auch ein Grüntee, der bitter schmeckt (also das Kraut 5 bis 7 Minuten gezogen hat), enthält viel mehr Polyphenole! Und auch die bitteren Apfelsorten (z.B. Boskop – und dabei vor allem auch die Apfelhaut)…

    Der optimale Fettbedarf ist heute sehr umstritten. Es ist wie oben beschrieben die Qualität des Fetts, welches wichtig ist und nicht so sehr die Menge. Es wird sogar auf den Steinzeitmenschen verwiesen, dessen Verdauung und Stoffwechsel wir immer noch haben – unsere Ernährung hat sich aber grundlegend verändert: Der Urmensch ass mindestens zwei Drittel tierische Produkte (v.a. aber Wildtiere und Fisch!). Da er zudem auch viele Pflanzen verzehrte, die n-3 enthalten, liegt das n-6-n-3-Verhältnis in dieser fettreichen Nahrung bei wesentlich günstigeren Werten als bei uns. Es fehlen auf dem Speisezettel der Wildbeuter die in der heutigen Ernährung dominierenden blutzuckersteigernden Getreideprodukten.

    Aber aufgepasst: kalorien- und fettreduzierte Nahrungsmittel gelten als „gesund“, so dass man beliebig viel davon essen kann und dann in der Summe mehr Kalorien und Kohlenhydrate aufnimmt, als wenn man eine normale Portion eines nicht fettreduzierten Nahrungsmittels genommen hätte. Durch den Reboundeffekt kann der Insulinspiegel unter die Norm absinken, was dann wieder Hunger auslöst. So können besonders Kohlenhydrate mit hohem GI als „Hungermacher“ agieren.
    Unter einer zu kohlenhydratlastigen und fettarmen Diät verschlechtert sich das Lipidprofil stark.

    Übrigens: Der schlechte Ruf der gesättigten Fette ist unbegründet. Bereits 2010 kam ein kalifornisches Forscherteam zum Schluss, dass es keine Beweise dafür gibt, dass sie Herzkrankheiten begünstigen. Im März 2017 bestätigten englische Forscher diese Erkenntnis. Die Forscher hatten Daten von über 600’000 Menschen aus 18 Ländern ausgewertet. Dabei zeigte sich: Menschen, die auf gesättigte Fette verzichten, haben nicht weniger Herzinfarkte und Schlaganfälle. Die Forscher fordern, dass die Behörden ihre Empfehlungen überarbeiten.
    Die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse bedeuten aber nicht, dass Fleisch und Wurst sehr gesund wären. Wer viel rotes Fleisch isst, hat ein höheres Risiko für Krebs und Arterienverkalkung (der Link ist auch hier die Darmflora). Und in Würsten stecken krebserregende Pökelstoffe und viel Salz.

    Eier

    Ein Konsum von mehr als einem Hühnerei pro Tag ist – gemäss einer Metaanalyse [Am J Med. 2021, doi.org/10.1016/j.amjmed.2020.05.046] – mit einer verminderten Wahrscheinlichkeit assoziiert, einen Schlaganfall oder eine koronare Herzkrankheit zu erleiden. Eier sind reich an Mineralien, ­Folsäure, Vitamin B12 und fettlöslichen Vitaminen, aber ob diese den klinischen Effekt bedingen, ist kausal nicht geklärt.

    Ein grosses Hühnerei enthält etwa 180 mg Cholesterol, aber es gibt keine überzeugende Evidenz, dass dadurch auch die Blutfette erhöht werden.

    Eiweiss: Fleisch? – besser Nüsse und Hülsenfrüchte

    Soll ich Eiweiss aus tierischen oder pflanzlichen Quellen essen?

    Der Genuss von tierischem Eiweiss (=Fleisch, Fisch, Ei) ist heute mit vielen Gefahren, ja „Schweinereien“ verbunden (Hormone, Antibiotika, Gifte, Mikroben, Klimaschaden,… ).
    Die Fleischindustrie ist ganz auf billige Massenproduktion und den Export getrimmt. Allein bei Tönnies in Rheda arbeiten 7000 Leute und zerlegen 50’000 Schweine – pro Tag! Damit lässt sich nicht nur viel Geld verdienen, auch die meisten Konsumenten sind damit höchst zufrieden: Schinken, Schnitzel und Wurst können ihnen gar nicht billig genug sein. So spielt sich der ruinöse Wettbewerb um das billigste Fleisch auf dem Rücken von Tieren und Wanderarbeitern ab. Die Agrarindustrie setzt dabei tonnenweise Antibiotika ein. Auch solche, die man eigentlich nur für absolute Notfälle bei uns Menschen einsetzen sollte. Die Schlachttiere sollen schnell wachsen und immer „gesund“ sein. Die Folge: Gegen viele Keime gibt es keine wirksamen Antibiotika mehr, da durch diesen breiten Gebrauch beim Tier die Resistenz der Keime massiv zunimmt (multiresistente Bakterien!) – und schlussendlich für viele Todesfälle in unseren Intensivstationen verantwortlich ist!

    Deshalb rate ich Dir, nur ein- bis zweimal in der Woche möglichst Fisch, vielleicht auch heimisches Weidefleisch (z.B. KAG, Natura-beef, Porco Fidelio,…) zu essen – also auch keine Würste (ausser zum Geniessen, sehr selten…).

    Es gab immer wieder einzelne Studien, die keinen gesundheitsförderlichen Effekt finden konnten, wenn Menschen auf Fleisch verzichteten. Diese Studien hatten aber ausser Acht gelassen, wodurch das Fleisch ersetzt wurde. Später zeigte eine bahnbrechende Untersuchung der Harvard University, dass der Fleischverzicht nur dann keinen positiven Effekt hat, wenn man statt Fleisch vermehrt Kohlenhydrate wie Kartoffeln oder Nudeln isst. Ersetzt man es dagegen durch pflanzliche Proteine aus Hülsenfrüchten und Nüssen, gibt es grosse positive Effekte auf das Herz-Kreislauf-System.

    Tiere in unserem Essen und Klimakatastrophe:

    • Methan hat 34-mal so viel Treibhauspotenzial wie CO2.
    • Nutzvieh ist die grösste Methanquelle überhaupt.
    • Stickoxide haben 310-mal so viel Treibhaus­potenzial wie CO2.
    • Nutzvieh ist der grösste Verursacher des Stickstoff­ausstosses.
    • Wären die Rinder der Erde eine Nation, stünden sie beim Treibhausgas­ausstoss an dritter Stelle hinter China und den USA.
    • Menschen nutzen 59 Prozent des auf der Erde verfügbaren Landes zum Anbau von Tierfutter.
    • 60 Prozent aller Säugetiere auf der Welt werden nur gezüchtet, um sie aufzuessen.
    • Menschen essen jährlich 65 Milliarden Hühner.
    • 2018 stammten über 99 Prozent der in Amerika verzehrten Tiere aus Massentierhaltung.
    • Nutztierhaltung ist verantwortlich für 91 Prozent der Rodungen im Amazonas.
    • Fleischessen ist etwas vom Unökologischsten, was Sie tun können: 1 Kilogramm Rindfleisch benötigt sage und schreibe 15’000 Liter Wasser bis es in Ihrem Teller liegt! Dagegen z.B. 1 Kilogramm Kartoffeln nur 100 Liter.
    • Die Wissenschaft streitet nicht über die Frage, ob Nutztierhaltung einer der Hauptverursacher des Klimawandels ist. Sondern ob sie DER Haupt­verursacher ist!

    Quintessenz: Sich vegetarisch (oder auch vegan) ernähren!

    Der Eiweissgehalt der Muttermilch beträgt mit 2% nur ein Drittel des Eiweissgehalts der Kuhmilch. Dieses Eiweiss in der Muttermilch ist aber äusserst hochwertig, und damit wäre auch erwiesen, dass der Mensch selbst im strengsten Wachstumsalter mit relativ wenig, aber dafür hochwertigem Eiweiss auskommt (siehe dazu auch die Steinzeitmenschernährung weiter).

    Kuhmilch ist wohl in kleinen Mengen noch okay. Kuhmilch ist aber eine tierische Säuglingsnahrung und für uns Menschen eigentlich schwer abbaubar. Besser sind da die bereits durch Bakterien oder Pilze „vorverdauten“ Milchprodukte (Käse, Quark, Joghurt, Kefir, Sauermilch…).

    Eiweiss erhalten wir auch durch Nüsse (ein Nussmix enthält pro Gewicht gleich viel Eiweiss, wie Fleisch), Getreide, Hülsenfrüchte, Samen, Mais, Kartoffeln.
    Zu beachten ist auch, dass die Proteine eine sehr hohe Thermogenese aufweisen, d.h. es gehen ca. 28% der Gesamtenergie bei der Verdauung als Wärme verloren (bei Fett nur 2 bis 3% und bei Kohlenhydraten 7%). Eine Kalorie ist also nicht eine Kalorie. Man nimmt durch eine Kalorie Proteine nicht gleich viel zu wie durch eine Kalorie Zucker oder noch weniger als durch eine Kalorie Fett.

