Diätlos glücklich

„Mir gefallen Körper, die nicht von Zwängen, sondern von Leidenschaften geformt sind!“ Theresa Lachner

Wie man geniesst und diätlos glücklich wird

Das Gute sei im Müesli zu finden, das Schlechte im Schwein.
Oder: Was dick macht, ist des Teufels. So drucken sich Heerscharen von Ernährungsfachleuten aus. Ein Spezialist aber widerspricht ihnen allen. Er will beweisen, dass «Diät nichts hilft, dass Abnehmen sogar die Lebenserwartung verkürzen» kann. 
Dr. Nicolai Worin
greift in seinem Buch „Diätlos glücklich“  so viele Ernährungsthesen an, dass das Lesen richtig Appetit macht.
Der Autor fährt grobes Geschütz auf. Etwa dann, wenn er die japanischen Sumo-Ringer erwähnt. Die sind ja nun wahrhaftig dick. Mindestens 7000 Kilokalorien müssten sie täglich. verdrücken, um ihre Kolossfigur zu erreichen und erhalten zu können. Ihr Gesundheitsgeheimnis scheint einfach: Sie trainieren täglich stundenlang, sie bewegen sich ständig.
«Fett macht fett.» Täglich infiltriere uns der böse Zeitgeist mit dieser unfrohen Botschaft, schreibt Worin. Fett sei Sünde. Wer ein fettes Hängebauchschwein verdrücke und sich seinerseits einen Hängebauch zulege, der schädige nicht nur sich selbst, sondern belaste auch die Gesellschaft mit vermeidbaren Kosten.
« Karg, grün, ballaststoffreich und fettarm – das macht nicht nur schlank, das bringt uns auch der ewigen Gesundheit ein Stück näher. Die Kost muss einen Hauch von vorindustrieller Armseligkeit besitzen, damit sie wirklich gesund ist – so wie das Essen eines italienischen Bauern öder eines japanischen Fischers vor hundert Jahren! »
Keine einzige, noch so seriös daherkommende Studie habe beweisen können, dass eine fettarme Ernährung die fetten Probleme lösen könne. Bedenklich stimme, dass diese Falschbotschaft «mit kommerziellem Schwung und grossem Erfolg, in die Ernährungsgemeinden hineingetragen» würde.
An auf Anhieb einleuchtenden Beispielen macht der Kollegenbeschimpfer Nicolai Worin deutlich, dass es völlig Wurscht ist, wie hoch der Fettanteil in den Speisen ist: «Zunehmen kann man nur, wenn die gesamte Kalorienzufuhr höher ist als der Energieverbrauch! Das heisst, alles macht auf Dauer <gleich dick>, ganz egal, wie fett- oder kohlenhydrathaltig die Nahrung ist, wenn damit ein Kalorienüberschuss, das heisst eine <positive Energiebilanz> zustande kommt.»

