Morbus Crohn / Colitis ulcerosa

Ich gehe hier nicht auf die gängige Schulmedizinische Behandlung ein, die bei diesen Krankheiten v.a. antientzündlich (Mesalazin, Steroide) und immunschwächend (Steroide, Immunsuppressiva)  einwirken (These der „Autoimmunstörung“).
Hier erläutere ich einige komplementäre Zusatztherapien und Thesen. Man kann – wie so oft – zwei Stossrichtungen dieser Therapien ausfindig machen: Den Aufbau der Abwehr, die Stärkung des Terrains und dann die Bekämpfung gewisser Angreifer oder schädigender Dinge (Bakterien,…).

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind nicht die Folge einer „Immunschwäche“, sondern eines hyperaktiven Immunsystems!

Die Pest in unseren Genen

Gewisse Gen-Konstellationen hatten bei der Pest offensichtlich einen Überlebensvorteil. Bei der Gen-Untersuchung von Pesttoten aus dem Mittelalter zeigt sich, dass besonders eines wichtig ist („ERAP2“). Wer einst zweimal eine Variante namens „rs2549794“ dieses Gens im Erbgut gehabt hat, dessen Immunabwehr-Zellen ist es besser gelungen, eine Infektion mit Yersinia pestis zu erkennen, das Wachstum dieser Bakterien einzudämmen und seine Zellen zu schützen. Menschen mit dieser Genvariante hatten bei einer Infektion mit der Beulenpest eine um 40 Prozent höhere Überlebenschance gehabt.
Bis heute findet sich dieses Erbe der Pest in unseren Genen – und das ist nicht immer ein Vorteil. Denn dieselbe Genvariante, die gegen das Pestbakterium hilft, macht nun anfälliger für den Morbus Crohn!
Andere Gene, die gegen die Pest von Vorteil sind, sind zudem eine Schwachstelle, wenn es um andere Infektionskrankheiten oder um rheumatoide Arthritis geht.
„Ein hyperaktives Immunsystem konnte in der Vergangenheit grossartig sein“, sagt der Anthropologe Hendrik Poinar von der McMaster-Universität in Hamilton, einer der Autoren der Studie. „Aber in der heutigen Umwelt ist dies häufig nicht mehr so hilfreich!“

Mebendazol (Vermox®) und Colitis ulcerosa

In einer dänischen Kohortenstudie, die rund 1,5 Millionen Personen umfasste, beobachtete man, dass Individuen, die bis zum Alter von 5 Jahren zur Behandlung einer Wurminfektion Mebendazol erhalten hatten, im Erwachsenenalter signifikant häufiger an einer Colitis ulcerosa erkrankten. Im Vergleich zu Leuten ohne Mebendazol-Exposition betrug die «Hazard Ratio» 1,32 (1,12–1,55). Vermutlich beeinflussen Wurminfektionen bei kleinen Kindern das Immunsystem in einer Weise, dass ein Schutz gegenüber einer Colitis ulcerosa aufgebaut wird. (Infomed, 26. Januar 2023)
Kurzform der Studie aus dem «American Journal of Gastroenterology»: Early-Life Mebendazole Exposure Increases the Risk of Adult-Onset Ulcerative Colitis: A Population-Based Cohort Study

Antibiotika können IBD auslösen

Beta-Lactam-Antibiotika können IBD auslösen. Dies sind Penicilline, Cephalosporine und Beta-Lactamase-Inhibitoren.