    Eiweissgehalt von Nüssen, Kernen und Samen

    Warum tun sich eigentlich so viele Männer schwer mit dem Fleischverzicht?

    Es wird nach Studien vermutet, dass ein (unbewusster?) Drang nach mehr Maskulinität zu mehr Fleischkonsum, zu mehr Grillieren und mehr Protein zum Bodybuilding führt. Fleischverzehr ist für viele Männer eine Demonstration von Virilität, Macht und Naturbeherrschung. Verkörpert wird das von der Figur des Cowboys, des jederzeit mutigen, unerschrockenen Viehhüters in der Einsamkeit des Wilden Westens (der übrigens auch für den Genozid an den Native Americans steht, die das Land zuvor genutzt haben – ein kulturimperialistischer Aspekt des Mythos Cowboy, der oft vergessen wird). Das Halten riesiger Viehherden in den Great Plains geht einher mit dem Aufbau gewaltiger Schlachthöfe, die grosse Mengen an Fleisch zu günstigen Preisen unter das Volk brachten.
    Männer müssen sich fragen, ob sie dieses Bild des„lonesome Cowboys“ pflegen wollen.
    (Quelle: theguardian.com/food/2023/aug/14/beef-american-masculinity-beef-cowboys)

    Salz

    Kochsalz (= Natriumchlorid, NaCl) spielt eine Rolle beim hohen Blutdruck. Man kann kurz und bündig sagen, dass wenig Natrium und viel Kalium gesund ist.
    Sehr kaliumhaltig sind Bananen, Spinat, Broccoli, Nüsse und Vollkorn. Wer heute noch am Nutzen einer kaliumreichen Ernährung zweifelt, sollte sich dank einer zusammenfassenden Studie eines Besseren belehren lassen. Nicht zu vergessen ist auch, dass Früchte und Gemüse – die wichtigsten Kaliumträger unserer Nahrung – noch einige weitere Vorteile mit sich bringen., (infomed-sceen, 05/2022).

    Viel Salz führt nicht nur zu einem Blutdruckanstieg, sondern auch zu einer Entzündungsantwort (Stimulation proinflammatorischer TH17-Zellen). Durch Salz wird der Lactobacillus murinus in unserer Darmflora gehemmt. Diese Darmbakterien hemmen aber die Entwicklung dieser TH17-Zellen. Deshalb ist wenig Salz auch gut für unser Immunsystem.
    (Nature.2017;551:585-9)

    Wie die kürzlich im Fachjournal «Gastric Cancer» publizierte Analyse zeigt, erkranken Menschen, die ihr Essen häufig nachsalzen, um 39 Prozent häufiger auch an Magenkrebs als jene, die den Salzstreuer bei Tisch nicht benutzen. Der Zusammenhang zwischen Salzkonsum und Magenkrebs ist für asiatische Länder bereits erwiesen.

    Vitamine

    Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente muss man höchst selten zusetzen – sie sind hauptsächlich in (mehrfarbigem!) Obst, Gemüse, Salaten, Nüsse enthalten.
    Die Bedeutung dieser Stoffe wird komplett überschätzt und ein historisches Relikt aus der Ernährungsforschung der 1920er-Jahre. Damals wurde viel Vitaminforschung betrieben, und es wurde postuliert, dass wir vor allem Vitamine und Mineralstoffe benötigen. Alles andere sei eben Ballast. Heute wissen wir, dass das nicht stimmt. Diese Geschichte ist übrigens auch der Grund dafür, warum es heute so viele Vitaminpräparate gibt – und die Bedeutung der Ballaststoffe vielen nicht bewusst ist.
    (siehe speziell dazu!)

    Trinken

    Lies zuerst über den Gesundheitsmythos „You need to drink two litres of water a day“ in meinem Blog.

    Vor über 20 Jahren suchten Wissenschaftler vergeblich nach dem Ursprung der Trinkempfehlungen. Sie stellten fest, dass ihre Probanden unterschiedlich viel tranken, weniger als empfohlen, und dass diese Ergebnisse über Jahre hinweg ähnlich blieben. Trotzdem erfreuten sich alle bester Gesundheit. Ihr Fazit: Die üblichen Trinkempfehlungen haben keine wissenschaftliche Grundlage.
    Eine neuere Studie zeigt im Detail: Der Wasserbedarf eines Menschen variiert je nach Alter, Grösse, Gewicht, Bewegung und Temperatur. Im Extremfall verbrauchen Personen bis zu zehn Liter Wasser am Tag. Der Durchschnitt liegt zwischen einem und sechs Litern. Übrigens zählt auch Kaffee zur Trinkmenge, und einen grossen Teil unseres Wasserbedarfs decken wir über die Nahrung.

    Die nächste gute Nachricht: Wer gesund ist, kein Säugling und kein sehr alter Mensch, kann sich problemlos auf sein Durstgefühl verlassen.

    Trinkziele: überflüssig.

    Die Trinkmenge lässt man sich also am besten vom Durstgefühl vorschreiben – nicht von Gesundheitsaposteln. Wir brauchen täglich  um die 2 Liter Flüssigkeit, am besten in Form von Leitungs-Wasser, Kräutertee – eher kein Mineralwasser (aus ökologischen Gründen!).
    Übermässiges Wassertrinken kann zu einem Salzmangel und schliesslich zu Bewusstlosigkeit führen. Und zu wenig kann zur Vermehrung von Harnsäurekristalle aus dem Essen (Fleisch, Fisch…) führen, die dann nach und nach u.a. ins Gleitgewebe der Sehnen und in den Gelenken abgelagert werden. Daraus würde allgemein eine langsame Abnahme der Elastizität des Bindegewebes, eine zunehmende Steifigkeit und erhöhte Verletzungsneigung bis zu entzündeten Gicht-Gelenken resultieren.

    Noch ein Wort zu Frucht- und Gemüsesäften: Bedenken Sie, dass man dadurch weniger satt wird, da das Kauen wegfällt. Man trinkt also vielleicht „in einem Zug“ einen Liter Orangensaft, was doch etwa 10 Orangen entspricht – also einer ansehnlichen Menge von Kalorien, bei der man nicht mal satt wird. Die Gefahr, davon zu viel zu nehmen (und eventuell an Gewicht zuzunehmen) ist gross. Zudem kann unser (Zucker-)Stoffwechsel dadurch arg durcheinander kommen.

    Wasser aus Plastikflaschen ist ungesünder als gedacht

    Eine Studie lässt aufhorchen! Sie hat festgestellt, dass in Flaschen abgefülltes Wasser viel mehr Mikroplastik enthält als bisher angenommen. Forschende haben Proben von verschiedenen Marken mit einer neuartigen Technik analysiert und fanden bis zu einer Viertelmillion winziger Plastikpartikel pro Liter Wasser. Das sind etwa 10 bis 100 Mal mehr als zuvor geschätzt.
    Die meisten dieser Partikel stammten überraschenderweise nicht aus dem typischen PET-Material von Wasserflaschen, sondern hauptsächlich aus Polyamid und Polystyrol. Das deutet darauf hin, dass die Verunreinigungen während des Abfüll- und Reinigungsprozesses ins Wasser gelangen.

    Das kann bedeutende Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat, da Nanoplastik klein genug ist, um den Verdauungstrakt und die Lungen zu passieren. Es kann über die Plazenta auch ungeborene Babys und über die Muttermilch auch Babys erreichen. Die Auswirkungen auf den Körper sind noch unklar, aber Toxikologen warnen vor möglichen Schäden an DNA, Herz und Blutgefässe, Lungen, Gehirn, Immun-, Fortpflanzungs- und Nervensystem.

    Alkohol und Kaffee/Tee

    Der Widerspruch, dass als „Essenssünden“ geltende Speisen und Getränke gut tun, wird beim Reizthema Alkohol besonders deutlich: Alkohol ist und bleibt ein Teufelszeug, das Körper und Kopf schwer schädigen kann – wenn man ihn missbraucht. Dass aber mässiger Alkoholkonsum gesundheitsfördernd sein kann – und vor allem Herzerkrankungen wirksam vorbeugt -, steht mittlerweile auch bei kritischster Prüfung ausser Frage.

    Ähnlich wie Alkohol verhält es sich mit dem Koffein – einem „Nervengift“, das Kaffee und Tee weltweit so beliebt gemacht hat – oder Gewürzen wie Chili, Pfeffer und Salz: geniesst man sie in rechten Massen und zum richtigen Zeitpunkt, wirken sie auf Körper (v.a. auch das Hirn und die Nervenzellen) und Geist erwiesenermassen anregend und wohltuend (also nicht mehr als 2-3 Tassen Kaffee täglich).
    Tee zeigt dabei ein etwas anderes Muster als Kaffee. Personen, die nie Tee tranken, erlebten einen stärkeren Rückgang der Hirnleistung als solche mit mässigem oder selbst starkem Teekonsum.