Fett Fett sein lassen

Die sich ständig in der Natur bewegenden afrikanischen Massai, deren Kalorienzufuhr zu weit mehr als der Hälfte aus Fett bestehe, seien in den meisten Fällen schlank.
Und auch ein weisser Büroangestellter, der jeden Tag über 3000 fette Kilokalorien in sich hineinfuttere, müsse keinen Bauchansatz befürchten, wenn er vor oder nach der Arbeit «entsprechende Kilometer trabt».
Der Autor lobt die Südländer, die trotz hohem Fettanteil ihrer Speisen in aller Regel schlanker bleiben als Deutsche oder gar Amerikaner. Grund: Wasser und Brot, zu den Mahlzeiten genossen, machen satter. Genauso wie das langsame Essen, Gespräche dazwischen und das bewusste Geniessen. Es käme keinem Italiener in den Sinn, Süssstoff in seinen Espresso zu kippen, keinem vernünftigen Franzosen, eine kalorienreduzierte Mousse zu bestellen.
Geradezu «pervers» sei die Fixierung auf Fett als Bösewicht. Denn Fett weide vom Menschen seit Urzeiten besonders gerne gegessen, «weil es seine Aroma- und Duftstoffe überaus betörend verströmt, weil der Geschmack köstlich und die Konsistenz angenehm ist, weil es uns sättigt und uns lebenswichtige Fettsäuren liefert. Hätte die Natur uns derart auf Fett reagieren lassen, wenn es Gift für uns wäre? Hat die Evolution bezüglich Fett gänzlich versagt? Ein Programmierfehler? Haben wir ausgerechnet gegenüber allen andern Bösewichten in der Nahrung gelernt, mit Widerwillen und Abneigung zu reagieren, etwa wenn eine verführerisch leuchtende Frucht am Baum oder Strauch uns <böse> will – und nur beim Fett nicht?» Lassen wir Fett mal Fett sein. Doch bleiben wir beim leidigen Thema des Zudickseins. Massloses Übergewicht muss ärztlich behandelt werden. Doch was ist masslos? Die paar Kilos vielleicht?
Jede Frau, jeder Mann, der sich irgendeiner nur vermeintlich logisch wirkenden Abmagerungskur unterzieht, muss sich folgender Ironie bewusst werden: «Was sind schon Gallensteine, die sich bei Reduktionsdiät gerne bilden? Wen interessiert schon die Knochenentkalkung mit dem damit verbundenen Risiko für Osteoporose und Knochenbrüche, wen kümmert die erhöhte Harnsäure, die einen kleinen Gichtanfall gerade dann auslöst, wenn man dabei ist, so richtig schlank und gesund zu werden?»
Es wird noch üppiger: «Ein bisschen Leberfunktionsstörungen, eine kleine Krise im Wasser- und Elektrolythaushalt und das bisschen Verlust an Muskelmasse an Körper und Herz – das ist doch alles zu verkraften und wird schliesslich weit übertroffen von den gesundheitlichen Vorteilen, wenn man endlich von dem lästigen Übergewicht herunterkommt.»
Nicolai Worin ist beileibe nicht der einzige, der vor dem rigorosen Abnehmen warnt, Genuss dafür um so intensiver empfiehlt.
Der Arzt Hans Balzli, Autor so unterschiedlicher Bücher wie «Körperschönheit trotz Mutterschaft» und «Nütze die Arbeitspause – Atmung und Gymnastik, die tägliche Kraftquelle des Berufstätigen», dieser Arzt war auch ein grosser Geniesser. Schon im Jahre 1931 kam sein hübsches Buch «Gastrosophie, ein Brevier für Gaumen und Geist» heraus.
Darin schrieb er: «Ich will auf keinen Fall die Bejammernswerten zu beeinflussen versuchen oder gar verführen, die – im Banne irgendwelchen Vorurteile oder Sektierereien – in die Welt hinausposaunen, die Ernährung sei etwas Niedriges, Tierisches, Materielles, und im Verfolg dieser vorgefassten Meinung jede Freude am Essen und Trinken als Sünde verschreien, ja nicht einmal den bescheidensten Tafelgenuss zulassen. Ihnen ist in ihrer Verschlossenheit und Kulturlosigkeit überhaupt nicht beizukommen, ihnen kann niemand helfen. Ich will sie ihrem grässlichen Frasse nicht abspenstig machen.» Balzli schliesst sein Vorwort ab mit dem Satz: «Denn böse sind nur hungrige und unbefriedigte Menschen.» Darüber müsste man nachdenken.
Nicolai Worin vergleicht Marilyn Monroe in ihrem Film «Some like it hot» mit dem heutigen Fotomodell Kate Moss.
Die Monroe galt damals als Traumfrau, sie hatte eine Traumfigur. «Heute würde sie eher als Model für Übergrössen» eingesetzt.
«Zu unseren Zeiten, da Kate Moss und ihre ausgehungerten Kolleginnen zur Verkörperung des Schönheitsideals geworden sind, kann man allerdings bereits wieder Hoffnung schöpfen: Schlimmer kann es eigentlich nicht mehr werden.» Nur „der geordnete Rückweg“ biete sich an.
Das heisst: Es gibt keine verbotenen Lebensmittel mehr. jedes Essen soll eine Befriedigung hinterlassen. Essen Sie mit gutem Gewissen. Geniessen Sie, darüber freut sich Ihr Wohlbefinden.
Und lassen Sie sich von niemandem terrorisieren. Auch von Ernährungsberaterinnen und -beratern und zwielichten Langzeitstudien nicht.