Abwehraufbau – Terrainstärkung

  • Der Konsum von hochverarbeiteter Nahrungsmittel ist dosisabhängig mit
    IBD („inflammatory bowel disease“) korreliert. Der Zusammenhang war bei separater Analyse sowohl bei M. Crohn wie auch Colitis ulcerosa vorhanden, bei letzterer etwas weniger signifikant.
    Es
    zeigte sich einen Zusammenhang von IBD mit verarbeitetem Fleisch, gebratenen Nahrungsmitteln, Softdrinks und salzigen Snacks; der Salzkonsum selber war hingegen nicht mit IBD assoziiert. (Link zum Volltext der PURE-Studie: Narula N, Wong ECL, Dehghan M et al.: Association of ultra-processed food intake with risk of inflammatory bowel disease: prospective cohort study. BMJ 2021, 374: n1554.)
    Man sollte also unbedingt auf verarbeitetes Fleisch, gebratene Nahrungsmitteln, Softdrinks und salzigen Snacks verzichten.
    Ein akuter Entzündungsschub hingegen wird nicht durch „falsches Essen und Trinken“ hervorgerufen.
    Von pauschalen Crohn- oder Colitis-Ernährungsempfehlungen sowie unnötigen, nicht fundierten Nahrungsmitteleinschränkungen ist schwer abzuraten. Sie erhöhen das Risiko einer Malnutration (Unterernährung). Hingegen hat die bedarfsgerechte Ernährung im akuten Entzündungsschub sowie in der Remission einen wesentlichen Einfluss auf Schweregrad und Verlauf der Erkrankung. Aus Angst vor Schmerzen oder einem Rezidiv („Ich esse lieber nichts als etwas Falsches“) wird meist zu wenig gegessen. Dazu kommt auch eine Malnutration als Folge von Entzündungen im Darm, ein intestinaler Proteinverlust (50 bis 70% der Crohn-Patienten leiden im akuten Entzündungsschub darunter!) und ein gesteigerter Energieverbrauch bei Sepsis oder Abszessen. Die durch die Malnutration hervorgerufenen Komplikationen können den Patienten oftmals mehr schwächen als der zugrunde liegende entzündliche Prozess.
    Man sollte immer nach Untergewicht, Anämie, Folsäuremangel, Vitamin-B12-, Eisen-, Vitamin-D- und Zinkmangel suchen!
    Im akuten Schub empfiehlt sich nahrungsfaser- und laktosearm zu essen. Es besteht (v.a. beim Crohn) ein sekundärer Laktasemangel. Es kommt zu einer zeitlich begrenzten Laktoseintoleranz (Laktose ist der Milchzucker). Dies ist individuell sehr verschieden. Es ist deshalb für jeden Einzelnen wichtig zu wissen, bei welcher Menge Laktose er mit Beschwerden (Blähungen, Durchfall) reagiert. Milch und Buttermilch haben am meisten Laktose. Besser verträglich ist Käse (problemlos Hartkäse), auch Jogurt, Kefir und Sauermilch. Kefir zeigt sogar therapeutische Fähigkeiten (siehe unten unter Präbiotika). Allgemein besser werden Milchprodukte ertragen, wenn sie zusammen mit einer Mahlzeit und nicht zwischendurch allein genossen werden.
    Eventuell benötigt man im akuten Schub zusätzliche bilanzierte, energiereiche Trinknahrung (im Mittel zusätzlich ca. 600 Kcal pro Tag). In der Remission sollte man essen, was mir gut bekommt, bedarfsdeckend und ausgewogen (siehe hier!).
  • Zuviel Hygiene lässt unsere Darmflora verarmen! Dies zeigt wieder eine Studie aus Schwellenländern (Brasilien, Taiwan…), wo durch Zunahme der Hygiene die Häufigkeit von M.Crohn und Colitis ulcerosa stark ansteigen. Die Daten bestätigen die aktuelle Annahme, dass die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen bei entsprechender genetischer Vorbelastung durch zivilisations-assoziierte Umwelteinflüsse wie z.B. bessere Hygiene ausgelöst werden können (ced_in_schwellenlaendern.pdf).
    Deshalb wohl ist ähnlich wirksam wie Mesalazin bezüglich der Remissionserhaltung bei CED (Crohn und Colitis) der Indische Flohsamen (Plantago ovata Samen). Er enthält sog. Präbiotika (komplexe Kohlenhydrate), die im Dünndarm nicht verdaut werden und unverändert in den Dickdarm gelangen und dort fermentiert werden.  Kurzkettige Fettsäuren, vornehmlich Acetat, Propionat und Butyrat, die von anaeroben Kolonbakterien produziert werden, stellen eine hauptsächliche Ernährungsquelle für das Kolonepithel dar. Butyrateinläufe zeigen positive Effekte bei Patienten mit aktiver distaler Colitis ulcerosa. Da durch die Fermentation von indischem Flohsamen im Colon Butyrat entsteht, stellt man sich die Wirksamkeit unter diesem Mechanismus vor. Dies führt auch zu einer Bereicherung der Darmflora.Weiter wichtige Massnahmen, die gegen die Verarmung der Darmbakterien wirken sind Ernährungsumstellungen. Vor allem die sog. Mediterrane Ernährung bekämpft die Verarmung dieser Darmbakterien. Weitere Massnahmen auf meiner Extraseite zur Darmflora: dr-walser.ch/darmflora/.

