Burnout

Psychisch-Physischer Erschöpfungszustand

Ich habe in meiner Hausarztpraxis den Begriff „Burnout“ wenig in den Mund genommen, da er meist für die betroffenen Menschen implizierte, dass sie alleine durch die Arbeit „ausgebrannt“ sind und selbst wenig dagegen tun können. Natürlich existieren klar Burnout-fördernde Arbeitsstellen und ist das Burnout eine Folge von chronischer Arbeitsbelastung, resp. eines chronischen Stresszustands – jedoch sind die eigenen Voraussetzungen, Ressourcen und Reaktionen darauf genau so wichtig. Es existieren also auch klare Eigenschaften, die wir mitbringen, die dann zu diesem „Psychisch-Physischen Erschöpfungszustand“ führen – und so habe ich dann das „Burnout“ sinnvollerweise bezeichnet.
Die Erschöpfung ist das zentrale Symptom.

Menschen brennen nicht aus, weil eine Tätigkeit zu anstrengend oder eine Verantwortung zu gross ist. Sie brennen aus, wenn sie keinen persönlichen Einfluss auf ihr Tun nehmen können, ohnmächtig sind. Mit Achtsamkeitsübungen und Entspannungsstrategien ist da oft nicht geholfen.
Statt die eigene Erschöpfung zu individualisieren, ist es für die Betroffenen hilfreicher, das „Empörungspotential ihres Burnouts“ (Ursula Nuber, Psychologie Heute, 01/2016) zu erkennen. Schliesslich wehrt sich unser Organismus gegen Überreglementierung, Ausbeutung und Allverfügbarkeit. Burnout ist daher eine Kompetenz. Wer ausbrennt, sollte sich das nicht als Schwäche oder Versagen auslegen, sollte nicht schamvoll den Kopf senken und schuldbewusst daran arbeiten, seine Akkus wieder aufzuladen. Schliesslich kann er stolz sein auf sein Engagement – „müdstolz„, wie es Peter Handke einmal nannte. Ein Müdstolzer weiss um seine Leistung und hat daher kein Problem damit, sich und anderen einzugestehen: „Ich kann unmöglich allem gerecht werden!“.

Die Arbeitswelt macht krank…

Es wäre entlastend, wenn man sagen könnte: Logisch bin ich gerade in einer Krise, denn die Welt ist es auch. Ich glaube, es wäre allgemein besser, wenn es bei psychischen Problemen nicht immer nur den Impuls gäbe, «nach innen zu schauen» und das Individuum in die Pflicht zu nehmen. Im letzten Jahrhundert (zu Beginn und vor allem in den Dreissigjahren) war es „in“ – und man konnte es ruhig zeigen, dass man häufig einen „Nervenzusammenbruch“ hatte. Die Welt war zu stressig für das Individuum und mit diesem Zusammenbruch schuf man sich, durch die Gesellschaft allgemein legitimiert, eine Auszeit, in der man wieder zu Kräften kam.
Wie wohltuend wäre auch heute wieder ein solches Narrativ. Eines, das psychische Probleme im Kontext der Zeit sieht und unterstreicht, wie schwierig es manchmal ist, nicht durchzudrehen. Eines, das Burnouts nicht nur kuriert, sondern auch fragt: Warum macht die Arbeitswelt krank? Eines, das Ängste nicht nur behandelt, sondern auch wissen will:
Wie machen wir dieses Welt weniger schrecklich?

Die Sinnlosigkeit der Arbeit

Der Ausdruck Burnout verschleiert, dass die Erschöpfung kein quantitatives Problem ist, sondern auch mit der Sinnlosigkeit der Arbeit zu tun haben könnte, damit, nicht selbst über die Ziele der Arbeit bestimmen zu können, damit, gegen die eigenen Interessen oder moralischen Über­zeugungen handeln zu müssen, oder mit dem Gefühl, nichts bewirken zu können. Er verschleiert auch, dass die Erschöpfung, die inzwischen ja selbst (oder gerade?) in Aktivistinnen­kreisen ein zunehmendes Problem darstellen soll, weniger eine Folge der Arbeits­menge als eine Folge der nagenden Furcht ist, letztlich könnte alles für die Füchse gewesen sein.

Was tun? Vielleicht könnten wir damit anfangen, wenigstens den Begriff Burnout fallen zu lassen. Denn wer sich selbst ein Burnout diagnostiziert, versteht sich, ohne es zu merken, als Dampf­maschine. Er spielt dabei den Mächtigen in die Hände, für die es weniger ermüdend ist, über Quantitäten zu streiten als über Inhalte, über Arbeits­mengen als über politische und soziale Konflikte.
(der erschöpfte Daniel Strassberg in der Republik, 14.06.22)

Arbeit kann Dein Hirn vergiften!

Es hat sich in einer seriösen Studie gezeigt, dass sich im Laufe eines anstrengenden Bürotages etliche toxisch wirkende Abfallstoffe im Gehirn ansammeln, die dazu führen, dass am Ende des Tages das allseits bekannte Erschöpfungsgefühl einsetzt. Auch Entscheidungen, die am Ende des Arbeitstages getroffen werden, sind generell als schlechter zu bewerten als Entscheidungen, die in der ersten Tageshälfte getroffen werden. Hinzu kommt die immense Bedeutung der Ernährung im Laufe des Tages. So werden mit einem Gefühl der Sättigung bessere kognitive Entscheidungen getroffen, während ein Hungergefühl eher der Feinmotorik dient. Konterkariert wird die Qualität der Entscheidung aber wiederum durch die vorherige Arbeitsdauer. Am Ende des Arbeitstages werden eher Entscheidungen bevorzugt, die einen geringeren Aufwand nach sich zu ziehen scheinen.
Die StudienautorInnen empfehlen mehr Pausen während eines Arbeitstages und eine Umstrukturierung der Aufgaben im Laufe dieser Arbeitstage, um den Einfluss der externen Faktoren positiver für sich zu nutzen.
(Studie: Wiehler A, Branzoli F, Adanyeguh I, Mochel F, Pessiglione M. A neuro-metabolic account of why daylong cognitive work alters the control of economic decisions. Curr Biol. 2022 Aug 22;32(16):3564-3575.e5. doi: 10.1016/j.cub.2022.07.010. Epub 2022 Aug 11. PMID: 35961314. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35961314/)

Totalerschöpfung

Burnout umfasst eine tiefe Identitätskrise, die oftmals ihren Ursprung in zu hohen Erwartungen an eine Situation hatte. Die letztendliche Totalerschöpfung ist das sozial akzeptierte Zeichen nach aussen, dass etwas nicht stimmt. Burnout ist allerdings mehr als Erschöpfung, die auch entstehen kann wenn man wegen Termindruck drei Wochen durcharbeitet oder fünf Freunden am Stück beim Umzug hilft. Burnout entsteht früher und geht tiefer. Wer selbst noch in der Lage ist, die Reissleine zu ziehen und aktiv Dinge zu tun, die einem gut tun, ist zum Glück noch ein Stück vom Burnout entfernt.

Fabienne Riener hat in ihrem wunderbaren Text (hier) beschrieben, wie Burnout entsteht: Meistens eben nicht von drei Nachtschichten in einer Woche, sondern eher dann, wenn man lange auf ein Ziel hinarbeitet und regelmässig seine Grenzen überschreitet. Ein spannender Text, den alle lesen sollten, die öfter mal länger arbeiten.
Chronischer Stresszustand (Dauer-Dysstress), viele Reize, grosse Anforderungen wirkt auf den Sympathikus, auf unsere katabole Seite des Vegetativen Nervensystem (via Cortisol vor allem) und kann in Verlust von Neuroplastizität des Hirns münden (Atrophie des Hippocampus, Schrumpfung der Hirnzellen)! Dies ist zwar schon reversibel (durch Entspannung, Bewegung,…), aber dennoch alarmierend.

Vita activa vs. Vita contemplativa

Die Vita activa beschreibt eine Lebensform, bei der praktische Arbeit und soziale Betätigung im Vordergrund stehen. Die Vita contemplativa hingegen ist dem Betrachten und der Kontemplation gewidmet. Die Menschen definieren sich heutzutage oft über ihre Vita activa, indem sie viel arbeiten und danach noch für einen Triathlon trainieren.
Die Anerkennung für den Teil unseres Lebens, der der Vita contemplativa zugeordnet wird, fehlt oft, obwohl er genauso wichtig ist.
Es ist auch Teil der Sinnfrage, die sich die Menschen stellen. Sie fragen sich nicht nur, was der Sinn ihrer Arbeit ist, sondern auch, was der Sinn ihres Lebens ist.
Eine Möglichkeit, um mehr Vita contemplativa in den Alltag zu integrieren, ist pro Tag eine halbe Stunde in der Natur zu verbringen, zum Beispiel am See oder im Wald spazieren zu gehen. Der Wald ist zwar eine massive Reizüberflutung, aber er ist auch eine, die erdet. Ganz im Gegensatz zu einem iPad oder iPhone. Die Welt hier drin kann unser Gehirn nicht verstehen und mündet in einer Erschöpfung.

Burnoutsymptome

Das Standard-Messinstrument bei Burnout ist der Maslach Burnout Inventory, der 3 Dimensionen untersucht: Emotionale Erschöpfung, Depersonalisation und reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit.

Typische Burnout Symptome sind:

  • Konzentrationsprobleme, permanente Müdigkeit, Mattigkeit, Kraftlosigkeit und Erschöpfung – und dies alles nicht nur an einem besonders schlechten Arbeitstag, sondern oft.
  • Lustlosigkeit, Übellaunigkeit, Gereiztheit
  • Gefühle des Versagens, der Sinnlosigkeit, der Ineffektivität
  • Gefühl von Überforderung und Angst, den Anforderungen nicht mehr gewachsen zu sein
  • mangelndes Interesse am Beruf, Kunden/Patienten oder Aufgabenbereich, Gleichgültigkeit gegenüber Projekten, die man normalerweise spannend finden würde.
    Daraus resultierender Zynismus (bis Depersonalisierung)

Körperliche Symptome können ähnlich wie bei der Depression sehr vielfältig auftreten:

  • Schlafstörungen
  • Kopfschmerzen
  • Verspannungen
  • Rückenschmerzen
  • unspezifische Schmerzen
  • erhöhtes Schmerzempfinden
  • veränderter Blutdruck
  • Engegefühle in Brustkorb und Hals, Atemnot
  • Libidoverlust
  • Zyklusstörungen bei der Frau
  • Suchtverhalten (zur „Eigentherapie“ der psychischen Symptome…)
  • Atypische Gewichtsveränderungen
  • Magen-Darm Beschwerden

Stadien der Entstehung und begleitende Schlafstörungen

  • Stadium 1) STRESS: Einschlafstörungen
  • Stad. 2) BURNOUT: Ein- und Durchschlafstörungen
  • Stad. 3) FOLGEKRANKHEITEN – als Beispiel die Depression: Früherwachen

Burnout und Depression

Es ist umstritten, wo die Definition eines „Burnout“ beginnt und wo die einer „Depression“ aufhört. Überschneidungen sind gross – Unterscheidung nur partiell möglich. Die Prophylaxe beider Zustände ist ähnlich – die Therapie zum Teil und betrifft beim Burnout häufiger in Arbeitssituations-Verbesserungen (siehe weiter unten).
Als Musterbeispiel soll die weltweite Situation der Landwirte stehen: In einer Umfrage von 2018 soll in Deutschland jeder vierte Bauer Burnout gefährdet sein. Studien zur psychischen Situation von Landwirten zeigen dabei, dass (in Kanada) jeder vierte Landwirt, sein Leben nicht lebenswert findet oder in den vergangenen 12 Monaten an Suizid gedacht hat. Eine amerikanische Pilotstudie fand unter Landwirten heraus, dass 75 Prozent der Landwirte an einer Angststörung leiden, mehr als die Hälfte litt an Depressionen. In Frankreich nahmen sich im Jahr 2017 650 Landwirte das Leben. Die Suizidrate lag damit 50 Prozent höher, verglichen mit dem Rest der Bevölkerung.
Mehr über die Depression hier >>>

Burnout als Ende des Sebstoptimierungszwangs

Hierzu Juli Zeh, die selbst ein Burnout erlebte, in einem Interview mit dem Tagesspiegel vom 5.11.18:
Ab den 60er Jahren hiess es doch: Sei anders! Finde dich selbst!
Die Grundidee war, den Menschen von Zwängen und übergeordneten Mustern zu befreien, in die er hinein gepresst wird. Sei es die Religion, die patriarchale Familie, der hierarchische Arbeitgeber. Erst mal ein schöner Gedanke. Nur, was tun mit dieser individuellen Freiheit? Aha, Selbstverwirklichung. Diesen Raum muss man dann auch füllen. Dass das mit enorm viel Druck verbunden ist, haben viele nicht bedacht.
Die Chance wird zum Imperativ: Du musst deine Freiheit nutzen, du musst gut sein, glücklich sein. Das führt dazu, dass schon Dreijährige im Kindergarten Chinesisch lernen sollen, damit sie mit 24 Jahren einen guten Job bekommen. Die Biografie muss bis ins Letzte durchgeplant sein, nur keinen Fehler machen. Wie soll man sich denn entspannen, wenn man zu dieser Optimierung gezwungen ist, egal worum es geht, Sport, Sex, Liebe, Familie?
Dies führt unweigerlich irgendwann ins Burnout, in die absolute Erschöpfung!

Burnout, auch eine gestörte Fähigkeit zur Empfindung positiver Emotionen?

Die Realität eines Menschen wird durch seinen Fokus bestimmt. Ganz ähnlich ist es mit dem Gefühl, das seine Wahrnehmung beeinflusst. Ganz oft, wenn wir uns leer und ausgebrannt fühlen, vergessen wir, dass sich dadurch, was wir wahrnehmen, verändert und achten nicht mehr auf die übrige Welt um uns herum. So erinnern sich etwa Personen, die sich gestresst oder ausgebrannt fühlen, bei einer Reihe positiver, neutraler und negativer Bilder mit erstaunlicher Detailtreue an das, was auf den negativen Bildern zu sehen ist, wo hingegen sie keine Fakten von den positiven oder neutralen Bildern zu berichten wissen.
Aus evolutionsbiologischer Sicht möge das auch sinnvoll sein. Wenn Sie auf der Flucht vor einem Säbelzahntiger sind, achten Sie vielleicht darauf, wer Sie noch gerne zum Mittagessen hätte oder was Ihnen bei der Flucht im Weg ist, aber Sie werden wohl nicht innehalten und einen schönen Regenbogen bewundern. Für das Überleben unserer Art ist das auch gut so, doch für das individuelle Wohlbefinden und Glück ist das verheerend.
Burnout ist im Grunde die gestörte Fähigkeit zur Empfindung positiver Emotionen – und Interventionen, die bei Burnout erfolgreich sind, haben offenbar alle etwas gemeinsam: Sie alle steigern die Fähigkeit einer Person, positive Emotionen zu erleben: Weiterlesen.

Elternburnout

Manchmal geraten Eltern in eine Erschöpfung, die anders aussieht als das Jobburnout. Die Mütter und Väter entwickeln Fluchtfantasien, träumen davon, die Familie zu verlassen, vernachlässigen ihre Kinder, können keine emotionale Beziehung mehr zu ihnen aufbauen und neigen sogar zu Gewalt. Sie sind erschöpft davon, dass sie Eltern sind.
Zwei Studien erbrachten die Bestätigung, dass Elternburnout anders ist als Jobburnout. Fluchtgedanken etwa seien charakteristisch für Eltern – vielleicht weil sie sich nicht krankmelden und bei Erschöpfung nicht ohne weiteres erholen könnten. Die Wirkung auf die Kinder sei gravierend, schreiben die Autoren. Betroffene berichteten übereinstimmend von ihrem Scheitern, emotionale Bindungen zu den Kindern zu pflegen, und von ihrer Aggressivität.
Ob die Erscheinungsformen Ursache oder Folge des Elternburnouts sind, ist wissenschaftlich nicht geklärt. Es könne auch sein, dass es eine gemeinsame Ursache für die erhöhte Neigung gebe, bei Stress in Fluchtgedanken zu verfallen und die Kinder aus den Augen zu verlieren, etwa ausgeprägter Neurotizismus. Es gibt Hinweise auf Anfälligkeiten: etwa mangelnde Unterstützung des sozialen Netzwerks, der Wunsch, eine perfekte Mutter oder ein perfekter Vater zu sein, fehlende Unterstützung durch den Partner oder fehlende Fähigkeiten, mit Stress und heftigen Emotionen umzugehen.
(Moïra Mikolajczak u. a.: Parental burnout: What is it, and why does it matter? Clinical Psychological Science, 7/6, 2019. DOI: 10.1177/2167702619858430)

Abgrenzung zu Erschöpfung und chronischer Fatigue bei ME/CFS und weiteren Ursachen

Was hilft prophylaktisch und auch therapeutisch gegen das Burnout?

  • Nein sagen lernen! Sie können nicht immer allen alles recht machen, ob im Beruf oder in Beziehungen! Wer keine Grenzen ziehen kann, wird unzufrieden und hat bald das Gefühl, dass andere mehr über die eigene Energie und Zeit verfügen als man selbst. Lernen Sie ihre eigenen Bedürfnisse kennen und leben Sie danach.
    Die Arbeitsstelle scannen auf Situationen, in denen wir ohnmächtig sind: Überreglementierung, Ausbeutung und Allverfügbarkeit. Burnout ist eine Kompetenz. Wer ausbrennt, sollte sich das nicht als Schwäche oder Versagen auslegen, er kann stolz sein auf sein Engagement – „müdstolz„. Ein Müdstolzer weiss um seine Leistung und hat daher kein Problem damit, sich und anderen einzugestehen: „Ich kann unmöglich allem gerecht werden!“
    Er empört und wehrt sich an der richtigen Stelle.
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  • Seine Resilienz vergrössern. Die „Resilienz“ ist unsere Kraft zum „Gedeihen trotz widriger Umstände“.
    Dazu ausführlich hier: /krise/
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  • Dann ist in unserer Zeit des Dauerstress die Entspannung das A und O. Der Rhythmus von Spannung und Entspannung (Kontakt und Rückzug, etc.) sollte auch über die Arbeitswoche weg erhalten bleiben. Das optimale Modell für Dauerstressgeplagte und Leute mit Burnoutgefährdung ist eine 80%-Arbeit mit einem ganztägig freien Mittwoch!
    Ein tägliches Mittagsschläfchen von 30 bis 45 Minuten (nicht länger!) wäre natürlich optimal!
    Weiterlesen: /entspannung/
    Auch im Winter kann man saisongerechter Leben und sich bei kürzerem Tageslicht und grösserer Nachtlänge mehr zurückziehen, zur Ruhe kommen und länger Schlafen: also mehr erholen und entspannen (mehr dazu).
    Allgemein lässt sich sagen, dass ein Stärken des Parasympathikus (anabole Seite, regenerativ) hilft (für bessere Verdauung, gegen Schlafstörung und für optimale Reparation).
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  • In der «Müdigkeits­gesellschaft» gehen alle Mitglieder permanent an die Grenzen ihrer Mobilisierbarkeit, der Burnout wird zur Universal­pathologie, zum permanent drohenden Leistungs­infarkt. Dem setzt Byung-Chul Han in seinem neuen Buch „Vita contemplativa“ ein Ethos des Flanierens, des Schlenderns, des Verweilens entgegen.
    Denn alles, was der menschlichen Existenz nach Han einen wirklichen Sinn gibt – die Liebe, das Fest, die Kunst­erfahrung –, hat sein Geheimnis darin, nicht zweck­gerichtet zu sein, kein Ziel zu haben und Zeit zu beanspruchen für nichts als sich selbst. «Das Leben», schreibt Han, «erhält seinen Glanz erst von der Untätigkeit (…) Das wahre Leben beginnt in dem Moment, in dem die Sorge um das Überleben, die Not des schieren Überlebens aufhört. Der letzte Zweck menschlicher Anstrengungen ist die Untätigkeit.»
    Und das Zeremoniell der Untätigkeit – hier werden Hans Reflexionen unmittelbar politisch – ist auch ein Korrektiv für unser «instrumentales Natur­verständnis», das die Welt nur als Ressource betrachtet und unseren Zwecken unterwirft.
    Etwas überspitzt gesagt: Um die Natur zu schonen, die fossilen Brenn­stoffe im Boden zu lassen, müssen wir zuallererst unser Grund­ethos ändern. Um Ressourcen zu sparen, müssen wir wieder lernen, zu verschwenden: unsere Zeit. Wir müssen die Welt so annehmen, wie sie ist. Bei ihr verweilen. Um sie zu betrachten und zu feiern.
    (aus „Die Ökologie des Verschwendens“ von Daniel Binswanger, die Republik 01/23)

  • Distanz zur Arbeit erhöhen: Keine ständige Erreichbarkeit zu Hause, also keine Arbeitsmails, natürlich auch keine Telefons. Aber auch keine ununterbrochene Erreichbarkeit während der Arbeit! Um konzentriert zu arbeiten, müssen Perioden von 30 bis 40 Minuten völlig störungsfrei sein! Deshalb:
    – Zeitfenster festlegen, wann man erreichbar ist und wann nicht.
    – Antwortfristen festlegen (nicht sofort, sondern dann, wenn es passt).
    – Push-Nachrichten ausschalten.
    – Nein-Sagen, auch mal zum Chef, wenn es sein muss!
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  • Ein Internet, welches mich beherrscht – und nicht umgekehrt, macht krank und brennt aus: Weiterlesen>
  • Aufgaben delegieren: Man muss nicht immer alles selber machen – und auch nicht sofort – und auch nicht perfekt!
    Perfektionismus (höchste Ansprüche an sich selbst, strenge Selbstkritik und die ständige Sorge, Fehler zu begehen) kann krank machen, depressiv und ausgebrannt. Therapeutisch hilft, dem „Inneren Kritiker“ mit Mitgefühl zu begegnen. Menschen, die trotz leistungsfordernder Gedanken in schwierigen Momenten achtsam und liebevoll zu sich waren oder eigene Misserfolge eher als Teil der menschlichen Entwicklung sahen, geht es darauf wesentlich besser.

Stellen Sie sich die dazu die Frage: „Wem gehört mein Leben?!“ (Robert Betz)

Wer nicht zum Burnout neigt

Menschen, die offen, fair, verträglich und gewissenhaft sind, haben ein geringeres Risiko, ein berufliches Burnout zu erleiden. Dies ergab eine Onlinestudie mit rund 500 Erwerbstätigen. Diejenigen, die laut dem Hexaco-Persönlichkeitsmodell bei diesen Eigenschaften höhere Werte erzielten, berichteten zum zweiten Befragungszeitpunkt seltener über Burnoutsymptome als die Personen mit hohen Werten beim Neurotizismus und mit höherer Emotionalität.
Das Forschungsteam schlussfolgert: Menschen mit den Eigenschaften Ehrlichkeit und Bescheidenheit, Verträglichkeit und Extraversion verhalten sich im Job anders. Sie engagieren sich, legen Wert auf wechselseitige Fairness und sind gut im Strukturieren und Organisieren. Sie sehen auch die negativen Aspekte ihres Jobs. Dies befähige sie, sich damit auseinanderzusetzen und aktiv etwas zu verändern.
Wer das nicht macht, neigt dazu, sich emotional zu distanzieren, schnell zu überfordern und erschöpft zu fühlen, und gerate so schneller in ein Burnout.
(Karolien Hendrikx u.a.: Personality and burnout complaints: The mediating role of proactive burnout prevention behaviors at work. Scandinavian Journal of Psychology, 2024. DOI: 10.1111/sjop.13005)

Aber wie sagt man es nun dem Chef?

Es erleben heute deutlich mehr Menschen als noch vor zwanzig Jahren chronische Erschöpfung durch Arbeit. Das ist nicht nur schlecht für persönliche Schicksale, sondern auch für die Produktivität von Unternehmen. Weswegen viel dafür spricht, dass nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Chefs verstehen, was Burnout ist.
Erraten kann er oder sie es nicht, selbst wenn er oder sie schon sensibilisiert ist? Drei gute Argumentationshilfen dazu können Sie hier finden.

Warum Ärztinnen mehr Burnout entwickeln als Ärzte

Der grösste Unterschied zwischen Ärztinnen und Ärzten besteht in der Erwartung, die wir an sie haben. Und das hat Folgen: Ärztinnen sind gefährdeter für Burnouts.
Wir (Patientinnen und Patienten) wünschen uns eine einfühlsame Behandlung nach den aktuellen medizinischen Erkenntnissen. Ärztinnen sind eher in der Lage als ihre männlichen Kollegen, beide Erwartungen gleichermassen zu erfüllen: Sie zeigen mehr Empathie im zwischenmenschlichen Umgang. Das lässt sich zum Beispiel daran erkennen, dass sie mehr Fragen stellen und sich mehr Zeit für Gespräche nehmen. In Ärztin-Patienten-Gesprächen geht es häufiger um Gefühle verglichen mit Arzt-Patienten-Gesprächen. Deshalb bekommen Ärztinnen häufiger das Prädikat „gut“ als ihre männlichen Kollegen.
Wenn sich aber ein Arzt als besonders einfühlsam zeigt, wird ihm im Gegensatz dazu eher das Prädikat „sehr gut“ verliehen. Allein schon deshalb, weil wir seltener die Erfahrung machen, dass Männer über Gefühle reden, sind wir positiv überrascht und schätzen in der Folge auch die fachlichen Qualitäten des Arztes höher ein. Diese Verknüpfung passiert bei Ärztinnen seltener und weniger stark.
Wie seltsam: Wir wünschen uns einfühlsamere Medizin, bewerten sie aber unterschiedlich, je nachdem, ob wir sie von einer Frau oder einem Mann bekommen. Wir schimpfen auf die kalte, unpersönliche Apparatemedizin und verurteilen gleichzeitig den sanfteren Ansatz als weniger kompetent, womöglich weniger hilfreich – zumindest tendenziell.
Relevant ist dieses Phänomen allein schon deshalb, weil inzwischen die Hälfte der Mediziner weiblich sind und zwei Drittel der Medizinstudenten. Frauen prägen die Medizin der Zukunft. Aber auch wir Patienten. (Quelle: Silke Jäger, piqd, 5.5.18).
Daraus entsteht eine Dynamik, die zur Folge hat, dass Ärztinnen schneller und anders ausbrennen als Ärzte. Der weiterführende Text erklärt sehr anschaulich, wieso: burnout-bei-aerztinnen.pdf
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Millennials brennen speziell aus…

Das Gefühl permanenter psychischer Überlastung drängt vor allem die Generation der zwischen 1981 und 1996 Geborenen (Millennials) sowohl zum Dauerarbeiten, wie auch zum Dauerndwegwollen. Das Lesen dieses fundierten Essay lohnt sich natürlich auch für andere Geburtsjahrgänge:
www.buzzfeednews.com/article/annehelenpetersen/millennials-burnout-generation-debt-work

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Zur Lektüre: Byung-Chul Han: «Vita contemplativa oder von der Untätigkeit». Ullstein, Berlin 2022. 128 Seiten, ca. 37 Franken.

Veröffentlicht durch Dr.med. Thomas Walser am 07. Mai 2018
Letzte Aktualisierung:
21. März 2024

Depression

Was ist eine „Depression“?

„Die grösste aller Gefahren, sich selbst zu verlieren, kann sich in der Welt ganz leise ereignen, als ob es gar nichts wäre. Kein anderer Verlust kann so leise eintreten; jeder andere Verlust – ein Arm, ein Bein, fünf Euro, eine Frau, usw. – wird sicher bemerkt werden.“ (Kierkegaard) – Meine neue Lieblingsdefinition von „Depression“ (im Moment).

Das Problem mit der Depression beginnt schon vor der Diagnose, nämlich bei der Definition, was eine Depression ist. Die Krankheit Depression wird aufgrund von Symptomen definiert und kann nicht aufgrund somatischer Marker definiert werden (Ausnahme: Entzündungsmarker?). Es könnte also auch sein, dass Ärzte die diagnostischen Kriterien etwas anders gewichten als die, die diese Kriterien erstellt haben.
Zudem ist es schwierig auf einer kontinuierlichen Skala, die bei jedem Menschen zwischen „überhaupt nicht depressiv“ und „schwerst depressiv“ liegt, den Punkt festzulegen der Depression von Nicht-Depression unterscheidet.

Disease Mongering

Mit der Definition von allen psychischen Krankheiten verhält es sich ähnlich. 2013 enthielt das neue DSM 5, die international geltende «Bibel der psychischen Erkrankungen», zahlreiche zusätzliche Leiden und hatte bei vielen anderen die Hürde für eine Diagnose gesenkt. ADHS zum Beispiel erforderte nicht mehr sechs Symptome, sondern nur noch fünf. Dass sich psychische Erkrankungen fast immer nur an Symptomen orientierten und diese dann auch noch subjektiv interpretiert würden, komme «so in kaum einem anderen Bereich der Medizin vor», kritisiert der langjährige Direktor des amerikanischen National Institute of Mental Health (NIMH), Thomas Insel, seit Jahren. Er spricht gar von «Zuständen wie in vorwissenschaftlichen Zeiten».

Tatsächlich gleichen viele Diagnosen eher eine Art Definitionsfrage. Und so wird aus der herkömmlichen Schüchternheit eine soziale Phobie oder aus der Trauer, die nach dem Tod eines nahestehenden Menschen länger als zwei Wochen andauert, eine Depression. Denkt man diese Entwicklung konsequent weiter, ist – überspitzt formuliert – irgendwann überhaupt niemand mehr psychisch gesund.

Dass bereits eine „Miese Stimmung“ eine „Depression“ und damit krankhaft sein soll, davon ist hier also nicht die Rede. Ich plädiere dezidiert gegen das Diktat des „positiven Denkens„! Ich glaube sogar, dass diese „miese“ Stimmung zu einem grossen Teil durch das „positive Denken“ einer ganzen Kultur mitverursacht wird. Ich meine hier nicht nur die Methode des positiven Denkens, sondern gesellschaftlich immer weiter verbreitete Werte wie Spass, Fröhlichkeit, Zwangs-Optimismus (siehe dazu auch das sehr aktuelle Buch von Arnold Retzer (Miese Stimmung. Eine Streitschrift gegen positives Denken. S.Fischer, Frankfurt 2012).

Auch der neue Hype des sogenannten „Manifestierens“ beschönigt die gleiche verblendete Logik, die behauptet, Armut sei eine Wahl, und die vielen politischen Desinformationen zugrunde liegt. Wenn die Realität nur das ist, was wir aus ihr machen, dann werden die Skrupellosesten die meiste Macht haben, die Zukunft zu gestalten. Weiterlesen >>>

Menschen suchen nach Glück und Zufriedenheit. Doch auch Trübsinn hat Vorzüge:
„Das Vergnügen traurig zu sein!“.

Was tun? >>> direkt zu den Therapieansätzen

Wie die Evolution unsere Biologie formt

 Oder: In welchen Situationen ist eine gedrückte Stimmung nützlich?

Randolph Nesse gilt als Mitbegründer der evolutionären Medizin. Der Psychiater erforscht, wie die Evolution den Menschen geformt – und für bestimmte Krankheiten anfällig gemacht hat. Er schrieb ein Buch mit dem bekannten Evolutionsbiologen George Williams, war Gründungsdirektor des Centers for Evolution and Medicine an der Arizona State University. Mit ZEIT ONLINE spricht er 12/2022 über sein neuestes Buch „Good Reasons for Bad Feelings„.
zeit.de/gesundheit/2022-12/mentale-gesundheit-depression-angst-evolution-randolph-nesse

Seiner Ansicht nach kann Niedergeschlagenheit ein Hinweis darauf sein, dass wir gerade Energie verschwenden. Zum Beispiel, wenn wir ein Ziel verfolgen, das nicht zu unserer Lebenslage passt. Oder wenn das Erreichen des Ziels aussichtslos erscheint, wir aber nicht davon lassen können. Wenn wir in einer Sache blockiert sind. 

Er plädiert dafür, auch mal aufzugeben und nicht verbissen an etwas festzuhalten, das uns offensichtlich gar nicht guttut: „In meiner Karriere gelangen mir allerdings einige der größten Heilungen, als ich Menschen geholfen habe zu realisieren, dass sie etwa seit fünfzehn Jahren an dieser Ehe arbeiten, aber eigentlich gar nicht mehr daran glauben, dass sie sie noch retten können. Dass sie jetzt den Status quo entweder akzeptieren müssen oder unter Schmerzen einen Schlussstrich ziehen. Im Aufgeben liegt oftmals der Schlüssel, um eine Depression zu überwinden.“

Nur gute Menschen werden depressiv!