Klinische Studien zu Diäten

Dazu drei Studien an fast 50’000 Frauen im Alter von 50 bis 80 Jahren, die während acht Jahren den Einfluss einer Diät mit geringem Fettgehalt (low fat diet) auf die Inzidenz von Brustkrebs (sollte das Risiko vermindern!), Kolonkarzinom (dito!) und auf das kardiovaskuläre Risiko (auch das sollte abnehmen!). Und was kam dabei heraus? Die Diät reduzierte keines der geprüften Risiken – weder das für Karzinome noch jenes für Herz-Kreislauf-Vorfälle! Ob dieses Ergebnis den Eindruck verstärkt, dass mit Diäten wenig bis nichts zu ereeichen ist, und dass man zwar mit Exzessen das Leben verkürzen, es mit Restriktionen aber kaum verlängern kann?! (Prentice RL, et al. / Beresford SA, et al. / Howard BV, et al. Low-fat dietary pattern and risk of invasive breast cancer / colorectal cancer / cardiovascular disease. The Women’s Health Initiative randomised controlled dietary modification trial. JAMA 2006;295:629-42 / 643-54 / 655-66).

Fuck it, bitch. Stay fat!

Dieses Buch von Samantha Irby „We never meet in real life“ war mal dringend nötig. Das Thema ist nicht neu – ein Rant gegen Diäten – aber wie sie’s aufschreibt lässt den Leser auf diese tiefe, behäbige Weise lachen, die Alltagsweisheit signalisiert. Kostprobe:
„Do you really need another article about how important it is to eat a big breakfast full of healthy fats and whole grains to curb afternoon snacking? NO, YOU DO NOT. You need bitches to write about how comfortable maternity jeans are for women who aren’t really pregnant. And sexy ways to remove a bra that has four hooks. I’m always amused when they encourage you to eat “instead” foods, like eating an apple when you really want to rub a bacon cheese­burger all over your boobs is a fair substitute.“ 

Lesen Sie auch diese verwandte Seite über die W/R-Ratio oder den BMI + über Abnehmen!

Veröffentlicht am 17. Juni 2017 von Dr. med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
23. November 2017

Genuss und Schuldgefühle

„Ob gesund oder krank, habe ich mich immer willig von den Gelüsten leiten lassen, die sich in mir regten. Ich räume meinen Wünschen und Neigungen großen Einfluss ein. Ich liebe es nicht, Übel durch Übel zu heilen; ich verabscheue die Heilmittel, die beschwerlicher sind als die Krankheit. (…) Alles, was ich mit Unlust zu mir nehme, ist mir schädlich, und nichts ist mir schädlich, was ich mit Lust und Hunger genieße; nie ist mir Nachteil aus einem Beginnen erwachsen, das mir großes Vergnügen bereitete. Und so habe ich meinem Vergnügen gar grosszügig vor allen ärztlichen Ratschlüssen den Vortritt gegeben.“
(Michel de Montaigne, Essais: Von der Erfahrung, S. 861f.)

Was tut mir gut?!

Schrecklich, die moralsaure Vorstellung wie all unsere versauten Nahrungsmittel uns verseuchen und verpilzen, uns wurmstichig zernagen…
Ich plädiere hingegen zu fragen: „Was tut mir gut?“ und nicht immer „Was kann mir schaden?“.
Wir sollten wieder lernen, freudvoll und schuldenfrei zu geniessen!