Noch ein therapeutischer Schritt weiter gehen Stuhltransplantationen:
2000 wagte Gerhard Rogler vom Universitätsspital Zürich erstmals den unorthodoxen Eingriff bei einer Patientin, die wegen einer Infektion mit dem Darmkeim Clostridium difficile an krampfartigen Bauchschmerzen, Durchfall und Fieber litt. Die Ärzte spülten den Darm der Patientin und spritzten danach gereinigten Kot einer Verwandten ein. Die Therapie war erfolgreich. Seither hat Rogler 14 weitere Patienten mit einer C.-difficile-Infektion behandelt – bis auf einen sind alle geheilt.
Derweil testen Forscher weltweit die Stuhltransplantation bei einer Reihe weiterer Darmerkrankungen wie Reizdarm, chronischer Verstopfung, Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn. Holländische Forscher haben die Methode bei Patienten, die am metabolischen Syndrom leiden, erprobt – ebenfalls mit Erfolg. Bei den Patienten hat sich nach der Transplantation mit aufgereinigtem Kot eines dünnen Spenders die Insulinsensitivität erhöht.
Wirklich appetitlich ist diese Therapie nicht, dafür anscheinend umso wirksamer: Stuhltransplantationen können lebensbedrohliche Darminfektionen heilen – und möglicherweise noch viel mehr.  Unterdessen wird übrigens auch bereits mit Stuhl in speziellen Kapseln getestet, die man oral aufnimmt.

  • In dieselbe Richtung zielt die Behandlung mit Probiotika:
    Probiotika haben eine heterogene mikrobielle Zusammensetzung, sind also nicht miteinander vergleichbar*:
    * Beste Evidenzen für ein Präparat, das Streptococcus thermophilus, 4 Stämme von Laktobazillen und 3 Stämme von Bifidobakterien enthält, Tagesdosen typischerweise 300–900 Mrd. Bakterien.
    > antientzündliche Effekte, beste Evidenz für Prävention und Remissionserhaltung der sog. Pouchitis;
    > gewisse positive Effekte bei Induktion/Erhaltung von Remissionen bei Colitis ulcerosa;
    > keine überzeugende Evidenz bei Morbus Crohn.
  • Ein sehr interessanter Therapieansatz wurde in wenigen Studien (leider nur unkontrollierte und kleine Anwendungsbeobachtungen!) untersucht (Summers RW et al., Am J Gastroenterol 2003; 98: 2034-2041 und Marcovitch H. Can worms treat Crohn’s disease? BMJ 2005;330:330): Den Colonkranken wurden Wurmeier verfuttert (Schweinepeitschenwurm-Trichuris suis – jeweils 2500 intakte Eier als Einzeldosis. Der für den Menschen apathogene Schweine-Peitschenwurm wird nach 8 bis 10 Tagen wieder ausgeschieden.). Die daraus resultierende Darminfektion (die ja bei unserem sterilen Trinkwasser und Essen und von der Schulmedizin seit Jahrzehnten radikal bekämpft, fehlen) bindet soviel Abwehrkraft des Immunsystems, dass gleich auch die bestehende Colitis (Crohn oder ulcerosa) weggefegt wurde und geheilt war! Die These geht dahin, dass wir seit Jahrtausenden Würmer im Darm hatten und unser Immunsystem damit beschäftigt war. Seit 50 Jahren fehlen diese Parasiten und das Abwehrsystem hat nun überschiessende Kräfte und richtet diese auch mal gegen den eigenen Körper und bildet z.B. Crohn und Colitis ulcerosa. In der Woche 24 einer offenen Studie waren 21/29 in Remission, bei 2/29 zeigten sich Verbesserungen. Der Effekt ist zwar temporär, aber die Therapie wiederholbar. Der Vorschlag der Studienleiter waren den auch eine Wiederholung mit 2500 Eier alle drei Wochen, welches ebenso wenig Nebenwirkungen zeigte wie eine Einzeldosis.
  • Dreimal wöchentlich Sport (siehe 3in3-Regel!):
    Zweimal wöchentlich ein 90-minütiges Lauftraining plus eine Trainingseinheit in Eigenregie, drei Monate lang unter Anleitung und für weitere 9 Monate als Hausaufgabe steigerte die Remissionsrate von Crohnpatienten enorm (Studie des Klinikum der J.W. Goethe-Universität Frankfurt/Main).
    Als einfache Regel gilt also auch hier 3in3: im Minimum 3 Stunden Sport wöchentlich, verteilt auf mindestens 3mal! Dies scheint bei diversen Dingen die beste Prophylaxe oder Therapie zu sein, so u.a. zur Prophylaxe des Prostatakrebs.  („3in3-Rhythmus“ wäre fast treffender: siehe meinen Blogbeitrag dazu!) – und es muss nicht intensiver und langdauernder Sport sein, sondern die Bewegung kann (für die Gesundheit und nicht unbedingt für die Ausdauer) kurz und moderat, jedoch dann täglich und häufig sein!