Im Ansatz der Persönlichkeitstheorie tönt dies so:
„Damit sich natürliche Traurigkeit in eine Depression verwandelt, muss man sich nur selbst die Schuld an dem Unglück geben, das einem widerfahren ist!“ (Dorothy Rowe)

Wenn wir damit aufhören könnten, uns selbst die Schuld für schlimme Ereignisse in unserem Leben zu geben, würde die Depressionsrate rapide sinken, lautet Dorothy Rowes Prämisse. Und ihre Therapieerfolge sprechen für sich. Normalerweise wachsen wir in der Überzeugung auf, dass es in der Welt gerecht zugeht und uns Gutes widerfährt, wenn wir uns entsprechend verhalten. Doch was bedeutet das im Umkehrschluss? Wenn wir davon überzeugt sind, dass die Guten belohnt und die Schlechten bestraft werden, kommen wir zwangsläufig zu dem Schluss, dass wir für alles Schlechte in unserem Leben selbst verantwortlich sind.
In solchen Situationen fragen wir oft: „Warum passiert das ausgerechnet mir?“ Wir blicken zurück, um herauszufinden, was wir beigetragen haben, selbst wenn es um eine Naturkatastrophe geht. Irrationale Schuldgefühle, Hilflosigkeit und Scham entstehen, eine Depression kann die Folge sein. Rowe ist der Ansicht, dass wir unsere Überzeugungen selbst erschaffen. Sobald uns das klar geworden sei, könnten wir uns von dem Glauben an eine gerechte Welt verabschieden und negative Erfahrungen, z.B. einen Jobverlust, rationaler verarbeiten. Katastrophen widerfahren uns nicht, weil wir zum Unglück verdammt sind oder sie verdienen. Wir sollten damit aufhören, Ereignisse persönlich zu nehmen, und uns darüber klar werden, dass Schlimmes einfach geschieht! (Nur gute Menschen werden depressiv – aus „Das Psychologie-Buch“, Dorling Kindersley, London, 2012)

Weiterlesen: Auch „Einsamkeit“ muss nicht zur Depression führen.

Ursache ist wohl schwache Plastizität unseres Hirns und nicht ein Mangel an Botenstoffe (v.a. Serotonin)

Dauerstress und Depression

Auf diesen starken Zusammenhang kam Forscher nun wieder bei der Enträtselung der antidepressiven Wirkung der psychedelisch wirkenden Drogen, wie Ketamin. Diese Droge verbessert die Übertragung von Informationen zwischen den Hirnzellen, stellten die Forscher fest. Sie lässt sogar neue Verbindungsstellen, Synapsen, entstehen. Herkömmliche Antidepressiva tun das auf Umwegen auch. »Plastizität« nennen Fachleute dieses Phänomen. Es ist entscheidend für das Lernen.
Eine neue Hypothese war geboren: Depressionen entstünden, wenn diese Plastizität unseres Hirns sinke. Erhöhe man sie, lasse sich die Krankheit lindern.

Für diese Vermutung spricht einiges, denn Stress senkt die Plastizität. Und Stress entsteht durch akute oder chronische Überlastungen genauso wie durch frühe Traumata – alles bekannte Ursachen von Depressionen. Wenn Menschen aber nicht mehr so gut Neues lernen können, bleiben sie leichter in Grübelschleifen hängen, ziehen sich zurück. Die Verbindungen (Synapsen) im Gehirn leiden, die Verbindungen im Leben ebenfalls.

Eine weitere Erklärung für den Zusammenhang von Dauerstress und Depression führt über unseren Darm und sein Mikrobiom: Der Stress lässt unsere Darmflora massiv verarmen, was wiederum zur Depression führen kann (siehe weiter unten).

Mangel an Botenstoffe?

Lange Zeit glaubte man, dass ein Mangel an Botenstoffen, insbesondere an Serotonin, die Ursache für Depressionen sei. Diese Annahme beruhte auf der Wirkweise herkömmlicher Antidepressiva, die die Konzentration von Serotonin zwischen den Hirnzellen erhöhen. Obwohl sie vielen Patienten helfen, wirken sie nicht bei allen. Inzwischen ist klar, dass diese Serotonin-Hypothese nicht ausreicht. Vor mehr als 20 Jahren fiel Ärzten auf, dass es manchen depressiven Menschen nach einer Operation unter Vollnarkose mit dem Mittel Ketamin deutlich besser ging. Anfang des Jahrtausends bestätigten erste Tests an Patienten mit Depressionen die Wirkung des Stoffs. Es zeigte sich, dass Ketamin die Übertragung von Informationen zwischen den Hirnzellen verbessert und sogar neue Verbindungen – Synapsen – spriessen lässt. Fachleute nennen diesen Mechanismus “Plastizität”. Die neue Hypothese besagt, dass Depressionen dadurch entstehen, dass ebendiese Plastizität sinkt. Ein Gehirn, das sich nur noch wenig verändern kann, wird krank. Wenn bei Menschen mit Depressionen dieser Prozess gestört ist, lernen sie nicht mehr so gut Neues und bleiben in den immer gleichen Grübelschleifen hängen. Dazu passt, dass typische Auslöser einer Depression wie frühe Traumata und akute oder chronische Überlastung Stress verursachen – und dass Dauerstress wiederum die Plastizität senkt (siehe weiter oben).

Ketamin gegen Depression

Ketamin ist ein vielversprechendes Mittel gegen Depressionen. Die dissoziative Wirkung von Ketamin ist nicht entscheidend für seinen antidepressiven Effekt. Eine Übersichtsarbeit von 2020 ergab, dass nur in drei von acht Studien überhaupt ein Zusammenhang zwischen dissoziativen Symptomen und der antidepressiven Wirkung bestand. Und auch in diesen Fällen erklärten die rauschhaften Erfahrungen nur 12 bis 21 Prozent der Unterschiede in der Wirkung auf die Depression. Das unterscheidet Ketamin wahrscheinlich von psychedelischen Drogen wie Psilocybin und MDMA; bei ihnen ist der Rausch tiefgreifender und deshalb wohl wichtiger für die Wirkung.

Plastizität an sich hilft aber noch nicht. Sie schafft nur die Möglichkeit, dass sich etwas ändert. Ob es besser wird oder sogar schlechter, hängt von der Umwelt ab. Damit Menschen mit Depressionen von der wiedergewonnenen Flexibilität im Hirn profitieren, brauchen sie hilfreiche Erfahrungen, wohltuende Begegnungen – und meist eine Psychotherapie.

Symptome einer Depression

„Wahre“ Schwere Depressionen gehören zu den quälendsten Leiden überhaupt: Kranke, die den jähen Schmerz eines Herzinfarkts und eine Depression erlebt hatten, hielten im Nachhinein die Depression für weitaus unangenehmer.
Gemeinsam ist fast allen Depressionen die gedrückte, traurige Grundstimmung, die die Zukunft meist sehr schwarz und negativ aussehen lässt. In vielen Fällen ist der Zustand des Kranken in den Morgenstunden am schlechtesten – Sie können auch frühmorgendlich zwei oder mehr Stunden vor der gewohnten Zeit erwachen. Abends hellt sich die Stimmung wieder etwas auf.
Nur wenige Depressive denken überhaupt nicht an Selbstmord.
Interessenverlust, Unzufriedenheit, Lustlosigkeit und Freudlosigkeit, verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, Schuldgefühle, Gefühle der Wertlosigkeit, Negativ-pessimistische Zukunftsperspektiven, Suizidale Gedanken oder Handlungen, Ein- bzw. Durchschlafstörungen mit Schlaflosigkeit oder vermehrter Schlaf, Müdigkeit und Energielosigkeit, Appetitlosigkeit – auch mit Gewichtsverlust (mehr als 5% des Körpergewichts im letzten Monat), deutlicher Libidoverlust,  Entscheidungsschwierigkeiten, Leere und Reizbarkeit. Psychomotorisch kann eine Hemmung oder eine Agitiertheit bestehen.

Jedes der folgenden Symptome verdoppelt etwa die Wahrscheinlichkeit einer Depression: Schlaflosigkeit (Insomnie), Müdigkeit, chronische Schmerzen, Veränderung in den Lebensumständen, ungeklärte physische Symptome, mäs­sige bis schlechte ­Gesundheit in Selbsteinschätzung der Patienten.

Es gibt viele Screening-Methoden, der PHQ-9 («Patient Health Questionnaire-9») scheint am weitesten verbreitet zu sein und gute Qualitätscharakteristika aufzuweisen (Sensitivität/Spezifität bei je 85%). > www.depressionscreening100.com/phq

Berechneter SkalensummenwertSchweregrad der Depression
1-4Minimale depressive Symptomatik
5-9Milde depressive Symptomatik
10-14Mittelgradige depressive Symptomatik
15-27Schwere depressive Symptomatik

…und für Männer bestehen zudem oder alternativ noch andere Symptome: siehe hier

Körperliche Symptome, die eine Depression maskieren können (sogenannte „larvierte Depression“)

  • Kopfschmerzen
  • Nacken-Schulterschmerzen (siehe gleich unten)
  • Rückenschmerzen
  • Atembeschwerden
  • Herzbeschwerden
  • Magen-Darm-Beschwerden
  • Rheumatische Beschwerden
  • Unterleibsbeschwerden

Steifer Nacken, trübe Gedanken?

Können unelastische Faszien zu Depressionen führen? Forschende haben den Zusammenhang in zwei Studien untersucht.

Gibt es eine Wechselwirkung zwischen dem Fasziengewebe im Nacken- und Schulterbereich und der Neigung zu negativen Gedanken? Für diese Frage interessierten sich der Forscher Johannes Michalak und sein Team von der Universität Witten-Herdecke in zwei Studien. (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34955570/)

Das Ergebnis: Womöglich haben Menschen mit Depressionen steifes, unelastisches Fasziengewebe. Das könnte es ihnen erschweren, negative Gedankenschleifen zu beenden.

Für die erste Studie wurde zunächst die Steifigkeit des Fasziengewebes von 80 Depressiven und Nichtdepressiven gemessen. An der zweiten Studie nahmen 69 Personen teil, bei denen eine Depression festgestellt worden war. Rund die Hälfte massierte sich 30 Sekunden lang selbst Schultern und Nacken, indem sie über eine Faszien-Schaumstoffrolle hin und her rollten. Die Kontrollgruppe legte sich mit Nacken und Schultern auf die gleiche Rolle und bewegte sich nur auf und ab, sie massierten sich also nicht richtig.

Anschliessend wurde allen eine Liste mit positiven und negativen Begriffen vorgelesen, die sie sich merken sollten. Diejenigen, die Schultern und Nacken mit der Schaumstoffrolle „geknetet“ hatten, merkten sich deutlich mehr positive Wörter. Die Autorinnen und Autoren betonen, dass es eine kurze Behandlung und ein vorübergehender Effekt war.
(Susanne Ackermann, 15. Sep 2023 in PSYCHOLOGIE HEUTE)

Angst und Depression

Angst vor dem Kommenden, vor der Zukunft – und Niedergeschlagenheit angesichts des Gewesenen, vor der Vergangenheit: Die Angst und Depression sind zwei Seiten derselben Medaille, ängstliche Menschen sind nicht selten auch depressiv und umgekehrt. Im Persönlichkeitsmodell der „Big Five“ sind Ängstlichkeit und Niedergeschlagenheit zwei Facetten ein und derselben Grundeigenschaft, des „Neurotizismus“, der emotionalen Labilität. Besonders frappant ist die Verkoppelung bei der „generalisierten Angststörung“, bei der sich die Angst verselbständigt hat und frei von Auslösern kommt und geht, wie sie will.
Meist kommt erst die Angst im Leben, und wenn sie nicht vergehen will, gesellt sich in späteren Jahren die Depression hinzu.
Auch Studien haben nun ergeben, dass Menschen während einer Depression ihr Denken auf die Vergangenheit fokussieren. Haben Menschen hingegen Angst, so gehen ihnen vor allem zukünftige Ereignisse durch den Sinn, die sie als Bedrohung empfinden. Vergangene Dramen stimmen also eher depressiv, künftige ängstlich!
(A.Pomeranz, P.Rose: Is depression the past tense of anxiety? Int Journal of Psych, DOI: 10.1002/ijop.12050).

Ängste sind wie Rauchmelder, die zu sensibel eingestellt sind. Sie schrillen schon bei sehr wenig Rauch los und stellen uns auf Alarm – bis zur Panikattacke.

Therapeutische Folgerungen zeigen zeitlich in die Mitte: Das achtsame Fokussieren auf die Gegenwart, auf das, was gerade in diesem Moment, im Hier und Jetzt geschieht, hilft sowohl gegen Angst als auch gegen die Depression!  Die verschiedensten Meditationsformen sind dazu ein fantastisches Instrument, jedoch auch Yoga, Tanzen, Singen und Spaziergänge in der Natur.

Demütigungen und Kränkungen

Neuere Studien zeigen, dass Demütigungen und Kränkungen zu den häufigsten Ursachen von Depressionen zählen.
Wie schaff ich in solchen Situationen „Distanz zu mir“?

Macht mein verarmtes Mikrobiom im Darm mich depressiv?!

In diesem interessanten Zusammenhang wird die Ernährung und die Entzündung bei der Depression immer wichtiger: Lesen Sie dazu weiter unten!
Dies übrigens eine weitere Erklärung für den Zusammenhang von Dauerstress und Depression: Auch der Stress lässt unsere Darmflora massiv verarmen, was wiederum zur Depression führen kann.

Besonderes bei der Frau

Während der depressiven Episoden treten bei Frauen häufiger chronische Müdigkeit, gesteigerte Schläfrigkeit und eine psychomotorische Verlangsamung auf.
Literatur: Kelly Brogan: „Die Wahrheit über weibliche Depression. Warum sie nicht im Kopf entsteht und ohne Medikamente heilbar ist.“ >> daraus: Die Depression ist ein Symptom. An irgendeiner Stelle im Körper gibt es eine Unausgewogenheit…

Besonders bei Frauen hilft eine Ernährung, die reich an Gemüse und Ballaststoffen ist und Fleisch, Fast Food und Zuckerprodukte minimiert.
Frau sollte aber ihr Eisen und Vitamin B12 im Blut messen lassen: zu tiefe Werte können auch depressive Symptome (Müdigkeit…) verursachen.

Besonderes beim Mann

Männer hingegen berichten eher von Schlaflosigkeit, motorischer Unruhe und gesteigerter körperlicher Erregbarkeit (auch chronische Schmerzen gehören hier dazu).
„Male Depression“: Eine Depression äussert sich bei Männern oft untypisch. Männer, die ihre Depression „externalisieren“, versinken weder in Schwermut, noch wirken sie niedergeschlagen oder ziehen sich zurück. Sie nehmen zwar einen starken inneren Druck wahr, fühlen sich aber nicht psychisch krank. Vielmehr fallen sie auf, weil sie plötzlich und uncharakteristisch für ihren Charakter verärgert und gereizt sind, rasch die Be-herr-schung verlieren oder hohe Risiken eingehen, etwa im Strassenverkehr. Solche Auffälligkeiten werden – wenn überhaupt – als Persönlichkeitsstörung oder Neurose fehlinterpretiert. Männer kompensieren häufig durch verstärkten Konsum von Suchtmitteln wie Zigaretten und Alkohol, auch Sex und auch durch starke körperliche Aktivitäten wie Sport. Männer drücken ihr gesundheitliches Befinden weniger differenziert aus, verarbeiten ihre Beschwerden weniger introspektiv, funktionieren weiterhin im Alltag und suchen seltener Hilfe als Frauen.

  • vermehrter sozialer Rückzug, der oft verneint wird.
  • berufliches Überengagement, das mit Klagen über Stress maskiert wird.
  • Abstreiten von Kummer und Traurigkeit.
  • zunehmend rigide Forderungen nach Autonomie (in Ruhe gelassen werden).
  • zunehmende Intensität oder Häufigkeit von Wutanfällen, Impulsivität.
  • Hilfe von anderen nicht annehmen: das „Ich kann das schon allein“-Syndrom.
  • ab- oder zunehmendes sexuelles Interesse.
  • vermehrter bis exzessiver Alkohol- und/oder Nikotinkonsum.
  • anderes Suchtverhalten: TV, Sport, Glücksspiel, Internet etc..
  • ausgeprägte Selbstkritik, bezogen auf vermeintliches Versagen, Versagensangst.
  • andere für eigene Probleme verantwortlich machen.
  • verdeckte oder offene Feindseligkeit.
  • Unruhe und Agitiertheit
  • Chronische Schmerzen (siehe dazu diesen eindrücklichen Bericht bei Piqd www.piqd.de/gesundheit/manner-suchen-seltener-nach-hilfe-das-muss-sich-andern „Frauen suchen Hilfe – Männer sterben!“ Das ist der beunruhigende Titel einer Forschungsarbeit an der Universität Innsbruck. Dahinter steckt die These, dass Depressionen bei Männern oft nicht erkannt werden, weil Männer seltener Hilfe suchen.

    Männliche Vegetarier könnten ein höheres Risiko für Depressionen haben als Männer, die Fleisch essen! Darauf deutet eine Studie der USamerikanischen National Institutes of Health (NIH) mit mehr als 9.600 Männern hin: Vegetarische Kost bei Männern mit mehr Depressionen assoziiert.

    Ein Beispiel männlicher Depression: Nick Kyrgios und seine Ausraster!
    Der australische Tennisstar spricht in einem Interview 10/2020 über den ständigen Druck auf der Profi-Tour.

Tennisspieler Nick Kyrgios hat seine Ausraster auf dem Platz mit seinem Kampf gegen innere Dämonen erklärt. Er habe Probleme mit Depressionen, sagte der 25-Jährige. «Ich bin eines Tages in Schanghai aufgewacht, es war vier Uhr am Nachmittag, und ich lag immer noch bei gezogenen Vorhängen im Bett. Ich wollte das Tageslicht nicht sehen», berichtete Kyrgios, der für sein temperamentvolles Verhalten berüchtigt ist. Er sei «an einem einsamen, dunklen Ort» gewesen. «Ich fühlte mich, als wäre niemand an mir als Person interessiert. Alle sahen mich nur als Tennisspieler und wollten mich benutzen. Ich verlor die Freude am Spiel und geriet ausser Kontrolle.» Der ständige Druck habe ihn in die Depression getrieben. Zuletzt im 2020 war Kyrgios im Tennisgeschäft die Stimme der Vernunft im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Er verzichtete auf die Teilnahme an den US und den French Open.

Und seine emotionale Wendung:
Im Verlaufe des Frühjahrs 2022 begann er konstanter zu spielen. «Ich hatte es einfach satt, die Leute im Stich zu lassen», sagte er nun. «Ich war sehr egoistisch. Ich war deprimiert, bemitleidete mich die ganze Zeit. Das wollte ich ändern. Ich schaute die Menschen um mich herum an, ich wollte sie nicht mehr enttäuschen. Jetzt mache ich sie stolz. Jetzt werden nicht mehr so viele negative Dinge über mich gesagt. Ich wollte das Narrativ verändern.»
Die Liebe spielt dabei eine wichtige Rolle. Seit vergangenem Dezember ist er mit einer wunderbaren Frau zusammen. Nach seinen Matchs lässt er kaum eine Chance aus, sich bei ihr im Platzinterview zu bedanken.
Der Unterschied zu früher ist bei Kyrgios, dass er es nun schafft, sich nach seinen Wutausbrüchen und Schimpftiraden wieder schnell zu beherrschen. Er verliert die Kontrolle nicht mehr. Der Ärger geht nicht mehr tief.

Genau dies berichtet auch der Dalai -Lama, dass selbst er manchmal Ärger verspürt – diesem aber keinen grossen Platz gewährt, so dass dieser nicht tief gehen kann und schnell wieder weg ist.

Weiterer prominenter Mann: Kevin-Prince Boateng

Der frühere Fussballprofi fiel während seiner Karriere in eine Depression. Er sagt, wie er diese erlebte – und wie er seinen Stolz beiseitelegen musste, um sie zu überstehen.

Copyright Tagesanzeiger

„Solche psychischen Probleme sind natürlich tricky, weil sie sich ganz langsam in dein Leben schleichen. Es gibt nicht den Moment, in dem du sagst: Hier habe ich die Depression gefühlt. Sie kommt langsam, nimmt dir Kraft und Energie oder deinen Willen, irgendetwas zu tun. Und irgendwann sass ich dann da und war komplett leer.“

Ausdruck einer anderen Krankheit oder einer Medikamenten-Nebenwirkung?!

Immer muss ausgeschlossen werden, dass diese depressive Symptomatik nicht durch organische Erkrankungen bzw. die Einnahme von Arzneimitteln (Anabolika, Interferon, Isotretinoin, Kortikosteroide, Antibabypille, Antiepileptika) oder Drogen  (Alkohol, Amphetamine, Barbiturate, Benzodiazepine, Kokain, Halluzinogene, Narkotika) verursacht werden.

Abzugrenzen ist (v.a. beim älteren Menschen) eine Demenz (Alzheimer z.B.), die auch obige Symptome aufweisen kann. Die Orientierung ist bei der reinen Depression jedoch meist normal und in der Demenz gestört. Und die Psychomotorik ist beim Depressiven oft verändert und bei der Demenz meist normal (Genaueres dazu siehe auch hier).
Ein sehr hilfreiches Instrument dazu ist die Cornell-Skala. Dieser Test umfasst 19 Items, welche Veränderungen der Stimmung, des Verhaltens, vegetativer Funktionen wie Appetit und Schlaf sowie weitere Störungen erfassen. Von anderen Depressionsskalen unterscheidet sich die Cornell-Skala dadurch, dass sie nicht nur durch ein Gespräch mit dem Patienten erhoben wird, sondern sich vor allem auf Beobachtungen der Pflegenden stützt, die im Zeitraum von einer Woche erhoben werden.

Dann auch Neurologische Erkrankungen wie Zerebrovaskuläre Erkrankungen, Epilepsie, Hydrocephalus, Infektionen (inkl. HIV und Neurosyphilis), Migräne, Morbus Huntington, Morbus Parkinson, Morbus Wilson, Multiple Sklerose, Narkolepsie, Neoplasmen (Krebs), Schlafapnoe, Neurologisches Trauma.

Dann Internistische Erkrankungen:
Endokrinologische: Hyperaldosteronismus, Hyper- bzw. Hypoparathyreodismus, M.Cushing, M.Addison, PMS, Schilddrüse (Hypo-, Hyperthyreose).
Infektionen und rheumatische Erkrankungen: Borreliose, HIV, Hepatitis B, Lues; Rheumatoide Arthritis; Polymyalgia rheumatica; Sjögren Syndrom, Systemischer Lupus Erythematodes; Tuberkulose.
Diverse: Porphyrie, Urämie; Vitamindefizite (C, B12, Folsäure, Niacin, Thiamin), Eisenmangel.

Depression (MDD) scheint durch Entzündungen mitverursacht oder verschlechtert (Entzündungsmarker sind regelmässig pathologisch).
(J Neurol Neurosurg Psychiatry 2012;83:495-502: Depression: an inflammatory illness? Rajeev Krishnadas, J.Cavanagh; a review)
Bei der Depression findet man auch meist eine Neuroinflammation, eine Entzündung der Nerven und des Hirns, was in einer grösseren Reizbarkeit für Schmerzen, in Hypersensibilitätszustände mündet. Deshalb findet man zusammen mit depressiven Zuständen auch häufig somatische Symptomenkomplexe, wie Reizdarm, Reizblase, Unterleibschmerzen (Beckenschmerzen), Kopfschmerzen – also Schmerzzustände aller Art.
Man kann sich mit der Neuroinflammation auch erklären, weshalb mässige, aber regelmässige Bewegung die Depression stark bessert, da durch die Muskeltätigkeit ausgelösten Stoffwechselvorgänge die Neuroinflammation wesentlich vermindern.

(Copyright Prof. Jürgen Sandkühler, Zentrum für Hirnforschung, Medizinische Universität, Wien; http://chr.meduniwien.ac.at)

Dein Smartphone macht Dich depressiv.

Generation „Kopf unten“ aufgepasst. Wer sein Smartphone häufig benutzt (also fast jeder), riskiert ernsthafte Depressionen.
Das haben Forscher der University of Auckland festgestellt.
Der Grund ist ganz einfach: Wer viel textet und surft, lässt auch viel den Kopf hängen. Buchstäblich.

Wir bekommen nicht nur bei Selbstwertproblemen und mieser Stimmung eine schlechte Körperhaltung, sondern auch anders herum – eine schlechte Körperhaltung krümmt unseren Geist und dämpft unser Selbstwertgefühl.
Nichts anderes passiert, während wir aufs Handy schauen: Kopf runter, Schultern runter. Nimm einem, der so da steht, das Smartphone aus der Hand und er sieht aus, als wäre er verdammt deprimiert. Dem Gehirn reicht diese Haltung als Signal, es zieht seinen Schluss aus dieser Haltung.
Diese Körperhaltung ruiniert neben der Laune auch unser Selbstvertrauen und unsere Leistungsfähigkeit in Tests sowie die generelle Produktivität, ausserdem fällt es uns so schlechter, uns an gute Dinge zu erinnern, während sich die schlechten nur so aufdrängen.
Über die Therapie dieser Haltungsstörung siehe hier auf dieser Website!

Und… zum Digital-Detox hier in meinem Blog

Die Arbeitswelt macht depressiv

Die Welt des Lebendigen mit seinen Rhythmen und Zyklen (Atmung, Puls, Tag/Nacht, Jahreszeiten…) steht im Widerstreit mit dem modernen Projekt des linearen Fortschritts und des unaufhörlichen Wachstums unserer Wirtschaft, also mit unserer Arbeitswelt. Dies kann depressiv machen und in ein Burnout führen.
Es braucht einen neue Versöhnung dieser gegensätzlichen Prinzipien, eine Arbeitswelt, in der auch die zyklische Regeneration von uns Menschen, aber auch der Natur um uns Platz hat.
Vertiefen >>> Sternstunde Philosophie, 01/24 mit Thomas Fuchs, Psychiater und Philosoph

Spätaufstehen macht depressiv

Um 23% liesse sich das Risiko einer Depression verringern, wenn Spätaufsteher eine Stunde früher aufstünden (und zu Bett gingen). Zu diesem Ergebnis kommen Forscherinnen und Forscher nach der Auswertung von Daten aus mehreren Studien. Würden Spätaufsteherinnen es schaffen, zwei Stunden früher aus dem Bett zu kommen, liesse sich das Risiko weiter senken. Sie sollten tagsüber möglichst viel Licht bekommen. (Iyas Daghlas u.a.: Genetically proxied diurnal preference, sleep timing, and risk of major depressive disorder. JAMA Psychiatry, 2021)

Antibabypille und Depression

Spätestens seit 2016 wird die Depression bei jungen Frauen untrennbar mit der Pille verbunden. Damals zeigte eine grosse Untersuchung aus Dänemark, dass Frauen, die mit der Pille verhüteten, ein um 80 Prozent höheres Risiko hatten, in eine Depression zu rutschen. Die Selbstmordrate war sogar dreimal so hoch wie in der Kontrollgruppe (die absoluten Suizidzahlen lagen mit 71 Fällen unter den 500.000 Befragten allerdings auf sehr niedrigem Niveau).
Den negativen Einfluss auf die Stimmung bestätigte aber zuletzt im Juni 2023 nochmals eine grosse Studie mit britischen Daten: Hier war das Risiko depressiver Symptome bei Patientinnen, die sich in ihrer Jugend für die Pille entschieden hatten, um 130 Prozent erhöht.

Diagnostik-Test

Sich selber testen: PHQ-Test!

…und eher für Fachkräfte:

Sehr hilfreich zur Abgrenzung gegen eine Demenz (Alzheimer) ist die oben beschriebene Cornell-Skala, die sich vor allem auf Beobachtungen der Pflegenden stützt.

Die Hamilton-Skala (Hamilton Rating Scale of Depression – HRSD) ist ein standardisiertes diagnostisches Instrument für den Arzt zur Beurteilung des Schweregrades einer Depression. Die Hamilton Skala dient insbesondere dazu, die Wirksamkeit verschiedener Therapien, z.B. von Medikamenten in Zulassungsstudien, zahlenmässig exakt zu erfassen. Die Skala wurde 1960 von dem deutschstämmigen englischen Psychiater Max Hamilton (”Himmelschein”) eingeführt.
In der ursprünglichen, auch heute noch oft verwendeten Fassung, werden 21 Symptomenkomplexe systematisch vom Untersucher mit Punkten bewertet.
Untersuchungspunkte sind z.B. die depressive Stimmung (Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit, Wertlosigkeit), Schuldgefühle, Selbstmordgedanken, Schlafstörungen, körperliche Beschwerden, Sexualität, Gewichtsverlust.
Die Bewertung erfolgt aus dem Punktetotal. Je höher die Punktzahl, um so stärker ist die Depression. 66 ist die höchste, 0 die niedrigste erreichbare Punktzahl. Es gibt keinen “Normalwert”, aber es hat sich eingebürgert, ab 10 Punkten von einer leichten, ab 20 von einer mittelschweren und ab 30 von einer schweren Depression zu sprechen.
Die Hamilton Scale in Englisch zum Download – Testinstrument für Ärzte, ungeeignet zur Selbstdiagnose!

Kardiovaskuläre Erkrankungen und Depression

Diese zwei Krankheiten scheinen häufig gekoppelt zu sein. Nach einem Herzinfarkt besteht ein 6-fach erhöhtes Risiko für eine Depression und nach Hirnschlag ein 3-faches oder höher (Lesperance et al. Psychosomat Med 1996; Morris et al. Am J Psychiatry 1993).

Depression fördert gestörte Schmerzwahrnehmung im Darm und damit den Reizdarm

Depression und Angststörungen sind häufige, d.h. in etwa 40% Komorbiditäten des Reizdarmsyndroms. Aktuelle Daten weisen nun in Richtung einer gestörten Verarbeitung viszeraler Schmerzreize in den Gehirnen von IBS-Patienten (Neuroinflammation). Diese Auffälligkeiten sind umso ausgeprägter, wenn Patienten deutlichere Anzeichen einer Depression zeigen. Sie sind weniger gut in der Lage, Schmerzsignale aus dem Darm zentral zu unterdrücken.

Zudem gibt es einen klaren Zusammenhang einer verarmten Darmbesiedlung (ungünstiges Mikrobiom) mit der Depression: siehe hier: Mikrobiom-und-Depressionen.pdf!

Es existiert aber das Paradoxon!
Männliche Vegetarier könnten ein höheres Risiko für Depressionen haben als Männer, die Fleisch essen! Darauf deutet eine Studie der USamerikanischen National Institutes of Health (NIH) mit mehr als 9.600 Männern hin:
Vegetarische Kost bei Männern mit mehr Depressionen assoziiert.pdf

Familiär gehäuft

Es gibt Dispositionen zur Depression (gehäuft in Familien). Es existiert dann der Aspekt einer sog. Vererbung. Ich sage „sogenannt“, da genauso bei einer familiären Situation das Erleben der Nichtkontrolle von Unangenehmen eine Verringerung der Motivation, eine Passivität, eine Hilflosigkeit hervorrufen kann (also doch keine „Vererbung“).

Das erschöpfte Selbst

Die heutige Häufung von Depressionen und Suchtkrankheiten aller Art führt man auch auf die Überforderung des heutigen Menschen zurück, in Erfüllung des Versprechens der autonomen Persönlichkeit jederzeit für alles selbst verantwortlich sein zu sollen. Depressiv wird der Mensch demnach nicht, weil ihm Möglichkeiten verwehrt bleiben, sondern weil er die Illusion ertragen muss, dass ihm alles möglich ist. Unter diesem Druck fällt er empfindungslos zusammen und explodiert in der Sucht nach Reizen.
Drückte Menschen früher eher die Tatsache nieder, dass sie keine (oder kaum eine) Wahl hatten – wobei sie eben darin Statussicherheit, eventuell auch Seelenruhe finden konnten – wird nunmehr die Wahl die Norm und die Unsicherheit ihr Preis.