Soziale Kontrolle durch Gesundheit

Die Medizin ist aufs Negative fixiert, sie liebt Warnungen vor Gefahren. Wie andere Religionen hat die Medizin mittlerweile ein eigenes Moralsystem geschaffen: Rauchen, Weissbrot, Chips, Salz oder Fett essen, ein Stubenhocker sein, keine Kondome benutzen, Alkohol, Nikotin oder Haschisch konsumieren, Sonnetanken, keinen Motorradhelm tragen: All diese Dinge sind unmoralisch – der Preis solcher Sünden ist ein früher Tod. Die Folgen dieses Moralsystems sind Schuldgefühle. Und die erzeugen massiven, krankmachenden Stress, senken das Wohlbefinden und können sogar zu Depressionen führen.
Die Moral, die soziale Kontrolle, funktioniert heute nicht mehr über Sex, sondern über Gesundheit! Die Kontrolle funktioniert über den Körper-, Schlankheit-, Fitnesskult, über die Ernährung und die Leistungsfähigkeit. Seit Sparta gibt es eine Form von Gesundheitsfaschismus. Das gehört zum menschlichen Dasein. Der Kult von Reinheit, Stärke, Körper – bis hin zur Rassenreinheit im Nationalsozialismus (Siehe dazu auch der spannende Artikel über die neuen vielen Guidelines in der Medizin hier:  Guidelines: the new catechism of modern medicine? Levi M.; Netherl J Med 2012 (August); 70: 253-4: guidelines.pdf)

Gesundheitsbewegungen hatten immer etwas zutiefst Antiliberales. Umgekehrt hat der Genuss immer etwas Subversives, Ideentreibendes, Verdächtiges. Dadurch bekommt Rauchen heute langsam den ambivalenten Status von Pornografie: Etwas Abstossendes und Anziehendes zugleich.

In dieser ambivalenten Situation trennen sich auch die Glückssucher von den Unglücksvermeider, zwei völlig verschiedene Typen: Die einen stellen ihr Leben völlig auf Sicherheit ein (kein Rauch, gesundes Essen, keine AKW…) und die anderen suchen das Glück, den Exzess und sind bereit, Unglück (und frühen Tod und Krankheit durch Rauchen, etc.) zu riskieren!

Zur Bedeutung des Exzess in der Menschheitsgeschichte ein berauschender Beitrag aus der Republik: kurze-geschichte-des-lasters.pdf

Essen ist der neue Sex

Mittlerweile ist es üblich, dass sich auch die ganz Braven einmal pro Woche einen sogenannten Cheatday gönnen. So jedenfalls wird es unter dem entsprechenden Hashtag in den sozialen Medien propagiert. Die «Cheater», sprich Betrüger, gehen dann allerdings nicht in eine Bar und schleppen dort zwecks Geschlechtsverkehr ein Date ab. Nein, sie dürfen an jenem Tag bloss essen, was ihnen beliebt. Also nicht nur gesundes Zeug, sondern vielleicht auch etwas Schokolade oder gar eine Fertigpizza.
Klingt eigentlich sympathisch. Ist es aber nicht. Wer sich verpflegungsstechnisch entspannen will und auch mal Süsses und Fettiges zu sich nimmt, begeht offenbar nichts weniger als einen Betrug. Als wären wir unserem Essen moralisch verpflichtet und könnten Gemüse oder Chiasamen hintergehen. Die Vorstellung mag amüsieren. Doch sie offenbart, wie verkrampft, ja dogmatisch unser Verhältnis zur Nahrungsaufnahme geworden ist. Man isst nicht mehr vorzüglich oder miserabel, sondern richtig oder falsch. Es gibt gute und böse Lebensmittel. Wer gesund speist, lebt besser, länger, glücklicher.
Diese neue Moral hat voll aufs Volk übergegriffen: Die moderne Mutter sorgt sich nicht mehr, dass die Tochter an einer Party richtig küsst, sondern dass sie falsch isst. Das Essen (und andere Mediziner-Dauer-Themen, wie Bewegung, Rauchen,…) haben in unserer Gesellschaft den moralischen Stellenwert eingenommen, den Sex bis vor ein paar Jahrzehnten noch innegehabt hat! Gesunde Ernährung ist zum moralischen Imperativ geworden. Vegetarier, Veganer und Fruktarier basteln aus dem Inhalt ihres Kühlscharnks – oder besser: aus dem, was sich nicht darin findet – eine ganze Lebenshaltung. Und übrigens meist eine, mit der man sich moralisch besser fühlen kann, mit der man sich so schön vom dumben Rest der Menschheit abheben lässt. Gourmetsendungen im TV werden als Foodporn bezeichnet. Der Bioladen um die Ecke wird zum Glaubenstempel erkoren. Und wie bei jeder installierten Moral wird irgendwann vom Recht zum Widerstand Gebrauch gemacht und wird richtig cool: Im Internet gehört das Food-Selfie mittlerweile zum guten Ton. Models beissen gierig in eine Pizza oder schlecken lüstern eine Glace. Schaut alle her, wie verwegen ich bin! Junk-Food als Verführung in der Welt der oralen Enthaltsamkeit…(teils zitiert aus der Sonntagszeitung vom 20.01.2019 und Nicole Althaus in „Essen ist der neue Sex“ aus der NZZ am Sonntag vom 22.6.14 – Danke!)