Angreifer- oder Schädigungsbekämpfung

  • Interessanterweise gibt es bei Tieren eine nahezu identische Störung wie der Morbus Crohn, die Johne’sche Erkrankung, auch Paratuberkulose genannt. Allerdings wissen die Tierärzte im Gegensatz zu ihren humanmedizinischen Kollegen sehr genau über die Ursache Bescheid. So haben sie vor einiger Zeit ein Bakterium mit Namen Mycobacterium avium, Subspezies paratuberculosis (kurz MAP), als Übeltäter identifiziert. Das MAP wird nun von den infizierten Tieren im Kot ausgeschieden. Es ist sehr resistent und kann z.B. Trockenzeiten von neun Monaten überstehen und durch die übliche Chlorierung von Trinkwasser nicht abgetötet werden. Infizierte Kühe, Schafe und Ziegen scheiden MAP auch in der Milch aus. Pasteurisierung derselben tötet MAP nicht sicher ab! In der Schweiz ist fast 20% der Milch mit MAP kontaminiert ( Corti S, Stephan R.: Detection of MAP in bulk-tank milk samples. BMC Microbiology, 2002: 2; 15). Diese Omnipräsenz steht im Gegensatz zu den Schwierigkeiten, den Erreger auch nachweisen zu können. Zumindest in einigen Fällen gelang nun, MAP aus der Dünndarmschleimhaut mit M.Crohn erkrankter Patienten zu isolieren und anzuzüchten. Greenstein fand das MAP-DNA mit Hilfe von PCR sogar in 90%, mit In-situ-Hybridisierung in 70% und mit RT-PCR für MPA-RNA in 100% der Crohn-Erkrankten (Greenstein RJ, Collins MT. Emerging pathogens: is Mycobacterium avium subspecies paratuberculosis zoonotic? Lancet 2004;364:396-7). Amerikanische Forscher fahndeten auch im Blut von 28 Patienten mit M.Crohn, 4 mit Colitis ulcerosa und 3 Darmgesunden nach MAP. Mittels PCR spürte man bei 46% der Crohn- und 45% der Colitis-Patienten MAP-DNA auf. Bei den Kontrollpersonen liess sich MAP nur in 20% nachweisen. Lebensfähige Mykobakterien fanden sich allerdings ausschliesslich bei Crohn und Colitis (zu 50% bzw. 22%). Naser SA et al., BMJ 2004; 364: 1039-1044. 
    Mit Antibiotika der Familie Makroliden über mehrer Monate konnte bei einem Drittel der Patienten eine völlige Ausheilung erreicht werden. Und bei 72 bis 91% gingen die Krankheitszeichen so stark zurück, dass die Patienten auf die Einnahme von weiteren Medikamenten verzichten konnten (The Lancet Infectious Diseases 3, 507-513 (2003).
  • The cold chain hypothesis verbindet das Aufkommen des Kühlschrankes mit der Zunahme des M.Crohn. Yersinia spp und Listeria spp, zwei Bakterien, die im Kühlschrank gut gedeihen, sollen bei gewissen Menschen dann auch den M.Crohn auslösen (Lancet, vol.362, 2003): coldchainhyp.pdf
  • Fischöl wirkt gegen die Entzündung als Langzeitbehandlung (ev. auch nur als Zusatzbehandlung mit Spareffekt für die schulmedizinischen Entzündungshemmer): 4 Gramm Omega-3-Fettsäuren täglich in Kapselformen. Unwirksam bei Morbus Crohn!
  • Transdermales Nikotin (z.B. Nicotinell TTS-Pflaster) fördert unter fortgeführter Standardmedikation Remissionen. Dies bei der Colitis ulcerosa. Beim M.Crohn nur strikte Nikotinenthaltung! Hier ist jede Zigarette zuviel!!
  • Das Harz des Weihrauchbaumes Boswellia serrata (z.B. in H 15 Ayurmedica) enthält Inhaltsstoffe, die Boswelliasäuren, die in In-vitro-Untersuchungen nachgewiesenermassen über eine spezifische Hemmung der 5-Lipoxygenase die Leukotriensynthese hemmen und somit antiinflammatorisch wirken. Es wird deshalb auch vorrangig gegen entzündliche rheumatologische Erkrankungen eingesetzt (aktive chronische Polyarthritis). Es hat sich aber gezeigt – und ich habe sehr positive Erfahrungen damit -, dass es auch bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen hervorragend wirkt. Es wirkt dabei ähnlich stark wie Mesalazin ohne dessen Nebenwirkungen. Als Nebenwirkung habe ich sehr selten Juckreiz und urtikarielle, selten ekzematoide Effloreszenzen erlebt. In der Schwangerschaft würde ich es nicht abgeben.
  • Eine Hypothese besagt, dass durch die Gabe von Antibiotika im Kindesalter die mikrobielle Darmflora verändert und das Auftreten entzündlicher Darmerkrankungen begünstigt wird. Dies wurde nun mit einer Studie klar bestätigt: Kinder, bei denen vor dem Alter von 5 Jahren eine Otitis media (Mittelohrentzündung) diagnostiziert wurde, litten 2,8-mal häufiger an Morbus Crohn und dreimal häufiger an Colitis ulcerosa. Penicillin war dabei das am häufigsten verwendete Antibiotikum. Otitis media beim Kleinkind also nie mit Antibiotikum behandeln, sondern nur mit allen Mitteln Schmerzen lindern!
    (Shaw SY, et al. J Pediatr. 2012)
  • Übrigens verändert ein Hund im Haushalt die Darmflora eines Säuglings zum guten!
  • Und wie bereits ganz oben erläutert: Kleinkinder, die bis zum Alter von 5 Jahren zur Behandlung einer Wurminfektion Mebendazol erhalten hatten, entwickelten im Erwachsenenalter signifikant häufiger eine Colitis ulcerosa!