    Fruchtsäfte – Smoothie

    Noch ein paar Worte zu den Smoothie, die momentan ganz hype sind…
    Wir besitzen den besten (Kau-)Apparat mitten im Gesicht, um Früchte zu verkleinern. Das hat seinen Sinn! Dazu brauchen wir nicht 2-PS-Elektromixer(!)… Der Kauvorgang bringt die Verdauung in Gang – mindestens ein Fünftel der ganzen Verdauung findet bereits im Mund statt.
    Mit den Smoothie ist kein Einspeicheln der Nahrung mehr nötig. Der Speichel wird dann weniger produziert und hinterlässt mit der Zeit einen trockenen Mund.

    Mit Fruchtsäften kann unser Körper auch weniger gut umgehen, als mit ganzen Früchten. Sie gehen viel zu schnell in unseren Blutkreislauf und steigern unseren Blutzucker zu schnell, was wieder einen Hyperinsulinismus auslöst. Nach einer Stunde nimmt dann die Gegenregulation ihren Lauf und wir fallen in eine Unterzuckerung…
    Menschen, die täglich Smoothie trinken, haben auch häufig einen Durchfall-Stuhl, denn Smoothie ist eigentlich eine Säuglingsnahrung – und der Säuglingsstuhl ist dann mehrmals täglich sehr dünn und cremig…
    Zudem kann man sich mal vor Augen halten, welche Mentalität hinter häufigen Smoothies steckt: Man schüttet alles in sich rein, vorgefertigt und ohne Anstrengung… Es entspricht dies der heutigen News-Konsumations-Haltung: „overnewsed“ durch (Gratis-)Zeitungen, TV,…

    In den vergangenen Jahren kam es vermehrt zu Gichtanfällen bei jungen, schlanken Frauen, was extrem untypisch war. Dann hat man festgestellt, dass sich diese Frauen sehr fruchtreich ernährten. Sehr viel Obst, sehr viele Säfte. Fruchtsäfte für gesund zu halten, ist ein typischer Irrtum. Was vielen nicht klar ist: Ein Glas Orangensaft enthält genauso viele Kalorien und genauso viel Zucker wie ein Glas Cola. Aus ernährungsmedizinischer Sicht sollte man nicht mehr als zwei Portionen Obst pro Tag essen – und keine Fruchtsäfte.
    Zuckerhaltige Limos (Coca, Red Bull und Konsorten) zeigen noch weitere Tücken:
    Der Konsum von mindestens zwei zuckerhaltigen Limonaden/Fruchtsäfte am Tag erhöht die Wahrscheinlichkeit für Gicht um 85 Prozent! (BMJ, Bd.336, S.309).

    Achtung mit Fruchtsäften bei Kindern >>> siehe dort!

    Ballaststoffe

    Es beginnt schon beim Namen Ballaststoffe, über den ich sehr unglücklich bin. Er klingt nach Ballast, als wären diese Stoffe unnötig. Das ist falsch und ein historisches Relikt aus der Ernährungsforschung der 1920er-Jahre. Damals wurde viel Vitaminforschung betrieben, und es wurde postuliert, dass wir vor allem Vitamine und Mineralstoffe benötigen. Alles andere sei eben Ballast. Heute wissen wir, dass das nicht stimmt. Diese Geschichte ist übrigens auch der Grund dafür, warum es heute so viele Vitaminpräparate gibt – und die Bedeutung der Ballaststoffe vielen nicht bewusst ist.

    Ballaststoffe nehmen wir vor allem in Vollkorn, dann auch im Gemüse, Salaten und Obst zu uns. Sie füllen unseren Magen und verleihen ein angenehmes Sättigungsgefühl. Ausserdem sorgen sie für eine gute Verdauung und verhüten auch viele Darmerkrankungen (bis zum Dickdarmkrebs!). Viele Ballaststoffe in der Nahrung senken auch die Blutfette und sind gut für unser Herz. Sie bereichern unser Mikrobiom.


    Aber aufgepasst: das Ganze ist eine Gratwanderung: Allzu viel ist auch hier ungesund: Ballaststoffe enthalten reichlich pflanzliche Abwehrstoffe. Diese reizen den Darm und können Entzündungen verursachen. Sie stehen in Verdacht, eine Ursache des sogenannten Reizdarms zu sein.

    Abnehmen

    Kurz und bündig:  Unstrittig in der Praxis ist nur, dass ein BMI zwischen 22 und 28 erfreulich ist und dass bei 40 (und übrigens unter 15) die Alarmstufe Rot beginnt. Dazwischen herrscht Verwirrung! Weiterlesen >>>

    „Saisongerechter“ Essen

    optimales Verhalten im WINTERoptimales Verhalten im SOMMER
    Kälter und weniger Licht bei kürzeren Tagen:
    „sesshaft“

    Wärmer und mehr Licht bei längeren Tagen:
    „unterwegs“
    längere Schlafenszeit:
    längere Nächte und weniger Licht sollte in früherer Einschlafzeit und längerem Schlaf münden.
    kürzere Schlafenszeit:
    Man schläft natürlicherweise kürzer (quasi „mediterran“ mit viel Abendsonne).
    längere Nachtfastenzeit:
    Man isst dann optimal nur noch, wenn es hell ist, also nur 8 bis 10 Stunden täglich. Im Winter ist also ein eigentliches „intermittierendes Fasten“ (16:8) das natürliche und gesunde Verhalten!
    Etwas „schwereres“ Essen mit mehr Fett – auch Getreide und Milchprodukte.
    kurze Nachtfastenzeit:
    Man isst wie ein Mensch in der Jäger- und Sammlerzeit bevor er sesshaft wurde, also kein oder wenig Getreide und ohne Milch = die sog. Paleodiät oder „mediterran oder nordisch“.
    Leichtere Nahrung – mehr Früchte und Gemüse.
    Man legt im Winter normalerweise etwas an Gewicht zu (Winterspeck)……um dann im Sommer wieder an Gewicht zu verlieren.

    Vegetarische Ernährung

    Leben Vegetarier gesünder?
    Diese Frage kann ich mit wenigen Einschränkungen absolut mit Ja beantwortet – und mit Sicherheit leben Sie mit kleinerem ökologischen Fussabdruck (siehe unten beim wahnsinnigen Wasserverschleiss durch die Fleischproduktion!)!
    Vegetarier sind Personen, die auf den Genuss tierischer Nahrungsmittel verzichten. Genau genommen wird zwischen folgenden Gruppen unterschieden:

    • Pesco-Vegetarier (Pescetarier) essen auch Fisch.
    • Ovo-Lacto-Vegetarier essen kein Fleisch von Tieren, wohl aber deren Produkte wie Eier und Milch.
    • Lacto-Vegetarier verzichten zusätzlich auf den Genuss von Eiern, da daraus Leben entstehen könnte.
    • Veganer lehnen den Genuss aller tierischen Nahrungsmittel – inklusive Honig – ab. Obst, Nüsse, Samen, Getreide, Hülsenfrüchte und Gemüse bilden die Hauptbestandteile ihrer Nahrung.
    • Neu wird noch ein „gemässigter“ Vegetarier oder Veganer als Reduktarier (engl. Reducetarians) genannt. Jemand, der seinen Fleisch- und Milchproduktekonsum zu reduzieren versucht – ohne ein strenger Vegetarier oder Veganer werden zu wollen.

    Die Motivationen zur vegetarischen Ernährungsweise sind verschieden: ethische Überzeugung, dass man keine Lebewesen töten soll oder aber gesundheitliche, ernährungsphysiologische und (immer wichtiger!) auch ökologische Aspekte.

    Ohne Fleisch ist unglaublich viel ökologischer!

    Ökologisch meint: Da Vegetarier durch ihre Einstellung meist auch biologische Produkte bevorzugen, fördern sie mit ihrer Ernährungsweise Bauern, die ihr Land und ihre Tiere sorgfältig und ohne Chemie behandeln – und die vor allem immens weniger Wasser für ihr Tierfutter benötigen, denn 1 Kilogramm Rindfleisch braucht sage und schreibe 15’000 Liter Wasser bis es auf Ihrem Teller liegt! Dies benötigt ein Mensch für ein ganzes Jahr lang täglich ausgiebiges Duschen. Als Gegenbeispiel benötigen 1 Kg Kartoffeln nur 100 Liter (jedoch 1 Kg Avocados auch 1000 Liter!): Wahnsinn! Da ist nur gerade ein Interkontinentalflug gravierender für unsere Erde!

    noch mehr Tatsachen dazu:

    • Methan hat 34-mal so viel Treibhauspotenzial wie CO2.
    • Nutzvieh ist die grösste Methanquelle überhaupt.
    • Stickoxide haben 310-mal so viel Treibhaus­potenzial wie CO2.
    • Nutzvieh ist der grösste Verursacher des Stickstoff­ausstosses.
    • Wären die Rinder der Erde eine Nation, stünden sie beim Treibhausgas­ausstoss an dritter Stelle hinter China und den USA.
    • Menschen nutzen 59 Prozent des auf der Erde verfügbaren Landes zum Anbau von Tierfutter.
    • 60 Prozent aller Säugetiere auf der Welt werden nur gezüchtet, um sie aufzuessen.
    • Menschen essen jährlich 65 Milliarden Hühner.
    • 2018 stammten über 99 Prozent der in Amerika verzehrten Tiere aus Massentierhaltung.
    • Nutztierhaltung ist verantwortlich für 91 Prozent der Rodungen im Amazonas.
    • Die Wissenschaft streitet nicht über die Frage, ob Nutztierhaltung einer der Hauptverursacher des Klimawandels ist. Sondern ob sie DER Haupt­verursacher ist!