Bewegungsarmut und Depression

Sicher 40% aller leichten Depressionen kommen ursächlich aus einem Bewegungsmangel im Alltag! Das Risiko ist um das Dreifache verglichen mit der Durchschnittsbevölkerung erhöht. Weiterlesen >>>

Endogen?

„Endogene“ Depression (also von innen kommend) heisst vorerst mal: nicht induziert (z.B. durch andere schwere psychische oder körperliche Krankheit), nicht postinfektiös (nach schwerer Infektionskrankheit), nicht traumatisch (z.B. frühkindliche Trennung) – nicht „reaktiv“ also.
„Endogen“ wurde auch wieder populär, da der Hirnstoffwechsel von Depressiven offensichtlich anders funktioniert und dies der Ansatz der antidepressiven Medikamente ist, die diesen Stoffwechsel wieder normalisieren und damit der Mensch überhaupt wieder fähig ist, die Denkmuster zu verändern. Diese Hirnstoffwechselstörung als Ursache und nicht als sekundäres Phänomen zu sehen, ist aber rein hypothetisch.
Wir als Betreuer müssen die Hoffnung übernehmen, weil wir wissen, das Medikamente und Psychotherapie helfen können. Wir müssen die Frequenzen wieder etwas zum schwingen bringen („es gilt das Herz zu rühren, des Königs steinern Herz…“). Denn die Sinne etwas wahrzunehmen, sind beim Depressiven immer noch offen – im Gegensatz zum Geist.

Burnout und Depression

Es ist umstritten, wo die Definition eines „Burnout“ beginnt und wo die einer „Depression“ aufhört. Überschneidungen sind gross – Unterscheidung nur partiell möglich. Die Prophylaxe beider Zustände ist ähnlich – die Therapie zum Teil und betrifft beim Burnout häufiger in Arbeitssituationsverbesserungen: siehe dazu die eigene Seite über das „Burnout“ auf dieser Website.

Therapieansätze

Was tun?

Als Hausarzt interessiert mich zuerst mal:
Wie steht es um Ihre engsten Beziehungen?
Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Wohnsituation?
Und wie am Arbeitsplatz?
Dies wären die drei wichtigsten Bereiche des Lebens, die zu körperlicher und seelischer Gesundheit beitragen. Stimmt es hier nicht, kann eine Depression die Folge sein.
Es sind auch vor allem in obigen drei Dingen die eigenen Bedürfnisse, der „Innere Ruf“, deren Nicht-Befolgen in eine Depression münden kann!

Bei einer Depression kommt es darauf an, sich gerade gegenteilig zu verhalten wie mit Depression. Also etwa so:

  • Kopf rauf. Blick nach vorn.
  • Sorgfältige Kleidung tragen. Sich schön machen.
  • Musik. Singen unter der Dusche – und ausserhalb (siehe unten).
  • Sport. Rausgehen.
  • Mit allen möglichen Leuten zu Spaziergängen abmachen.
  • Ein Internet/Social Media welches mir dient und von dem ich nicht beherrscht werde!

Chorsingen hilft gegen Depressionen. Dies zeigt eine Übersichtsstudie der University of Queensland, Australien. Die Forscher analysierten dazu sieben Studien und fanden heraus: Durch das Gruppensingen fühlten sich die Teilnehmer weniger psychisch belastet. Regelmässiges Chorsingen macht Menschen emotional stärker und gibt ihnen Lebenssinn.
(„The European Journal of Health“, 2018)

  • Immer sollten persönliche, soziale Missstände aufgedeckt, angeschaut und verändert werden. Auch deshalb ist eine Gesprächs- oder andere Psychotherapie (auch eine Paartherapie kann sehr förderlich sein) bei einem Psychologen/-In oder psychotherapeutisch ausgebildeten Psychiater oder Hausarzt sehr erlösend. Ihr Hausarzt kennt gute Adressen oder kann Ihnen auch selbst mit Gesprächen und ev. sogar Medikamenten helfen. Er sollte auch seltene Ursachen, die zu denselben Symptomen führen können, ausschliessen (z.B. Veränderungen des Hirns).
    Schwerpunkte der Paartherapie bei Depression ist die Förderung der Kohäsion des Paares, der gegenseitigen Unterstützung, der Kommunikation der Partner, der gegenseitigen Akzeptanz und der Unabhängigkeit/Autonomie – aber auch der Abbau von ambivalentem Verhalten, Drohungen bezüglich Trennung, abschätziger Kritik/Abwertung, inadäquater Unterstützung und der Monotonie in der Beziehung (siehe auch meine Seite über „besseren Sex“!).
    Zur Persönlichkeitstheorie siehe hier oben >>>
    .
  • Bezwingen Sie negatives Denken:
    Alle Menschen haben die Tendenz, mehr über schlechte Erfahrungen nachzudenken als über positive. Das ist eine evolutionäre Anpassung – das Überwinden von gefährlichen oder verletzenden Situationen, die uns im Laufe des Lebens begegnen (Mobbing, Trauma, Verrat), hilft uns, sie in Zukunft zu vermeiden und in einer Krise schnell zu reagieren.
    Aber das bedeutet, dass Sie etwas härter arbeiten müssen, um Ihr Gehirn zu trainieren, negative Gedanken zu überwinden. Und so geht’s:
    Versuchen Sie nicht, negative Gedanken zu stoppen.
    Wenn Sie sich sagen: „Ich muss aufhören, darüber nachzudenken“, werden Sie nur noch mehr darüber nachdenken. Machen Sie sich stattdessen Ihre Sorgen zu eigen. Wenn Sie sich in einem negativen Kreislauf befinden, benennen Sie ihn: „Ich mache mir Sorgen um Geld.“ „Ich bin besessen von den Problemen auf der Arbeit.“ Behandeln Sie sich selbst wie einen Freund.
    Wenn Sie sich selbst gegenüber negativ eingestellt sind, fragen Sie sich, welchen Rat Sie einer Freundin geben würden, die niedergeschlagen ist. Versuchen Sie nun, diesen Rat auf sich selbst anzuwenden. Stellen Sie Ihre negativen Gedanken in Frage.
    Sokratisches Hinterfragen ist der Prozess des Hinterfragens und Änderns irrationaler Gedanken. Studien zeigen, dass diese Methode Depressionssymptome reduzieren kann. Das Ziel ist, Sie von einer negativen Denkweise („Ich bin ein Versager.“) zu einer positiveren zu bringen („Ich habe in meiner Karriere viel Erfolg gehabt. Dies ist nur ein Rückschlag, der nicht auf mich zurückfällt. Ich kann daraus lernen und besser werden.“) Hier sind einige Beispiele für Fragen, die Sie sich stellen können, um negatives Denken herauszufordern. Schreiben Sie zunächst Ihren negativen Gedanken auf, z. B. „Ich habe Probleme bei der Arbeit und zweifle an meinen Fähigkeiten.“
    Fragen Sie sich dann: „Was sind die Beweise für diesen Gedanken?“
    „Beruht er auf Fakten? Oder auf Gefühlen?“
    „Könnte ich die Situation falsch interpretieren?“
    „Wie könnten andere Menschen die Situation anders sehen?
    „Wie würde ich diese Situation sehen, wenn sie jemand anderem passiert wäre?“ Die Quintessenz: Negatives Denken passiert uns allen, aber wenn wir es erkennen und dieses Denken hinterfragen, machen wir einen grossen Schritt in Richtung eines glücklicheren Lebens.

    Dann machen Sie die »Was gut gelaufen ist«-Übung:

    Es gibt gute evolutionäre Gründe dafür, dass die meisten von uns nicht annähernd so geübt darin sind, der guten Ereignisse eingedenk zu sein, wie sie im Analysieren unglücklicher Vorfälle sind. Jene unter unseren Vorfahren, die viel Zeit damit verbracht haben, sich im Sonnenschein angenehmer Ereignisse zu räkeln, während sie sich besser auf Schlimmes vorbereitet hätten, haben die Eiszeit nicht überlebt. Um also die natürliche Neigung unseres Gehirns, sich auf Katastrophen einzustellen, überwinden zu können, müssen wir an der Fähigkeit des Denkens an Dinge, die gut gelaufen sind, arbeiten und sie einüben. Nehmen Sie sich in den folgenden Wochen jeden Abend, bevor Sie ins Bett gehen, zehn Minuten Zeit für diese Übung. Schreiben Sie drei Dinge auf, die heute gut gelaufen sind und warum sie gut gelaufen sind. Sie können ein Tagebuch oder Ihren Computer dazu verwenden, diese Ereignisse festzuhalten, aber es ist wichtig, dass Sie eine greifbare Aufzeichnung besitzen. Die drei Dinge müssen nicht weltbewegend wichtig sein (»Mein Mann hat heute auf dem Heimweg mein Lieblingseis zum Nachtisch besorgt«), aber sie können das natürlich auch sein (»Meine Schwester hat heute einen gesunden Jungen zur Welt gebracht«). Beantworten Sie nach der Benennung des positiven Ereignisses auch die Frage: »Warum ist es dazu gekommen?« Wenn Sie zum Beispiel geschrieben haben, dass Ihr Mann Eiscreme besorgt hat, dann notieren Sie: »Weil mein Mann manchmal sehr aufmerksam ist« oder »Weil ich daran gedacht habe, ihn anzurufen und ihn daran zu erinnern, in den Supermarkt zu gehen«. Oder wenn Sie geschrieben haben: »Meine Schwester hat gerade einen gesunden Jungen zur Welt gebracht«, dann könnten Sie als Grund angeben: »Weil der liebe Gott es gut mit ihr meint« oder »Weil sie während der Schwangerschaft alles richtig gemacht hat«.

    Darüber zu schreiben, warum die positiven Ereignisse in Ihrem Leben geschehen sind, mag sich zuerst seltsam anfühlen, aber bleiben Sie eine Woche lang dabei. Es wird immer leichter werden. Es ist wahrscheinlich, dass Sie nach etwa sechs Monaten geradezu süchtig nach dieser Übung sind und weniger deprimiert und glücklicher sein werden.
    (aus:
    Flourish – wie Menschen aufblühen: Die Positive Psychologie des gelingenden Lebens, Martin Seligmann)

  • Das beste antidepressiv wirksame Medikament ist die ERNÄHRUNG!
  • Nichts bringt besser positive Gefühle zum Vorschein als Essen, das mit Liebe gekocht wurde.
  • Vegetarische Ernährung verbessert stark unser Mikrobiom (Darmbesiedlung mit Bakterien) und damit eine Depression! Dies gilt vielleicht für Männer nicht!
    Dabei aber das Eisen und Vitamin B12 im Blut im Auge behalten, da eine Mangel Depressions- ähnliche Symptome (Müdigkeit…) machen kann.
  • Kurzfasten, optimal als 16:8 wirkt antidepressiv, wahrscheinlich über eine stark antientzündliche Wirkung (gegen die Neuroinflammation).
  • Viel Fisch, aber auch Walnüsse, Oliven-, Raps- und Leinöl in der Ernährung stabilisiert auch die Seele. Ein niedriger Omega-3-Fettsäuren-Spiegel führt zu Serotoninmangel, was depressive Störungen hervorrufen kann.
    Ein Therapieversuch mit Fischöl-Kapseln jedoch scheint nach neusten Studien sogar kontraproduktiv! Eine Studie mit rund 18 ​000 Probanden aus dem Jahr 2021 gezeigt, dass bei über 50-jährigen Personen, die Omega-3 mit Fischölkapseln supplementierten, das Risiko einer Depression anstieg.
    V.a. in der Schwangerschaft hat die Mutter einen besonders hohen Omega-3-Bedarf – das Depressionsrisiko ist dann auch massiv erhöht. Fettiger Meerfisch und Leinöl (jeden Tag ein bis zwei Esslöffel) sind also in der Schwangerschaft sehr wichtig.
  • Eine Mediterrane Diät (Vollkornprodukte, Gemüse, Hülsenfrüchte, Früchte, Fisch, low-fat und ungesüsste Milchprodukte, mageres rotes Fleisch, Geflügel, rohe ungesalzene Nüsse, Eier, Olivenöl, …), bis 2 Gläser Wein pro Tag) wirkt prophylaktisch und auch therapeutisch gegen eine Depression! (http://www.evimed.ch/journal-club/artikel/detail/therapie-einer-depression-mit-diaet/)
  • Wer im Alter Depressionen vorbeugen möchte, sollte grünen Tee trinken – vier Tassen pro Tag halbieren das Risiko nahezu! (Takahashi H, Am J Clin Nutr 2009; 90: 1615-1622)
  • Dunkle Schokolade: Neuere Studien zeigen eine klar antidepressive Wirkung. „Das Problem ist, wenn man Menschen sagt, dunkle Schokolade sei gut, dann essen sie wahrscheinlich eine Menge dunkler Schokolade anstelle von Obst und Gemüse. Vor allem ist aber Bewegung und eine gute, ausbalancierte Ernährung wichtig“, betont Riba im Begleittext der Studie.
  • Mehr über Ernährung und Depression hier in meinem Blog: http://walserblog.ch/2015/10/09/brainfood/ !
    .
  • Depressionen und psychodelische Drogen wie Ketamin!
    .
  • Der Verzicht auf die eigene Bedürfnis kann in eine DEPRESSION führen!
    Fragen nach den Ausnahmen: kein Problem ist ständig da oder immer gleich stark. Also Fragen nach problemfreien oder problemarmen Zeiten…
    Hier ist besonders wichtig, welche Teile des Lebens noch gelingen, wo es Inseln des Erfolges und der Zufriedenheit gibt. Was macht trotz Depression noch Freude oder was hat früher Freude bereitet (Freudentagebuch!)?!
    Welche positiven Effekte hat die Depression im System, im Lebenszusammenhang?
    z.B. Ich bekomme eine Pause, wenn ich überfordert bin… ich werde in Ruhe gelassen…
    Ich werde endlich beachtet und ein wenig versorgt… die anderen verlangen nicht mehr soviel von mir…
    Ich kann erleben, wer wirklich für mich da ist, wer mich wirklich so liebt, dass er auch so zu mir steht…
    Depressives Verhalten führt oft dazu, dass andere mehr Verantwortung übernehmen, mehr Rücksicht nehmen… So tritt Entlastung für den Leidenden auf…
    Eine Art Notbremse, ein Frühwarnsystem…
    Normalerweise kann ich nicht Nein sagen – jetzt geht es nicht anders…

Lösungsorientiert ist auch die „Wunderfrage„: Wenn über Nacht ein Wunder passieren würde und das Problem würde wie weggezaubert aus dem Leben verschwinden: Was wäre morgen anders?
Woran würdest Du nach dem Aufwachen als Erstes bemerken, dass das Problem weg ist? Ganz konkret?
Was würdest du am Morgen danach als Erstes tun? Was dann?
Wer würde als Erster bemerken, dass das Problem weg ist? Wer dann?
Was würdest du am meisten vermissen in deinem Leben, wenn das Problem plötzlich weg wäre?
Wenn du einen Grossteil der Probleme bewältigt hast, wie sehe dann dein Leben aus, was würdest du anders machen als heute?
Woran würden die anderen eine Behebung/Verbesserung des Problems festmachen?
Wer würde am meisten überrascht sein?
Wer würde stark, wer schwach und wer gar nicht darauf reagieren, wenn es weg wäre? Wie stark würde jeder reagieren? Kannst du dies auf einer Skala von 1 bis 10 einschätzen (je höher der Wert, desto grösser die Reaktion)?
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  • Achtsamkeitstraining, z.B. die Mindfulness-BasedCognitiveTherapy (MBCT) kann den Betroffenen einen Weg weisen, ihren Ängsten und depressiven Episoden entgegenzutreten, sich selbst aus den düsteren Gedankenzirkeln zu befreien und vor Rückfällen zu schützen. Achtsamkeit hilft, satt im Tun-Modus, im Sein-Modus offen zu sein für die Erfahrung im jeweiligen Augenblick, ohne sie verändern zu wollen.
    Literatur dazu: Petra Meibert: Der Weg aus dem Grübelkarussel. Achtsamkeitstraining bei Depression, Ängsten und negativen Selbstgesprächen. Das MBCT-Buch. Kösel, 2014.
    Siehe dazu auch die zeitliche Zusammenhang zwischen Depression und Angst – und der Ausweg über die „Mitte“, über das „Hier und Jetzt“!
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  • Sicher 40% aller leichten Depressionen kommen ursächlich aus einem Bewegungsmangel im Alltag! Das Risiko ist um das Dreifache verglichen mit der Durchschnittsbevölkerung erhöht.
    Hier wird auch immer als zentrales Thema, die Besserung einer Neuroinflammation durch Bewegung angesehen.
    Was also bei Depressionen immer auch positiv wirkt sind tägliche Waldläufe, Wanderungen oder andere körperliche Betätigungen (Joggen: siehe hier!) (30 Minuten täglich, gemäss British Journal of Sports Medicine, Bd.35, S.114 – siehe auch Lawlor DA, Hopker SW. BMJ 2001; 322: 763-7).
    Die Dosis macht‘s! Sport scheint die seelische Gesundheit deutlich zu verbessern – doch zu viel bewirkt das Gegenteil! In einer Querschnittsstudie zeigten 3 bis 5 Trainingseinheiten mässiger Intensität pro Woche zu je 45 Minuten die besten Ergebnisse. (Sammi R. Chekroud und Kollegen in Lancet Psychiatry, 2018). Mehr war viel schlechter!
    Bei 44% aller leichten Depressionen ist der Bewegungsmangel sogar die Ursache!
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    Eine Metaanalyse mit 218 Originalarbeiten (14 170 Teilnehmende, 495 Behandlungsarme) verglich den antidepressiven Effekt verschiedener Sportarten gegenüber herkömmlichen Behandlungsoptionen (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer [SSRI], Psychotherapie). Den besten Erfolg zeigten Spazieren («walking»), Joggen, Yoga und Krafttraining, wobei die Wirksamkeit mit der Intensität der Aktivität korrelierte. Insgesamt waren die erzielten Behandlungseffekte vergleichbar mit psychotherapeutischen und pharmakologischen Ansätzen, auch schnitt die Kombination von SSRI und Aktivität besser ab als die isolierte medikamentöse Therapie. Die Studie unterstreicht damit den wichtigen Stellenwert körperlicher Aktivität in der Behandlung einer Depression. (BMJ. 2024, doi.org/10.1136/bmj-2023-075847)
  • Schaukeln hilft auch: Es sollten aber schon ein bis zwei Stunden täglich sein (Schaukelstuhl, etc.
  • Yoga ist nicht nur gut für den Körper, sondern es ist auch gleich wirksam wie eine Psychotherapie. Zu diesem Ergebnis kommen Psychologen der Universität Jena. Sie werteten 25 Studien mit über 1300 Personen aus. Alle von ihnen machten klassisches Hatha-Yoga mit Atem- und Körperübungen, um psychische Störungen wie Depression, Süchte oder Ängste zu behandeln.(Deutsches Ärzteblatt,2016 – Studie aus Jena)
  • Neu wird auch wieder „partieller Schlafentzug“ als äusserst erfolgreich beschrieben: Während der zweiten Nachthälfte müssen sie wach bleiben (d.h. Wecker auf 2 – 3 Uhr stellen, falls sie um 22 oder 23 Uhr ins Bett gehen). In einer Woche wiederholen sie dies in drei Nächten und stoppen dann wieder. Dies ergibt bereits in 2/3 aller Fälle eine anhaltende Besserung. Bereits nach der ersten Nacht merken sie übrigens genau, ob diese Methode bei ihnen anschlägt, denn schon dann sollte eine klare stimmungsaufhellende Wirkung vorhanden sein.
    Der Nachteil dieser Therapie liegt auf der Hand: die Müdigkeit.
    An der Freiburger Uniklinik wird deshalb ein anderes Verfahren erprobt: der Schlafentzug mit anschliessender Schlafphasenverschiebung. Nach einer vollständig durchwachten Nacht dürfen die Patienten täglich sieben Stunden schlafen, allerdings zu vorgezogenen Zeiten: in der ersten Nacht von fünf Uhr nachmittags bis Mitternacht, in der zweiten von sechs bis eins usw., bis sie nach einer Woche wieder gewöhnliche Schlafenszeiten erreicht haben.
    Bei Depressiven scheint in irgendeiner Weise die Synchronisierung von Schlaf-Wach-Zyklus und inneren Rhythmen gestört zu sein. Dafür gibt es verschiedene Anhaltspunkte: Viele Patienten fühlen sich morgens besonders mies und abends relativ gut. Diese Leute sprechen übrigens besonders gut auf Schlafentzug und Schlafphasenverschiebung an!
    Ausserdem wirkt der partielle Schlafentzug in der zweiten Nachthälfte etwas besser als in der ersten. Und Vormittagsnickerchen nach einer durchwachten Nacht führen häufiger zu einem Rückfall in die Depression als Nachmittagsnickerchen.
    Dies alles bestätigt eine Hypothese, dass es in den frühen Morgenstunden eine kritische Phase gibt. Schläft ein depressiver Mensch zu diesem Zeitpunkt, wird eine Art Schalter umgelegt, der die Stimmung verschlechtert. Bleibt er hingegen in der kritischen Phase wach, umgeht er den Absturz in die Schwermütigkeit.
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  • Lichttherapie: Winterdepressionen, d.h. depressive Verstimmungen in der sonnen- und lichtarmen Jahreszeit (auch saisonale Depression genannt, seltener existiert also auch eine Sommerdepression!) kann durch morgendliches (zwischen 5:30 und 9:00) anstrahlen von 2’500 (für ein bis zwei Stunden) bis 10’000 (während 30 Minuten) Lux-Lampen (weisse Leuchtstoffröhren) sehr positiv beeinflusst werden. Bereits nach 10 bis 14 Tagen hebt sich die Stimmung. Es wird empfohlen, eine Lichttherapie solange durchzuführen, bis die Frühjahrssonne wieder mehr Licht liefert. (z.B. Archives of general Psychiatry, Vol. 58, No.1 (2001), S.69 – 75).

    Eine Möglichkeit „natürlicher“ Lichttherapie besteht darin, dass die Morgendämmerung simuliert wird: noch während die Betroffenen schlafen, wird ein Licht eingeschaltet und über ein bis zwei Stunden langsam heller gemacht, bis zur ungefähren Aufwachzeit die volle Lichtstärke erreicht ist.
    Winterdepressionen sind (im Gegensatz zur selteneren Sommerdepression) häufig von so genannten atypischen Depressionssymptomen begleitet; dazu gehören zum Beispiel vermehrter Schlaf und verstärkter Appetit (vor allem für Süsses) mit Gewichtszunahme.
    Auf www.chronobiology.ch findet sich eine Liste, welche die Schweizer Institutionen angibt, in denen eine Lichttherapie möglich ist. Diese Seite liefert auch weitere nützliche Infos, wie z.B. Adressen von Firmen, die Tischgeräte für die Heim-Lichttherapie vertreiben.
    Gemäss neueren Studien hilft die Lichttherapie aber auch sämtlichen über 60jährigen mit Major Depression: 1 Stunde morgens mit ca. 7500 Lux! (Arch Gen Psychiatry 68(1):61-70, January 2011 © 2011 to the American Medical Association; Bright Light Treatment in Elderly Patients With Nonseasonal Major Depressive Disorder-A Randomized Placebo-Controlled Trial. Ritsaert Lieverse, Eus et Al.)
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  • Botulinumtoxin unter die Haut zwischen die Augen gespritzt, dort wo sich die Zornesfalten bilden, kann eine (auch schwere) Depression stark verbessern.
    Als Begründung wird die sogenannte Facial-Feedback-Hypothese angesehen, eine gegenseitige Wechselwirkung von Emotionen und der Mimik (die umgekehrte Abhängigkeit ist ja altbekannt). Als Beispiel sind die Versuche bekannt, dass Menschen Comics anschauen und dabei einen Stift nur mit den Zähnen und nicht mit den Lippen im Mund halten. Diese Aktivierung der Lachmuskeln macht, dass die Comics lustiger empfunden werden!
    Diese Rückkoppelung vermag Botulinumtoxin nun offenbar zu unterbrechen.
    (J Psychiatr Res. 2012 Feb, Facing depression with botulinum toxin: A randomized controlled trial. Wollmer)
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  • Bei älteren Menschen mit Depression wirkt auch sehr gut:
    – mehr Kinobesuche
    – mehr Konzerte, Opern, Theater,…
    – mehr Kunstausstellungen!
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  • Medikamente Antidepressiva:
    Antidepressiv wirkende Medikamente (SSRI) können allein genommen oder mit Psychotherapie kombiniert werden. Sie sind laut umfassenden und neueren Studien leider nicht so wirksam, wie sie dargestellt werden. Psychotherapie ist bei leichten und mittelgradigen Depressionen wirksamer, als Medikamente es sind. Das gilt nicht unbedingt für die Akutbehandlung, wohl aber für die Wirkung auf lange Sicht.. Medikamente führen nach Absetzen häufiger zu einem Rückfall. Das Risiko für eine erneute depressive Episode steigt nach erfolgreicher Behandlung durch ein Medikament allein um das Drei- bis Fünffache. Bei frühzeitiger psychotherapeutischer Behandlung sinkt aber das Risiko für weitere Depressionen (Robert DeRubeis, Nature Review Neuroscience).
  • Antidepressiva können die Plastizität erhöhen – unter bestimmten Bedingungen:
    Auch herkömmliche Antidepressiva erhöhen die Plastizität im Gehirn, wie Forscher beim Ketamin gefunden haben, und zwar, indem sie an Kalzium-Kanäle von Nervenzellen andocken. Sie binden ausserdem – genauso wie Ketamin – an spezielle Rezeptoren der Hirnzellen und verändern deren Gestalt, sodass ein bestimmter Wachstumsfaktor besser andocken kann. Er sorgt dafür, dass mehr dieser Rezeptoren in die Hülle der Nervenzellen eingebaut werden und verstärkt so die Übertragung von Signalen (Cell: Casarotto et al., 2021).
    Und schliesslich könnte die neue Hypothese sogar eine Erklärung dafür liefern, warum Antidepressiva kein Allheilmittel sind und nicht in jedem Fall helfen. Dass sich Hirnzellen besser verschalten, ist nämlich nur die Grundbedingung für die Genesung. Medikamente können ein Fenster öffnen. Aber damit sich wirklich etwas zum Guten verändert, muss es draussen etwas Neues zu sehen geben.
    Zum Umlernen braucht es beides, Plastizität im Hirn und neue Erfahrungen: Aktivitäten, die Freude bereiten; Menschen, die einem guttun. Und manchmal eine Psychotherapie.
    Tatsächlich wirkt die Kombination von Antidepressiva und Psychotherapie besser als jede der Behandlungen allein, das zeigen verschiedene Metaanalysen (World Psychiatry: Cuijpers et al., 2020,Depression and Anxiety: Cuijpers et al., 2009, Psychological Medicine: Kamenov et al., 2017 ). Diese Situation wird mit einer Autopanne verglichen: Antidepressiva können das Auto reparieren, aber welche Richtung die Patienten danach einschlagen, hängt von vielen Faktoren ab. Eine Psychotherapie wirkt wie eine Beschilderung, die den Weg zur Genesung zeigt.
  • Die Erkenntnisse der Forscher fügen sich allmählich zu einem neuen Bild der Depression – und der Effekte von Antidepressiva: Die Medikamente wirken vermutlich gar nicht per se stimmungsaufhellend, sondern ermöglichen vor allem Veränderung, indem sie Menschen empfänglicher für Einflüsse von aussen machten.
    Das würde auch den merkwürdigen Befund der Wissenschaftlerinnen vom Istituto Superiore di Sanità erklären: Wenn das soziale Umfeld stabil ist, können die Medikamente dessen positiven Wirkungen verstärken. Wenn aber Beziehungen und Sicherheit fehlen, dann können die Pillen auch diese negativen Einflüsse verschärfen!
    Umso wichtiger ist es also, dass besonders Patientinnen und Patienten in schwierigen sozialen Situationen nicht nur Antidepressiva, sondern auch Unterstützung von Psychotherapeuten erhalten. Die Realität sieht jedoch anders aus: Gerade Kranke mit niedrigem Einkommen, einem geringen Sozialstatus und ohne Arbeit bekommen häufiger Psychopharmaka auf Dauer verschrieben. Und wer weniger gebildet ist, nimmt seltener eine Psychotherapie in Anspruch.
    Zudem leiden Menschen mit niedrigem Einkommen und geringer Bildung ohnehin fast doppelt so häufig unter Depressionen wie Menschen mit einem hohen sozialökonomischen Status.
    Diejenigen, die es ohnehin nicht leicht haben, trifft es also gleich dreifach schwer: Sie bekommen eher eine Depression, ihnen helfen Antidepressiva offenbar im Schnitt weniger gut und sie erhalten seltener eine Psychotherapie. Höchste Zeit, nicht ein vermeintliches chemisches Ungleichgewicht zu behandeln – sondern ein soziales.
    (zitiert aus der ZEIT, 28. März 2023, von Stefania Kara)
  • Antidepressiva nützen nur, wenn der Patient diese auch will und sich eine gute Wirkung erhofft!
  • Medikamentöse antidepressive Therapie beginnt man mit niedriger Dosierung, eventuell zusammen mit Tranquilizer oder Hypnotikum, gibt möglichst rasch eine mittlere Dosis und wechselt das Mittel, wenn keine Zustandsverbesserung nach 3-4 Wochen und Maximaldosis während 10-14 Tagen.
    Auch ein hochdosiertes Johanniskraut-Extrakt über mindestens 3 und mehr Monaten eingenommen, kann wesentlich erleichtern. (Achtung: zahlreiche Interaktionen, die wahrscheinlich zum Teil auf Induktion CYP-450-abhängiger Enzyme beruhen, sind inzwischen beschrieben: erniedrigte Plasmaspiegel von oralen Antikoagulanzien, Digoxin, Ciclosporin, Theophyllin und trizyklische Antidepressiva, Durchbruchblutungen unter desogestrolhaltigen Antibabypillen und Symptome eines Serotoninsyndroms bei Kombination mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (neuere Antidepressiva). Zwei Wochen Abstand zwischen Einnahme von Johanniskraut und den Antidepressiva, aber auch vor Operationsnarkosen (!) erscheint ratsam. (arznei-telegramm 1/2000, 15)
  • Psychedelika (Ketamin) gegen Depressionen
    Wie wirkt dies?
    Der Körper wird leicht und schwebt.
    Das unaufhörliche Rasen negativer Gedanken stoppt. Plötzlich kann man sich auf ein Detail im Raum oder einen kleinen Teil seines Körpers konzentrieren.
    Es ist erleichternd, einfach mal eine Pause vom eigenen Kopf zu haben.
    Diese Leichtigkeit, diese Pause zu erfahren, ist wichtig für Patienten, die schon monatelang depressiv sind. Ketamin zeigt ihnen, dass dieses gute Gefühl noch in ihnen steckt, nur durch die Depression verschüttet.
    Man muss verstehen, was eine Depression mit der Lernbereitschaft des Menschen zu tun hat. Lernen ist eine wichtige Aufgabe des Gehirns. Wenn ich viel Französisch spreche, werde ich mit der Zeit immer besser. Das funktioniert, weil sich die Zellen im Hirn neu verdrahten.
    Die Depression dagegen ist eine Fehlfunktion des Lernens. Patienten kreisen immer um das gleiche Problem oder kommen nicht über ein Trauma hinweg. Heilung bedeutet, dass sie lernen, aus diesen Gedankenschleifen auszubrechen und eine andere Sichtweise auf ihr Problem einzunehmen.
    Man nimmt an, dass Psychedelika bei diesem Lernprozess helfen, indem sie die Neuroplastizität erhöhen. Das bedeutet: Die Nervenzellen werden kommunikativer. Ihre Zellfortsätze verlängern und verästeln sich. Sie wachsen zu Bäumchen und nehmen Kontakt mit Nachbarn auf.
    Wenn die Nervenzellen Bäume sind, so sind Psychedelika ihr Dünger. Sowohl Ketamin als auch klassische Psychedelika sorgen dafür, dass die Zellen der äusseren Hirnrinde ein Molekül herstellen, das die Nervenzellen anregt, zu wachsen und sich zu vernetzen. Unklar ist noch, wie lange die erhöhte Neuroplastizität anhält.
    Aber selbst wenn der Patient nur ein begrenztes Zeitfenster gewinnt, um aus der Blockade, die die Depression auslöst, herauszufinden, reicht das, um eine neue Erfahrung zu machen. Traut er sich wieder aus dem Haus, dann hat bereits eine Verhaltensänderung, ein Lerneffekt stattgefunden. Und das motiviert, weiter an der Depression zu arbeiten.
    Man kann sich das auch so vorstellen: Bei einer Depression laufen die Gedanken wie auf einer vorgespurten Loipe im Schnee. Und das immer wieder in der gleichen Spur. Einmal drin, kommt man schwer wieder raus. Psychedelika verwischen diese Loipe. Sie erlauben den Gedanken, neue Spuren durch den Schnee zu finden.