Fokus auf Komplementärmedizin bei entzündlichen Darmerkrankungen in der Forschung:

  • Häufigkeit des Gebrauchs alternativer Methoden bei diesen Krankheiten: 20–60%.
  • Nur ¼ berichtet dies dem Arzt (oder werden befragt).
  • Probiotika haben eine heterogene mikrobielle Zusammensetzung, sind also nicht miteinander vergleichbar*:
    > antientzündliche Effekte, beste Evidenz für Prävention und Remissionserhaltung der sog. Pouchitis;
    > gewisse positive Effekte bei Induktion/Erhaltung von Remissionen bei Colitis ulcerosa;
    > keine überzeugende Evidenz bei Morbus Crohn.
  • Curcumin: wirksam als Begleittherapie bei Colitis ulcerosa, nicht bei Morbus Crohn.
  • Cannabis: kein überzeugender Effekt auf klinische Remissionen.
  • Fischöle: fraglicher Steroid-sparender Effekt bei Colitis ulcerosa, unwirksam bei Morbus Crohn.
  • Akupunktur, Yoga, Hypnotherapie, körperliche Aktivitäten, kognitive Verhaltenstherapien können wirksam sein (Details in Tab. 2 der Arbeit).

* Beste Evidenzen für ein Präparat, das Streptococcus thermophilus, 4 Stämme von Laktobazillen und 3 Stämme von Bifidobakterien enthält, Tagesdosen typischerweise 300–900 Mrd. Bakterien.

Quelle: Gastroenterol Hepatol (NY). 2018;14:415–25.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6111500/.

Veröffentlicht am 17. Juni 2017 von Dr. med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
18. November 2023

Darmflora – Mikrobiom

Eine gute, reiche Darmflora…

Eine gute Darmflora aufbauen…

GO VEGETARIAN! Geschrotete Getreide-Mischung, fermentierte Milchprodukte – Fettkontrolliert, Gewichtskontrolliert – körperliche Aktivität!