    Die drei wichtigsten Dinge, die Sie selbst tun können um wirklich umweltfreundlicher zu leben, sind:
    – Kein Fleisch und tierische Produkte essen,
    – Nicht mehr fliegen und
    – Kein Auto fahren.
    (Studie dazu)
    Viele Vegetarier haben ein enges Verhältnis zur Umwelt und zeigen daher Vorliebe für naturbelassene Nahrungsmittel wie Rohkost und Vollkornprodukte. Die gesunde Lebenshaltung geht oft über die Ernährung hinaus und äussert sich in vermindertem Alkohol- und Nikotinkonsum sowie in vermehrter körperlicher Aktivität. All diese Faktoren zusammen tragen zur gesundheitsfördernden Wirkung des Vegetarismus bei.

    Gesundheitliche Vorteile:
    Wie Untersuchungen zeigen, ist vegetarische Ernährung kalorienärmer, da weniger versteckte Fette gegessen werden. Der Anteil an gesättigten Fetten und Cholesterin wie auch jener von Zucker ist gegenüber den Omnivoren (Allesessern) vermindert. Durch den häufigen Konsum von Obst, Gemüse und Vollkornprodukten ist zudem die Aufnahme an faserreichen Ballaststoffen erhöht, was ebenfalls zum gesundheitlichen Wert der Nahrung beiträgt. Dies alles resultiert in weniger Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes sowie bessere Lipidwerte im Blut.
    Die Darmflora, unseres Mikrobiom wird durch eine vegetarische Ernährung speziell reich und funktioniert hervorragend (mehr zur Darmflora hier auf meiner Website).
    Eine vegetarische Ernährung enthält wenig Eisen – und es ist nun durch viele Studien nachgewiesen, dass dies ein Infektionsschutz bedeutet.
    Die Oxford Universität forscht viel mit Vegetarier und findet 2019, dass die Koronare Herzkrankheit bei Vegetarier und Pescetarier viel seltener auftritt (jedoch Schlaganfälle werden kaum beeinflusst). (BMJ 2019;366:l4897 ).

    Nachteile:
    Allerdings können nicht alle Formen des Vegetarismus uneingeschränkt empfohlen werden. Je mehr Nahrungsmittel ausgeschlossen werden, desto schwieriger wird es, den Bedarf an lebensnotwendigen Nährstoffen zu decken. Für Kinder und Jugendliche sowie schwangere und stillende Frauen kann es gefährlich werden, wenn sie ihren Bedarf nur mit pflanzlichen Produkten zu decken versuchen. Denn sie benötigen für Wachstum und Milchsynthese vermehrt Proteine, Vitamine und Mineralstoffe.
    Wie weiter oben im Kapitel „Fett“ geschildert, ist das Verhältnis der Omega-6 zu Omega-3-Fettsäuren (optimal unter 5 zu 1) auch bei Vegetarier viel zu hoch, falls auch auf Fisch verzichtet wird. Dies kann gesundheitlich nachteilig sein. Deshalb wäre ein Lockerung der vegetarischen Ernährung mit wenig Fischverzehr ideal oder mindestens wenig Milchprodukte und Eier (oder viel der etwas minderwertigeren pflanzlichen Omega-3-Spender Lein- und Rapsöl und Nüsse, v.a. Baumnüsse). Also essen wie ein Reduktarier oder Flektarier.
    Überhaupt sind viele pflanzliche Proteine gegenüber den tierischen „minderwertig“. Sie enthalten nicht alle vom Menschen benötigten Aminosäuren (= Eiweissbausteine) und ergeben somit eine schlechtere Ausbeute, weil sie dem Körpereiweiss weniger ähnlich sind. Sie müssen daher durch geeignete Kombination mit anderen Proteinen aufgewertet werden. Guten Ergänzungswert haben die Kombinationen:

    • Hülsenfrüchte (Erbsen, Linsen, Soja-Bohnen) mit Getreide (Weizen, Mais, Reis u. a.)
    • Hülsenfrüchte mit Samen und/oder Nüssen
    • jede Kombination von pflanzlichem Eiweiss mit tierischem, wie «Pasta mit Milch, Rahm, Ei» oder «Kartoffeln mit Eiern»…

    Die knappe Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen kann bei veganer Ernährung zu Mangelerscheinungen führen. Vitamin B12, Kalzium und Eisen stehen dabei im Vordergrund. Vitamin B12 ist nur in tierischen Produkten enthalten, kann aber durch Vitamin B12 angereicherte Sojaprodukte oder Vitaminsäfte sichergestellt werden (mehr dazu >>>).
    Ovo-Lakto-Vegetarier kennen kaum Probleme, da Eier viel Eisen, Milchprodukte viel Kalzium und beide Vitamin B12 enthalten.
    Zudem ist zu Bedenken, dass heute auch Pflanzen arg mit Herbiziden belastet sind. Im Vordergrund steht hier Glyphosat (wikipedia.org/wiki/Glyphosat), ein seit Jahrzehnten enorm verbreitetes Mittel zur Unkrautbekämpfung, welches mit unserer Nahrung aufgenommen unsere Darmflora schädigt und verarmen lässt. Biologisch angebautes Gemüse und Früchte werden so betrachtet noch wertvoller!

    Achtung: Der Verarbeitungsgrad von Lebensmitteln ist für die Gesundheit mindestens so wichtig wie der Nährstoffgehalt. Auch industrielle Produkte auf Pflanzenbasis können problematisch sein: Viel Fastfood ist vegan, etwa Getränke, Chips, Snacks und Süssigkeiten. Um sich vor schädlichen chemischen Zusatzstoffen zu schützen, soll man beim Einkaufen darauf achten, dass die Zutatenliste auf der Verpackung möglichst kurz und gut verständlich ist.

    Der goldene Mittelweg:
    Sehr gute Kenntnisse über den Nährwert der einzelnen Nahrungsmittel sowie Kreativität im Zusammenstellen der Mahlzeiten sind Voraussetzungen, damit vegetarische Ernährung sowohl ernährungsphysiologisch als auch kulinarisch ganz befriedigen kann. Geringeres Körpergewicht, tieferer Blutdruck, bessere Blutwerte u. a. m. sind sicher Grund genug, sich vermehrt mit dieser Ernährungsform zu befassen.
    Auch für jene, die sich nicht vollständig zum Vegetarismus bekennen können, ist es von Vorteil, häufig fleischlose Tage einzuschalten oder den anderen Proteinlieferanten mehr Beachtung zu schenken.

    Dazu noch Henriette Kuhrt zum Thema Vegetarier in der NZZ, 01/14:
    Ich mag keine radikalen Verzichte, in der Regel führen sie nur dazu, dass man sich moralisch so sehr im Vorteil wähnt, dass man an einer anderen Stelle die Sau rauslässt – das zumindest erklärt die grosse Anzahl von SUV-Fahrern in Bioläden.
    Auch erinnern mich Appelle zum Fleischverzicht an die Versuche der katholischen Kirche, Sex für unmoralisch zu erklären. Netter Versuch, aber die Menschen werden damit weitermachen, weil es ihnen viel zu viel Spass bereitet. Zu guter Letzt: Es ist unmöglich, als Mensch in dieser Gesellschaft zu leben, ohne dass dabei andere Wesen zu Schaden kommen. Sie könnten genauso gut auf Jeans verzichten wegen der Sauerei für die Umwelt bei der Produktion, auf Nudeln, weil eventuell Eier aus Käfighaltung drin sind, auf die Nutzung von Facebook, weil die Server unnötig Strom verbrauchen. So kommt man also nicht weiter.
    Ich rate Ihnen, sich Ihre Schuld als etwas Unvermeidliches einzugestehen, sich damit abzufinden und dann pragmatisch vorzugehen. Wollen Sie, dass Ihr Essen voller Antibiotika ist? Glauben Sie, dass Tiere Schmerzen empfinden so wie Sie? Möchten Sie vermeiden, dass sie beim Tod unnötig leiden müssen? Dann ist die Antwort doch ganz einfach. Kaufen Sie Ihr Fleisch beim Bio-Metzger oder direkt in einem Demeter-Bauernhof. Erkundigen Sie sich, wie die Tiere gehalten und geschlachtet werden. Mein Metzger sagte mir, seine Rinder stürben durch einen Bolzenschuss mit Blick auf die Alpen. Finde ich als Perspektive ganz okay, ausserdem ist es so teuer, dass sich Fleisch-Orgien von allein verbieten.