…und dann noch:

  • Viele Internetseiten versprechen Hilfe bei depressiven Störungen. Doch welche wirken? Zu den von der Stiftung Warentest als wirksam getesteten Angeboten zählt moodgym.de.
    Fünf Übungsblöcke auf verhaltenstherapeutischer Basis helfen bei leicht depressiver Symptomatik, neue Wahrnehmung zu trainieren und unterstützendes Verhalten zu lernen, beispielsweise belastende Gedankenmuster durch neue zu ersetzen.
  • Depression & Erschöpfung:
    kostenlose Onlinetrainings von Universitäten-Gruppe:
    https://geton-training.de/: bei Tumorerkrankungen; bei koronaren Herzkrankheiten; bei Diabetes; bei Rückenschmerz und Arbeitsunfähigkeit
  • und ein interessantes Buch zum Thema:
    David Servan-Schreiber: Die neue Medizin der Emotionen: Stress, Angst, Depression: Gesund werden ohne Medikamente, 2003, Goldmann.
  • Liebe und Kunst helfen uns, unsere Melancholie in gute Bahnen zu lenken – das Glück, traurig zu sein: Joke J. Hermsen, Melancholie in unsicheren Zeiten. HarperCollins, Hamburg 2021
  • Randolph Neeses Buch „Good Reasons for Bad Feelings lesen.
  • UNTER DER GLASGLOCKE:
    Depressionen sind eine Krankheit der Lebenswelt, eine des Leibes, des Raumes, der Zeit und mithin der Intersubjektivität. Depressionen haben heisst keine Zukunft zu haben, weder denken noch fühlen zu können, dass sich an der konturlosen Unzeit, die man sein Leben nennt, irgendetwas ändert. Es heisst, sich nicht da-seiend, nicht präsent zu fühlen, die Gegenwart als zähe Dauer zu erfahren – die Zeit zu erleben, anstatt sie zu leben – , und von einer lastenden Vergangenheit bedroht, beschämt und grausam erniedrigt zu werden. Was in vermeintlicher Nähe geschieht, fühlt sich unendlich fern an. Die Welt ist stumm, sie spricht nicht zu dir, oder in bedrohlicher Weise. Das Bewusstsein für jeden Horizont ist zerrüttet, das Angebot, das einem die Welt offeriert, verknappt sich auf radikale Weise. Potentialitäten verheissen nichts mehr, versprechen nur Schlimmeres vom Gleichen.
    (Christoph David Piorkowski veröffentlicht am 29 Juni 2022  in PhilosophieMagazin)

Die beste Nachricht kommt ganz zum Schluss: Depressionen können sehr schwer sein – aber sie sind fast immer heilbar. Den allermeisten Menschen geht es irgendwann wieder gut, auch wenn sie sich das in ihren dunkelsten Tagen nicht vorstellen können.

Das Leben wird wieder hell und leicht.

Veröffentlicht am 17. Juni 2017 von Dr. med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
11. September 2024

Herzinfarkt / Arteriosklerose

Das gebrochene Herz

Jeder einzelne Herzschlag tanzt im Rhythmus der Seele.

Zuallererst heisst „Herzinfarkt“ sorgfältig aus dem Lateinischen übersetzt „gebrochenes Herz„. Das Herz ist mehr als ein Muskel und eine mechanische Pumpe. Das Herz ist der Umschlagplatz von Liebe und Schmerz, Angst und Mut. Man verschenkt sein Herz aus Liebe. Man nimmt sich etwas zu Herzen. Man stirbt an gebrochenem Herzen. Das Herz hat ein Bedürfnis nach Geborgenheit, Grosszügigkeit, Gelassenheit und Wärme. Hektik, Zeitnot, kein Sinn im Leben und Stress führen dazu, dass sich das Herz einem von aussen diktierten Rhythmus zu unterwerfen hat. Das Herz benötigt im Arbeitsalltag den Gegenpol der Entspannung, des Rückzugs, das Ausleben von Sehnsüchten, Träumen und Gefühlen.

Was führt zur Arterienverkalkung und zum Herzinfarkt oder Hirnschlag?!

Diese Risikofaktoren waren (in der Interheartstudie) unabhängig von Alter, Geschlecht und ethnischer Gruppe signifikant mit einem Herzinfarkt assoziiert:

Ein BMI von mindestens 35 ist mit einem 80% erhöhten Risiko verbunden, exzessiver Alkoholkonsum erhöht das Risiko um rund 40%, Rauchen um 30% (Herzinfarkt und Vorhofflimmern).

Man findet bei Menschen mit Myokardinfarkt aus allen ethnischen Gruppen und allen Regionen der Welt signifikant häufiger :

  • Depressionen,
  • belastende Lebensereignisse in den letzten zwölf Monaten
  • und beruflicher, privater oder finanzieller Stress.

Weitere Risikofaktoren in der Interheartstudie waren:

Diese drei letzten Faktoren werden vor allem von den Ärzten gemessen und stehen dort meist im Mittelpunkt. Sie sind aber bereits Folgeerscheinungen der primären Ursachen Dauerstress und Bewegungsarmut/Bauchfett.

Weiterer Risikofaktor aus unserer Umwelt: Mikroplastik!

Im spanischen SUN-Projekt wurde 2017 auch der Nutzen eines 10-Faktoren-Scores zur Beurteilung der kardiovaskulären Gesundheit untersucht. In den Score flossen 6 traditionelle, negative Risikofaktoren

  • Rauchen
  • BMI, v.a. durch Bauchfett
  • keine mediterrane Ernährung
  • wenig körperliche Aktivität (jedoch auch nicht zu langer und anstrengender Ausdauersport!)
  • Chronischer psychosozialer Stress (auch Freizeitstress durch Selbstoptimierung)
  • hoher Alkoholkonsum, inkl. Binge-Drinking („Komasaufen“)

und 4 nicht-traditionelle, positive Einflussfaktoren ein

  • TV/Internet-Konsum unter 2 Stunden täglich
  • gute Sozialkontakte
  • wenig Wochenarbeitszeit. (Burnout!)
  • hoher Kaffeekonsum (4 und mehr Espresso oder Energydrinks täglich)!

Mit zunehmender Zahl positiver Faktoren (Score von 0–10) nahm die Wahrscheinlichkeit von kardiovaskulären Ereignissen stetig ab. Bei Teilnehmern mit einem Score von 7 bis 10 war die Ereignisrate im Verlauf von im Median 10 Jahren um 87% geringer als bei Personen mit einem Score von 0 bis 2. Die Einzelfaktoren mit dem höchsten positiven Einfluss waren Nicht-Rauchen (Hazard Ratio: 50%) und TV-Konsum unter 2 Stunden täglich (HR: 0,57). Dieser Score könnte helfen, die Präventionsbemühungen über traditionelle Risikofaktoren hinaus zu intensivieren, wobei die vier nicht-traditionellen Faktoren vor allem auf den Stress und die Entspannung einwirken (Hierhin gehört wohl auch das ausgiebige Frühstücken mit viel Zeit, welches höchst wahrscheinlich v.a. durch einen entspannten Tagesbeginn positiv auf Herz-Kreislauf wirkt!).

Rauchen, chronischer Stress und Übergewicht/Bewegungsarmut

Weltweit sind also die drei wichtigsten Risikofaktoren  Rauchen, Dauerstress und Übergewicht kombiniert mit Bewegungsarmut. Zusammen sind sie für 2/3 aller Risikofaktoren des akuten Herzinfarkt verantwortlich. Diabetes mellitus, Hypertonie und hohe Blutfette sind die nächsten bedeutsamen RF, aber ihre relative Bedeutung ist in verschiedenen Ländern unterschiedlich – und sie sind meist bereits die Folge der obigen drei wichtigsten.

Rauchen zeigt eine proportionale stufenweise Erhöhung des Risikos. Das Rauchen von nur schon fünf Zigaretten erhöht das Risiko. Daraus lässt sich ableiten, dass es für die Zahl der Zigaretten, die geraucht werden, keine sichere untere Grenze gibt, aber auch, dass das Risiko für einen Herzinfarkt, das mit dem Rauchen verbunden ist, signifikant vermindert werden kann, durch die Verminderung der Zahl der gerauchten Zigaretten.
The Lancet 366 (2005), 1640–1649 (Zusammenfassung hier: interheart.pdf)

Diese Risikofaktoren verbreitete sich in den letzten 30 bis 40 Jahren weltweit enorm. Sie stellen nun eine Voraussetzung für derart viele schwere , ja tödliche Verläufe bei Covid-19. Dies ist das Bild einer „Syndemie“.

Alles ist besser für das Herz als sitzen – sogar schlafen

Die Forscher um Joanna Blodgett vom University College London haben sechs Studien mit insgesamt mehr als 15.000 Teilnehmern ausgewertet, die mit Fitnesstrackern ausgestattet waren. Die Daten zeigten, dass alles besser für das Herz ist als Sitzen, sogar Schlafen. Sitzen war demnach am ungünstigsten. Für das Herz ist es am besten, wenn eine Phase von 30 Minuten mit starker körperlicher Anstrengung in den Tagesablauf integriert wird. Es wirkt sich schon günstig auf die Herzgesundheit aus, wenn man fünf Minuten heftig in Wallung kommt, etwa indem man im Hampelmann-Modus springt oder mit voller Kraft in die Pedale eines Trimmrades tritt. Die entsprechende Bewegungsform muss umso länger dauern, je geringer die Intensität dabei ist. Schon kleine Veränderungen in der alltäglichen Bewegungsroutine bringen Vorteile für das Herz. Den grössten Nutzen sehen wir, wenn sitzende Tätigkeiten durch mässige bis heftige Anstrengungen ersetzt werden. Diese könnten in einem kurzen Lauf, zügigem Gehen oder Treppensteigen bestehen – mithin in allem, was den Puls und die Atmung beschleunigt und den Menschen in Wallung kommen lässt, selbst wenn es nur für ein oder zwei Minuten ist ((Anleitung hier).

Ein tiefer Ruhepuls ist optimal

Interessant ist, dass ein tiefer Puls nicht nur das Herz schont, sondern generell zu einer geringeren Krankheitsanfälligkeit und zu einem besseren Wohlbefinden führt.
Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass ein tiefer Ruhepuls die Lebenserwartung erhöht. Überraschend ist dieser Zusammenhang nicht. Nehmen wir als Beispiel die Tierwelt: Das Herz einer Maus schlägt rund 500-mal pro Minute – nach zwei bis drei Jahren stirbt sie dann aber auch schon. Eine Schildkröte hingegen kommt mit nur gerade 6 Schlägen pro Minute aus – und wird gegen 200 Jahre alt.
Wer seinen Ruhepuls zum Beispiel nur schon von 80 Schlägen pro Minute auf 60 senkt, entlastet das Herz enorm: Damit lässt sich in drei Jahren ein ganzes Jahr an Herzarbeit einsparen. Das ist auch für Durchschnittsmenschen ein realistisches Ziel.

Wie gut jemand im Notfall mit den Ressourcen seines Körpers klarkommt, hängt ganz entscheidend von der Grundaktivität des Vegetativen Nervensystems ab. Es gilt: je mehr Parasympathikus umso besser. Ein hoher Ruhepuls bedeutet, dass diese Grundaktivität bereits erhöht ist und das System entsprechend geschwächt. Das ist schlecht: Man möchte ja im Ruhezustand möglichst wenig Energie verbrauchen, um dann im Ernstfall alle verfügbaren Reserven abrufen zu können. Wenn wir es heute auch nicht mehr mit wilden Tieren zu tun haben, geht es bei diesem evolutionär bedingten Mechanismus doch immer darum, das Überleben zu sichern. Und dafür ist ein niedriger Puls einfach besser.

Syndemie!

Die „Pandemie“ Covid-19 macht also lediglich das Ausmass jener Krankheiten deutlich, die durch schlechte Ernährung, zu wenig Bewegung und soziale Ungleichheiten beim Zugang zu adäquater Gesundheitsversorgung verstärkt werden.
Der amerikanische Anthropologe Merrill Singer hat 1990 den Begriff „Syndemie“ dafür geprägt. Bei Covid-19 sollten wir nun eher von einer Syndemie als von einer Pandemie sprechen.  Die Vorsilbe „syn“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „zusammen, mit, gemeinsam“  – pan“ bedeutet „ganz, völlig, gesamt“.
Dazu The Lancet vom 26.09.20 : „Die Wechselwirkung von Covid-19 mit weltweit ansteigenden chronischen Krankheiten wie Fettleibigkeit, erhöhtem Blutzuckerspiegel und Luftverschmutzung hat in den letzten 30 Jahren die Voraussetzungen für derart viele Todesfälle durch und mit Covid-19 erst ermöglicht. […] Viele der Risikofaktoren und nicht übertragbaren Krankheiten“, fügten beteiligte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hinzu, „erhöhen das Risiko für einen schweren oder gar tödlichen Verlauf von Covid-19.“
Natürlich ist die globale Ausbreitung von Covid-19 eine Katastrophe. Wenn wir jedoch versuchen, die aktuelle Situation als Syndemie zu betrachten, öffnet sich der Blick für eine zukunftsweisende Einsicht: Auf der ganzen Welt schwächen Menschen ihre Körper durch eine ungesunde Lebensweise. Mehr als „nur“ Massnahmen zur Bekämpfung einer einzelnen Krankheit, brauchen wir deshalb eine Gesundheitspolitik, die es ermöglicht, die Gesundheit aller langfristig zu erhalten und zu fördern.
(Philosophie Magazin, Octave Larmagnac-Matheron, 

Wissenschafter haben in Gefässablagerungen (Plaques) Kunststoffpartikel (Mikroplastik) nachgewiesen

Die Betroffenen dieser italienischen Studie erlitten mehr Herzinfarkte und Schlaganfälle als andere Patienten.
Laborexperimente hatten bereits in der Vergangenheit nahegelegt, dass Mikroplastik Entzündungen in Geweben hervorruft. Tierversuche hatten auch Hinweise darauf gegeben, dass die Kunststoffteilchen Gefässe, das Herz und Lungen schädigen können.
Daraus muss gefolgert werden, dass Mikroplastik auch ein Risikofaktor für die Arterienverkalkung ist und damit ebenso für Herzinfarkte und Hirnschläge!
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Was vorbeugend tun?!

Wer nun persönlich etwas für sein Herz tun möchte, sollte Folgendes beachten:

  • Chronischer Stress vermeiden.
    Eine phantastische Studie mit sehr hoher Relevanz  (Tawakol A, et al: Lancet 2017 (online) 11. Januar 2017) zeigt nun klar, dass eine erhöhte Aktivität in der Amygdala im Hirn mit vermehrter Knochenmarksaktivität und verstärkter Entzündung der Arterien einhergeht. Diese Zusammenhänge, schlussfolgern die Autoren, können das erhöhte kardiovaskuläre Risiko der Patienten erklären. Der zugrunde liegende Mechanismus: Die Amygdala signalisiert dem Knochenmark, mehr weisse Blutkörperchen zu produzieren, die wiederum eine Plaque-Bildung in den Arterien verursachen, was zu Herzinfarkten und Schlaganfällen führen kann.
    Dass sich die Amygdala bei Stress vergrössert und eine „Schaltstation” darstellt, hat sich bereits in früheren Studien gezeigt. Ebenfalls ist bekannt, dass Entzündungsfaktoren durch Stress getriggert werden können.
  • Hier hilft es, einen Sinn im eigenen Leben zu sehen!
  • Optimal für unser Herz ist ein ausreichender aber nicht zu langer Nachtschlaf (mehr als 6-7, aber weniger als 8-9 Stunden) und am Tag eine Siesta  von 5 bis 60 Minuten ein bis zweimal pro Woche (nicht täglich!).
    Nur bei Kurzschläfern (unter 7 Stunden Nachtschlaf) hat ein tägliches Mittagsschläfchen trotzdem einen Schutzeffekt auf unser Herz!
    Bei der ein- bis zweimaligen Siesta pro Woche war das Risiko für Hirnschlag und Herzinfarkt sogar um die Hälfte reduziert!
  • Damit zusammenhängend: Ein Burnout vermeiden!
    Allein in Deutschland sterben jährlich rund 200’000 Menschen an einem sogenannten „plötzlichen Herzstillstand„. In nur etwas mehr als 10% sind Risikopatienten betroffen, die nach einem Herzinfarkt bereits an einer Herzmuskelschwäche litten oder andere Herzerkrankungen hatten.
    Auch wenn das Ereignis selbst aus heiterem Himmel zu kommen scheint, lassen sich im Nachhinein oft klassische Alarmzeichen für ein Burnoutsyndrom ausmachen. Dazu zählt eine längere Phase mit chronische depressiver Stimmungslage durch etwa eine belastende Arbeitssituation, finanzielle Sorgen oder eine frustrierende Beziehungs- oder Familienkonstellation voraus. Akuter Ärger, Angst oder andere Aufregung sind dann meist nur der Auslöser.
    In den meisten Fällen wären mehr körperliche Bewegung, ein gezieltes Stressmanagement oder Entspannungstechniken ausreichend und könnten das Risiko für einen plötzlichen Herztod stark senken.
  • Je weniger TV-Konsum, umso weniger Herz-Kreislaufkrankheiten! In der oben erwähnten SUN-Studie war bereits 2 Stunden TV täglich mit einer Zunahme der Herzinfarktrate um 40% verbunden!
    Es ist vor allem das Sitzen, das langzeitig das Leben massiv verkürzt.
  • Blutfette von Hausarzt bestimmen lassen (wichtigster Wert ist hier der Quotient Totalcholesterin durch das HDL-Cholesterin: sollte unter 5 sein!).
  • viel lachen, lieben und sich sozial gut einbetten.

ERNÄHRUNG!

  • Die CORDIOPREV-Studie ist eine der umfangreichsten randomisierten Studien, die jemals im Rahmen der Ernährungsforschung durchgeführt wurden. (Delgado-Lista J, Alcala-Diaz JF, Torres-Peña JD, Quintana-Navarro GM, Fuentes F, Garcia-Rios A, et al. Long-term secondary prevention of cardiovascular disease with a Mediterranean diet and a low-fat diet (CORDIOPREV): a randomised controlled trial. Lancet. 2022 May 14;399(10338):1876-1885. [Link])

    Die Resultate der Studie leiten einen Paradigmenwechsel ein: Patientinnen und Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung kann künftig nicht mehr generell zu einer fettreduzierten Diät geraten werden. Einer mediterranen Diät kommen deutliche Vorteile hinsichtlich Kardioprotektion zu. Die Ernährungsempfehlungen vieler Leitlinien zur Sekundärprävention sind umzuschreiben. (Zitat: infomed screen Jahrgang 26/2022)
    Zur mediterranen Ernährung muss gesagt werden: Eine mediterrane Diät ist mehr als nur die Zusammensetzung von Mahlzeiten. Sie ist Ausdruck von Tradition und einer ritualisierten Lebensführung, bei der die Verwendung ausgesuchter Produkte, die Zubereitung und das entspannte Geniessen im Kreis der Familie oder mit Freunden eine grosse Bedeutung haben. Menschen in Südeuropa bestätigt die Studie darin, zu tun, was sie immer schon getan haben. Inwieweit Leute in Nord- und Mitteleuropa von den Erkenntnissen profitieren, bleibt eine unbeantwortete Frage. Sie werden es vielleicht nur dann, wenn sie einen mediterranen Lebensstil übernehmen – und nicht nur einen mediterranen Speiseplan.

  • Wenig oder kein Fleisch – und als Proteinlieferant Hülsenfrüchte und Nüsse:
    Es gab immer wieder einzelne Studien, die keinen gesundheitsförderlichen Effekt finden konnten, wenn Menschen auf Fleisch verzichteten. Diese Studien hatten aber ausser Acht gelassen, wodurch das Fleisch ersetzt wurde. Später zeigte eine bahnbrechende Untersuchung der Harvard University, dass der Fleischverzicht nur dann keinen positiven Effekt hat, wenn man statt Fleisch vermehrt Kohlenhydrate wie Kartoffeln oder Nudeln isst. Ersetzt man es dagegen durch pflanzliche Proteine aus Hülsenfrüchten und Nüssen, gibt es grosse positive Effekte auf das Herz-Kreislauf-System.
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  • Kein Trinkwasser aus Plastikflaschen!
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  • Ein Review des Prevention of Cardiovascular Disease Council des American College of Cardiology (ACC) liefert aktuelle, evidenzbasierte Daten zum guten Essen für das Herz.
    Die Liste der Lebensmittel, die den ACC-Experten zufolge komplett vermieden – oder zumindest sehr stark eingeschränkt – werden sollten, ist kurz:
    Keine zugesetzten Zucker und Energy-Drinks – wenig Fleisch.
    Für Milchprodukte ist die Evidenz, ob sie günstig sind, fraglich.
    Für segensreich halten die Experten aber unter anderem Hülsenfrüchte, Kaffee, Tee und hochwertige Pflanzenöle (Oliven-, Lein- und Rapsöl).
    Besonders wichtig ist laut den Experten, dass man viel Früchte und Gemüse, Vollkornprodukte, wenig Zucker und wenig verarbeitete Lebensmittel isst.
    Am besten schneidet hier neben der mediterranen die sogenannte Dash-Diät ab: Sie besteht aus viel Gemüse, Früchten, Vollkornprodukten, Nüssen, Fisch und wenig Fleisch. Zudem vermeidet man Salz, Zucker und gesättigte Fette..
    Schädliche Lebensmittel – besser nicht essen!
    Wenig überraschend schneidet Zucker katastrophal schlecht ab. Es existiert mittlerweile mehr als genug, auch qualitativ hochwertige Evidenz dafür, dass zugesetzter Zucker die Entstehung von Atherosklerose fördert und das Risiko für Herz-Kreislauf- sowie Stoffwechselerkrankungen erhöht.
    Auf die rote Liste gehören auch die schnell verfügbaren Kohlenhydrate in Weissmehlprodukten, sei es der Pizzateig, das helle Brot oder der Butterkeks, denn diese verursachen Blutzuckerschwankungen wie es Zucker selbst tut. Schaden oder Nutzen von Milchprodukten, fermentierten Lebensmitteln und Meeresalgen ist unklar:
    Bei zwei Lebensmittelgruppen reicht die Evidenz nicht aus, um eine klare Empfehlung für oder gegen den Verzehr auszusprechen. Zum einen sind dies Milchprodukte wie Käse, Sahne oder Milch (allerdings nicht Joghurt), zum anderen fermentierte Lebensmittel (also z.B. Joghurt) und Meeresalgen.
    Qualitativ hochwertige Studien, dass fermentierte Lebensmittel einen kardiovaskulären Nutzen haben, stehen noch aus.  Allerdings sei es unwahrscheinlich, dass der Konsum irgendeinen gesundheitlichen Schaden nach sich zieht.
    Speziell für den Joghurt gilt, wie bei den anderen Milchprodukten auch, dass er sich bezogen auf die kardiovaskuläre Gesundheit neutral oder sogar positiv auswirkt.
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    Herzgesunde Lebensmittel – regelmässig geniessen!
    Die Liste an Lebensmitteln, für die ein kardiovaskulärer Nutzen nachgewiesen
    ist, ist beträchtlich umfangreicher: Wer seinem Herzen über die Ernährung etwas Gutes tun möchte, sollte bei Hülsenfrüchten, Nüssen, fettem Fisch oder hochwertigen Pflanzenölen (Leinöl, Rapsöl, Olivenöl), Kaffee und Tee zugreifen.
    Hülsenfrüchte sind eine kostengünstige und nachhaltige Protein- und Ballaststoffquelle. Der Verzehr geht mit einer Reduktion der KHK-Inzidenz einher und konnte in Studien den Blutzucker, das Cholesterin, den Blutdruck und das Gewicht reduzieren. Derzeit enthält die westliche Ernährung noch zu wenig Linsen, Erbsen und Bohnen. Hülsenfrüchte sollten Teil einer jeden auf Herz- und Stoffwechselgesundheit ausgerichteten Ernährungsweise sein!
    Omega-3-Fettsäuren kann aus Fisch, Öl oder Nüssen täglich in die Ernährung eingebaut werden. Der Verzehr in Form von Lebensmitteln ist der Aufnahme über Supplemente vorzuziehen. Ob die Omega-3-Fettsäuren aus Fisch oder aus pflanzlichen Lebensmitteln stammen, macht für den kardiovaskulären Nutzen keinen Unterschied. Beim Verzehr von Fisch muss aber eine mögliche Belastung mit Schadstoffen und die enorme Ausfischung der Weltmeere und der energiefressende Transport bedacht werden.
    (zitiert aus: „Essen fürs Herz: Welche Lebensmittel für die kardiovaskuläre Prävention wirklich empfehlenswert sind“ – Medscape – 6. Aug 2018)
  • Ein günstiger Einfluss von regelmässigem Kaffeekonsum  gegen kardiovaskuläre Erkrankungen ist bereits häufiger berichtet worden.
    Neue Daten weisen darauf hin, dass es praktisch gar keine Konsum-Obergrenze für den positiven Effekt gibt: Je mehr Kaffee, umso besser fürs Herz!
    Im spanischen SUN-Projekt, an dem 2017 rund 20’000 teilnehmen, wurde eine inverse Assoziation zwischen dem Kaffeekonsum und der Gesamtmortalität gefunden. Bei Personen, die mindestens 4 Tassen täglich konsumierten war die Sterblichkeit um 65% geringer als bei Personen, die nie oder fast nie Kaffee tranken. Besonders deutlich zeigte sich der Zusammenhang bei über 45-Jährigen. Pro zusätzliche 2 Tassen Kaffee täglich, verringerte sich die Gesamtmortalität im rund 10-Jahres-Follow-up um 30%.
  • Dann täglich viel frisches Obst, Gemüse und Nüsse (eine Handvoll täglich – siehe die „Evidence based medicin“-Studie darüber!), ein Glas Wein (mit einem Fragezeichen) und täglich 3 Tassen grünen Tee täglich trinken. (Kuriyama S et al. Green tea consumption and mortality due to cardiovascular disease, cancer, and all causes in Japan: the Ohsaki study. JAMA. 2006; 296(10):1255–1265.  Suzuki E et al. Green tea consumption and mortality among Japanese elderly people: the prospective Shizuoka elderly cohort. Ann Epidemiol. 2009; 19(10):732–739)
    Hier spielt auch viel Kalium (und wenig Natrium – also wenig Kochsalz) eine Rolle: Sehr kaliumhaltig sind Bananen, Spinat, Broccoli, Nüsse und Vollkorn.
    (mehr zum „gesunden Kalium“ im Essen)
  • Wer mit einem ausgiebigen Frühstück – und viel Zeit den Tag beginnt, hat auch ein deutlich verringertes Herzinfarktrisiko! Gemäss verschiedener grossen Studien (v.a. Circulation. 2013; 128: 337-343, Prospective Study of Breakfast Eating and Incident Coronary Heart Disease in a Cohort of Male US Health Professionals, Leah E. Cahill et al.). Diejenigen Männer, die das Frühstück ausliessen, hatten dabei ein 27% höheres Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden als jene, die den Tag zum Beispiel mit einem Müesli begannen. Nach Ansicht der Forscher bestätigt die Studie, dass das Frühstück wohl die wichtigste Mahlzeit des Tages ist.
    Ideal ist, wenn das Frühstück mit geschrotetem Vollkorn (im Müesli) – anstatt Backwaren, wie Brot! – viel unbearbeiteten Ballaststoff enthält. Viel Ballaststoff im Essen lassen auch Leute mit Herzinfarkt viel länger Leben! (Li S, et al. BMJ.2014;348:g2659).
  • WENIG ROTES FLEISCH!
    Man sollte auch auf seine (gute) Darmflora, d.h. jene rund 100 Billionen Bakterien aufpassen und sie gut pflegen. Was heisst dies konkret?!
    Normalerweise leben die Vertreter der Darmflora (Mikrobiom) einträchtig mit ihrem Wirt. Sie verdauen für uns komplexe Kohlenhydrate, mit denen menschliche Enzyme nicht umgehen können. Und sie wehren auch Infektionen krank machender Bakterien ab.
    Nun wird zum Beispiel das Carnitin im roten Fleisch (Rind, Schwein oder Lamm) von den Darmbakterien zu Trimethylamin verdaut, das dann in der Leber zu Trimethylamin-N-Oxid (TMAO) umgewandelt wird. Carnitin verstärkt u.a. auch die schädliche Wirkung vom Cholesterin. Dies löst eine Kette von Ereignissen aus, die letztlich zu einer Arteriosklerose (Versteifung der Arterien) führt und damit auch zum Herzinfarkt, Hirnschlag,…!
    Es hat sich nun gezeigt, dass ein Vegetarier ein Steak essen kann und dass sich dann die (ideale) Zusammensetzung seiner Darmbakterien diesen TMAO-Spiegel nicht erhöhen lassen! Vegetarische Ernährung ergibt also eine fürs Immunsystem und für unsere Blutgefässe optimale Darmflora.
    >>> mehr dazu hier: www.dr-walser.ch/darmflora/
  • Er wäre darüber hinaus gut beraten, sich mehr mit Fisch als Fleisch zu ernähren (Herzinfarkt-Patienten können durch eine Umstellung ihres Speiseplans auf mediterrane Kost das Risiko eines erneuten Infarkts um etwa die Hälfte senken. (Zu diesem Ergebnis kommt die Lyon-Studie 1999. Von 200 Patienten, die nach einem Infarkt bei der gewohnten Ernährung blieben, erkrankten in den folgenden vier Jahren  etwa die Hälfte erneut am Herzen. Weitere 200 Patienten stiegen auf die fettärmere Kost Südeuropas um. Von dieser Gruppe erlitten weniger als ein Viertel einen neuen Infarkt. Ein vergleichbares Resultat erreichte bisher kein Medikament.).
  • Genügend Wasser trinken kann das Herzinfarktrisiko um 40 Prozent senken! Dies fand ein Forscherteam der Loma Linda-Uni in den USA (www.llu.edu/news/pr/042502water.html) bei der Untersuchung von 20’000 Leuten. Es zeigte sich, dass sich das Risiko für tödliche Infarkte bei Männern, die mehr als einen Liter Wasser tranken, sogar halbierte!
  • Und: eine Unterfunktion der Schilddrüse abklären lassen (TSH-Bestimmung im Blut) und behandeln.
  • Eine Parodontitis (Zahnbett-Entzündung) muss unbedingt gut behandelt werden (Zahnseide benützen!). Menschen mit „Zahnfleischentzündung“ erleiden doppelt so oft Herzinfarkte, dreimal häufiger Schlaganfälle (und siebenfach mehr Frühgeburten).
    Sowieso scheint die Gesundheit im Mund und der Zähne eine starke Beziehung zu derjenigen des Herzens zu haben. Es ist also sehr ratsam, dass man eine sehr gute Hygiene der Zahnpflege (inklusive Reinigung der Zungenoberfläche!) ausübt. (BMJ 340:c2451, 27 May 2010 © 2010 de Oliveira et al Toothbrushing, inflammation, and risk of cardiovascular disease: results from Scottish Health Survey. Cesar de Oliveira, Richard Watt, and Mark Hamer.)
    Mehr zur optimalen Zahnpflege, welche auch unsere Darmflora reicher macht.
  • Wer schnarcht, lebt gefährlich. Will heissen: Wer unter Apnoe („nächtlicher Atemstillstand“) leidet. Die Schlafstörung sollte ernst genommen werden, da der teilweise minutenlange Atemausfall den Blutdruck dramatisch in die Höhe treiben und das Herz schädigen kann. Wer nachts schnarcht und sich tagsüber meist müde fühlt, sollte nicht zögern, sich in einem Schlaflabor untersuchen zu lassen: Apnoe wird in neun von zehn Fällen nicht erkannt. Die Behandlung – ein kleines Atemgerät – ist einfach und effizient.