  • Eine fett- oder zuckerreiche Ernährung mit wenigen Ballaststoffen scheint die Vielfalt der im Darm lebenden Bakterien einzuschränken. Wie erwartet, wirkt sich eine einseitige, kalorienreiche Diät negativ auf die Vielfalt der Bakterien im Darm aus. Joghurt, Käse und Buttermilch, aber auch Kaffee, Tee und Rotwein scheinen die Diversität der Mikroben hingegen zu erhöhen.
  • WENIG (ROTES) FLEISCH!
    Normalerweise leben die Vertreter der Darmflora (Mikrobiom = rund 100 Billionen = 10 hoch 14 = 1 bis 1,5 Kg. Bakterien) einträchtig mit ihrem Wirt. Sie verdauen für uns Giftstoffe und komplexe Kohlenhydrate, mit denen menschliche Enzyme nicht umgehen können. Und sie wehren auch Infektionen krank machender Viren und Bakterien ab.
    Nun wird zum Beispiel das Carnitin im roten Fleisch (Rind, Schwein oder Lamm) von den Darmbakterien zu Trimethylamin verdaut, das dann in der Leber zu Trimethylamin-N-Oxid (TMAO) umgewandelt wird. Carnitin verstärkt u.a. auch die schädliche Wirkung vom Cholesterin. Dies löst eine Kette von Ereignissen aus, die letztlich zu einer Arteriosklerose (Versteifung der Arterien) führt und damit auch zum Herzinfarkt, Hirnschlag,…!
    Es hat sich nun gezeigt, dass ein Vegetarier sogar ein Steak essen könnte und dass sich dann die (ideale) Zusammensetzung seiner Darmbakterien diesen TMAO-Spiegel nicht erhöhen lassen!
    Vegetarische Ernährung ergibt also eine fürs Immunsystem und für unsere Blutgefässe optimale Darmflora!

Ein zusätzlicher Faktor beim Fleisch ist auch der Antibiotika-Gebrauch beim Tier, welches dann mit Antibiotika-Spuren im Fleisch auf unserem Teller endet. Die Qualität des Fleisches unserer Nahrung ist also für unser Mikrobiom ebenfalls enorm wichtig!

  • Viel Fett im Essen lässt die Darmflora verarmen:
    Menschen, die wenig Fett und mehr Früchte und Gemüse – und auch Vollkornprodukte essen, haben eine reichere Darmbesiedlung.
  • Mediterrane Ernährung:
    Die sogenannte „mediterrane“ Ernährung könnte man auch „Jäger und Sammler-Ernährung“ (Paläodiät) nennen. Sie kann als Muster einer gesunden Ernährung angesehen werden.
    Sie besteht aus mässigem Alkoholkonsum, geringem Verzehr von Fleisch und Fleischprodukten – aber aus viel Fisch, viel Gemüse und Hülsenfrüchte, vielen Früchten und Nüssen.
    Auch optimal ist ein Verhältnis von viel ungesättigten zu weniger gesättigten Fetten und Öle: d.h. mehr Lein-, Oliven- oder Rapsöl – und weniger Sonnenblumen-, Maiskeim-, Distelöl und… Fleisch.
  • Stillen!
    Sein Baby Stillen ist eine der wichtigsten Massnahmen, damit das Kind eine reiche Darmflora aufbauen kann!
  •  Mehr Dreck!
    Ein Hund im Haushalt verbessert die Darmflora des Säuglings.
    Kinder, die auf dem Bauernhof aufwachsen ebenso.
    Kaiserschnittkinder und solche, die Flaschennahrung (anstatt Muttermilch) erhielten, haben hingegen weniger Bakterienvielfalt im Darm.
    Dies ist auch ein weiterer Grund gegen zuviel Antibiotikatherapie, vor allem im Kleinkindesalter.
  •  Mehr enge soziale Kontakte!
    Viele Freunde und viele enge soziale Kontakte fördern (mindestens mal beim Schimpansen, also wohl auch beim Menschen) die Vielfalt der Darmflora! Bei vielen Kontakten benötigt man auch einen grösseren Schutz vor Krankheiten. Deshalb sind wohl auch Ärztinnen, Kindergärtnerinnen und Lehrer nicht häufiger krank als die Durchschnittsbevölkerung…
  •  Weniger Mobilität, weniger Rumfliegen!
    Die steigende Mobilität, beruflich und privat, führt zu viel mehr Kontakten mit unbekannten pathogenen Keimen, was wiederum die Darmflora ungünstig beeinflusst.
  • Jede Antibiotikabehandlung (von uns selbst, aber auch der Tiere, die wir essen!) hat einen massiven und lang andauernden Einfluss auf das Mikrobiom!
    Die Dysbiose ist bis zu vier Jahren (!) andauernd! (Jakobsson HE et al. Short-term antibiotic treatment has differing long-term impacts on the human throat and gut microbiome. PloS One. 2010;5(3):e9836)
    Zudem ist die Qualität des Fleisches in unserer Nahrung enorm wichtig und sollte frei von Antibiotikum sein!