    Umweltbewusst


    (angegebene Links:  www.wwf.ch/saisontabelle und www.co2online.de/konsumcheck)

    Das Grünzeug auf dem Teller hat manchmal einen viel zu guten Ruf. Avocados verwüsten ganze Landstriche, Erdnüsse töten und Zucchetti ebenso. Eine kleine Ernährungsberatung von einem, der die übliche Lobhudelei satt hat.
    (Thorsten Glotzmann in Sonntagszeitung, 30.6.19)

    Weizen, Reis, Mais: 42 Prozent der weltweit konsumierten Kalorien kommen von nur drei Pflanzenarten. Das verstärkt die Gefahr von Hungersnöten.

    Mehr Vielfalt würde die Abhängigkeit von Lieferketten reduzieren, die Ernte würde widerstandsfähiger gegen Extremwetter und Schädlinge. Und gesünder wäre es sowieso.
    Beispielsweise stoppten mit Beginn des Krieges in der Ukraine die grössten Weizenproduzenten der Welt, die Ukraine und auch Russland ihren Export. Dies schuf auch u.a. in Senegal eine Hungersnot. Es wären plötzlich eigene Quellen gefragt: Schon vor Jahren haben nun gewitzte Bauern angefangen die alten traditionellen Getreidesorten des Senegals anzubauen. Sorghum etwa oder Hirse. Das schien lange wie ein Hobbyprojekt, denn das Getreide vor allem aus der EU war billig dank Massenproduktion und EU-Subventionen. Nun aber können sich diese Bauern vor Anfragen kaum retten.

    Zur Ökologie des Wasser-Trinkens:
    Das Leitungs­wasser in Deutschland oder der Schweiz ist ein sauberer, günstiger und umwelt­freundlicher Durstlöscher. Ein Liter Leitungs­wasser verursacht einen CO2-Ausstoss von 0,1 Gramm. Ein Liter Mineralwasser, der nur 100 Kilometer transportiert wird, schlägt bereits mit 154 Gramm zu Buche. Es ist übrigens keineswegs gesagt, dass abgefülltes Mineral­wasser mehr Mineralstoffe enthält als das aus dem Hahn. In der Schweiz sind keine Mindest­werte für Mineralwasser vorgegeben, darum kann es je nach Region sein, dass Wasser aus dem Hahn mehr Kalzium oder Magnesium enthält als industriell abgefülltes.
    Und… auch kein Trinkwasser aus Plastikflaschen und keinerlei Plastikverpackungen (Stichwort Mikroplastik).

    Klimabilanz von Nahrungsmittel – oder so nachhaltig ist mein Essen

    Die untenstehende Grafik der ZEIT zeigt auf, welche der wichtigsten Lebensmittel besonders viel CO2 verursachen und Wasser benötigen. Das Ganze ist schön übersichtlich und man stösst neben weitgehend bekannten Tatsachen auch auf ein paar Überraschungen. Ungeschlagen beim CO2 (in kg)-Rekord ist natürlich Rindfleisch. Aber der Gegenspieler, wenn man so will, an der Spitze beim Wasserverbrauch, sind Mandeln.

    Ansonsten kann man sich aber rundum gut fühlen, wenn man sich hauptsächlich pflanzlich ernährt. Datteln sind ein weiterer überraschender Ausreisser beim Wasserverbrauch (vielleicht auch nicht so überraschend, wenn man bedenkt, dass sie in Wüstenoasen wachsen). Aprikosen und Spargel schlucken ebenfalls vergleichsweise viel Wasser. Was mich sonst noch überrascht hat:

    1. Kokos- und Kuhmilch liegen fast gleichauf. Eier und Erdnüsse auch.

    2. Überhaupt, der Milchvergleich: Kuhmilch verursacht besonders viel CO2, klar, aber der Wasserverbrauch ist sogar etwas weniger als bei Reismilch. Mandelmilch braucht Unmengen an Wasser. Und Hafermilch ist bei CO2 und Wasser ungeschlagen sparsam.

    3. Es gibt überhaupt eigentlich nichts, das so viel Wasser verbraucht wie Mandeln – siehe Mandelmilch.

    4. Avocados und Linsen sind dicht beieinander, sowohl bei Wasserverbrauch als auch beim CO2.

    5. Kaffee, Butter und Lammfleisch liegen quasi gleichauf bei CO2 und beim Wasser.

    «Fettleibigkeit ist eine normale Reaktion auf ein abnormales Umfeld»

    Starkoch Jamie Oliver über den fatalen Zusammenhang zwischen Armut und Lebenserwartung und seinen Dauerkampf für gesundes Schulessen (im Interview mit der Sonntagszeitung, 19.11.2023): „Wenn man sich die Regierungen in Europa der vergangenen zehn, fünfzehn Jahre anschaut, stellt man fest: Keine Partei hat das Thema Kindergesundheit in ihrem Wahlprogramm auch nur erwähnt. Dabei ist es so simpel! Wer sich früh gesund ernährt, ist körperlich und geistig fitter und hat auch in schlechten Gegenden bessere Chancen, nicht zur Bestätigung einer Statistik zu werden.“
    Sie sind wirklich verärgert.
    Ach, es ist einfach so frustrierend, dass sich so wenig ändert. Dabei ist der Zusammenhang zwischen der Herkunft und der Ernährung doch offensichtlich. Es ist so wichtig, dass wir Kindern ein Bewusstsein dafür mitgeben.“

    Und wie mache ich Kindern Gemüse schmackhaft?

    Kinder sind empfindlicher für Bitteres. Bitter bedeutet in der Natur, dass Giftstoff nicht weit ist, es ist ein Schutz der Pflanzen gegen Fressfeinde. Sie sehen also: Gemüseverweigerung ergibt durchaus Sinn.
    Aber wie lernen Kinder dann, dass etwas vielleicht doch schmeckt?
    Nicht durch Versuch und Irrtum, das wäre ja lebensgefährlich. Sondern über soziales Lernen: Kinder beobachten die, mit denen sie essen. Wie reagieren sie? Sie interessieren dabei die positiven Emotionen: Geniessen die das? Wenn da jemand dauernd negativ ist – »Iss den Brokkoli, sonst wirst du krank!« –, dann verbinden sie Brokkoli mit Stress.
    Wenn ich also selbst etwas gern esse, mag mein Kind das auch irgendwann?
    Das macht es zumindest wahrscheinlicher. Aber Kinder sind Muster-Sucher. Was du einmal machst, ist interessant, aber interessanter ist das, was häufig und regelmässig gemacht wird. Beim Essen hat man herausgefunden, dass Kinder zwischen 8 und 15 positiv konnotierte Expositionen haben müssen, bis sie selbst aktiv werden: Aha, das haben Mama und Papa 15-mal mit Freude gegessen! Und dann fangen sie auch damit an. Aber wenn sie in der Zeit Zwang erleben, also: »Iss das auf!«, dann geht das Ganze von vorne los. Kinder wollen Freude haben, auch beim Essen. Essen hat mit Entspannung zu tun. Mein wichtigster Rat deshalb: gute Stimmung am Tisch. Trotz der normalen Ablehnung von Gemüse ist unsere Nahrung so vielfältig, dass es keine gesundheitliche Gefahr gibt, nur weil Kinder eine Zeit lang kein Gemüse essen. Irgendwann geht der Geschmackshorizont wieder auf in die Breite. Man muss einfach Geduld haben.

    Es gibt zudem ein paar Tricks, mit denen man den lieben Kleinen die gesunde Nahrung schmackhaft machen kann:

    • Gehen Sie mit den Kindern auf den Markt! Lassen Sie die Kinder die Karotten und das Gemüse berühren! Bilden Sie bei ihnen einen Sinn für „regional und saisonal“!
      Wer schon als Kind Surrogate zu sich nimmt, der wird sie ein Leben lang den echten Lebensmitteln vorziehen. Darum ist es so wichtig, dass schon von klein auf ein guter Geschmack ausgebildet wird und die Sehnsucht nach dem Richtigen entsteht.
    • Dann: Kinder naschen weniger ohne Verbote!
      Lassen Sie Ihre Jungmannschaft so viel Schokolade essen, wie sie wollen. Denn ohne Verbote oder Einschränkungen durch die Eltern naschen die Kinder weniger – hingegen macht Rationierung die Süssigkeiten attraktiver (Studie der Uni of Surrey, Guildford GB, 2010)!
    • Mit Fingerfood werden Babys nicht dick:  Statt das Baby mit Brei voll zu stopfen, lässt man es selber mit den Fingern essen. So behält es ein gesundes Körpergewicht.
      Und zwar besser, als wenn die Eltern ihnen Brei mit dem Löffel füttern. Das zeigt eine neue Studie aus der Uni Nottingham, Grossbritannien (Ellen Townsend et al).
      Beim Fingerfood entscheidet das Baby selber, wann es genug hat.  Jene, die selber mit den Fingern assen, waren nicht nur seltener übergewichtig. Sie waren auch weniger stark auf Süssigkeiten aus.
      Viele Eltern stopfen ihre Babys richtiggehend, weil sie Angst haben, dass diese zu wenig essen. Das ist Unsinn. Ich empfehle Eltern, die Kleinen ab dem ersten Geburtstag selber essen zu lassen und nur bei Bedarf nach zufüttern. Für die Entwicklung der Kinder ist es wichtig, dass sie die Nahrung selber fühlen, tasten und schmecken können.
      Als Fingerfood eignet sich fast alles, was am Familientisch auf den Teller kommt – von Früchten über Gemüse, Teigwaren, Brot bis zu Fleischstücken. Es ist am besten weich und nicht allzu klein. Denn bei harten, kleinen Stücken wie Nüssen verschlucken sich Kleinkindern leicht.
    • Für Abwechslung sorgen! Immer wieder andere Sorten ausprobieren, Gemüse mal roh, mal gegart auf den Tisch stellen.
    • Kinder beim Kochen mitarbeiten lassen. Eigene Meisterwerke werden mehr geschätzt.
    • Gemüse klein schneiden und in Lieblingsmenüs schmuggeln, z. B. Pastagratin mit kleinen Gemüsestückchen oder Spaghetti an Gemüsesosse.
    • Gemüse-Soja-Burger oder Gemüsewähe sind für Kinder attraktiv.
    • Rohes Gemüse zum Knabbern mit Kräuterdip anbieten.
    • Gemüse oder Obst ein wenig zurecht schnitzen. Aus Rüebli können Krokodile werden, aus Radieschen kleine Mäuschen. Äpfel lassen sich aushöhlen und zu «Schatzkammern» für kleine Obststückchen verwandeln. Kinder sind mit Phantasie schnell zu begeistern.
    • Gemüse im Märchen mitspielen lassen, z.B.: «Die kleine Fee kann so gut zaubern, weil sie so viel Rüebli und Brokkoli isst.»
    • Frische Kartoffeln sind ein guter Ersatz für Gemüse. Als Salzkartoffeln, Kartoffelstock oder Ofenkartoffeln können sie sogar Kinder-Favoriten werden.
    • Seien Sie zurückhaltend mit Pommes Frites!
    • Hülsenfrüchte wie Erbsen und Bohnen liefern auch eine Menge an Vitaminen und Mineralstoffen. Nehmen Sie sie zumindest einmal pro Woche in den Speiseplan auf.
    • Fruchtsäfte sind überhaupt nicht sinnvoll. Kein Fruchtsaft für Kinder unter einem Jahr – ausserdem sollten Klein- und Schulkinder von Fruchtsaft auf Obst umsteigen: Das fordert die American Academy of Pediatrics (AAP) in ihren neuen Empfehlungen.
      Wie Softdrinks, können auch Fruchtsäfte zur Energie-Dysbalance beitragen. Es kann der hohe Konsum von Saft zu Durchfall, Über- oder Unterernährung und der Entwicklung von Zahnkaries beitragen.
    • Vor allem eines: Haben Sie Geduld! Kinder werden nicht über Nacht zu guten Gemüseessern.

    Lebensmittel zur Therapie

    Es besteht kein Zweifel, dass die Ernährung die Gesundheit beeinflusst. Die Renaissance, «gesund zu essen» und «Ungesundes zu meiden», hat zurzeit starken Rückenwind. Wie ernährt man sich gesund? Viel Früchte/Gemüse, Vollkorn, fettarme Milchprodukte, wenig Salz, wenig Zucker, kein Alkohol. Was ist ungesund? Lebensmittel mit hohem Zucker- und Fettgehalt wie Frittiertes, Wurstwaren, Fast-/Junkfood, Fruchtsäfte mit zugesetztem Zucker, Süssigkeiten. Ungesunde Ernährung prädisponiert zu Adipositas, Diabetes mellitus (DM), koronarer Herzkrankheit, aber auch Krebs und Demenz. Kann man mit einer Diät auch eine Krankheit heilen oder deren Verlauf verlangsamen? Dieses Essay weist auf einige Studien mit Evidenz für einen therapeutischen Effekt hin:

    Mit der DASH-Diät, die neben Früchten und Gemüse Lebensmittel ohne Salz und ohne ungesättigte Fettsäuren enthält, konnte man eine signifikante Blutdruckreduktion erzielen.

    PREDIMED zeigte, dass mit einer mediterranen Diät, bei der auch wenig Rotwein, Olivenöl, Nüsse erlaubt sind, grössere kardiovaskuläre Ereignisse vermieden werden können (Herzinfarkt, Stroke, Tod). Diese Studie war ein Meilenstein der positiven Effekte einer Diät auf kardiovaskuläre Events.

    In DIRECT stoppte man bei 300 Personen mit Diabetes Typ 2 alle Antidiabetika und begann eine gewichtsreduzierende Diät. Nach 1 Jahr waren Remissionen signifikant häufiger als ohne Diät.

    In der Menopause reduziert eine Diät mit Früchten, Gemüse, Vollkorn, fettarmen Milchprodukten das Osteoporose- und Frakturrisiko.

    Bei Migräne scheinen gewisse Diäten die Anfallshäufigkeit zu reduzieren. Mehrere Untersuchungen dazu sind noch nicht abgeschlossen. (siehe unten)

    Für Alzheimer-Demenz gibt es epidemiologische Daten zur Prävention durch richtige Ernährung, doch die Evidenz zur diätbasierten Therapie fehlt.

    In dieser Liste werden Prävention und Therapie vermischt. Es ist festzuhalten, dass bisher nur wenig Daten existieren, die den Positiveffekt von Diäten bei Krankheiten untersuchen. Das liegt daran, dass Studien mit Diät schwierig zu standardisieren sind, die Compliance trotz Studienbedingungen oft ungenügend ist und Real-World-Situationen nicht hergestellt werden können. «Food is medicine» steht noch ganz am Anfang.

    (Nat Med. 2024, doi.org/10.1038/s41591-024-02891-1.)

    Frühstück kann Dein Herz stärken

    Zuerst lies dazu den Gesundheitsmythos „Breakfast is the most important meal of the day“ in meinem Blog.

    Wer mit einem ausgiebigen Frühstück – und viel Zeit den Tag beginnt, hat bereits morgens viel weniger Stress und hat (ev. deshalb) ein deutlich verringertes Herzinfarktrisiko! Gemäss verschiedener grossen Studien (v.a. Circulation. 2013; 128: 337-343, Prospective Study of Breakfast Eating and Incident Coronary Heart Disease in a Cohort of Male US Health Professionals, Leah E. Cahill et al.). Diejenigen Männer, die das Frühstück ausliessen, hatten dabei ein 27% höheres Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden als jene, die den Tag zum Beispiel mit einem Müesli begannen. Nach Ansicht der Forscher bestätigt die Studie, dass das Frühstück wohl die wichtigste Mahlzeit des Tages ist.

    Gicht mit Ernährung vorbeugen und therapieren

    • LANGSAME GEWICHTSREDUKTION (bei Übergewicht) durch mehr Bewegung und leichte Kalorienreduktion
    • WENIGER FLEISCH UND INNEREIEN
    • WENIGER MEERESFRÜCHTE (jedoch fette Meeresfische: Lachs, Hering, Makrelen sind okay)
    • MEHR MILCHPRODUKTE
    • PROTEINREICHE PFLANZLICHE KOST (insbesondere Nüsse, Hülsenfrüchte, Spinat, Pilze, Haferflocken, Kohl… – die frühere Annahme, dass eine purinreiche pflanzliche Kost ungünstig sei, hat sich als falsch erwiesen!)
    • GAR KEIN BIER UND KEIN SCHNAPS – nur wenig Wein
    • KEINE GESÜSSTEN LIMONADEN (auch keine Fruchtsäfte, wie Orangensaft, Süssmost, Multivitaminsäfte,…)
    • BEIBEHALTEN DES KAFFEEKONSUMS (regelmässiger Kaffeekonsum senkt die Serumharnsäure und Gichtwahrscheinlichkeit)
    • GENÜGENDE TRINKMENGE (mindestens zwei Liter pro Tag)
    • VITAMIN C (über 500mg bis 2 Gramm pro Tag
    • WENIG FRÜCHTE UND KEINE FRUCHTSÄFTE!
      In den vergangenen Jahren kam es vermehrt zu Gichtanfällen bei jungen, schlanken Frauen, was extrem untypisch war. Dann hat man festgestellt, dass sich diese Frauen sehr fruchtreich ernährten. Sehr viel Obst, sehr viele Säfte. Fruchtsäfte für gesund zu halten, ist ein typischer Irrtum. Was vielen nicht klar ist: Ein Glas Orangensaft enthält genauso viele Kalorien und genauso viel Zucker wie ein Glas Cola. Aus ernährungsmedizinischer Sicht sollte man nicht mehr als zwei Portionen Obst pro Tag essen – und keine Fruchtsäfte.
      Zuckerhaltige Limos (Coca, Red Bull und Konsorten) zeigen noch weitere Tücken:
      Der Konsum von mindestens zwei zuckerhaltigen Limonaden am Tag erhöht die Wahrscheinlichkeit für Gicht um 85 Prozent! (BMJ, Bd.336, S.309)

    Arthritis mit Essen therapieren

    Die Ernährung beeinflusst Arthritis-Beschwerden, wie mehrere Studien zeigen. Die spanische Rheumaforscherin Monica Guma hat diese Erkenntnisse zusammengefasst und die Itis-Diät entwickelt. „Itis“ steht für die lateinische Endung von „Entzündung“, da die Diät Entzündungen lindern soll. An der Universität von San Diego (USA) erarbeitete Guma mit ihrem Team und über dreissig Rheumapatienten einen Ernährungsplan.