  • Ein eigentliches Gesundheitsrisiko für das Herz ist auch der „Ärger mit dem Ärger“
    Wie gefährlich der Ärger für das Herz ist, verdeutlicht eine amerikanische Langzeitstudie, bei der Menschen, die – in ihrem Leben zu „cholerischen Reaktionen“ neigten und sich schnell ärgerten, eine im Vergleich mit ihren ärger- ärmer lebenden Zeitgenossen um das Siebenfache höhere Sterblichkeit zeigten. Die permanente Inszenierung des Ärgers war danach für die Gesundheit sogar gefährlicher als klassische Risikofaktoren wie Rauchen und Bluthochdruck. Es spielt dabei überraschenderweise für das Herz keine Rolle, ob man den Ärger in sich „hineinfrisst“ oder beim Sich-Ärgern aus der Haut fährt.
    Das heisst also: Nicht der Zorn als solcher, sondern ihn ausdrücken oder ihn zu unterdrücken, schädigt die Gefässe.
    Seien Sie also nett zu Ihren Mitmenschen. Feindselige Einstellungen der Umwelt gegenüber, die Anderen verbal oder physisch angreifen , erhöht die Blutfette. (Karen Matthews et al, Duke University Med.Center, Annals of Behavioral Medicine, Vol.20, 1998)
  • Dazu gehört auch die Wut:
    Wut schädigt Blutgefässe: Wut ist schlecht fürs Herz. Wer öfter wütend ist, hat ein höheres Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall. Nun haben Forscherinnen der Columbia University in New York herausgefunden, warum das so ist: Wut führt dazu, dass sich die Blut­gefässe weniger gut dehnen können. Denn das Gefühl beeinträchtigt die Funktion des sogenannten Endothels, der Innen­auskleidung der Blutgefässe. Und das wiederum ist die Vorstufe für die Entstehung von Atherosklerose, einer Gefäss­erkrankung, die zu Herz­infarkten und Schlag­anfällen führen kann. Den Zusammen­hang zwischen Blut­gefässen und Gefühl fanden die New Yorker Forscher nur bei Wut, nicht aber bei Trauer oder Angst.
  • Meditation und ähnliche Entspannungsmethoden haben auf das Herz eine ähnlich beruhigende Wirkung wie die üblichen Beta-Blocker – nur ohne Nebenwirkungen.
  • Hier könnte man auch anmerken: Der Parasympathikus kräftigen ist sehr weise! Lesen Sie mehr darüber hier >>> parasympathikus/
  • Alle Nichtsteroidale Schmerzmittel (NSAR) sind riskant für Herz und Gefässe! Sie erhöhen das Risiko von Herzinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskulär bedingtem Tod. Am günstigsten schnitt Naproxen ab, war aber immerhin mit einem Schlaganfallrisiko von 1,76 behaftet und in der Regel nur zusammen mit einem PPI (Magenschonmittel) verträglich. Unter Ibuprofen ist das Schlaganfallrisiko mehr als verdreifacht, unter Diclofenac fast verdreifacht, unter Etoricoxib auf 2,67 erhöht. Kardiovaskuläre Todesfälle wurden nur durch Naproxen nicht erhöht, durch Celecoxib verdoppelt, durch Ibuprofen mehr als verdoppelt (2,39), durch Diclofenac und Etoricoxib vervierfacht! (BMJ 2011; DOI;10.1136/bmj.c7086)
    Eine Metaanalyse von 4 Studien an über 61’000 Menschen mit und 385’000 ohne Herzinfarkt hat 2017 ziemlich beunruhigende Resultate ergeben, da diese Steigerung der Herzinfarktrate bereits nach einer Woche NSAR-Einnahme eintrat! (Bally M, et al. BMJ.2017;357:j1909)

    • Wir sind ja meist überzeugt, dass Ausdauersport gesund ist und er unser kardiovaskuläres Risiko reduziert. Eine belgische Forschergruppe belehrt uns nun eines Besseren (Studie).
      Sie verglichen das Ausmass der Koronarsklerose (Verkalkung der Herzkranzgefässe) von 191 lebenslangen Ausdauersportlern mit 191 Späteinsteiger-Ausdauersportlern (Beginn nach dem 30. Lebensjahr) sowie mit 176 gesunden Nicht-Athleten, die in ihrem Leben keinen Ausdauersport betrieben hatten. In allen drei Gruppen handelte es sich nur um Männer mit einem medianen Alter von 55 Jahren. Keiner der Probanden war Raucher, keiner war übergewichtig und bei keinem war eine koronare Herzkrankheit bekannt. Die Koronarsklerose wurde mittels Computertomographie quantifiziert: Anzahl und Lokalisation von Plaques, Verkalkungs-Score und -Häufigkeit sowie Stenosegrad der Koronarien. Überraschend fand sich eine Dosis-Wirkungs-Beziehung, das heisst je länger der Ausdauersport betrieben wurde, desto wahrscheinlicher fand sich eine relevante Koronarsklerose. Die Parameter, die für eine ischämische Herzkrankheit prädestinieren, waren bei den lebenslangen Ausdauersportlern am höchsten: Anzahl Plaques, proximale Plaques, signifikante Stenosen und gemischte Plaque-Verkalkungen. Bei den Nicht-Sportlern waren sie am geringsten, die Späteinsteiger lagen meist dazwischen.

      Stopp Ausdauersport überhaupt?! Ist dies die anatomisch-pathologische Erklärung des Sport-Paradoxes «plötzlicher Herztod bei Athleten»? Die Autorenschaft schlägt vor, die Studie zeitlich noch auszudehnen, um auch entscheidende kardiovaskuläre Ereignisse zu erfassen.

      Hatte Winston Churchill doch recht? Auf die Frage eines Reporters, warum er trotz Whisky und Zigarrenrauchen so alt geworden sei, soll er geantwortet haben: «No sports». Er starb im Alter von 91 Jahren. Was er aber verschwieg: Er hatte immer Hunde und ging mit ihnen lange spazieren, was wohl den entscheidenden Bewegungs-Mix ergab.

  • Auch auf das Wochenende beschränkte Bewegung ist bereits fürs Herz günstig!
    Beim heutigen Lebensrhythmus mit einem hohen Anteil an sitzender Tätigkeit kommen immer mehr Menschen nur am Wochenende dazu, sich zu bewegen. Es ist unklar, ob dieses Verhaltensmuster – im angelsächsischen Sprachraum «Weekend Warrior» (Wochenend-Kämpfer) genannt – langfristig ebenso gesund ist wie regelmässige Bewegung. Die vorliegende Kohortenstudie spricht dafür – bei «Weekend Warriors» war die Sterblichkeit (Gesamtsterblichkeit, sowie Herz-Kreislauf- und Krebs-Sterblichkeit) gegenüber gänzlich inaktiven Personen in ähnlichem Mass verringert wie bei solchen mit regelmässiger körperlicher Aktivität. (O’Donovan G, Lee IM, Hamer M et al. Association of „weekend warrior“ and other: leisure time physical activity patterns with risks for all-cause, cardiovascular disease, and cancer mortality. JAMA Intern Med 2017 (1. März); 177: 335-42) .
    Falls man bereits eine KHK hat,scheint es am optimalsten, falls alle 20 Minuten Inaktivität (Sitzen, Liegen) 7 Minuten leichte körperliche Aktivität/Bewegung folgt! (Ramadi A et al.: Relationship between breaks in sedentary behaviour and free living physical activity … in individuals with coronary artery disease. ePoster Canadian Cardiovascular Congress, Oct. 2018, Toronto)
    Oder:

  • HIIT: einmal pro Stunde 20 Sekunden Sprint auf der Stelle…
    Ganz so wenig Mühe kostet es doch nicht, was Wissenschaftler im Fachblatt Medicine and Science in Sports and Exercise vorstellen. Das Team der University of Texas in Austin testete Freiwillige, die auf einem feststehenden Ergometer mit Schwungrad vier Sekunden lang alles gaben. Nach einer Pause von 45 Sekunden ging es erneut für vier Sekunden in die Vollen, insgesamt fünfmal. Stündlich wiederholten die Probanden die Belastung über acht Stunden hinweg, also die Länge eines Arbeitstages.
    In der Sportmedizin galt lange die Auffassung, dass Ausdauer optimal trainiert, wer dreimal pro Woche 50 Minuten joggt, radelt, schwimmt oder rudert. Mit regelmässig 150 Minuten wöchentlich könne, so die Annahme, das Leben um mehrere Jahre verlängert werden. In jüngster Zeit setzte sich die Erkenntnis durch, dass intensive Belastungen von über 6 Stunden pro Woche für unser Herz und Kreislauf sehr schädlich sind, aber solche von 75 Minuten pro Woche in kleinen Einheiten ähnlich nützlich sind. «Weekend Warrior», also gestresste Managertypen, die nur Samstag oder Sonntag Läufe oder Radtouren unternehmen, hören das sicher gerne (aber bitte nicht auch noch leistungsbetont, selbstoptimiert!).
    Nun wird das Training sogar in den Sekundenbereich verknappt.
    Ich finde das super – wenig bringt schon ganz viel! Einmal pro Stunde 20 Sekunden wären im Alltag aber leichter umzusetzen und genauso sinnvoll. Statt des Trainingsrades könne ein Sprint auf der Stelle oder ein schneller «Hampelmann» ähnliches leisten. Auch draussen im Grünen kann ein kurzer Anstieg mal besonders schnell gemacht werden.
    Die Studie hält wichtige Anregungen bereit: Kurz das sesshafte Leben unterbrechen und ein paarmal täglich ausser Atem kommen, stimuliert genussvoll Muskeln, Leber und Kreislauf. Würde man die Menschen so auf zehn Minuten intensive Betätigung am Tag bringen, wäre die Rate der Herzkreislaufkrankheiten halbiert!
    (Studien hier & hier)

  • Fluglärm ist ein kardiovaskulärer Risikofaktor!
    (1) Hansell AL, Blangiardo M, Fortunato L et al. Aircraft noise and cardiovascular disease near Heathrow airport in London: small area study. BMJ 2013 (8. Oktober); 347: f5561
    2) Correia AW, Peters L, Levy JI et al. Residential exposure to aircraft noise and hospital admissions for cardiovascular diseases: multi-airport retrospective study. BMJ. 2013 (8.Oktober); 347: f5561)

    In diesen zwei Studien wurde der Zusammenhang zwischen der Belastung durch Fluglärm und kardiovaskulären Erkrankungen untersucht. In London (3,6 Mio. Personen rund um den Flughafen Heathrow) war das relative Risiko, wegen eines Schlaganfalls oder einer akuten kardiovaskulären Erkrankung hospitalisiert zu werden, signifikant erhöht, wenn die Region mit der höchsten Lärmbelastung (über 63 dB) mit derjenigen mit der geringsten (unter 51 dB) verglichen wurde. In der US-Studie (6 Mio. Personen in der direkten Umgebung von 89 Flughäfen) waren die Zuweisungsraten für akute kardiovaskuläre Erkrankungen bei einer Zunahme der Lärmbelastung um 10 dB um jeweils 3,5% höher. Eine kausale Bedeutung weiterer Umweltfaktoren konnte für die Faktoren Luftverschmutzung und Verkehrslärm in der US-Studie ausgeschlossen werden.
    >>>mehr über Lärm als Dauerstress in meinem Blog>>>
  • Mehr Raum im Oberkörper tut dem Herzen und seinem Kreislauf sehr gut! Als Menschen (mit der Wirbelsäule im Brustraum hinten im Rücken) verkürzen wir im Leben vor allem vorne in der Frontallinie und leiden häufig im Alter an einem Rundrücken. Eine Verlängerung der Frontal- und Mittellinie und damit mehr Innenraum und mehr Aufrichtung im Oberkörper können strukturelle Methoden erreichen, deren Ziel eine grössere „Tiefenaktivität“ der innen gelegenen Rumpfstabilisatoren (und eine Entspannung der oberflächlichen Rumpfhülle) ist: Alexandertraining, Polarity, Rolfing,…
    Katzen haben schon immer gewusst, was sich gegen eine Verkürzung der Vorderwand machen lässt:

      und als Mensch auf zwei Beinen tut man dies am besten gegen eine Wand –
    und dies ist die beste Übung gegen einen Rundrücken!
    hier auf dieser Website >>>

A-B-Typologie durch Friedman und Roseman:

Den sog. A-Typ könnte man auch einen „Sympathikotoniker“ nennen >>> siehe mehr hier!
Diese Untersuchungen stammen zum grössten Teil aus medizinischen Untersuchungen zu koronargefährdendem Verhalten. Die so genannte Typ-A-Persönlichkeit hat zur Erklärung von Herz-Kreislauferkrankungen  besondere Beachtung gefunden (inzwischen weiss man, dass nicht jede Typ-A-Person einen Herzinfarkt erleiden wird; auch die entspannteren Typ-B-Persönlichkeiten bleiben nicht von koronaren Herzkrankheiten verschont).
Typ A Verhalten ist gekennzeichnet durch:
Starke Wettbewerbsorientierung: diszipliniert, tüchtig, verantwortungsbewusst, dominierend, aggressiv, feindselig.
Neigung zu extremer Verausgabung: verspannt, überlastet, gestresst, immer in Zeitnot, ungeduldig.
erhöhte Reizbarkeit und Gereiztheit im Zusammenhang mit Neurotizismus und Tendenzen zu Angst und Depression.
psychophysisches Risikoverhalten: unregelmässige Ernährung, mangelnde Körperbewegung im Wechsel mit sportlichen Höchstleistungen, wenig kontrollierter Genussmittelkonsum, Schlafdefizite.
Typ A ist ebenfalls durch ein spezifisches Muster von Coping-Strategien gekennzeichnet, z.B. versucht er immer mehr in immer weniger Zeit zu erreichen. Doch nicht die hohe Leistungsorientierung, sondern die defensive Komponente (Feindseligkeit) hat sich in späteren Untersuchungen als das zentrale krankheitsfördernde Merkmal herausgestellt.
Eine feindselige Haltung gegen Mitmenschen führt zu einem höheren Herzinfarktrisiko als Fettleibigkeit, Rauchen und hohe Blutfettwerte! Das fanden US-Psychologen heraus, die drei Jahre lang 774 ältere Männer beobachteten. Durch permanente Antipathie führen sich die Betroffenen selbst Stress zu. Dieser Stress könnte etwa zu schädlichen hormonellen Reaktionen oder zu Herzrhythmusstörungen führen, vermuten die Forscher. Knapp sechs Prozent der Probanden, die sich auf Grund eines Fragebogens als sehr feindselig erwiesen hatten, bekamen in dieser Zeit eine Erkrankung der Herzkranzgefässe. In einer zweiten Studie wurden 792 ältere Frauen beobachtet: Die Gruppe mit der grössten Feindseligkeit hatte eine doppelt so grosses Risiko einen Herzinfarkt zu erleiden wie die Gruppe mit der kleinsten Feindseligkeit (Am J Epidemiol 2002 Dec 15;156(12):1092-9).

Das Risiko abschätzen.

Der einfachste Test: 40 Liegestützen!

Wenn eine Ärztin prüfen will, wie gesund das Herz eines Patienten ist, macht sie mit ihm einen Leistungstest – idealerweise auf dem Fahrradergometer oder dem Laufband. Doch das ist zeitaufwendig, und die wenigsten Arztpraxen verfügen über die teuren Sportgeräte.
Jetzt könnte allerdings noch eine dritte Testmöglichkeit dazukommen – eine, die jeder Hausarzt durchführen kann und die nur ein bis zwei Minuten beansprucht. Der Arzt müsste seinen Patienten einfach nur auffordern: Machen Sie einmal so viele Liegestütze, wie Sie können, und ich sage Ihnen danach, wie gesund Ihr Herz ist.
Auf diese verblüffende Formel sind Forschende der Harvard University gekommen. Über einen Zeitraum von zehn Jahren haben sie die Daten von mehr als 1000 Feuerwehrleuten ausgewertet.
Als Ausgangspunkt ihrer Untersuchung ermittelten die Forschenden, wie viele Liegestütze und wie viel Zeit die Männer auf dem Laufband absolvieren können, wenn sie sich submaximal verausgaben, also bei 80 bis 90 Prozent ihrer maximalen Belastungsgrenze.
Nach zehn Jahren wurde gegenübergestellt, ob und allenfalls wie stark sich die Anzahl der machbaren Liegestütze auf die Herz-Kreislauf-Stabilität und ein mögliches Infarktrisiko der Männer ausgewirkt hatte.
Das Ergebnis: Die Probanden, die mehr als 40 Liegestütze am Stück machen konnten, hatten ein um bis zu 96 Prozent geringeres Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wie zum Beispiel einen Herzinfarkt. Im Laufe der zehn Jahre hatte es unter den Studienteilnehmern 37 Infarktfälle gegeben – 36 davon bei Männern, die weniger als 40 Liegestütze schafften. (Studie)

Berechnungen

Für die Berechnung des kardiovaskulären Risikos gibt es verschiedene Instrumente (PROCAM, EU-Score, Framingham Score).
Wie oben schon erwähnt, sind hier die Faktoren im Vordergrund, die einfach in der ärztlichen Praxis gemessen werden können – und für die eine pfannenfertige Behandlung (meist mit Medikamenten!) bereit liegt. Diese messbaren Werte (Blutdruck, Blutfette, Blutzucker) sind aber weitgehend bereits Sekundärsymptome von viel wichtigeren Risikofaktoren, wie Dauerstress, Bewegungsarmut und Genetik.

Der am besten validierte Score ist der Framingham Score. Gleichzeitig ist bekannt, dass auch das Vorhandensein eines Metabolischen Syndroms das Risiko für eine koronare Herzkrankheit erhöht, aber mit dem Framingham Score lässt sich das Risiko präziser vorhersagen. (Metabolic Syndrome vs Framingham Score for Prediction of Coronary Heart Disease, Stroke, and Type 2 Diabetes mellitus. Wannamehtee SG et al. Arch Intern Med 2005; 165: 2644-50:  Das metabolische Syndrom ist ein genauerer Prädiktor für das Auftreten eines Diabetes mellitus.

Framingham-Studie

Punkte und 5-Jahreswahrscheinlichkeit (%) für das Auftreten einer KHK (koronarern Herzkrankheit):

Punkte % Punkte % Punkte % Punkte %
0 bis 1 < 1 9 2 17 6 25 14
2 1 10 2 18 7 26 16
3 1 11 3 19 8 27 17
4 1 12 3 20 8 28 19
5 1 13 3 21 9 29 20
6 1 14 4 22 11 30 22
7 1 15 5 23 12 31 24
8 2 16 5 24 13 32 25

PREDICT-Studie: Abnehmendes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse

Was Hausärzt*innen intuitiv in ihrer täglichen Praxis schon vermuteten, erhält nun Unterstützung durch eine Untersuchung an über 400 000 PatientInnen aus Hausarztpraxen («primary care patients») in Neuseeland ohne klinisch bekannte, vorbestehende kardiovaskuläre oder renale Erkrankungen: Das wirk­liche Risiko, ein kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden, ist deutlich geringer als in den schon etwas in die Jahre gekommenen, aber immer noch die Basis unserer Interventionen bestimmenden Risikostratifizierungen (Framingham-Daten et al.)! Bei etwa 55-jährigen PatientInnen beträgt das Risiko eines kardiovaskulären Ereignisses innerhalb der nächsten fünf Jahre lediglich 2,3% bei Frauen und 3,2% bei Männern (bei europäischer Herkunft noch tiefer).
Ärzt*innen werden ihre Vorgehensweisen an diese veränderte Epidemiologie adaptieren müssen, um Überbehandlungen zu vermeiden. Anderseits müssen wir im Sinne der Persona­lisierung Risikopopulationen neu definieren (und erkennen) und damit Unterbehandlungenauf individueller Basis zu verhindern suchen. (The Lancet 2018, doi.org/10.1016/S0140-6736(18)30664-0)

ESC Score¹

10-Jahres-Risiko für tödliche kardiovaskuläre Krankheiten in europäischen Regionen mit niedrigem kardiovaskulärem Krankheitsrisiko (z.B. Schweiz):

Dieser Score ist sehr brauchbar in der täglichen (Hausarzt-)Praxis: Man kann gut ersehen, ob z.B. die Bestimmung des Cholesterins überhaupt einen Sinn macht. Man sieht auch schnell die Wertigkeit der verschiedenen Risikofaktoren (z.B. Rauchen gegenüber Blutfetten oder Blutdruck), was sich also lohnt zu behandeln.

Was überhaupt nicht beachtet wird, ist der Dauerstress und der Bewegungsmangel!

Mit positiver Familienvorgeschichte für KHK muss man das Risiko in diesem Score verdoppeln – was aber neuerdings auch sehr umstritten ist (meist kleineres und sehr individuelles Risiko)! (DeBacker G et al. European guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice. The Third Joint Task Force of European and other Societies on Cardiovascular Disease Prevention in Clinical Practice (constituted by representatives of eight societies and by invited experts) executive summary. Eur Heart J 2003; 24: 1601–10)

Risikoberechnung der koronaren Herzkrankheit unter  www.kardiolab.ch : PROCAM Risk Calculator (hier ist auch Familienrisiko eingeschlossen) und speziell für Frauen: Framingham Risk Assessment.
oder hier: www.riskscore.org.uk

Nach einem akuten Koronarsyndrom (Herzinfarkte mit oder ohne ST-Veränderungen, instabile Angina pectoris) lässt sich auf Grund der Ergebnisse der Beobachtungsstudie GRACE (Fox KA et al. Prediction of risk of death and myocardial infarction in the six months after presentation with acute coronary syndrome: prospective multinational observational study (GRACE)). BMJ 2006 (25. November); 333: 1091-6) mit relativ einfach zu ermittelnden Angaben das Sterbe- und Reinfarktrisiko berechnen. Das vereinfachte GRACE-Modell kann als Rechner vom Internet heruntergeladen werden: www.outcomes.org/grace .

Wir haben 3 Milliarden Herzschläge im Leben zu Gute!

Die Herzfrequenz ist ein noch viel zu wenig beachteter kardiovaskulärer Hauptrisikofaktor. Nach dem Alter, dem männlichen Geschlecht, der genetischen Prädisposition und der Hypertonie sollte die Herzfrequenz bereits an fünfter Stelle der wichtigsten Risikofaktoren aufgeführt werden.
Es ist davon auszugehen, dass allen Menschen gewissermassen ein Kapital von rund drei Milliarden Herzschlägen auf den Lebensweg mitgegeben wird!
Wer sparsamer damit umgeht, lebt länger, wer verschwenderisch ist, entsprechend kürzer. Mit einem Puls von 80 Schlägen pro Minute sind 71 Lebensjahre möglich, mit einer Frequenz von 100 dagegen nur 57 Jahre! Mit einer Herzfrequenz von 60 lässt sich ein Alter von 96 Jahren, mit etwas Sport und einem Ruhepuls von 50 gar von 115 Jahren erreichen! Auch bei Tieren ist übrigens die Lebenszeit frequenzabhängig. Kleine Tiere wie Mäuse mit einem Puls von 400 bis 500 Schlägen pro Minute werden nur 3 bis 4 Jahre alt, dagegen Elefanten mit einer Herzfrequenz von etwa 30 und Wale (6 bis 40 pro Minute) 30 Jahre.
Warum ist eine geringe Herzfrequenz so vorteilhaft? bei langsamem Herzschlag dauert die Diastole länger. Eine geringe Herzfrequenz verbessert die Koronarperfusion, weil sich der Koronarfluss weitgehend auf die Diastole beschränkt, und vermindert überdies den Sauerstoffverbrauch des Herzmuskels. Ein erhöhter Puls verstärkt dagegen den oxydativen Stress und den Umbau des Herzens (Remodeling). Das Herz dilatiert (erweitert sich) also bei einer Tachykardie (hoher Puls) schneller als bei einer Bradykardie (langsamer Puls).

Yoga mit Meditation hilft gegen Vorhofflimmern

In dieser Studie wurden die Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern zunächst mit drei Monaten sportlichen Aktivitäten ihrer Wahl behandelt. Anschliessend nahmen die Leute drei Monate lang an einem überwachten Yoga-Programm mit Atemübungen, Yoga-Stellungen, Meditation und Entspannung teil. Keiner der Probanden hatte vorher bereits Erfahrung mit den fernöstlichen Übungen.
Es zeigte sich, dass während der Yoga-Interventions-Phase die Episoden von Vorhofflimmern um die Hälfte zurückgingen. Ausserdem verringerten sich Angst- und Depressions-Symptome und die Lebensqualität stieg.
Als Wirkungsmechanismus werden günstige Einflüsse auf den Sympathikotonus diskutiert. (mehr zur Entspannung >>>hier!).

Und… gegen Vorhofflimmern hilft massiv ein völliger Alkoholstopp!

Statine – Medikamente gegen den Herzinfarkt?

Eine Metaanalyse von 25’000 Personen (Durchschnittsalter 73 Jahre, Follow-up 3,5 Jahre), die Statine (Blutfettsenker) einnahmen oder nicht, ergab bei den Statin-Nutzern eine relative Reduktion der Myokardinfarktrate um 40% und der Schlaganfallrate um 25%!
Die Mortalität (Sterblichkeit) jeglicher Ursache wurde durch diese Statineinnahme jedoch nicht beeinflusst!
Welche Todesursache hätten Sie denn gern? Herzinfarkt oder Demenz?!
(Savarese G, et al. J Am Coll Cardiol. 2013; doi:10. 1016/j.acc.2013.07.069)

Der Albtraum beginnt danach: Posttraumatische Belastungsstörung nach einem Herzinfarkt

Todesangst und Kontrollverlust! Wer einen Herzinfarkt hat, geht auch psychisch durch extreme Zeiten. Ungefähr jeder Zehnte leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Bei dieser Störung haben Patienten Albträume und einen gestörten Schlaf. Zudem drehen sie das Ereignis dauernd im Kopf und haben eine grosse Angst vor einem weiteren Infarkt.
Und diese Symptome sind riskant. Sie können einen weiteren Herzinfarkt auslösen. Eine posttraumatische Belastungsstörung verdoppelt das Risiko, in den nächsten ein bis zwei Jahren an einem weiteren Herzinfarkt zu sterben.
Je grösser die psychische Belastung nach dem Herzinfarkt, desto höher ist das Risiko für einen erneuten Aufenthalt im Spital. Forscher vermuten, dass traumatisierte Patienten weniger gut auf die Gesundheit achten. So schaffen es traumatisierte nach dem Herzinfarkt zum Beispiel seltener, das Rauchen aufzugeben oder ihre Medikamente regelmässig einzunehmen.
Prophylaktisch ist entscheidend, die Symptome früh zu erkennen. Dabei sind vor allem die Spitäler gefordert. Das Personal der Herzabteilungen spielt dabei eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, traumatische Reaktionen zu verhindern. Ärzte und Pflegepersonal sollten die verunsicherten Herzpatienten ernst nehmen und ihnen mit einer guten Aufklärung und Beratung wieder Sicherheit vermitteln. Herzspezialisten sollten in den ersten Monaten nach einem Herzinfarkt psychische Symptome immer wieder gezielt erfragen. So könnte man dem Patienten bei Bedarf früh eine Psychotherapie bieten.
Besonders gefährdet sind Patienten über 60 Jahre ist. Sie erleiden eher eine posttraumatische Belastungsstörung. Der Grund: Mit steigendem Alter kann man weniger gut mit Stress umgehen und man wird schmerzempfindlicher. Auch Menschen ohne funktionierendes soziales Netz und die bereits an einer psychischer Krankheit leiden, sind mehr gefährdet.
Auch Patienten können vorbeugen: Ein Herzinfarkt hinterlässt das Gefühl, dass etwas mit dem Körper nicht in Ordnung ist. Daher sollte man wieder positive Erfahrungen machen. Dabei hilft Bewegung. Ausserdem sollen Patienten mit Freunden, Ärzten und Therapeuten über ihre Ängste sprechen. Man sollte zudem versuchen, im Herzinfarkt einen Sinn zu erkennen. Zum Beispiel, indem man ihn zum Anlass nimmt, das Rauchen aufzugeben, sich gesünder zu ernähren oder sich mehr zu bewegen.
Das hilft nach dem Herzinfarkt:
– Sprechen Sie mit vertrauten Menschen über Ihre Erlebnisse.
– Machen Sie regelmässiges Bewegungstraining wie Gehen, Gymnastik oder Übungen am Heimtrainer. Auch Schwimmen, Langlauf, leichtes Joggen und Fahrradfahren eignet sich. Tun Sie das, was Ihnen Freude macht.
– Vermeiden Sie Stress.
– Machen Sie Entspannungstraining wie autogenes Training, progressive Muskelentspannung oder Yoga. Es hilft gegen Nervosität, Herzjagen und hohen Blutdruck.
– Ernähren Sie sich abwechslungsreich und gesund: mit wenig tierischem Fett, wenig Zucker, viel Obst und Gemüse.
– Achten Sie auf Ihr Gewicht
– Lassen Sie sich regelmässig vom Arzt untersuchen
– Gehen Sie den Ursachen des Herzinfarktes auf den Grund: Welche Prioritäten habe ich bis jetzt im Leben gesetzt? >>>Lesen Sie dazu hier auf dieser Website!
– Suchen Sie Hilfe bei Problemen am Arbeitsplatz oder in der Familie.
Mehr Infos:
Über die (allgegenwärtige) Todesangst hier auf dieser Website!
Merkblatt «Empfehlungen für den Umgang mit belastenden Ereignissen», herausgegeben vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und der Föderation Schweizer Psychologinnen und Psychologen: www.nfszh.ch/hilfen-fuer-betroffene

Veröffentlicht am 15. Juni 2017 von Dr. med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
16. Mai 2024

Mit Resilienz die Krise meistern

Resilienz – Gedeihen trotz widriger Umstände

Mit „Resilienz“ wird in der psychologischen Forschung die psychische und physische Stärke bezeichnet, die es Menschen ermöglicht, Lebenskrisen, wie schwere Krankheiten oder auch ein Burnout ohne langfristige Beeinträchtigungen zu meistern. Kurz: Gedeihen trotz widriger Umstände.
Resilienz ist eine Fähigkeit, die jeder Mensch lernen kann. Je früher er sie erwirbt, um so besser. Am leichtesten in den ersten zehn Lebensjahren. Doch auch Erwachsene sind zu jedem Zeitpunkt ihres Lebens grundsätzlich in der Lage, ihre Widerstandsfähigkeit zu schulen.

Resiliente Menschen kann man mit einem Boxer vergleichen, der im Ring zu Boden geht, ausgezählt wird, aufsteht und danach seine Taktik grundlegend ändert (resilience = englisch: Elastizität, Spannkraft – „resilire“, lat. abprallen). Resilienz wurde auch schon „the mental muscle everyone has“ genannt oder das „Immunsystem unserer Seele“.

Die Resilienz lässt sich in drei Subtypen mit verschiedenen Bewältigungsszenarien unterteilen. Das Bild eines Baums, der heftigem Wind ausgesetzt ist, verdeutlicht sie: Ein massiver Stamm kann den Sturm unbeschadet überstehen – das ist Resistenz. Vielleicht wird der Baum auch durchgeschüttelt und die Äste verbiegen sich, nehmen danach jedoch wieder ihre alte Form ein. Dann spricht man von Regeneration. Möglich ist aber auch, dass die Äste dauerhaft ihre Wuchsrichtung ändern, um künftigen Stürmen weniger Angriffsfläche zu bieten. Diese Resilienzstrategie heisst Rekonfiguration.

Wir können mit dem, was das Schicksal einem antut, gut oder schlecht umgehen. Der Resiliente hat beschlossen, gut damit umzugehen.

Wie lernt man dies?