  • Eine gute, reiche Mundflora gehört zu einer reichen Darmflora oder verbessert diese.
    Wie kann ich also mein Mikrobiom in der Mundhöhle verbessern?
    Zu viel Zahnpasta bekämpft zwar die Kariesbakterien, verschlechtert aber allgemein unsere Mundflora. Wir brauchen als Erwachsene auch kein Fluor mehr.
    Die mechanische Reinigung unserer Zähne ist sowieso viel wichtiger als die zusätzliche Zahnpasta.
    Die optimale Zahnpflege sieht dementsprechend wie folgt aus:
    – Einmal täglich den Biofilm um die Zähne mit 2 Minuten Reinigung durch eine Ultraschallzahnbürste entfernen.
    – Dazu einmal täglich Interdentalbürstchen kurz zwischen den Zähnen durchziehen.
    – So wenig Zahnpasta wie nötig benützen!
    – Und keine Zahnseide mehr…
    – Dazwischen nur mit Wasser spülen und nicht mit speziellen Spüllösungen…
  • PPI (Medikamente gegen übermässige Magensäure, Reflux) meiden!
    Die Magensäure ist auch wichtig zur Bekämpfung von pathogenen Bakterien und Viren, die mit dem Essen in den Magen gelangen. Falls diese nun ungefiltert (da keine Säure mehr vorhanden) in den Darm gelangen, leidet das gute Gleichgewicht der Darmflora!
  • Eisentabletten und -infusionen, auch Suplemente, wie Carnithin verschlechtern die Qualität unserer Darmflora!
  • Auch manche weitere Medikamente beeinflussen die Zusammensetzung des Mikrobioms negativ. Unter diesen Arzneien befanden sich nicht nur Antibiotika und Abführmittel, sondern unter anderem auch Antihistaminika, Medikamente gegen Sodbrennen, Statine, orale Kontrazeptiva sowie Hormone, die in den Wechseljahren verabreicht werden. Aufgrund ihrer Ergebnisse vermuten die Wissenschaftler, dass der Einfluss zwischen Mikroben und Arzneien wechselseitig ist – dass die Darmbakterien also zumindest mit beeinflussen, wie ein Mensch auf ein bestimmtes Medikament reagiert.
  • Biologisch angebaute Pflanzen sind besser für die Darmflora!
    Es ist zu Bedenken, dass heute auch Pflanzen arg mit Herbiziden belastet sind. Im Vordergrund steht hier Glyphosat (http://de.wikipedia.org/wiki/Glyphosat), ein seit Jahrzehnten enorm verbreitetes Mittel zur Unkrautbekämpfung, welches mit unserer Nahrung aufgenommen unsere Darmflora schädigt und verarmen lässt. Biologisch angebautes Gemüse und Früchte werden so betrachtet noch wertvoller!
  • Indischer Flohsamen (Plantago ovata – auch Plantago psyllium: Sie quellen mit Wasser zu einem Schleim und erhöhen das Stuhlvolumen. Sie sollen deshalb immer mit ausreichend Flüssigkeit eingenommen werden und werden meist gegen Verstopfung gebraucht. Man kann damit aber auch das Klima im Dickdarm für die Darmflora sehr günstig beeinflussen. Der Flohsamen enthält sog. Präbiotika (komplexe Kohlenhydrate), die im Dünndarm nicht verdaut werden und unverändert in den Dickdarm gelangen und dort fermentiert werden.  Kurzkettige Fettsäuren, vornehmlich Acetat, Propionat und Butyrat, die von anaeroben Kolonbakterien produziert werden, stellen eine hauptsächliche Ernährungsquelle für das Kolonepithel dar. Butyrateinläufe zeigen z.B. positive Effekte bei Patienten mit aktiver distaler Colitis ulcerosa (chronische Darmentzündung). Da durch die Fermentation von indischem Flohsamen im Colon Butyrat entsteht, stellt man sich die Wirksamkeit unter diesem Mechanismus vor. Dies führt dann zu einer Bereicherung der Darmflora.
  • Inwieweit die Darmflora durch die direkte Zuführung von Mikroorganismen, beispielsweise durch Probiotika, beeinflusst werden kann („Symbioselenkung“), ist wissenschaftlich umstritten. Probiotika wirken aber beim Reizdarm, bei Colitis ulcerosa, sie können Durchfall durch Antibiotika verhindern und Reisedurchfall vorbeugen.