    Die Diät basiert auf der mediterranen Küche: viel Gemüse, Früchte, Hülsenfrüchte, Nüsse und Olivenöl. Rotes Fleisch und Wurstwaren sind selten, stattdessen gibt es Fisch und Geflügel. Frühere Studien zeigten, dass die Mittelmeer-Ernährung Rheuma lindert und Entzündungen hemmt, wie Forscher der Universität von Sao Paolo 2017 berichteten. Auch Fastenkuren und vegetarische Ernährung können Rheuma teilweise lindern.

    Die Itis-Diät geht weiter: Regelmässig kommen fermentierte Lebensmittel wie ungesüsster Joghurt und Misopaste auf den Tisch. Sie fördern gute Darmbakterien und verbessern die Darmflora, die bei entzündlichem Rheuma wichtig ist. Eine gestörte Darmflora schwächt das Immunsystem und fördert Entzündungen, wie eine Studie der Yunnan-Universität 2022 zeigte. Verschiedene Studien fanden bei Arthritis-Patienten Unterschiede in der Darmbakterienzusammensetzung im Vergleich zu Gesunden. Diese Zusammenhänge müssen weiter erforscht werden.

    Ballaststoffe sind für die Darmflora wichtig, da sie gute Bakterien nähren. Gemüse, Nüsse und Hafer haben grosses Potenzial bei entzündlichem Rheuma. Die Empfehlung, bei jeder Mahlzeit die Hälfte des Tellers mit Gemüse oder Salat zu füllen, ist hier richtig. Auch Vollkorngetreide enthält wertvolle Ballaststoffe. Laut der Itis-Diät sollte man andere Getreide als Weizen verwenden, da Weizen bestimmte Eiweisse enthält, die Entzündungen fördern. Besser sind Roggen, Hafer, Reis oder Quinoa.

    Monica Guma empfiehlt Pflanzendrinks statt Kuhmilch, etwa aus Mandeln, Reis oder Kokosnuss, da einige Betroffene Milcheiweisse nicht vollständig verdauen können. Dadurch entstehen Abbauprodukte, die Entzündungen fördern. Gewürze wie Ingwer oder Curry gehören ebenfalls zur Itis-Diät.

    Eine Rheumadiät sollte nicht kompliziert sein und den persönlichen Vorlieben entsprechen, um langfristig umsetzbar zu bleiben. Das Gefühl, verzichten zu müssen, sollte fehlen. Gönnen Sie sich gelegentlich eine Ausnahme, wie eine Pizza im Restaurant oder einen Schluck Prosecco bei einem Fest. Geniessen nicht vergessen.

    Akne mit Ernährung vorbeugen und therapieren

    Nahrungsmittel spielen bei der Entstehung von Akne doch eine grössere Rolle als man lange angenommen hat.
    Kurzum: Kaum Milch und Milchprodukte, selten zuckerhaltige Speisen und kein Fast Food oder Backwaren!
    Meiden Sie alle Lebensmittel, die den Blutzuckerspiegel stark beeinflussen, also solche mit einem hohen „Glykämischen Index“ (Weissbrot, gezuckerte Frühstückflocken, Guetsli, süsse Limonaden wie Cola…). Man vermutet, dass das Hormon Insulin schuld ist, da es die Produktion von männlichen Wachstumshormonen (Androgenen) sowie des Botenstoff IGF-1 anregt. Diese regen dann die Talgproduktion an und begünstigen die Verstopfung der Poren. (Neil Mann et al.;American Journal of Clinical Nutrition, 2007)
    Neueste Untersuchungen zeigen auch eine klare Abhängigkeit von Kuhmilch und verschiedenen Milchprodukten (Quark, Streichkäse, Instant-Milchgetränke und v.a. entrahmte Milch sind die Übeltäter! Es hat also nichts mit dem Fettgehalt der Produkte zu tun.). Adebamowo CA et al., J Amer Acad Dermatol 2005; 52:207-214
    Sicher ist, dass auch starkes Übergewicht durch einen Hyperinsulinismus die Produktion der männlichen Hormone (Androgene) stimulieren kann. Dann hilft Abnehmen auch gegen Akne.
    Auch Rauchen sollte man unbedingt stoppen, da dies das metabolische Syndrom der Haut massiv verstärkt!

    Migräne durch Ernährung bessern

    Unter den diätetischen Migräneauslösern sind Koffein und Alkohol (und auch ein Entzug derselben) am besten dokumentiert.

    Eine gute Hydrierung (viel Flüssigkeit trinken) kann gemäss vielen Betroffenen die Migränefrequenz und -intensität senken.

    Wer unter Migräne leidet, sollte auch regelmässig Lachs, Sardinen, Baumnüsse und Leinöl essen. Die Omega 3-Fette in diesen Lebensmitteln vermindern die Zahl und die Länge der Migräneattacken. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie der Universität von North Carolina (USA) mit rund 200 Teilnehmerinnen. Die Forscher testeten Diäten mit verschiedenen Mengen an Fettsäuren. Besonders gut wirkt Omega-3, wenn man gleichzeitig wenig Omega-6 zu sich nimmt. Das heisst: nur wenig Sonnenblumen-, Distel- oder Traubenkernöl. Der Körper stellt aus den Fettsäuren Botenstoffe her, die weniger schmerzempfindlich machen.

    Migräne durch Purine

    Der Zusammenhang zwischen Migräne und Purin-haltigen Lebensmittel wurde bereits in mehreren Studien aufgezeigt. Die Forschenden empfehlen den Ärzten, bei Migränepatienten den Harnsäurewert zu untersuchen und eine purinarme Ernährung zu empfehlen.

    Bei einer purinarmen Ernährung sollten folgende Produkte gemieden oder nur in kleinen Mengen gegessen werden:

    • Innereien
    • fettreiche Fleischsorten und Würste
    • Fische wie Forellen, Lachs, Heilbutt, Karpfen, Makrelen
    • Fischkonserven wie Hering, Matjesfilet
    • Schalen und Krustentiere wie Scampi, Hummer
    • Hülsenfrüchte wie weisse Bohnen, Linsen
    • Gemüse wie Erbsen, Schwarzwurzeln, Spinat, Sellerie, Rosenkohl
    • Vollkornprodukte, Weizenkleie Buchweizen, Leinsamen, Sonnenblumenkerne

    Sehr purinarm oder gar purinfrei sind beispielsweise folgende Produkte:

    • Milch und Milchprodukte
    • Eier
    • Käse, Quark
    • Getreideprodukte, am besten helles Brot
    • Gemüse wie Tomaten, Radieschen, Peperoni, Rüebli, Zucchetti, Auberginen, Spargeln
    • Salate
    • Kartoffeln
    • Früchte, ausser Datteln
    • Margarine
    • Mais

    Genauere Angaben gibt es hier auf einer Tabelle von gichtinfo.de.