Man weiss eigentlich noch zu wenig darüber. Doch die meisten Forscher gehen von einer Wechselwirkung zwischen individuellen Möglichkeiten und sozialen Angeboten aus. Ruhiges Temperament und eine höhere Intelligenz scheinen resilientes Verhalten zu begünstigen. Sicher ist, dass vor allem die Zugehörigkeit zu einen grösseren Verbund von Menschen, der über die Familie hinausgeht, für die Herausbildung von Resilienz wichtig ist. Man sollte eingebettet sein. Resiliente Kinder haben sehr viel mehr Unterstützung von religiösen Gemeinschaften, von Nachbarn, Freunden, Lehrern und Verwandten, wie zum Beispiel Grossmüttern, erhalten. Die Familie kann, aber muss dabei keinen hohen Stellenwert haben.
Die Annahme, dass einmal gemachte schlechte Erfahrungen das gesamte weitere Leben prägen, wird durch die Resilienzforschung für viele Fälle widerlegt. Auch wenn in Kindheit und Jugend keine resilienzfördernden Erfahrungen gemacht werden konnten, muss niemand sich seinem Schicksal hilflos ausgeliefert fühlen. Resilienz kann in jedem Lebensalter erlernt werden. In ihrer Broschüre The road to resilience nennt die Amerikanische Psychologenvereinigung (www.apahelpcenter.org) zehn Wege, die zum Ziel führen (hier):

  • Resiliente Menschen akzeptieren die Krise und die damit verbundenen Gefühle. Sie lassen sich Zeit. Sie wissen: Weglaufen hilft nicht. Es wird eine Zeit kommen, dann werden sie wissen, was zu tun ist. Bis dahin suchen sie sich einen Ort, an dem sie wohl fühlen, und lassen dort ihren Gefühlen freien Lauf.
    Resiliente Menschen schämen sich nicht ihrer Tränen, ihrer Wut, ihrer Ängste. Sie reissen sich nicht zusammen und versuchen nicht, ihre Gefühle einzufrieren. Sie sorgen für sich selbst.
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  • Resiliente Menschen suchen nach Lösungen. Sie glauben an die eigene Kompetenz. Sie verlassen die Opferrolle und werden aktiv:
    Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, auf Krisen zu reagieren. Man kann klagen: „Warum passiert gerade mir das? Womit habe ich das verdient? Wie konnte das geschehen? Es ist so schrecklich, das überstehe ich nicht!“ Man kann aber auch sagen: „Ich habe nicht erwartet, dass mir so etwas Schreckliches widerfährt. Aber nun ist es geschehen, es liegt nicht in meiner Macht, es ungeschehen zu machen. Vor mir liegt eine äusserst schwierige und schmerzhafte Zeit – was kann ich tun, damit es mir gelingt, sie zu meistern?“
    Resiliente Menschen, so zeigt die Forschung, wählen die zweite Möglichkeit. Sie grübeln nicht unentwegt über ein Problem nach, sind keine „Jammerlappen“, sondern sind sogar im tiefsten Schmerz in der Lage, nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. „Wir können nicht beeinflussen, was mit uns geschieht, aber wir können entscheiden, welche Folgen das Geschehene für uns hat“ (vergleiche mit dem Kohärenzgefühl der Salutogenese!).
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  • Resiliente Menschen lösen ihre Probleme nicht allein. Sie bauen auf ihre sozialen Kontakte:
    Ein ganz wichtiges Merkmal der Resilienz ist, dass krisengebeutelte Menschen bereit sind, mit anderen über ihre Sorgen zu sprechen. Resiliente Menschen versuchen erst gar nicht, ihre Schwierigkeiten im Alleingang zu lösen. Wie psychologische Studien übereinstimmend belegen, wird mit Schicksalsschlägen besser fertig, wer in eine Familie eingebunden ist oder ein festes soziales Netz von Freunden besitzt. Das gilt für Kinder wie für Erwachsene. Dabei achten Resiliente darauf, dass sie sich in ihrer Not an die richtigen Personen wenden. Sie suchen sich Menschen, die sich nicht von ihren Gefühlen verunsichern lassen, die einfühlend und unterstützend sind, die ihnen Mut machen und sie an ihre Stärken erinnern. Sie meiden Menschen, die nur Sprüche klopfen à la „Die Zeit heilt alle Wunden“, „Du musst stark sein, schon wegen der Kinder“, „Es lohnt nicht, über verschüttete Milch zu weinen“ , „Anderen geht es noch schlechter als dir“, „Das Leben geht weiter“ oder „Wenn ich irgend etwas für dich tun kann, ruf mich an“.
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  • Resiliente Menschen fühlen sich nicht als Opfer:
    Menschen, die mitten in einer Krise stecken, machen die Situation oft durch ihre Einstellung noch schlimmer, als sie ohnehin schon ist. Sie haben jegliche Hoffnung auf Änderung verloren, sehen nur noch alles grau in grau und betrachten sich als Opfer der Situation.
    Häufig benutzen sie Formulierungen wie „Ich kann nicht“, „Niemals mehr werde ich glücklich sein“, „Warum nur ist das Leben so ungerecht zu mir?“, „Ich weiss nicht, was ich tun soll“.
    Auch resiliente Menschen sind nicht gegen das Opfergefühl gefeit. Doch nach einer gewissen Zeit gelingt es ihnen, anders über ihre Situation zu denken. Statt „Ich kann nicht“ zu sagen und damit dem Gefühl Ausdruck zu verleihen, völlig die Kontrolle über das Geschehen verloren zu haben, sagen sie „Ich will es versuchen…“.
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  • Resiliente Menschen bleiben optimistisch. Krisen werden nicht als unüberwindliches Problem betrachtet:
    Eine optimistische Lebenseinstellung ist das wichtigste Merkmal der Resilienz. Ohne die feste Überzeugung, dass irgendwann, früher oder später, sich die Dinge wieder zum Positiven wenden werden, ist Widerstandsfähigkeit nicht denkbar. Dieser gesunde Optimismus darf nicht mit positivem Denken verwechselt werden. Positives Denken verleugnet die Realität, will die negativen Ereignisse schönreden. Optimistisches Denken dagegen ist kein Wunschdenken, es erkennt die Realität an, geht aber davon aus, dass negative Ereignisse, gleich welcher Art, eine befristete Angelegenheit sind und es auch wieder bessere Zeiten geben wird.
    Ein weiteres Merkmal optimistisch denkender Menschen: Sie verallgemeinern nicht. Wenn sie eine Niederlage einstecken müssen, dann denken sie nicht „Ich tauge nichts“, sondern: „Diesmal hatte ich keinen Erfolg, das nächste Mal wird es wieder klappen“.
    Martin Seligman ist überzeugt davon, dass jeder Mensch optimistisch denken lernen kann, je früher, desto besser. Deshalb hat er ein Programm entwickelt, das Eltern und Lehrern Anleitungen an die Hand gibt, wie sie Kinder zu optimistischem, resilientem Denken erziehen können (Martin E.P.Seligman, Kinder brauchen Optimismus, Rowohlt Verlag). Hier hat jeder Erziehende/Lehrer eine eigentliche Verpflichtung und kann mit seinem Handeln im alltäglichen Umfeld dazu beitragen, dass das Kind Vertrauen in die eigene Kraft und die eigene Fähigkeiten gewinnt, dass es sich selbst als wertvoll erlebt und dass es durch seine eigenen Handlungen Veränderungen bewirkt. Kernpunkte der Resilienz (wie: – Suche dir einen Freund und sei anderen ein Freund. – Fühle dich für dein Verhalten verantwortlich. – Glaube an dich selbst.) sollen Kindern beigebracht werden.

    Resilienz hat auch gar nichts mit dem modernen Hype des „Manifestieren“ zu tun. Das Konzept des Manifestierens beschönigt die gleiche verblendete Logik, die behauptet, Armut sei eine Wahl, und die vielen politischen Desinformationen zugrunde liegt. Wenn die Realität nur das ist, was wir aus ihr machen, dann werden die Skrupellosesten die meiste Macht haben, die Zukunft zu gestalten.
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  • Resiliente Menschen geben sich nicht selbst die Schuld:
    Am Beginn einer Krise sind Schuldgefühle fast unvermeidlich. Die Betroffenen quälen sich mit Selbstvorwürfen. „Hätte ich nur nicht soviel gearbeitet, dann wäre sie heute noch bei mir“, „Wenn ich ihm nur nicht erlaubt hätte, Motorrad zu fahren … „“,Wäre ich nur aufmerksamer gewesen“. Resiliente Menschen unterscheiden sich jedoch von anderen dadurch, dass sie ziemlich bald diese Selbstanklagen beenden und ihren eigenen Anteil an der Krise realistisch einschätzen. Sie erklären sich das Geschehen nicht mehr ausschliesslich internal („ich allein bin schuld“), sondern erkennen auch, was andere oder die Umstände dazu beigetragen haben. je mehr es gelingt, externe Faktoren verantwortlich zu machen, desto geschätzter ist das eigene Selbstwertgefühl, desto grösser die Chance, über einen Schicksalsschlag schneller hinwegzukommen.
    Der Münchner Psychologe Dieter Frey konnte dies in Studien mit Unfallopfern belegen. Zwei Tage nach ihrer Einlieferung ins Krankenhaus wurden die Patienten gefragt: Wer ist schuld am Unfall? Wäre er vermeidbar gewesen? Glauben Sie, Ihre Genesung beeinflussen zu können? Das Ergebnis: Patienten, die ihrer Situation eine positive Seite abgewinnen konnten und glaubten, nicht selbst schuld am Unfall zu sein, erholten sich schneller von ihren Verletzungen als Unfallopfer, die mit ihrem Schicksal haderten („Warum gerade ich?“) und den Unfall für vermeidbar hielten. Diese Menschen brauchten im Schnitt 140 Tage, ehe sie ihre Arbeit wieder aufnehmen konnten, während die optimistischen bereits nach 80 Tagen an ihren Arbeitsplatz zurückkehrten.
  • Resiliente Menschen planen voraus. Sie nehmen eine Langzeitperspektive ein und entwickeln realistische Ziele:
    Haben Sie schon einmal daran gedacht, dass Ihr Arbeitsplatz irgendwann gefährdet sein könnte? Halten Sie es für möglich, dass Ihre Ehe scheitert? Was ist, wenn Ihr Vermieter Ihnen kündigt und Sie umziehen müssen? Sind Sie vorbereitet aufs Älterwerden? Resiliente Menschen, so zeigt die Forschung, halten nichts für selbstverständlich. Sie rechnen mit den Wechselfällen des Lebens und beschäftigen sich gedanklich damit. Die Frage „Was wäre, wenn…“ stellen sie sich auch in Zeiten, in denen noch kein Anlass zur Sorge besteht. Auf diese Weise sind sie auf die „vorhersehbaren Veränderungen“ im Leben vorbereitet, zu denen nach dem Psychiater Frederic Flach (Resilience. The Power to Bounce Back When the Going Gets Tough!, New York 1997) vor allem bestimmte Zäsuren und Übergangsphasen gehören: Heirat, die Geburt eines Kindes, der Tod der eigenen Eltern, Berufswechsel, Scheidung, Älterwerden. Resiliente Menschen werden von diesen Wendepunkten des Lebens und den damit verbundenen Problemen nicht völlig überrascht, weil sie sich gedanklich darauf vorbereiten.
    Auch H. Norman Wright (Resilience. Rebounding When Life’s Upsets Knock You Down, Michigan 1997) ist überzeugt davon, dass vorausplanendes Krisenmanagement die Resilienz stärkt. Seiner Ansicht nach müsste beispielsweise so manche Ehe nicht vor dem Scheidungsrichter enden, wenn sich die Paare mit den Problemen und Herausforderungen beschäftigen würden, die im Laufe des Zusammenlebens auftreten können. Auch Paare, die sich ein Kind wünschen, können durch Vorausplanung vielen Krisen der Elternschaft die Schärfe nehmen. Und Menschen, die sich mit den Facetten des Älterwerdens auseinandersetzen, bewältigen die damit verbundenen Veränderungen besser.
    Resilienz, die Elastizität eines Bungeebandes, benötigen wir nicht nur wenn schlimme Ereignisse uns auf eine schwere Probe stellen. Resilienz ist auch ein wichtiger Schutz vor Alltagsstressoren, die immer zahlreicher und intensiver auf uns einwirken. „Es ist eine Sache, durch Zeiten der Unsicherheit und Instabilität zu gehen, wenn die Welt um uns herum einigermassen stabil ist“, meint Frederic Flach. „Aber es ist etwas völlig anderes, wenn die Veränderungen um uns herum immer zahlreicher werden und sich ganze Gesellschaften im Umbruch befinden.“
    Noch ist das Scheitern „das grosse moderne Tabu “ , wie der Soziologe Richard Sennett schreibt. „Wie wir mit dem Scheitern zurechtkommen, wie wir ihm Gestalt und einen Platz in unserem Leben geben, mag uns innerlich verfolgen, aber wir diskutieren es selten mit anderen.“ Die Ergebnisse der Resilienzforschung sind ein erster wichtiger Schritt, dieses Tabu zu brechen.
    ( Ursula Nuber „Psychologie Heute“ (Mai 1999 und Sept.05) )

Resilienzkritik

Was in der momentanen Resilienzbegeisterung ausgeblendet wird, sind ihre zwiespältigen impliziten Botschaften, so die Handlungsfähigkeit durch Selbstoptimierung – suggeriert wird damit die Idee von Bemeisterung und Kontrolle. In der Vorstellung einer solchermassen smarten Anpassung geraten die eigentlichen Ursachen und Hintergründe der Resilienzerfordernisse aus dem Fokus. Die Verantwortung für das Zurechtkommen in einer sozial gefährdeten und massiv bedrohten Ökosphäre wird an die Einzelnen verschoben. Fragen nach dem wirtschaftlichen und politischen Kontext dieser Bedrohungen und nach deren Verantwortlichen verschwinden. Sollten wir aktuell vielleicht eher rebellisch statt resilient leben und damit die systemischen Ursachen der sozialen und ökologischen Krisen infrage stellen?

Zudem: Angst, Schwäche und Hilflosigkeit kommen im Resilienznarrativ nicht vor. Der zukunftsfähige Mensch hat sich erfolgreich angepasst und verantwortet sein seelisches Überleben scheinbar allein. Muss sich schämen, wem dies nicht gelingt? Was geschieht, wenn wir vom Bedürfnis nach Überlegenheit und Kontrolle um jeden Preis loslassen?

Resilienz bedeutet aber noch etwas: einen Lernprozess zu durchlaufen. Und der basiert immer auf Transformation. In der Suche nach Neu-Anpassung verändern wir uns, unsere Sicht auf und unseren Bezug zur Welt. Jenseits der Selbstoptimierungslogik eröffnet sich ein Feld kritischer Kreativität. Können wir in gemeinsamer Auseinandersetzung mit den gegenwärtigen Krisen lernen, unser Zusammenleben mit und auf diesem Planeten neu, anders und vor allem besser zu gestalten? So verstanden – ein Tusch auf die Resilienz!
(Vera Kattermann in Psychologie Heute, 01/2024)

Burnout

Burnout umfasst eine tiefe Identitätskrise, die oftmals ihren Ursprung in zu hohen Erwartungen an eine Situation hatte. Die letztendliche Totalerschöpfung ist das sozial akzeptierte Zeichen nach aussen, dass etwas nicht stimmt. Burnout ist allerdings mehr als Erschöpfung, die auch entstehen kann wenn man wegen Termindruck drei Wochen durcharbeitet oder fünf Freunden am Stück beim Umzug hilft. Burnout entsteht früher und geht tiefer. Wer selbst noch in der Lage ist, die Reissleine zu ziehen und aktiv Dinge zu tun, die einem gut tun, ist zum Glück noch ein Stück vom Burnout entfernt.
Fabienne Riener hat in diesem wunderbaren Text aufgeschrieben, wie Burnout entsteht, meistens nicht von drei Nachtschichten in einer Woche, sondern eher dann, wenn man lange auf ein Ziel hinarbeitet und regelmässig seine Grenzen überschreitet. Ein spannender Text, den alle lesen sollten, die öfter mal länger arbeiten.
Mehr über das Burnout hier >>>

Krisen? Verlust?

Zurzeit sind wir bereits in fünf Krisen gefangen: Artensterben, Klimakrise, Pandemie, der russische Angriffskrieg und die millionenfache Flucht aus der Ukraine. In zwei weitere bewegen wir uns hinein: Schon begonnen hat eine globale Nahrungsmittelknappheit, die aller Wahrscheinlichkeit nach noch mehr Flüchtende nach Europa bringen wird, diesmal von Süden, da, wo demnächst gehungert wird. Das sind dann sieben Krisen, und da reden wir noch nicht von der Inflation, von der Krise der Globalisierung oder der westlichen Demokratien.

In Anbetracht dieser Angriffe auf unsere Resilienz, wie sollen wir zuversichtlich bleiben?

Ich habe in letzter Zeit über das Verlieren nachgedacht und darüber, wie sehr es ein integraler Bestandteil unserer gesamten Vorstellung vom Universum – und vor allem von Krisen ist. Ich bin ständig am Verlieren. Ich verliere Vitalität. Ich verliere Würde. Ich verliere Geld. Ich verliere meine Jugend. Ich verliere meinen Hund, und langsam, unausweichlich verliere ich meinen Verstand. Irgendwo habe ich gelesen: „Was das Ego zu verlieren fürchtet, ist der Verlust selbst.“ Das Ego gedeiht, indem es sich am Verlust labt. Jedes Mal, wenn es mich davon überzeugen kann, zu glauben, dass ich etwas oder jemanden verloren habe, verstärkt es die Idee der Trennung; und was ist das Ego anderes als die Idee der Trennung?
Könnten wir gemeinsam damit beginnen, die Grundvoraussetzung der Idee des Verlustes zu hinterfragen? Wie würden wir dann „äussere“ Ereignisse wie die Pandemie unserer Zeit oder das Ableben eines geliebten Menschen erleben?
Es gibt dabei einige Hindernisse, die im Wege stehen. Das erste ist, dass ich zutiefst süchtig nach allen Gefühlen bin, die mit Verlust verbunden sind. Ich werde „entziehen“ müssen. Wie einige von euch wissen, macht eine Entzug keinen Spass, und sie ist auch nicht angenehm. Die zweite Herausforderung könnte darin bestehen, dass ich die Gültigkeit des breiten Spektrums von Gefühlen in Frage stellen muss, die von der Gesellschaft sanktioniert werden, wenn es um Verlust geht, und dabei könnte es so aussehen, als würde ich meine Menschlichkeit in Frage stellen. Das tue ich. Ist es nicht an der Zeit, unsere menschliche Verkleidung zu durchschauen und unsere „unveränderliche Göttlichkeit“ zurückzufordern?

Die Zehn Gebote als Krisenprophylaxe

Peter Modler beschreibt in seinem Buch „Die Königsstrategie – so meistern Männer berufliche Risiken“ realitätsnah den „selbstmörderischen Luxus“ vermeintlicher Souveränität, aber auch, wie es Managern gelingen kann, die „persönliche Resettaste“ zu drücken.Dies ist spätestens dann nötig, wenn die Herausforderungen der Arbeit die persönlichen Bindungen in der Partnerschaft, zu Familie, Freunden und selbst zum eigenen Körper zerstören und die Brücken zum Leben jenseits der Arbeit brechen.
Die Empfehlungen des Autors fassen sich am besten zusammen in den „Zehn Geboten des Königs“:

  • Du sollst auf die kleinen Fehler achten!
  • Du sollst keine Angst haben vor einem Rückzug!
  • Du sollst feiern!
  • Du sollst nicht fett werden!
  • Du sollst ein sexuelles Leben haben!
  • Du sollst die Initiative zurückgewinnen!
  • Du sollst keine Angst haben, etwas anders zu machen als alle anderen!
  • Du sollst rechtzeitig um Rat fragen!
  • Du sollst deine Kinder kennen!
  • Du sollst keine Angst vor einem Neuanfang haben!

Trainingsprogramm aus der Krise

Manche Wälder auf der Erde müssen brennen, damit neues Leben in ihnen entstehen kann. Auch der Mensch ist dafür gemacht, Krisen zu bewältigen, etwa den Tod der Eltern seelisch zu verkraften oder den Verlust des Arbeitsplatzes oder eben auch die Corona-Pandemie. Die Psyche ist widerstandsfähig. Wissenschaftlerinnen und Forscher bezeichnen diese Fähigkeit als Resilienz. Die meisten Menschen überstehen einen Schicksalsschlag, ohne dass sie etwa eine Angststörung entwickeln, depressiv werden oder suchtkrank. Aber Resilienz zeigt sich auch darin, dass man seelische Not rechtzeitig ernst nimmt, sich Unterstützung und Hilfe holt – und dadurch schneller wieder stabil oder gesund wird.
Wie die Natur das Feuer braucht der Mensch sogar Krisen. Wer im Laufe seines Lebens mehrere belastende Ereignisse erlebt, besitzt ein geringeres Risiko, psychisch krank zu werden, als jemand, der keine negativen Erfahrungen macht (Psychological Science: Seery et al., 2013).
Die Kurve verläuft allerdings U-förmig: Zu viele oder zu harte Schicksalsschläge machen einen psychisch anfälliger.
Die grundsätzlich gute Nachricht: Das Gehirn schützt uns in Krisenzeiten. Welche neurobiologischen Mechanismen dafür verantwortlich sind, wissen Forscher bisher noch nicht so genau. Doch welche psychologischen und sozialen Mechanismen uns widerstandsfähig machen, welche mentalen und emotionalen Resilienzfaktoren eine Rolle spielen, ist inzwischen gut untersucht. In den vergangenen 50 Jahren sind ganze Forschungszweige entstanden. Es gibt auch spezielle Zentren, die sich der Resilienz widmen.
Oliver Tüscher arbeitet im Leibniz-Institut für Resilienzforschung (LIR) in Mainz und weiss: »Viele Menschen kommen gut durch eine Krise, das hat auch Covid-19 gezeigt. Aber es gibt eben auch manche, denen es schwerer fällt.« Tüscher und seine Kollegen wollen vor allem herausfinden, wie man genau diese Gruppe unterstützen kann. Dachte man lange Zeit, dass eine widerstandsfähige Seele grösstenteils Glückssache sei, sind die Wissenschaftlerinnen heute überzeugt: Resilienz lässt sich bis zu einem gewissen Grad entwickeln und trainieren. Und zwar nicht nur als Kind, sondern auch in erwachsenem Alter.
Für manchen seelischen Lernprozess braucht der Mensch ein Gegenüber. Anderes kann man sich jedoch auch im Alleingang aneignen. So gibt es inzwischen zahlreiche Apps und Onlineprogramme, die dabei helfen sollen, resilienter zu werden. Das Mainzer LIR hat etwa speziell für die Corona-Zeit einen kostenlosen Kurs entwickelt und gibt auf seiner Website Tipps, wie man seine psychische Gesundheit in der Pandemie stärken kann.
(Quelle: Andrea Böhnke aus DIE ZEIT No.33 / 2020)

7 Faktoren, die die Resilienz fördern:

Welche Methoden besonders wirksam sind, ist Gegenstand umfangreicher Forschung. Befragungen und Studien, in denen die Teilnehmer sich selbst einschätzen, legen nahe, dass die folgenden sieben Faktoren die Resilienzfähigkeit am verlässlichsten fördern können.
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1. Das soziale Netz erweitern (oder verengen)
Sozial eingebunden zu sein gilt als einer der wichtigsten Resilienzfaktoren. Damit ist nicht nur gemeint, dass man einen Partner hat, eine Familie, auf die man sich verlassen kann, und Freunde. Es geht ebenso um die Beziehungen zu Kollegen, Mitgliedern des Sportvereins, Nachbarn. Wer herausfinden möchte, ob er privat und im Job gleichermassen gut aufgefangen wird, kann sein soziales Netz einmal spielerisch visualisieren. In der Resilienzambulanz des LIR kommt dafür die folgende Technik zum Einsatz: Man schreibt zunächst seinen Namen mittig auf ein grosses Blatt. Dann setzt man jeweils in eine der vier Ecken die Namen wichtiger Personen aus den Bereichen Beruf, Partnerschaft/Familie, Freunde, Nachbarschaft/Verein und zieht Kreise um jeden Namen – je wichtiger die Person, desto grösser der Kreis. Nun verbindet man den eigenen Kringel mit den Kringeln der anderen und zwar abgestimmt, nach der Qualität der Beziehung. Die Linien können etwa dick sein (viel Kontakt) oder dünn (wenig Kontakt), gerade (positive Beziehung) oder wellenförmig (schwierige Beziehung). Diese Methode macht Lücken oder Ungleichgewichte im sozialen Netz sichtbar: Zum Beispiel, dass man zwar einen verlässlichen Partner hat, aber keine vertrauenswürdige Bezugsperson im Büro. Oder dass man viele flüchtige Bekanntschaften pflegt, aber keine tiefergehende Beziehung. »Das sind Anzeichen dafür, dass man sein soziales Netz weiter weben sollte – oder auch enger knüpfen«, sagt Resilienzforscher Oliver Tüscher. Also etwa oberflächliche Kontakte reduzieren und sich auf die wesentlichen konzentrieren, die man als ausgewogen und unterstützend erlebt.
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2. Verzerrte Wahrnehmungen des Gehirns erkennen
Gemäss diversen Befragungen wurde eine Zunahme der psychischen Belastungen und Störungen durch die Corona-Pandemie beobachtet (Schweiz oder Deutsches Ärzteblatt). Um einen ersten Eindruck der aktuellen Verfassung der Menschen zu erhalten, hatten Forscher verschiedener renommierter Universitäten in Deutschland zusammen mit Kollegen aus ganz Europa 5.000 Menschen befragt. (PsyArXiv: Veer et al., 2020.
In einer ersten Auswertung der Ergebnisse kündigen die Forscher an, dass die Studie erstmals beweisen soll, dass Menschen seelisch widerstandsfähiger sind, wenn sie einer schlechten Erfahrung etwas Gutes abgewinnen können. Probanden etwa, die sich über den blauen Himmel in der Lockdownphase freuen konnten, oder darüber, auf dem Weg zur Arbeit nicht im Stau zu stehen und mehr Zeit mit der Familie zu haben, erlebten die Pandemie als weniger belastend. Das Konzept der sogenannten positiven Neubewertung einer zunächst schwierigen Situation, auf Englisch Positive Reappraisal, ist zwar schon länger bekannt. So weiss man etwa aus der Stressforschung, dass man Belastungen besser bewältigt, wenn man sich nach dem ersten Gefühl der Überforderung darauf besinnt, welche Stärken, Ressourcen und Möglichkeiten man vielleicht doch hat, um die Schwierigkeiten in Einzelschritten anzugehen. Die Resilienzforscher haben bislang nur vermutet, dass diese Erweiterung des Blickwinkels auch resilienter machen könnte.
Eine wirksame Methode, das meinen verschiedene Forscher (Explore: Garland et al., 2009; BMJ Open: Joyce et al., 2018), um die positive Neubewertung zu trainieren, ist die Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR). »Achtsamkeit kann ein Weg sein, um an sich negative emotionale Ereignisse in einem ersten Schritt neutral beziehungsweise nicht zu bewerten, um dann in der Lage zu sein, dieses Ereignis neu und gegebenenfalls positiver zu bewerten«, sagt Resilienzforscher Oliver Tüscher. Man lenkt hierbei seine Aufmerksamkeit wieder auf den aktuellen Moment – der meist weniger dramatisch ist als das Katastrophenszenario, das man sich im Kopfkino gerade ausmalt. Gedanken wie: Es wird alles ganz furchtbar werden und bergab gehen. Und zum anderen hilft Mindfulness, solche natürlichen Negativverzerrungen des Gehirns in Gefahrenlagen als solche wahrzunehmen – und sie besser loszulassen. Denn das Gehirn neigt bei Gefahr und unter Einfluss von Stresshormonen dazu, die Situation im Zweifel als bedrohlicher einzuschätzen, als sie ist. Dieser evolutionäre Schutzmechanismus führt dazu, dass sich der Blick aufs Überleben verengt – und man dabei vieles ausblendet. Mit Methoden wie dem MBSR lernt man, auch in sehr fordernden und belastenden Situationen noch das Positive im Leben mitzubekommen, also das, was einen seelisch nährt und einem Kraft gibt. Und das man sonst vor lauter Konzentration auf die Problembewältigung eher einfach übersehen hätte.
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3. Bereiche identifizieren, die sich kontrollieren lassen
Wer überzeugt ist, seine eigene Situation günstig beeinflussen zu können, ist resilienter. In der Psychologie wird diese Fähigkeit als Selbstwirksamkeitserwartung bezeichnet. Das zeigen verschiedene Studien (International Journal of Behavioral Medicine: Luszczynska, 2004; Behaviour Research and Therapy: Benight/Bandura, 2004; zusammenfassend: Resilienz und psychologische Schutzfaktoren im Erwachsenenalter: Bengel/Lyssenko, 2012).
Man sollte in einer schwierigen neuen Lage etwas suchen, das man kontrollieren kann.
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Doch es gibt freilich Situationen, die sich nicht oder nur schwer kontrollieren lassen. Sei es, weil einem gekündigt wird, weil sich der Partner trennt oder ein neues, gefährliches Virus um die Welt geht. Doch auch in diesen Situationen lässt sich eine gute Selbstwirksamkeitserwartung erleben. Erster Schritt: Zunächst einmal akzeptieren, dass eine Situation komplex ist. »Auch wenn man etwas gerade nicht komplett ändern kann, so kann man doch Bereiche identifizieren, in denen man selbst Herr oder Herrin der Lage ist«, sagt Resilienzforscher Tüscher. Alles, bei dem man das Gefühl hat, dass das, was man tut, zu einem Ergebnis führt. Ein Beispiel: Während des Corona-Lockdowns durfte man zwar nicht ins Fitnessstudio gehen, konnte aber Work-out zu Hause machen oder Sport im Freien. Man war Herr oder Herrin seiner körperlichen Aktivität.
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4. Nachrichtenpausen einlegen
Bildung und Wissen gelten allgemein zwar als Schutzfaktoren für die Gesundheit – auch die der Seele. DieDynaCORE-C-Studie weist jedoch darauf hin, dass Nachrichten in der Corona-Zeit für die Befragten einer der belastendsten Faktoren waren. Speziell in dieser Krise rät das Leibniz-Institut für Resilienzforschung in Mainz daher, bewusste Informationspausen einzulegen, also nicht süchtig von früh bis spät News aufzusaugen. Damit sich die erschütterte Seele auch mal ein paar Stunden erholen kann. Auch sei es ratsam, nur vertrauenswürdige, seriöse Quellen heranzuziehen, so die Resilienzexperten. Also nicht solche, die gezielt Ängste schürten, Verschwörungstheorien verbreiteten oder Misstrauen säten. Das schützt nicht nur vor gefährlichem Fehlverhalten in der Pandemie – sondern es schützt auch die eigene Psyche.
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5. Krisen als Trainingslager sehen
»Was mich nicht umbringt, macht mich stärker«, sagte einst der Philosoph Friedrich Nietzsche. Forscher wissen heute, dass manche Menschen tatsächlich gestärkt aus einer Krise hervorgehen. Sie sprechen auch von posttraumatischer Reifung, auf Englisch Posttraumatic Growth. Einige Menschen entwickeln durch einen Schicksalsschlag etwa neue Interessen, fühlen sich mit anderen verbundener und schätzen sich selbst und das Leben mehr wert (Resilienz und posttraumatische Reifung: Sprung et al., 2018). Das macht sie wiederum psychisch stärker in einer nächsten Krise. Was hinter dem Phänomen der posttraumatischen Reifung steht, weiss die Wissenschaft noch nicht genau, so ist etwa noch nicht abschliessend geklärt, ob die Betroffenen nur den Eindruck haben, innerlich gewachsen zu sein – oder ob sie es tatsächlich sind. Doch so oder so: Die Fähigkeit, mit einer schwierigen Situation fertig zu werden, kann man auch in der Situation lernen – und entwickelt dadurch womöglich seine Resilienz für die Zukunft weiter. Wissenschaftler nennen diese Krisenbewältigungskraft auch Coping-Fähigkeit.
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6. Realistisch optimistisch sein
Menschen mit einer realistisch-optimistischen Grundhaltung sind resilienter als andere. In Krisen wie der Corona-Pandemie ist es allerdings für viele eine Herausforderung, eine Balance zwischen den Extremen zu finden: der grossen Besorgtheit auf der einen Seite (»Wir werden vielleicht bald sterben«) und der Sorglosigkeit auf der anderen (»Die Gefahr ist vorüber«). Resilienzprogramme im Internet nutzen oft die Methode des expressiven Schreibens, um das realistisch-optimistische Denken zu schulen. Man schreibt sich hierbei sprichwörtlich alle Gedanken und Gefühle von der Seele. Verschiedene Studien belegen, dass die Technik wirkt (zusammenfassend: Verhaltenstherapie: Horn et al., 2004). In einigen Fällen konnten die Probanden durch das Schreiben etwa besser ihre Emotionen regulieren. Sie verwendeten in Gesprächen mit anderen auch mehr soziale und positive Wörter und konnten ihre Selbstwirksamkeitserwartung verbessern.
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7. Den Körper miteinbeziehen
Es klingt mitunter immer noch überraschend, aber die Seele lebt und wirkt eben nicht isoliert in uns: Wer seine Psyche in Krisenzeiten oder auch präventiv schützen will, sollte auf seinen Körper achten (Health and Quality of Life Outcomes: Liu et al., 2017; Biological Psychology: Haase et al., 2016). Das bedeutet: So gut es geht ausreichend schlafen, sich Zeit nehmen für regelmässige Mahlzeiten, sich bewegen und gerade in Stresszeiten eher wenig Alkohol trinken.
(Copyright bei DIE ZEIT No. 33 / 2020)
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Kostenlose Onlinetrainings zur Steigerung der Resilienz von div. Universitäten:
geton-training.de/

Resilienz in der Pandemie

Zunahme der psychischen Belastung in der Pandemiezeit

Achtung Verzerrung dieser Befragung:
In der Pandemie nahmen drei Tendenzen massiv zu:
Die Enttabuisierung der psychischen Erkrankungen vor allem durch die Social Media (deshalb ist auch die Zunahme bei Jugendlichen so viel stärker).
Dann befinden wir uns im Zeitalter der Psychologisierung (Stichwort „Worried Well“)
Und die Disease Mongering, also …

Resilienz bei Abtreibungen

Als 2022 der Oberste Gerichtshof der USA entschied, jahrzehntelang geltendes Abtreibungsrecht zu kippen (auch bekannt unter der Bezeichnung „Roe vs Wade“), bezog sich das Gericht unter anderem auf wissenschaftliche Studien, die nahelegten, dass Abtreibungen das Risiko für psychische Krisen dramatisch erhöhen. Das zeigt, wie wichtig wissenschaftliche Arbeiten für die juristische Beurteilung von politischen Anliegen sind. Doch was wäre, wenn die wissenschaftlichen Arbeiten fatale Fehler enthielten?