Wenn schon Probiotika, dann probiotisch wirksame Substanzen aus unserer normalen Nahrung: Zum Beispiel sehr reichlich im ausgezeichneten Sauerkraut vorhanden, das meist den in Functional Food beworbenen Milchsäurebakterien in gewissen Joghurts vorzuziehen ist! Oder als Synbiotika die kombinierte Anwendung von Probiotikum und einem für das Probiotikum als „Nahrung“ dienendes spezifisches Präbiotikum : z.B.

Bifidus-Natur-Joghurt mit einem geraffelten Apfel!

Dies muss konsequent täglich über einen grossen Zeitraum genommen werden. Nimmt man nämlich Probiotika eine Woche nicht mehr, ist auch die Wirkung wieder voll weg. Sie beeinflussen also nur transient das intestinale Mikrobiom.

Diät und intestinales Mikrobiom: eine kleine Überraschung

Diätinduzierte Alterationen können die intestinale Mikrobiomzusammensetzung und mittelbar systemische Entzündungsparameter regulieren und verändern. Ein sorgfältiger Vergleich des Effektes einer faserreichen Diät mit einer Diät reich an Joghurt und Käse («fermented food») zeigte, dass diese beiden Diäten die Mikrobiomzusammensetzung signifikant veränderten. Allerdings führten nur die fermentierten Milchspeisen zu einer über die Zeit progredient stärker ausgeprägten, signifikanten Unterdrückung einer Reihe von systemischen Entzündungsmodulatoren. Der Hauptteil der Mikrobiomveränderungen bei der faserreichen Diät dient der effizienteren Faserverdauung.
Wenn man also die systemische Entzündungsaktivität als zentral für viele Alterungs- und Degenerationsprozesse ansieht, ist eine Diät reich an fermentierten Milchspeisen gesünder als die weitherum gelobte ­faserreiche Kost! Folgen für rein vegane Kost?
Cell. 2021, doi.org/10.1016/j.cell.2021.06.019.

Mikrobiomanalysen und davon abgeleitete Ernährungstipps

«Das ist Augenwischerei», sagt Prof. Gerhard Rogler vom Universitätsspital Zürich. «Da wird den Leuten ein Haufen Geld aus der Tasche gezogen, mit Pseudowissenschaft, deren Nutzen minimal ist.» (NZZ, 28.02.2019)

Kommerzielle Darmbakterien-Tests für Verbraucher sind wenig aussagekräftig. Behauptungen von Unternehmen, sie seien dazu in der Lage, auffällige Mikrobiome zu erkennen, werden nicht durch die Forschung gestützt. Stattdessen werden Verbraucher ausgenutzt oder sogar geschädigt, schreibt die Gruppe um Diane Hoffmann von der University of Maryland in Baltimore in der Fachzeitschrift «Science»: «Derzeit besteht keine Einigkeit darüber, was eine gesunde Zusammensetzung des menschlichen Mikrobioms in einer Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe ausmacht». Es scheint so, dass ein gesundes Darm-Mikrobiom bei verschiedenen Menschen unterschiedlich aussehen kann.

Und noch dies…

Zum „lächelnden“ oder „traurigen Darm“ siehe die charmante Medizinstudentin und Science Slam – Gewinnerin Giulia Enders: www.youtube.com/watch?v=2qo3ueVlyUY

Sehr interessante Arbeit über das menschliche Mikrobiom im Darm aus dem Schweizerischen Medizinischen Forum: 2014;14(16-17):342-344!
u.a.: Falony G, et al: Science 2016;352(6285):560-564

Zhernakowa A, et al: Science 2016;352(6285):565-569

Zur Darmflora in der Schwangerschaft:
Tagesanzeiger vom 20.5.2019

Das Mikrobiom im Alter

Veröffentlicht am 30. Mai 2017 von Dr. med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
21. März 2024