    Ernährungs-Pyramiden

    Brauchbar ist auch die Nahrungsmittelpyramide von Prof. Walter C.Willett von der Harvard-Universität. Er setzt darin rigoros die wissenschaftliche Evidenz um, nach der weder Fette noch Kohlenhydrate pauschal als gut oder schlecht einzustufen sind. In der breiten Basis finden sich ungesättigte Fettsäuren und KH mit einem niedrigen glykämischen Index (GI). Zuoberst stehen KH mit einem hohen GI sowie Nahrungsmittel, die wie Butter v.a. gesättigte Fettsäuren enthalten. Zusätzlich steht prominent im Sockel der Willett-Pyramide, was auch bei mir zentral erwähnt ist: die Aufforderung zu vermehrter körperlicher Aktivität:

    LITERATUR dazu:

    • Michael Pollan: „64 Grundregeln ESSEN: Essen Sie nichts, was Ihre Grossmutter nicht als Essen erkannt hätte.“: exzellent!
    • Wenn einem beim Lesen der Appetit vergeht:
      „Pandoras Lunchbox“, Melanie Warner, Scribner, New York 2013. 270 Seiten.
      „Salt, Sugar, Fat“, Michael Moss, WH Allen, London 2013. 450 Seiten.
      Das Sweet Onion Chicken Teriyaki Sandwich der Fast-Food-Kette Subway hat 105 Zutaten. 55 davon sind Pulver, die dem Sandwich aus verschiedensten Gründen beigefügt werden. Das Hühnerfleisch enthält weiter 13, darunter Kalzium-Chloride, Maltodextrin, modifizierte Kartoffelstärke und Sodium-Phosphate. Die Glasur hat 12, die Soja-Sauce 8 Zutaten und das italienische Weissbrot 22. Wenn ein stinknormales Hühnerfleisch-Sandwich über hundert Zutaten enthält, dann ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass bei der amerikanischen Aufsichtsbehörde über Lebensmittel, dem FDA, inzwischen mehr als 5000 Nahrungsmittelzusätze gemeldet sind. Warum das so ist und was dieser Wahnsinn für Folgen hat, diesen Fragen sind Melanie Warner in ihrem Buch «Pandora’s Lunchbox» und Michael Moss in «Salt, Sugar, Fat» nachgegangen. Das Resultat ist in beiden Fällen äusserst lesenswert, auch wenn mehr als zwiespältig Gefühle zurückbleiben.
      Nochmals Hühnerfleisch. Die armen Viecher werden heute mit Kraftnahrung derart schnell zur Schlachtreife gebracht, dass ihr Fleisch keinerlei Geschmack mehr entwickeln kann. Lebensmittelingenieure können dieses Problem jedoch locker lösen. «Substanzen wie pflanzliches Eiweiss und Hefeextrakt können so verändert werden, dass sie wie Hühnerfleisch schmecken», schreibt Melanie Warner. Lebensmittel müssen heute sehr lange haltbar sein, sie müssen ein «Gestell-Leben» von mindestens neun Monaten haben. Das ist nur mit viel Chemie und Hitze zu schaffen, gerade bei Nahrungsmitteln, die gemeinhin als gesund gelten, Frühstücksflocken beispielsweise. Auf ihren Packungen sind zwar jede Menge Vitamine und andere gesundheitsfördernde Substanzen angeschrieben. Diese werden aber erst nachträglich wieder zugefügt.
      Manager meiden ihre Produkte:
      Convenience-Food ist allgegenwärtig geworden. Dank ihrer Fachkräfte kann die Lebensmittelindustrie ihre Produkte heute so herstellen, dass sie auch schmecken. Das gelingt aber nur dank drei Substanzen: Salz, Zucker und Fett. Sie wirken wie Drogen, wie die Hirnforschung inzwischen nachweisen kann. Convenience-Food macht uns süchtig. «Die meisten von uns können nicht aufhören, es zu essen», stellt Michael Moss fest. «Sei es wegen des Genusses oder sei es wegen der Bequemlichkeit, wir brauchen unsere Frostet Mini-Wheats (Frühstücksflocken) und unsere Salz- und Essig-Chips, nicht zu vergessen die Oreos (Süssgebäck), die uns durch den Tag bringen.» Nicht von ungefähr sind grosse Nahrungsmittelunternehmen wie Kraft und General Food im Besitz von Tabakkonzernen. Die Sucht nach Convenience-Food hat einen hohen Preis: Fettleibigkeit ist inzwischen in allen modernen Gesellschaften zu einer Volkskrankheit geworden. In den USA werden bereits rund 70 Prozent des Kalorienbedarfs mit Industriefrass gedeckt. Zu den Kunden zählen allerdings nicht die Dealer. Moss erzählt genüsslich, wie die von ihm interviewten Topmanager der Nahrungsmittelindustrie ihre eigenen Produkte nach Möglichkeit meiden. Sie werden wissen, weshalb. (aus dem Tages-Anzeiger vom 6.5.13)

    Steinzeitkörper im Bioladen

    Die nützlichsten Mitglieder der digitalkapitalistischen Gesellschaft sind die, denen es am besten gelingt, ihren Körper gänzlich zu ignorieren und ihre Biologie zu verdrängen. Nur so kann ich stundenlang unbeweglich da sitzen und in einen Bildschirm starren.
    Zugleich wird die intensive Beschäftigung mit den einfachsten Körperfunktionen zum Luxus unserer Zeit. Es ergibt also einen Sinn, dass alles so unglaublich teuer ist, was mit altmodischen Leibesübungen und unverarbeiteter Nahrung, also mit Fitness und den dazugehörigen Bio- und Superfoods zu tun hat – kurz mit einem Leben, in dem Muskeln und Darm im Mittelpunkt stehen.
    (Marie Schmidt | zeit.de vom 13.07.2017)

    Widersprüchliche Ernährungsforschung

    Die Ernährungsforschung der letzten Jahre bewies aufgrund ihrer konsistent widersprüchlichen Befunde, dass es beim Essen weder strenge Gebote noch Verbote – kein Fleisch!, kein Cholesterin!, kein Salz!, kein Alkohol!, kein Zucker!, kein Weizen! keine Eier!- geben kann! Es sei denn, medizinische Gründe machen Diät-Vorschriften individuell notwendig.
    Es gibt etwa eine Million Ernährungsstudien. Fast jeden Tag erscheint ein neues Paper, das mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit nicht stimmt. Aber es geht immer so weiter, ad infinitum. Es wird mit zweifelhaften Messmethoden gearbeitet, mit Beobachtungsstudien, die offen für eine Myriade verzerrender Einflüsse sind, mit Fragestellungen, die eine komplexe Sache übermässig vereinfachen. Tatsächlich gibt es eine fast unbegrenzte Zahl an Nahrungsmitteln, die sich in ihrer Zusammensetzung unterscheiden und mit unserem Lebensstil und anderen Einflüssen verwoben sind.
    Wenn man wissen will, ob eine Ernährungsweise gesünder ist als andere, sollte man zumindest eine randomisierte Studie durchführen, in der die Teilnehmer gesagt bekommen: «Tu dies!» oder «Tu dies nicht!» – und dann schaut man, was passiert. Eine Gruppe isst also 20 Jahre lang ständig Eier – und die andere Gruppe isst 20 Jahre lang kein einziges. Wenn man am Ende die Daten aller Teilnehmer auswertet und einen Unterschied sieht: toll! Wenn nicht, und darauf würde ich wetten, dann ist es immerhin ein halbwegs zuverlässiges Ergebnis. Es gibt nur ein paar Hundert solcher Studien. Ich denke aber, dass die meisten Ernährungsforscher diese gründlichen Untersuchungen nicht mögen, weil bei diesen fast nie Nennenswertes herauskommt.

    Übersichtstudien (d.h. Zusammenfassungen von diversen Studien zur selben Fragestellung = Metastudien) sind hier das Mass aller Dinge. Als gutes Beispiel hier über kaliumreiche Ernährung:
    kalium_im_essen.pdf

    Profit aus verarbeiteten Lebensmittel

    Dass die konventionelle Produktion von verarbeiteten Lebensmitteln in den meisten Fällen klimaschädlich und deren Verzehr zudem gesundheitsschädlich ist, ist ja inzwischen in interessierten Communities ausreichend bekannt. Die Forschenden der University of Oxford haben dies aber mal in Relation zu den Umsätzen und Profiten der entsprechenden Unternehmen gesetzt.
    Das Ergebnis zeigt, dass die Schädigung von Klima und Gesundheit ein lohnenswertes Geschäft ist: 7 der 10 grössten „Lebensmittel“-Konzerne weltweit generieren 2/3 ihres Umsatzes mit ungesunden Produkten (die man eigentlich nicht als „Lebensmittel“ bezeichnen sollte). 90% der Online-Werbeausgaben in UK werden für den Verkauf von Schokolade, Chips, Keksen und Eis genutzt und zielen dezidiert auch auf Kinder. Verpackungen, die gezielt Kinder ansprechen sollen, sind bei den untersuchten Unternehmen Standard. Der Konzern Ferrero erzielt 100% seines Umsatzes durch sogenannte „Lebensmittel“, die reich an Fett, Zucker und Salz sind.
    ExpertInnen aus dem Lebensmittelbereich fordern in UK seit Jahren das Verbot oder zumindest die signifikante Besteuerung dieser sogenannten „Lebensmittel“.
    Also: Der Verarbeitungsgrad von Lebensmitteln ist für die Gesundheit mindestens so wichtig wie der Nährstoffgehalt. Auch industrielle Produkte auf Pflanzenbasis können problematisch sein: Viel Fastfood ist vegan, etwa Getränke, Chips, Snacks und Süssigkeiten. Um sich vor schädlichen chemischen Zusatzstoffen zu schützen, soll man beim Einkaufen darauf achten, dass die Zutatenliste auf der Verpackung möglichst kurz und gut verständlich ist.

    Übrigens: Ein Drittel von dem, was der Mensch isst, braucht er, um sich am Leben zu erhalten. Die anderen zwei Drittel sind dazu da, die Ärzte am Leben zu erhalten.

    Veröffentlicht von Dr.med. Thomas Walser am 26. Juni 2017
    Letzte Aktualisierung:
    09. Februar 2025