Genau das wirft nun eine Gruppe von Wissenschaftler:innen mehreren Studien vor, die auch bei der Entscheidung 2022 eine wichtige Rolle spielten. Der Fall ist ins Rollen geraten, nachdem vor Kurzem drei Studien zurückgezogen wurden, die sich mit der Sicherheit der sogenannten Abtreibungspille Mifepristone beschäftigten. Auch sie waren in Gerichtsverhandlungen zur Gesetzeslage herangezogen worden, damit sich die Richter ein Urteil bilden.

Weitere vier Studien sehen die Wissenschaftler:innen sehr kritisch und verlangen ebenfalls, dass die Magazine, in denen sie veröffentlicht wurden, die Arbeiten zurückziehen. Da in den USA inzwischen Verhandlungen über Abtreibungen an der Tagesordnung sind, hält es die Kritiker-Gruppe für sehr wichtig, dass die Grundlage, auf der die Urteile beruhen, nicht durch Junk-Science beeinflusst wird, also durch Publikationsmüll.

Genau das seien die Studien, die herausgefunden haben wollen, dass Abtreibungen zu einem höheren Risiko für psychische Krisen führen. Denn sie hätten ernste methodische Fehler. Das sehen Wissenschaftler:innen verschiedener Disziplinen so, darunter auch Expert:innen in biomedizinischer Statistik. Die Methoden, die in diesen Studien benutzt wurden, sind ihrer Ansicht nach nicht dazu geeignet, zu Aussagen dieser Art zu kommen.

Stattdessen sei es wissenschaftlicher Konsens, dass die psychische Gesundheit nach einer Abtreibung vor allem dadurch bestimmt ist, wie sie vor der Abtreibung war. Ausserdem seien Frauen, die ungewollt schwanger werden, immer psychisch belastet – egal ob sie abtreiben oder das Kind bekommen. Und: Frauen, die nicht abtreiben dürften, litten sowohl psychisch als auch finanziell.

(…)

In der Wissenschaft gibt es eigentlich etablierte Mechanismen, die dafür sorgen, dass Publikationsmüll entsorgt wird. Doch dieses Beispiel zeigt, dass diese Mechanismen nicht mehr greifen, wenn politische Interessen mit unlauteren Methoden durchgesetzt werden sollen. Dabei spielt auch das unsägliche Geschäftsmodell der Wissenschaftsmagazine eine bedeutende Rolle. Ein Experte schätzt, dass eigentlich eine von 50 Studien zurückgezogen werden müsste und nicht eine von 500, wie es derzeit der Fall ist.
(Quellen: Silke Jäger in forum.eu, 29.04.24 & theguardian.com/world/2024/apr/28/junk-science-papers-abortion-cases)

Lesen Sie dazu auch die verwandte Seite über die Krebsheilung! und die Verwandtschaft zum Kohärenzgefühl von Antonovsky !

…und mein Blogbeitrag über „Burnout“: walserblog.ch/2017/11/06/burnout/

Über die existentiellen „letzten Fragen“ im Leben, z.B. die allgegenwärtige Angst vor dem Tode!

Veröffentlicht am 13. Juni 2017 von Dr. med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
16. Mai 2024

Entspannung – Meditation

Ich bin in einer Welt, die in mir ist. (Paul Valéry)
Wer nicht ab und zu in sich geht, trifft irgendwann dort niemand mehr an!

Hier stelle ich Ihnen verschiedene einfache Methoden zu Entspannung vor, die leicht erlernbar, jederzeit verfügbar und sofort effektiv sind. Um eine länger andauernde Wirkung zu erzielen, müssen Sie jedoch zum festen Bestandteil der täglichen Routine werden.

Dauerstress und Entspannung

In unserer Zeit des Dauerstress ist die Entspannung das A und O. Der Rhythmus von Spannung und Entspannung (Kontakt und Rückzug, etc.) sollte auch über die Arbeitswoche weg erhalten bleiben. Das optimale Modell für Dauerstressgeplagte und Leute mit Burnout ist eine 80%-Arbeit mit einem ganzen freien Mittwoch! Auch im Winter kann man „saisongerechter“ Leben und sich bei kürzerem Tageslicht und grösserer Nachtlänge mehr zurückziehen, zur Ruhe kommen und länger Schlafen: also mehr erholen und entspannen (mehr dazu hier).

Gelassenheit und Innerer Frieden

In der Entspannung werden wir gelassener und erleben den inneren Frieden. im Ryoanji-Schrein in Kyoto steht die einfache Lebensweisheit
„Zufrieden sein mit dem, was man hat.”
Den Glauben, dass wir dauerhaft Freude finden und Schmerz vermeiden können, nennt der Buddhismus das Samsara, jenen unentrinnbaren Kreislauf der sich unablässig dreht und dreht und uns grosses Leid beschert. Ihn als Illusion zu entlarven und jeden Moment (entspannt) anzunehmen wie er ist, darin liegt die Befreiung. Dazu kann uns die Meditation helfen. Mehr über den Inneren Frieden mit seinen „kleinen“ Störungen. Und mehr über Entspannung durch weniger moralische, aber mehr ethisch faire Lebenshaltung und mehr Bescheidenheit in meinem Blog!

Entspannungsmethoden

Hier stelle ich Ihnen verschiedene einfache Methoden zu Entspannung vor, die leicht erlernbar, jederzeit verfügbar und sofort effektiv sind. Um eine länger andauernde Wirkung zu erzielen, müssen Sie jedoch zum festen Bestandteil der täglichen Routine werden. Es gibt natürlich noch weitere, sehr bewährte Entspannungsmethoden wie zum Beispiel autogenes Training, Tai Chi, Yoga, Feldenkrais und Rolfing. Im Rolfing lernen Sie zum Beispiel eine alltägliche Bewegung, die mit einer Entspannung des Körpers beginnt – und nicht mit einer Kontraktion (der Muskeln). Die Entspannung erfolgt auch durch Erlangen eines neuen Gleichgewichts mit schwingenden, katzenartigen Bewegungen mit minimaler Muskelaktivität und einem „Hängen im Bindegewebe“. Spüren von Gewicht, Dehnung und Stütze sind Leitlinien. Ökonomie also.
Meditation ist eigentlich mehr als Entspannung – und trotzdem bespreche ich sie hier, da sie eine Weiterführung der einfachen Entspannungsmethode ist. An anderem Ort habe ich Vergleiche von Entspannung durch Kräftigung des parasympathischen Teils des Vegetativen Nervensystems oder „orientalisch“ betrachtet, durch Stärkung des Yin, angestellt ( parasympathikus/).
Sogenannt „alltägliche“ Ärger, „kleine“ Sorgen, die meinen Inneren Frieden stören…
Nicht was wir erleben, sondern wie wir wahrnehmen was wir erleben, macht unser Schicksal aus.
All dies erfordert eine grosse Achtsamkeit für das Hier und Jetzt.

Wald- oder Parkspaziergang (ohne Smartphone und Airpods)!

Wie wichtig regelmässige Bewegung in der Natur ist, hat bereits 2019 ein Forschungsteam der Universität Michigan in einer Studie bewiesen, die im Fachmagazin «Frontiers in Psychology»  veröffentlicht wurde. Das Besondere an diesen Erkenntnissen ist, dass schon bereits nach einem 20-minütigen Spaziergang der Stresspegel, und damit auch der erhöhte Kortisolspiegel, gesenkt wird. Im Rahmen der Studie wurden Stadtbewohner dazu aufgefordert, während acht Wochen mindestens dreimal pro Woche für mindestens zehn Minuten in die Natur zu gehen.
Die Probanden mussten vor und nach dem Spaziergang jeweils Speichelproben abgeben. Der stressreduzierende Effekt war am grössten, wenn die Teilnehmer dreimal wöchentlich während 20 bis 30 Minuten im Wald unterwegs waren. Aber auch ein kurzer Spaziergang im Park hatte eine beruhigende Wirkung, Voraussetzung für den Erfolg war allerdings, dass man bei Tageslicht unterwegs ist und dass man weder ein Handy, noch sonstige elektronische Gadgets benutzt. Auch auf sportliche Betätigung sollte während der Studiendauer verzichtet werden.
Was den positiven Effekt eines kurzen Spaziergangs betrifft, ging man lange davon aus, dass ein längerer Aufenthalt im Grünen nötig sei, um eine entspannende Wirkung zu erzielen. Dass es nur 20 bis 30 Minuten braucht, um diesen positiven Effekt zu erzielen, wird hoffentlich auch Couch-Potatoes motivieren, öfters frische Luft zu schnuppern.

SOS-Übungen gegen den Stress

Die Anspannung steigt. Sie werden hektisch. Der Rücken schmerzt. Diese Übungen helfen, Körper und Geist zu entspannen:

  • Erdung: Sich barfuss hinstellen. Füsse beckenbreit und parallel. Augen schliessen. Becken ganz sanft wie eine Schublade leicht nach hinten gleiten lassen – ohne Bauch- und Gesässmuskeln – nicht kippen. Bauchwand entspannen. Brustbein hängt frei und ist senkrecht. Schultern nicht nach oben ziehen, sondern locker auf den Oberkörper hinlegen (wie grosses Tuch) – Arme hängen in Schultergelenken. Der Kopf balanciert auf der Mittelachse durch die Ohren – wie eine Boje auf ruhigem Wasser.
  • Fäuste: Eine Kurzform der progressiven Muskelentspannung reicht meist: Legen Sie sich ins Bett, spannen Sie die Gesässmuskeln an, ballen Sie die Hände ganz fest zu Fäusten und drücken Sie den Kopf ins Kissen. Zählen Sie auf 30 und entspannen Sie dann alle Muskeln wieder. Das Ganze wiederholen Sie etwa fünf bis sechs Mal. Hier finden Sie die erweiterte Form dieser Muskelentspannung >>>
  • Atmung: Eine Minute täglich die tiefe Bauchatmung machen. In dieser Minute atmet man sechsmal tief ein und wieder aus, so dass die Bauchdecke sich spürbar hebt und senkt – längere Aus- als Einatmung. Dies ausschliesslich durch die Nase.
  • Sprünge: Wer während eines langen Schreibtischtages schnell Dampf ablassen muss, kann sich ein Springseil zulegen. Seilspringen braucht wenig Platz und treibt den Puls schnell in die Höhe. Oder als Alternative (ohne zusätzliches Gerät) Treppen runter- und wieder hochlaufen, dabei zwei Stufen auf einmal nehmen.
  • Lachen: Im Stress neigen wir dazu, die Stirn in Falten zu legen und die Zähne aufeinander zubeissen. Im Lachen, das man sich auch selbst schenken kann, ist das Gesicht dagegen entspannt und man kommt innerlich zur Ruhe.
    Witze regen dazu an >>>

Kritische Sicht auf die allgegenwärtige Achtsamkeit und alltäglich praktizierte Meditation

Achtsamkeit (Mindfulness-Konzepte) und Meditation können narzisstisch machen und die Welt vom Denken abhalten! Es kann als „Tranquilizer“ (siehe Interview mit Oxford-Professor Theodore Zeldin) wirken und damit keine sozialen Probleme lösen, die meist die eigentlichen Ursachen von Angst und Stress sind!
Es ist also wichtig, dass man diese Entspannungsdinge auf dieser Seite ausübt UND TROTZDEM HINAUSGEHT IN DIE WELT, UM SIE ZU VERBESSERN!
Viel hilft viel, das mag für Sonnencremes gelten, aber nicht für den Hype „Achtsamkeit“! Vielmehr kann zu häufiges oder zu lang andauerndes Training negative Effekte haben (Willoughby B. Britton: Can mindfulness be too much of a good thing? The value of a middle way. Current Opinion in Psychology, 2018. DOI: 10.1016/j.copsyc.2018.12.011).

Die dabei auftretende Selbstfokussierung kann Ängste und Depressionen nach sich ziehen. Man sieht hier ein interessantes Phänomen (wie häufig bei Medikamenten auch), dass Nebenwirkungen ähnliche Bilder wie die Indikationsdiagnose selbst produzieren kann.
Achtsamkeitstraining (im Hier und Jetzt sein) wird denn auch bei Ängsten als Therapie genutzt.
Auch bei Gefühlen von Dankbarkeit, Empathie oder Autonomie gibt es ein Zuviel! Auch hier gilt also „Alles mit Mass!“, was schon im Fries vom altgriechischen Tempel zu Delhi stand… Auch Fabrice Midal („Die innere Ruhe kann mich mal“, 2018) warnt vor der Meditation als Teil einer heute so häufigen Selbstoptimierung und Perfektionieren. „…am Ende meditiert man nur wirklich, wenn man sich freimacht von dem Diktat, etwas zu erreichen zu müssen, etwas in Gang zu setzen, ein Ziel zu verwirklichen.“ Seelenfrieden entsteht erst durch das „Transformieren der Widrigkeiten des realen Lebens“.

Anstelle von Optimierung durch die Meditation, kann man sich durch sie berühren lassen. Die Resonanz in mir wird dadurch zur treibenden Kraft.

 

Die entspannungsinduzierte Angst

Zudem existiert gerade bei Ängstlichen eine Furcht, sich zu entspannen. Dies hat auch schon einen Namen: „Relaxation Induced Anxiety„. Es ist eine eigentliche Furcht vor dem emotionalen Kontrast, die Angst im emotionalen Zustand einen Angstzustand noch extremer zu erleben, als wenn man bereits verkrampft und verspannt ist.

Copyright Psychologie_Heute¢

  Hier ein paar Methoden zu Entspannung:

Progressive Muskelentspannung (nach Edmund Jacobson)

Bei der progressiven Muskelentspannung werden verschiedene Muskelgruppen kräftig angespannt und dann ganz langsam wieder entspannt. Sie lässt sich sowohl am Arbeitsplatz als auch zu Hause praktizieren. So gehen Sie vor: Beginnen Sie mit der rechten Hand und ballen Sie sie, so stark es geht, während fünf bis sieben Sekunden. Dann entspannen Sie ganz langsam, während zwanzig bis dreissig Sekunden. Konzentrieren Sie sich dabei voll und ganz auf die Empfindung in Hand und Unterarm. Denken Sie an gar nichts anderes und spüren Sie, wie sich die langsame Entspannung anfühlt. Als Nächstes nehmen Sie sich die linke Hand vor, dann die Stirn und so fort, wie in der Tabelle angegeben. Halten Sie die vorgegebenen Zeiten (fünf bis sieben Sekunden anspannen und zwanzig bis dreissig Sekunden entspannen) ein und lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit ganz auf die jeweilige Muskelgruppe. Das aufmerksame Spüren ist entscheidend.

Ablauf für progressive Muskelentspannung
anspannen durch: Muskelgruppe
1)   zuerst die rechte und dann die linke Faust machen Hand und Unterarm
2)   Stirn runzeln Stirnpartie
3)   Zähne zusammenbeissen,Mundwinkel zurückziehen Kiefermuskulatur
4)   Kinn auf Brust pressen Nacken und Hals
5)   zuerst die rechte und dann die linke Fussspitze gegen das Knie ziehen Fuss und Unterschenkel

  Eine Kurzform davon ist häufig auch sehr wirksam: Legen Sie sich ins Bett, spannen Sie die Gesässmuskeln an, ballen Sie die Hände ganz fest zu Fäusten und drücken Sie den Kopf ins Kissen. Zählen Sie auf 30 und entspannen Sie dann alle Muskeln wieder. Das Ganze wiederholen Sie etwa fünf bis sechs Mal. Lesen Sie hier noch Weiteres zur „Ruhe als Heilmittel“!

4/7 oder 7/11-Atmung

Um zwischendurch zur Ruhe zu kommen, hilft diese Atmung. Sie wird auch von Ersthelfern benutzt, um sich selber und andere in Notsituationen zu beruhigen, und geht so: Augen schliessen, durch die Nase einatmen und dabei bis sieben (oder vier) zählen. Dann ausatmen und bis elf (oder 7) zählen. Wenn wir das Ausatmen länger machen als das Einatmen, beruhigt sich unser Nervensystem und ermöglicht es uns, eine Verbindung zum gegenwärtigen Moment herzustellen, an dem wir sonst vielleicht vorbei gehetzt wären.

Voraussetzung für gutes Atmen sind immer gut durchgängige Nasengänge:
Nasenatmung provozieren – Mundatmung verhindern:
vor allem nachts (hilft auch gegen das Schnarchen):
Mund mit kleinem, Briefmarkengrossen Stück chirurgischem Gewebeband, das man vor dem Einschlafen auf die Mitte des Lippenspalts geklebt hat. Man gewöhnt sich nur langsam daran (deshalb in erster Nacht vielleicht nur 30 Minuten, dann 60, usw…).
Tagsüber (vor allem während Sport) ist das Nasenatmen eine Bewusstseinsübung. Ein Mensch mit chronisch verstopfter Nase sollte erreichen, dass er schlussendlich ausschliesslich mit geschlossenem Mund, nur noch durch die Nase atmen kann!

Weitere Atemübungen in meinem Blog: walserblog.ch/2019/09/21/atem

Neurogenes Zittern

Man geht in eine Körperhaltung, die für unser Hirn schwer zu kontrollieren ist. Nach kurzer Zeit lässt dann die Kontrolle über unsere Muskulatur nach und wir beginnen unwillkürlich zu Zittern. Dies lässt man ganz zu – und entspannt sich dabei enorm. Eine einfache Stellung dazu, ist, sich auf den Rücken und die Fusssohlen zusammen zu legen. Man lässt die Knie seitlich auseinanderfallen und hebt das Becken ein paar Zentimeter vom Boden ab. Langsam beginnt dann unweigerlich ein leichtes Zittern in Beinen und Bauch, das sich langsam auf den ganzen Körper ausbreiten kann. Falls das Neurogene Zittern noch nicht beginnt, kann man die Stellung verstärken, indem man die Knie etwas mehr zusammenbringt. Wenn das Zittern erfolgt, kann man das Becken auch wieder auf den Boden auflegen. Es zittert dann meist auch weiter. Man lässt dies geschehen und verstärkt die dabei entstehende Entspannung mit tiefem Atmen.

Die Freeze Frame Methode

Diese Methode beruht darauf, die anspannende Situation bewusst wahrzunehmen und sie – gleichsam in den Wahrnehmungsrahmen eingefroren – aus Distanz zu betrachten und durch Atmung zu beruhigen. Die drei Schritte des Freeze Frame sind die folgenden: Schritt 1 – Anspannung erkennen und Wahrnehmung »einfrieren« Wenn Sie merken, dass Sie eine Situation stresst, nehmen Sie den Stress ganz bewusst wahr. Spüren Sie das unangenehme Gefühl und halten Sie es aufrecht, wie wenn Sie einen Film anhalten und so eine Szene einfrieren würden. Distanzieren Sie sich dann von der »eingefrorenen« Wahrnehmung und stellen Sie sich das Bild mit dem irregulären Herzrhythmus vor. Schritt 2 – Durch das Herz atmen Wechseln Sie dann zum Bild mit der kohärenten Schwingung. Durch langsames Ein- und Ausatmen bringen Sie Ihr Herz zurück in diesen regelmässigen Rhythmus: Holen Sie langsam während fünf Sekunden Luft und stellen Sie sich dabei vor, Sie würden durchs Herz einatmen. Dann halten Sie Ihre Hand auf den Solarplexus – die Stelle zwischen Bauchnabel und Brustkorb – und atmen langsam während fünf Sekunden aus. Stellen Sie sich dabei vor, wie der Herzrhythmus durch die langsame Atmung moduliert wird und zurück zur regelmässigen Schwingung findet. Schritt 3 – Ein positives Bild visualisieren Während Sie weiter während fünf Sekunden ein- und während fünf Sekunden ausatmen, stellen Sie sich nun eine entspannte Szene vor – was immer Ihnen am besten gefällt. Verwenden Sie dasselbe Bild immer und immer wieder, bis Sie eine Konditionierung erreichen und das beruhigende Bild ganz automatisch beim bewussten, langsamen Atmen kommt. Mit zunehmender Praxis werden diese drei Schritte automatisiert. Ohne ausdauerndes Training geht es jedoch nicht. Üben Sie den Freeze Frame zum Beispiel zunächst, wenn Sie abends nach Hause kommen. Später können Sie die Methode auch am Arbeitsplatz einsetzen.

Stopping – Innehalten

Stopping bedeutet, innezuhalten und sich gedanklich eine kurze Auszeit zu nehmen, um zu sich selber zu kommen und sich an das zu erinnern, was einem im Leben wichtig ist. Im Verlauf eines Tages gibt es unzählige Gelegenheiten fürs Stopping: beim Warten, bis der Kaffee aufgebrüht ist, vor der Ampel, beim Hochfahren des Computers, beim Sandwichlunch auf der Parkbank, in der Strassenbahn oder beim Rasenmähen. Was Sie beim Stopping tun, ist einfach: Sie klinken sich mit einigen bewussten, ruhigen Atemzügen aus Ihrer Aktivität gänzlich aus und richten Ihre Aufmerksamkeit ganz bewusst nach innen. Besinnen Sie sich dann zum Beispiel:

  • auf Ihre Dankbarkeit, dass Sie gesund sind
  • darauf, dass Ihnen eine bestimmte Beziehung viel bedeutet
  • darauf, was Ihnen lieb und teuer ist im Leben
  • auf etwas, worauf Sie sich freuen können
  • darauf, dass Sie sich selber wieder einmal ein Kompliment machen oder irgendetwas tun sollen, das Ihrer Seele gut tut.

Ein derartiger Stopp kann bloss ein paar Sekunden dauern oder sich über einige Minuten oder eine Viertelstunde erstrecken. Er entspannt Körper und Geist und tut der Seele wohl. Denn wenn wir uns besinnen, tauchen wir von der Oberfläche in die Tiefe, wo wir auf die Dinge stossen, die für unser Dasein wirklich von Bedeutung sind. Wenn Sie zehn bis fünfzehn Stopps auf einen intensiven Tag verteilen, werden Sie einen kumulativen Effekt spüren: Diese Ruhepunkte unterbrechen den steten Aufbau der Anspannung und halten Sie so vergleichsweise tief. Damit Sie an die Stoppings denken, gilt es, sie in regelmässig wiederkehrende Situationen einzuplanen: bevor Sie etwas beginnen, bei Wartezeiten oder beim Treppensteigen. Sie können zu Beginn auch einen Timer benützen, der Sie immer wieder erinnert. Ein Kleber an der Agenda oder am Notizblock kann ebenfalls hilfreich sein, ebenso Ihr Journal, das mithilft, Ihre Wachsamkeit zu erhöhen und Ihre Vorsätze einzuhalten. Das Mantra (auf dem Kleber) könnte „WAM“ heissen: „Wait a Moment!“ (die Zeit ist gekommen, inne zu halten, zu atmen und mir ein Lächeln zu schenken. Genug “erschaffen” , “Einfach Sein”. Die Natur und unsere Kinder/Enkel sind unsere Lehrer…).

Mit Blaulicht zur Entspannung

Sorgen Sie in einem ruhigen Raum für eine blaue Beleuchtung und legen Sie sich dann für zehn Minuten entspannt hin! Dies wirkt enorm viel stärker als bei Weisslicht. Aber Achtung: Blaulicht in der letzten Stunde vor dem Einschlafen abends (z.B. vom Smartphone oder Computer!) verhindert das Ausschütten des Einschlafhormons Melatonin und man liegt länger wach.

Mobiles Internet (Smartphones, Tablets) und Alleinsein oder Langeweile

Das Zücken des Smartphones  in jeder Pause, in der Langeweile aufkommen könnte, kann in die Isolation führen, weil man die Fähigkeit zum Alleinsein verliert. Erst das Alleinsein ermöglicht es, sich selber zu finden und mit anderen eine Bindung einzugehen. Können wir das nicht, wenden wir uns den anderen zu, um uns nicht ängstigen, ja um uns überhaupt erst lebendig zu fühlen. Die anderen werden zu einer Art Ersatzteillager für das, was uns fehlt. Einer Generation, die Alleinsein als Vereinsamung erfährt, mangelt es an Autonomie. Diese zu entwickeln ist für Heranwachsende aber lebenswichtig. Was wir Langeweile nennen, ist wichtig für unsere Entwicklung. Es ist die Zeit der Imagination, in der man an nichts Bestimmtes denkt, seine Vorstellung wandern lässt. Ich erinnere mich daran, stundenlang in der Natur gesessen zu haben, ohne ein Buch, ohne irgendetwas. Ich habe aufs Wasser geschaut oder in die Berge, vor mich hingeträumt, war einfach Kind. Das menschliche Gehirn braucht die Langeweile – Neurologen sprechen vom „Default Mode Network“ und meinen damit einen freischwebenden Leerlaufmodus, in dem Gedanken ziellos umherschweifen können. Es entstehen Denkpausen, in denen das Gehirn Eindrücke verarbeitet, es also gewissermassen geistig verdaut. Die Jungen schätzen ein Kommunikationsmedium, in dem man Verlegenheit und Unbeholfenheit ausblenden kann. Man zieht sich zurück, bevor man abgelehnt wird. Smartphones befriedigen drei Fantasien: dass wir uns immer sofort an jemanden wenden können, dass wir immer angehört werden und dass wir nie allein sind. Und: Wir leben in einer Kultur des gesenkten Blickes: Smartphone, Laptop, Touchscreen… Es tut uns sehr gut, den Blick wieder zu heben! Schauen Sie wieder in Sonnenuntergänge. Sie fesseln die Blicke. Man bleibt stehen, der Blick ist offen, nicht-fixiert, gehoben auf den Horizont gerichtet: Man kommt zur Ruhe! Wie komm ich von dieser Dauernutzung des Smartphones weg?! Versuchen Sie es mit einer Smartphone-Diät:

So können Sie den Smartphone-Stress reduzieren

  • Schalten Sie alle Benachrichtigungen (Pushes, Mitteilungen) aus die Sie nicht zwingend brauchen.
  • Verbannen Sie jene Apps vom Homescreen, die sie am meisten stressen oder löschen Sie diese am besten gleich.
  • Nehmen Sie regelmässig digitale Auszeiten: Legen Sie das Smartphone beim Essen weg, lassen Sie es während einer Wanderung im Rucksack, oder versuchen Sie gar, mal 24 Stunden ganz auf das Handy zu verzichten.
  • Erklären Sie das Schlafzimmer zur handyfreien Zone.
  • Finden Sie heraus, mit welchen Apps Sie am meisten Zeit verbringen und versuchen Sie gezielt, dort zu reduzieren.
>>> aus der Sonntagszeitung vom 12.05.2019

Die meisten Menschen würden eigentlich lieber weniger Zeit mit ihrem Smartphone verbringen. Eigentlich. Und das wäre auch eine gute Idee, denn die Hinweise mehren sich, dass der Smartphone-­Gebrauch eine ganze Palette negativer Folgen haben kann: Eine exzessive Handynutzung beeinträchtigt den Schlaf, die Beziehung, das Gedächtnis, die Aufmerksamkeitsspanne, die Kreativität, die Produktivität sowie die Fähigkeiten, Probleme zu lösen und Entscheidungen zu treffen. Es gibt indes noch einen weiteren Grund, die Beziehung zu den Geräten zu überdenken. Indem sie die Spiegel des Stresshormons Cortisol chronisch anheben, bedrohen die Handys nämlich die Gesundheit generell und verkürzen möglicherweise sogar das Leben.
Weiterlesen in meinem Blog >

Inner Smile

Der Mönch Thich Nhat Hanh hat einmal geschrieben: »Die beste Methode, alle Muskeln des Körpers zu entspannen, besteht darin, beim Atmen sanft zu lächeln.« Lächeln oder lachen führt zur Ausschüttung von Hormonen, die die Stimmung heben und Körper und Geist entspannen. Dies nutzt die Methode des Inner Smile. So gehen Sie vor: Lächeln Sie zunächst einfach einmal still für sich selbst, sowohl mit dem Mund als auch mit den Augen. Vielleicht stellen Sie sich dabei eine heitere Situation vor, zum Beispiel Ihr Spiel mit einem jungen Hund. Vertiefen Sie dabei auch Ihre Atmung und beachten Sie, wie sich beim Lächeln Zuversicht und Stimmung heben. Da Sie nicht ewig vor sich hin lächeln können, versuchen Sie nach einer Weile, das Lächeln zu verinnerlichen und die gute Stimmung zu halten. Üben Sie den Inner Smile, wo immer es geht: vor einem Telefongespräch, beim Schlangenstehen, im Strassenverkehr oder im Supermarkt, beim Kochen, am Feierabend, bei der Arbeit oder vor einer Sitzung. Mit etwas Übung werden Sie die heitere Stimmung und die damit gekoppelte positive Aktivierung auch für weniger geliebte Tätigkeiten aufrechterhalten können. Es wird Sie entspannen. Der Inner Smile lässt sich auch gut ins Stopping oder in die Freeze Frame Methode einbauen. Und wie bei diesen Methoden ist auch beim Inner Smile ein kumulativer Effekt zu beobachten. Je häufiger Sie ganz bewusst lächeln, umso besser ist seine stimmungshebende und entspannende Wirkung. Rolling Hier noch eine wunderbare und einfache Übung zur tiefen Relaxation: das Hin- und Herrollen von Mary Bond (Relaxing in the Dentist`s Chair) – auch vor und nach weiteren unangenehmen, verspannenden Alltagssituationen… (Copyright bei der Cartoonistin¢)

Meditation

Meditation bedeutet „Nicht-Tun“! Man kann sie nicht durch konzentriertes Tun erreichen. Aber damit ist nicht gemeint, dass du nichts zu tun bräuchtest. Um zu diesem „Nicht-Tun“ zu kommen, muss man sehr viel tun. Nichttun (ohne S) ist dabei aktiv – und Nichtstun wäre passiv.
Meditation heisst die Aufmerksamkeit ganz sanft, aber sehr präzise immer wieder in den Moment zurückzubringen. Dann loslassen und im Erleben der Bewusstheit selbst verweilen. Nach ein paar Sekunden von neuen Gedanken weggetragen werden. Sich erinnern, zurückkehren in den Moment. usw…
Matthieu Ricard meint in „Jenseits des Selbst: Dialoge zwischen einem Hirnforscher und einem buddhistischen Mönch„: „Wir sollten das naive Bild von der Meditation korrigieren, das im Westen immer noch vorherrscht, nämlich dass da jemand sitzt, seinen Geist leert und entspannt. Natürlich gibt es ein entspannendes Element, in dem Sinn, dass man innere Konflikte los wird und inneren Frieden pflegt, indem man sich selbst von Spannungen befreit. Das Leeren des Geistes geschieht in dem Sinn, dass man seinen mentalen Konstrukten oder dem linearen Denken nicht weiter nachgeht und in der klaren Frische des gegenwärtigen Augenblicks verweilt. Aber es handelt sich weder um ein »Leeren« noch um eine geistlose Entspannung, sondern vielmehr um einen Zustand lebhafter Bewusstheit, der viel mehr beinhaltet. Man versucht auch nicht, die aufkommenden Gedanken zu verhindern, was unmöglich ist, sondern man versucht, sie zu befreien, während sie noch im Entstehen begriffen sind.“

Meditation, das „passive Bewusstsein“, erlebt in jüngster Zeit einen regelrechten Forschungsboom mit folgenden Ergebnissen:

  • Meditation erhöht Wachheit, Klarheit und Achtsamkeit. Das Hirn reagiert weniger auf „unwichtige“ Reize.
  • Menschen, die meditieren können nach kurzer Zeit offenbar besser mit Stress umgehen.
  • Ihr Immunsystem wurde gestärkt.
  • Forscher fanden in einer Hirnregion, dem orbifrontalen Kortex, durchgängig mehr graue Zellen bei Meditierenden als bei anderen. Der orbifrontale Kortex ist das sog. Brodmann-Areal 10 des präfrontalen Kortex (siehe Abb.) und ist für die Selbsterkenntnis zuständig. Der präfrontale Kortex ist die Kommandozentrale für höhere kognitive Funktionen. Deshalb ist das Erlernen und Ausüben von Meditationen eine wunderbare Prophylaxe gegen den Ausbruch einer Demenz >>> siehe dort!
  • Meditieren verbessert auch das zwischenmenschliche Miteinander. Man verhält sich danach freundlicher zu Unbekannten und reagiert weniger misstrauisch als andere. Das Mitgefühl kann sich steigern.
  • Nach Scharfetter (1987) ist eine gelungene Meditation durch folgende Erfahrungsqualitäten bestimmt:
    – Entspannung, Ruhe und Gelassenheit
    – Erhöhte Stresstoleranz
    – Aktivität und Wachheit
    – Selbsterfahrung (Identität, Integrität, Akzeptanz)
    – Autonomie, Unabhängigkeit
    – Geringerer Druck zur Defensive
    – Grössere Stimmungsstabilität und Affektkontrolle
    – Harmonische, heitere Gelassenheit und Zufriedenheit
    – Verbesserte Wahrnehmung und Konzentration
    – Erhöhter Einfallsreichtum, Leistungsfähigkeit, Kreativität
    – Verbesserte Beziehungsfähigkeit
    – Liebe, Mitgefühl, Mitfreude, innerer Gleichmut, Frieden

Seit die Wirkung der Meditation mit bildgebenden Verfahren erforscht wird, sind die Wissenschaftler wie elektrisiert. Bislang war sie behaftet mit dem Bild von Mönchen und Nonnen, die in Klöstern einen kontemplativen Lebenswandel führten – oder mit asketischen Yogis, tief versunken im Lotossitz. Meditation macht nicht nur den Geist frei. Die revolutionäre neue Erkenntnis ist, dass sich auch Gehirnfunktionen und selbst die Gehirnanatomie durch Meditation zum Positiven beeinflussen lassen. Die innere Einkehr kann die Art und Weise, wie wir mit Stress, mit Schmerzen, mit seelischen und körperlichen Problemen, mit uns selbst und anderen umgehen, radikal verändern.

Eine wunderbar bebilderte Zusammenfassung von verschiedenen Aspekten der Meditation finden Sie hier: www.dr-walser.ch/meditation.pdf

Alles mit Mass: Der Hype mit der Achtsamkeit und der Meditation

Die Achtsamkeit wird heute vermarktet als Gegenmittel gegen die achtlose Schnelllebigkeit. Meist wird aber wieder eine schnelllebige dreiminütige Drive-In-Meditation, ein eigentliches McMindfulness beworben. Sie ist selbst Teil der Beschleunigung- und Selbstoptimierungskultur geworden. Ursprünglich war die Meditation im Buddhismus aber ein ethisches Konzept, das eine von Mitgefühl und Toleranz geprägte Haltung umfasste. Im Westen wird Achtsamkeit aber in erster Linie auf Entspannung und Konzentration reduziert. Sie ist idealerweise die Praxis, sich allen Erfahrungen in wohlwollender Offenheit zuzuwenden und sie zu erkunden. Dabei ist es unwichtig, ob es sich um angenehme, unangenehme oder neutrale Erlebnisse handelt. Manchmal mag diese Praxis zur Entspannung führen, sie führt aber vor allem dazu, toleranter mit den unvermeidbaren und nicht kontrollierbaren Ereignissen umzugehen, die unser Leben so oft bestimmen. (aus einem interview mit Luise Reddemann in Psychologie Heute, 02/2017)

Wie also „etwas ernsthafter“, aber mit Mass einsteigen?

Suchen Sie z.B. am Wohnort einen Kurs in „Stressbewältigung durch Achtsamkeit“ (MBSR = Mindfulness-Based Stress Reduction nach Jon Kabat-Zinn). In diesen (meist) acht Wochen hat man dann schon einen Rahmen, lernt andere Menschen kennen und kann vielleicht eine eigene lokale Übungsgruppe bilden. Beim MBSR meditiert man zum Beispiel indem sie ihren Atem beobachten. Sie üben Yoga. Beim „Body Scan“ nehmen sie systematisch wahr, was sie an verschiedenen Körperstellen empfinden, bewerten es aber nicht. Ferner setzen sie sich damit auseinander, was Stress bewirkt und wie man ihm vorbeugen kann.
In dieser Website habe ich verschiedene Meditationsmethoden vorgestellt:
– bei Schmerzen: dr-walser.ch/schmerz/
– gleich hier etwas weiter unten: eine Atemmeditation.
– Bewegungsmeditation zur Zentrierung: dr-walser.ch/gleichgewicht/

Den Bäumen zuhören!

„Wenn wir gelernt haben, den Bäumen zuzuhören, dann erreicht die Kürze und die Schnelligkeit und die kindliche Hastigkeit unserer Gedanken eine unvergleichliche Freude. Wer gelernt hat, den Bäumen zuzuhören, der will kein Baum mehr sein. Er will nichts anderes sein als das, was er ist. Das ist Heimat. Das ist das Glück.“ ~ Hermann Hesse

Auf Bäume hören, eine wunderbare Meditationsanleitung. Das Ego wird sagen: „Den Bäumen zuhören? Du hörst doch auf nichts!“ Eben. Das ist der Punkt. Die Stille der Bäume ist der Klang der Weisheit. Ich werde lernen, den Bäumen zuzuhören, indem ich in meinem Geist Raum schaffe. Und wenn ich schon dabei bin, lerne ich, den Felsen, den Blumen und dem Wind zuzuhören. Das ist Heimat!

Vipassana

Die historisch erste Verwendung des Wortes „Vipassana“ findet sich in den Lehren des Buddha. Meditation wurde vom „Buddha „Vipassana“ genannt. Mit Vipassana meinte er, sich selbst realistisch, kontinuierlich und allumfassend zu beobachten. Es gibt unterdessen sehr viel Zentren, die in 5- oder 10-Tage-Kursen diese einfache Meditationstechnik (ruhig sitzen und Atem oder Körperempfindungen durchscannen) kostenlos weitergeben. Paul R. Fleischmann hat darüber eindrücklich geschrieben >>> vipassana.pdf

Angst und Entspannung

„Hören Sie auf, sich die Szene vorzustellen – und entspannen Sie sich!“ (Joseph Wolpe). Hintergrund: Wer entspannt ist, kann nicht zugleich Angst empfinden – d.h., Menschen können nicht zwei entgegengesetzte Gefühle gleichzeitig fühlen. Also: Wer Tiefenentspannung als konditionierte Reaktion auf ein gefürchtetes Objekt erlernt hat, kann nicht zur selben Zeit Angst empfinden! Man beachte aber die Einschränkung durch die entspannungsinduzierte Angst, die gerade bei ängstlichen Menschen auftreten kann.

Zudem können wir in der Meditation Gefühle, vor allem die unangenehmen, wie Angst, Wut und (übermässige) Trauer genau gleich behandeln, wie Gedanken. Gedanken lassen wir wie Vögel vorbeiziehen. Sie kommen permanent wieder, aber wir lassen sie nicht auf/in unserem Kopf ihr Nest bauen. Und hinter den Vögel oder Wolken (je nach favorisierter Vorstellung) liegt immer der blaue Himmel.
Genau so behandeln wir die ständig auftauchenden Gefühle: Ängste und Wut stellen wir uns als krähende, aggressive Vögel (Raben, Elstern…) oder dunkle Wolken vor – die wir aber auch einfach weiterziehen lassen bis wir den blauen Himmel wieder sehen.
Leichtere und auch angenehme Gedanken oder Gefühle sind wie Gekräusel durch den Wind auf der Wasseroberfläche. Wenn dann der Wind wieder nachlässt, wird der See/das Meer ruhig und glatt – und unser Ego wird wieder ein Teil des grossen Ganzen…

Glück im Leben

Wir halten Glück für etwas Zufälliges, was ich nicht ganz zutreffend finde. Glück hat mit Wachsamkeit zu tun, mit dem Bemerken der Gelegenheiten, die sich einem bieten – also mit dem bewussten Leben der Übergänge und dem Wahrnehmen der vielen Zwischenräume im Alltag (also auch dieser alltäglichen Meditationspausen >> siehe dazu meinen Blogbeitrag: walserblog.ch/2015/05/04/uebergaenge-zwischenraeume/
Man kann dem eigenen Glück nachhelfen – wenn man sich nicht auf einen Standpunkt versteift, sondern beweglich, offen und weit bleibt.

Und… Sinn toppt Glück!

Alles ist jederzeit FÜR mich

Zufriedenheit ist eben doch mehr als die Summe der täglichen Wohlfühlmomente. Wahres Glück besteht nicht darin, ständig und überall „gut drauf“ zu sein. Glück ist ein Einverstandensein mit dem Leben, das „auch das Unglück mit umfasst“, wie es der Philosoph Wilhelm Schmid ausdrückt. „Wenn wir überlegen, was das Allerbeste und das Allerschlimmste war, das uns in den letzten Jahren widerfahren ist“, schreibt die Glücksforscherin Sonja Lyubomirsky, „dann werden wir überrascht feststellen, dass es oft ein und dasselbe ist.“
Wenn ich „Vertrauen“ entwickle, dass alles zu jeder Zeit FÜR mich ist. Dass auch das grösste Unglück, unser Schicksal ein „Geschenk“ enthält – und nur mein Urteil, meine Wahrnehmung davon wichtig ist. Diese Gedanken und Gefühle sind abhängig von meinen Glaubenssätzen, die ich mit mir herumtrage, aber auch jederzeit wandelbar mit dem Stellen der Frage „Wozu ist das gut?„. Es stellt sich schlussendlich eine tiefe Dankbarkeit ein, für das, was ist. Pema Chödrön, eine buddhistische Nonne und Schriftstellerin:
Nichts verschwindet jemals, bevor es uns nicht gelehrt hat, was wir wissen müssen.

Weiterlesen zum Wohlbefinden durch Kindness: walserblog.ch/2021/01/16/kindness/

 

Die Verschmelzung mit unseren Gedanken auflösen

Übungen aus der AKZEPTANZ- UND COMMITMENTTHERAPIE (ACT)

Immer öfter wird in neueren Psychotherapieformen (und schon lange Zeit z.B. im Zen-Buddhismus) nicht mehr der Inhalt der Gedanken als das eigentliche Problem betrachtet, sondern die Art und Weise, wie wir mit unseren Gedanken umgehen und nach welchen Prinzipien unser Verstand funktioniert. Nicht was wir denken ist das Problem, sondern wie wir unsere Gedanken beurteilen.

Eine der wissenschaftlich am besten untersuchten Methoden ist die sogenannte Acceptance and Commitment Therapy, kurz ACT genannt. Sie zielt unter anderem darauf ab, gegen Gedanken nicht länger zu kämpfen, sondern sie als das zu erkennen, was sie sind: Gedanken, einfach nur Gedanken. Die wesentlichen Kognitionen und deren Wirkung werden erfasst, aber es wird kaum am Inhalt der Gedanken gearbeitet, sondern vielmehr an der gleichmütigen Beobachtung der Gedanken, im Wissen, dass es ja nur Gedanken sind.
„Kognitive Fusion“ nennt ACT die seltsame Angewohnheit, jeden Gedanken für wahr zu halten. Die ACT kennt zahlreiche Methoden, die uns helfen, uns von unserem Gedankenstrom zu distanzieren.

Viele dieser Methoden sind amüsant und oft unerwartet: Gedanken vorbeiziehen lassen Setzen Sie sich an einen ruhigen Ort, schliessen Sie die Augen und beobachten Sie Ihre Gedanken. Dabei können Sie sich vorstellen, dass Ihre Gedanken wie ein Zug an Ihnen vorbeifahren – auf jedem Waggon ein Gedanken. Sie können sich alternativ auch vorbeiziehende Wolken, Vögel oder Blätter, die auf einem Fluss dahinschwimmen vorstellen.

Atemmeditation dazu von Peter Schröter:

Die „Denkfabrik“ als eigenständiges Wesen wahrnehmen – der Innere Beobachter Meditation ist Gedanken sparen. In unserem Verstand haben wir zwei Teile, einen inneren Beobachter und einen Denker. Jedermann ist fähig, seine Gedanken zu beobachten und ihnen zu folgen. Dieser beobachtende Teil unseres Verstandes identifiziert sich nicht mit den Gedanken, er wird nicht von den Gedanken mitgerissen. Er leitet uns im Labyrinth der Gedanken, aber im normalen, unkontrollierten Verstand ist er sehr schwach. Manchmal wird er wach und versucht an Kraft zu gewinnen, aber der andere Teil, der Denker, die Gedankenfabrik, unterdrückt ihn wieder in Sekundenschnelle. Wenn wir meditieren sind wir Beobachter im Verstand. In diesem Fall wird das Laufband der Gedankenfabrik verlangsamt bzw. stillgelegt. So lässt die Überproduktion der Fabrik nach. Der Verstand wird stiller. Stellen Sie sich vom Standpunkt des „Inneren Beobachters“ aus Ihre „Denkfabrik“ als plappernden Papagei vor. Papageien können nicht wirklich selbst denken, sondern plappern lediglich nach, was sie irgendwann aufgeschnappt haben. Jede Diskussion mit dem Papagei ist überflüssig. Wenn Sie antworten, glaubt er, dass Sie mit ihm spielen wollen, und redet nur noch mehr. Geben Sie Ihrem Geist ruhig auch einen Namen wie etwa „Köpfchen, Köpfchen“, „Der kleine Nörgler“, „Affenzirkus“. So fällt es leichter, die Gedanken als Verstandsproduktionen zu verstehen. (Lesen Sie dazu auch unten unter Achtsamkeitsmeditation!)

„Und“ statt „aber“ Oft halten uns Gedanken davon ab, etwas zu tun. Beispielsweise würde jemand gerne auf eine Party gehen, hat aber den Gedanken: „Ich würde gerne auf die Party gehen, aber ich habe Angst, weil ich dort so viele Leute nicht kenne.“ Das „aber“ bewirkt in der Regel eine Handlung, nämlich zu Hause zu bleiben. Wenn Sie nun aus dem „aber“ ein „und“ machen, merken Sie, dass Sie Ihrem Gedanken gar nicht folgen müssen: „Ich würde gerne auf die Party gehen, und ich habe Angst, weil ich dort so viele Leute nicht kenne.“ Nun können Sie mit Lust und Angst auf die Party gehen!

Gedanken als Gedanken benennen Es ist leichter, Gedanken nicht mehr als Wahrheit zu verstehen, wenn man sie bewusst als Gedanken benennt. Sie können es sich angewöhnen zu sagen: „Ich habe den Gedanken, dass ich unzuverlässig bin“, statt: „Ich bin unzuverlässig.“ Übernehmen Sie Verantwortung! (teilweise zitiert aus Andreas Knuf, „Ruhe da oben!“ und Psychologie Heute,  4 / 2011)

Eine schöne Zusammenfassung von S.W. über die ACT habe ich hier angefügt >>> ACT.PDF

Danke Doris und Peter für die Anregungen!

ACHTSAMKEIT: Nur das beachten, was gerade ist

Eine der wirksamsten Möglichkeiten, um emotionale Erregung und daraus folgendes Grübeln in den Griff zu bekommen, bietet die Achtsamkeitsmeditation. Bei dieser Form des Geistestraining geht es darum, die eigenen Gedanken, Gefühle und Empfindungen von Augenblick zu Augenblick urteilsfrei zu beobachten. Man betrachtet sie einfach als das, was sie sind: Gedanken, Gefühle, Empfindungen. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn wir dies erlernen, durchbrechen wir damit die Assoziationskette, die jeder einzelne Gedanke normalerweise auslöst: „Ich muss endlich aufhören, ständig über die Arbeit nachzugrübeln“ wird zu: „Interessant, eben ist ein Gedanke an meine Jobprobleme in mir aufgestiegen.“ Wann immer diese Feststellungen doch wieder in Bewertungen münden („Ich sollte mit der Fertigstellung des Projekts wirklich nicht bis zwei Minuten vor Terminschluss warten!“), versucht man, zum Prozess des reinen Beobachtens zurückzukehren. Eine sehr nützliche Anleitung dazu liefert die achtsamkeitsbasierte Stressreduktion, Mindfulness-Based Stress ReductionMBSR ist ein von dem Molekularbiologen Jon Kabat-Zinn in den späten 1970er Jahren in den USA entwickeltes Programm zur Stressbewältigung durch gezielte Lenkung von Aufmerksamkeit und durch Entwicklung, Einübung und Stabilisierung erweiterter Achtsamkeit. Sie ist eine weltanschauungsneutrale Methode, die mittlerweile in zahlreichen medizinischen Einrichtungen angeboten wird. Wenn Sie diese Methode ausprobieren möchten, können Sie mit folgender Atemübung beginnen:

  • Wählen Sie eine Tageszeit, zu der Sie besonders wach und aufmerksam sind.
  • Setzen Sie sich mit geradem Rücken auf den Boden oder einen Stuhl, entspannt, aber aufrecht, in einer Haltung, in der Sie nicht schläfrig werden.
  • Konzentrieren Sie sich nun auf Ihren Atem, auf die Empfindungen, die er in Ihrem Körper auslöst. Achten Sie darauf, wie sich Ihre Bauchdecke mit jedem Einatmen hebt und mit jedem Ausatmen wieder senkt.
  • Konzentrieren Sie sich auf Ihre Nasenlöcher und achten Sie auf die unterschiedlichsten Empfindungen, während der Atem ein- und wieder ausströmt.
  • Wenn Sie merken, dass Ihre Gedanken abschweifen oder Gefühle in Ihnen auftauchen, kehren Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit einfach zum Atem zurück.

Sobald Sie das Gefühl haben, das achtsame Atmen zu beherrschen, lassen Sie diesen Konzentrationsanker los und fokussieren Sie sich auf den Bewusstseinsinhalt, der im Augenblick am dominantesten ist – einen Gedanken, ein Gefühl oder eine Körperempfindung. Schulen Sie Ihre Achtsamkeit für das, was gerade da ist, ohne darüber nachzudenken oder es zu bewerten. (bearbeiteter Auszug aus Richard Davidsons Buch „Warum wir fühlen, wie wir fühlen“, 2012, Arkana Verlag, München)
Eine wunderschöne Atemübung (von Dalai Lama) zur alltäglichen Wertschätzung von mir selbst und allen Menschen finden Sie in meinem Blog: walserblog.ch/2019/09/21/atem/
Seit geraumer Zeit mache ich wieder mal zwei schöne und einfache Aufmerksamkeitsübungen, die meinen Tag wunderbar einrahmen: morgens bleib ich noch etwas im Bett liegen und mache mit einem ausgedehnten Bodyscan (den Körper von den Zehen bis zum Scheitel langsam durchwandern – und Teil für Teil spüren, wie er sich gerade anfühlt: warm/kalt, ent- oder gespannt, etc. – ohne zu werten.) ein „gesammeltes Aufstehen“. Ich stürze mich dadurch nicht sofort in die anstehenden sog. Pflichten! Und abends vollführe ich einen Tagesrückblick, vom Jetzt retour bis zum morgendlichen Aufstehen – Schritt für Schritt. Sehr einfach – sehr effektiv!

Bodyscan

Legen Sie sich bequem auf eine Matte oder Decke. Spüren Sie, wie sich die Bauchdecke sanft hebt und senkt. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit dann auf den rechten Fuss. Nehmen Sie die Zehen des rechten Fusses genau wahr, lenken Sie die Aufmerksamkeit auf jeden einzelnen von ihnen. Spüren Sie alle Empfindungen. Das kann zum Beispiel Wärme oder Kälte sein, ein Kitzeln, Kribbeln, Druck, Schmerzen, Muskelanspannungen oder ein „Nichts“. Nehmen Sie all das wahr und benennen Sie es still für sich – ohne es zu bewerten oder zu verändern. Nehmen Sie sich Zeit dafür. Wenn Sie gedanklich abschweifen, seien Sie geduldig mit sich und lenken die Aufmerksamkeit einfach wieder zurück zu der Stelle, an der Sie gerade waren. Achten Sie dann auf die Fusssohle, den Spann, auf das Fussgelenk, den Unterschenkel, das Knie und den Oberschenkel. Machen Sie dasselbe mit der linken Seite.
Auf diese Weise durchstreifen Sie den ganzen Körper. Wandern Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit vom Steissbein aus jeden einzelnen Wirbel der Wirbelsäule entlang nach oben und weiter bis zur Kopfhaut. Dann nehmen Sie die Stirn wahr und bewegen sich mit der Wahrnehmung wieder nach unten. Spüren Sie die Augen und Ohren, die Nase und die Wangen, auch den Mund, das Innere des Mundes und das Kinn. Gehen Sie mit der Aufmerksamkeit erst die linke und dann die rechte Schulter entlang, über den Arm und die Hand hinab bis in jeden einzelnen Finger. Nehmen Sie sich Zeit für jede Körperstelle. Achten Sie nun wieder einige Züge lang auf die Atmung. Dann beenden Sie die Übung und öffnen die Augen.
Manchen Menschen hilft es, die Übung zu hören: Sie können sich eine Anleitung auf das Smartphone sprechen und dann abspielen. Der Bodyscan dient auch zur Entspannung und zum Einstieg in die Meditation. Am besten übt man ihn jeden Tag.

Achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie wird heute z.B. sehr erfolgreich in der Behandlung von Zwangsstörungen angewendet >>> siehe hier! Achtung: Achtsamkeit wird heute als Allheilmittel auch inflationär vermarktet: siehe hier weiter oben!

Achtsamkeit schafft Verbindung

Bei der Ausübung von Achtsamkeit geht es immer ums Ankommen. Ankommen im Hier und Jetzt. Wir kommen heim, nach Hause. Wir finden zu uns.
Wir sind viel gerannt, aber wir sind nie angekommen. Wir suchen immer noch etwas, sehnen uns nach etwas und haben es nie gefunden. Wir rennen immer weiter und wissen nicht, wie lange und wie weit wir noch rennen und suchen müssen. Wir wissen nicht mal wonach wir suchen.
Vielleicht suchen wir nach Glück, nach was wir meinen, nicht zu haben.
Doch das Wunder des Lebens ist nur im gegenwärtigen Moment verfügbar.
Die Achtsamkeitspraxis (wie z.B. im Zen-Buddhismus) hilft heimzukommen ins Hier und Jetzt. So können wir intensiver Leben, in Verbindung – und verschwenden es nicht.

Schönreden kontraproduktiv

Was hier beschrieben wird, ist nicht das „Positive Denken“ (Positive Thinking) mit seinen aufmunternden Formeln, das heute hoch im Kurs ist. Wichtig ist dabei das Mass des bestehenden Selbstwertgefühls. In grossen Studien (z.B. Joanne V. Wood et al: Positive self-statements. Psych Science, 5/2009, 1467) zeigte sich, dass Menschen mit geringem Selbstwertgefühl sich selbst widersprechen, wenn sie positive Gedanken wie Mantras wiederholen. Auf diese Weise wird eine vorhandene negative Selbsteinschätzung nur noch verstärkt! Hier wird im Gegensatz von Ansprechen von vorhandenen Ressourcen gesprochen, die dadurch verstärkt werden. als Beispiel:

Meditation bei chronischen Schmerzen und gegen Entzündungen

Studien zeigen, dass Meditationen bei Chronischen Schmerzen und Entzündungen stark helfen können. Dies basiert offensichtlich auf komplexen Vorgängen im Hirn (und nicht auf endogenen Opiaten).

Yoga mit Meditation hilft gegen Vorhofflimmern

In dieser Studie wurden die Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern zunächst mit drei Monaten sportlichen Aktivitäten ihrer Wahl behandelt. Anschliessend nahmen die Leute drei Monate lang an einem überwachten Yoga-Programm mit Atemübungen, Yoga-Stellungen, Meditation und Entspannung teil. Keiner der Probanden hatte vorher bereits Erfahrung mit den fernöstlichen Übungen. Es zeigte sich, dass während der Yoga-Interventions-Phase die Episoden von Vorhofflimmern um die Hälfte zurückgingen. Ausserdem verringerten sich Angst- und Depressions-Symptome und die Lebensqualität stieg. Als Wirkungsmechanismus werden günstige Einflüsse auf den Sympathikotonus diskutiert.

Nicht was wir erleben, sondern wie wir wahrnehmen was wir erleben, macht unser Schicksal aus.

Lesen Sie hier!

Dauerstress und Entspannung

Lesen Sie hier!

Sinn-im-Leben vs. Dauerstress (und Link zur Chronischen Entzündung!):
walserblog.ch/2021/07/04/sinn-im-leben/

Spirituelle Entwicklung und Lebensaufgaben im Alter

Lesen Sie hier! Link auf dieser Website: Zur Hingabe an den Moment (im Hier und Jetzt sein) oder raus aus dem Hamsterrad und rein in die Entspannung: http://walserblog.ch/2016/12/14/tantra/

Kann Spiritualität Nachhaltigkeit?

Diese Frage ist für mich kein Argument für irgendwas. Auf der Suche nach »etwas zwischen Himmel und Erde« zu sein, sich »selber etwas zu suchen« mag gerade für Individualisten mit einem Hauch von Identitätskrise verlockend sein. Omas Rosenkranz tut es halt für viele nicht mehr. Doch diese Reise führt oft vom Regen in die Traufe. Die alten religiösen Traditionen der eigenen Vorfahren über Bord zu werfen, fühlt sich nur auf den ersten Blick frei und wild an. Heute Mantras singen, morgen das Chi suchen – spätestens wer dann Gleichgesinnte sucht, stösst wieder auf Rituale, Regeln, Meister.
Mit Spiritualität bauen sich viele ein Weltbild nach dem Wünsch-dir-was-Prinzip auf: Ein bisschen Buddhismus für den friedfertigen Ruf, ein wenig Hinduismus für die Farben und trendigen Symbole und irgendetwas »indianisches« noch, um die eigene Individualität zu unterstreichen. Die Religionen, die dabei als Rohstofflager dienen, werden entfremdet benutzt. Ich finde: Die Aufklärung, der Humanismus und so manche weltliche Utopie haben genug Material zum Bau eines schönen Weltbildes. (Marius Hasenheit im Magazin transform vom 14.04.2021)

Wie Meditation krank machen kann

Meditation hat ein überwiegend positives Image. Laut einer Umfrage von Statista Consumer Survey hat fast jeder Vierte im Alter von 18 bis 64 Jahren eine Meditationsapp auf seinem Handy. Der Markt boomt, denn Meditation gilt als Heilmittel gegen Stress und psychische Beschwerden und als Produktivitäts- und Selbstoptimierungstool.

 Genau deswegen haben Betroffene aber Schwierigkeiten, bei Nebenwirkungen gehört und verstanden zu werden. Auch Anbieter:innen von Meditationskursen-, -seminaren und –Apps warnen wohl nicht genug vor den möglichen Nebenwirkungen, bzw. sehen   die Verantwortung bei den Meditierenden sehen.

 „Die Schuldzuweisung an das Opfer ist wahrscheinlich die häufigste Reaktion. Das gibt es in vielen verschiedenen Varianten (…) Der normale Meditationslehrer will hilfreich sein, und dann zu hören, dass man Schaden angerichtet hat, das ist eine sehr schwierige Art von Feedback.“ Das sagt die US-amerikanische Psychologin Willoughby Britton von der Brown University. Sie konnte in einer zehnjährigen Langzeitstudie nachweisen, dass etwa jeder zehnte Meditierende Nebenwirkungen entwickelt, die ihn im Alltag stark einschränken. Angst, traumatische Flashbacks und Hypersensibilität sind laut Britton die häufigsten Nebenwirkungen von Meditation.

Wie wenig auf Risiken hingewiesen wird, zeigt auch eine Recherche des investigativen Magazins Vollbild: 
Vollbild fragte im Selbstversuch bei rund 20 Meditationsanbietern einen Kurs an und gab an, dass die vermeintliche Interessentin psychische Probleme habe. Nur wenige rieten, vorab einen Arzt oder Therapeuten aufzusuchen. Auf den Webseiten der Anbieter gab es vorab keinerlei Hinweise zu Risiken und Nebenwirkungen von Meditation.

(Piqd von Theresa Bäuerlein, 30.09.24 über tagesschau.de/investigativ/swr/meditation-risiken-nebenwirkungen)

Quellen:

  • Hier zitiere ich von Verena Steiner aus ihrem sehr spannenden und brauchbaren Buch „Energiekompetenz“ (Pendo Verlag, 2005).
  • Dann auch aus einem Interview mit Sherry Turkle, Professorin am MIT, Massachusetts Institute of Technology, TagiMagi 26/2012
  • Franz Petermann, Dieter Vaitl: Entspannungsverfahren. Beltz, 2009
  • Tim Parks: Die Kunst stillzusitzen. Kunstmann, 2010
  • Ulrich Ott: Meditation für Skeptiker, O.W.Barth, 2010
  • Peter Malinowski: Flourishing – welches Glück hätten Sie gern? Irisiana, 2010
  • Jon Kabat-Zinn: Im Alltag Ruhe finden – Meditationen für ein gelassenes Leben. Knaur, 2010
  • Gerald Hüther: Biologie der Angst. Wie aus Stress Gefühle werden. Vandenhoeck&Ruprecht, 2009
  • S.C. Hayes u.a.: Akzeptanz und Commitment Therapie: Ein erlebnisorientierter Ansatz zur Verhaltensänderung. CIP-Medien, München 2004
  • M.Wengenroth: Das Leben annehmen. Huber, Bern 2008
  • Andreas Knuf: Ruhe da oben! Der Weg zu einem gelassenen Geist. Arbor, Freiburg 2010
  • Matthew Johnstone: Den Geist beruhigen, Kunstmann (eine illustrierte Einführung in die Meditation mit starken, einprägsamen Bilder)

 

Warum nicht anders? : der Alltag als Übung von Lehner, Anna; Stolle, Michael; House of Competence (Karlsruhe), 2019

Meditations-App

(aus der SONNTAGSZEITUNG, 10.01.21)

Mensch werde wesentlich.

Der Himmel ist in dir. Halt an, wo laufst du hin, der Himmel ist in dir; Suchst du Gott anderswo, du fehlst ihn für und für. Wie Gott im Menschen: Gott ist noch mehr in mir, als wann das ganze Meer in einem kleinen Schwamm ganz und beisammen wär. Der Mensch ist Ewigkeit. Ich selbst bin Ewigkeit, wann ich die Zeit verlasse Und mich in Gott und Gott in mich zusammenfasse. Zufall und Wesen: Mensch, werde wesentlich! Denn wann die Welt vergeht, So fällt der Zufall weg, das Wesen, das besteht. Beschluss: Freund, es ist auch genug. Im Fall du mehr willst lesen, So geh und werde selbst die Schrift und selbst das Wesen. (Angelus Silesius, 1674 – aus dem Cherubinischen Wandersmann)

Veröffentlicht am 05. Juni 2017 durch Dr.med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
17. Oktober 2024