Hauswartsyndrom

Die WHO listet 3350 Grenzwerte für Pestitzidrückstände in Lebensmittel auf. Das stumpft ohnehin ab und erhöht den Widerwillen gegen gesundheitsförderliche Ratschläge. Risiken breiten sich seit etwa dreissig Jahren in der medizinischen Literatur in den Medien und im Bewusstsein der Menschen geradezu epidemisch aus. Die meisten Menschen haben grosse Angst vor dem Sterben. Deshalb sind sie offen für vieles, was Gefahren und Risiken vermeintlich minimiert. Dies anderen Menschen ständig vorzuhalten, nenne ich „Hauswartsyndrom“: Man macht den anderen durch (unhaltbare) Massregelungen schuldig und dies gibt Macht. Über Schuldgefühle kann man Menschen führen. Wünschenswert wäre aber, Menschen über Achtung und Respekt vor anderen Menschen, vor Tieren, der Natur, vor Gegenständen zu führen. Was voraussetzt, dass man sich selber achtet. Wir müssen wieder lernen, Verantwortung für uns selber zu übernehmen. Verantworten heisst sich selber antworten. Indem ich mir selber antworte, entscheide ich, ob ich etwas als gesundheitsschädlich erachte oder nicht. Konkret: Wenn ich abends zu viel getrunken habe, erbringe ich anderntags nicht die gleiche Leistung; vielleicht bin ich gereizt. Nehme ich das bewusst wahr, kann ich gelassen reagieren, ohne quälende Schuldgefühle: Du hast dir gestern geschadet, das nächste Mal passt du besser auf (es kann aber auch das nächste Mal schief laufen).

Selbstbeobachtung

Wie kann man diese Selbstbeobachtung fördern? Indem man fünf Minuten pro Tag dasitzt und nichts macht – nicht Radio hört, nicht fernsieht, nicht im Internet surft, nicht Zeitung liest. Nur dasitzt. Und sich beobachtet und Fragen stellt: Willst du auf diese Weise alt werden, so wie du heute lebst? Mit welchen Gefühlen bist du heute aufgestanden? Was hast du für eine Beziehung zu deiner Partnerin, deinem Partner? Gestern hast du zuviel getrunken – wie stehst du heute dazu? Es braucht sehr, sehr wenig, um mit sich selber Kontakt aufzunehmen. Eine andere Möglichkeit, Distanz zu sich selber zu schaffen, ist ein Tagebuch führen. Oder abends vor dem Zubettgehen eine Zeichnung von sich selber machen. Was für Farben nehme ich? Was bedeuten diese Farben? Oder man kann den Tag auf ein Tonband sprechen.
Betrachten Sie die Ereignisse aus einer anderen Perspektive, entwickeln Sie eine distanziertere, umfassendere Sicht. Abgrenzung verhindert Wachstum. Oder mit Albert Einstein ausgedrückt: „Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit dem Radius Null – und das nennen sie dann ihren Standpunkt.“
Solche Methoden kann jede Person anwenden; sie verlangen weder psychologisches Wissen noch eine Therapie.

Genuss vs. Selbstkontrolle

Es herrscht noch immer die Auffassung, dass primär Selbstkontrolle helfe, ein zufriedenes und erfolgreiches Leben zu führen, indem langfristige Ziele über kurzfristiges Vergnügen gestellt werden. Doch es ist Zeit umzudenken, zeigen neuere Studien.
Selbstkontrolle ist zwar durchaus wichtig für ein Leben, das als sinnhaft und erfolgreich empfundenen wird. Aber die Fähigkeit, lustvolle Aktivitäten zu geniessen, trägt mindestens ebenso viel zur Lebenszufriedenheit bei.
Dabei stehen beide Fähigkeiten nicht im Widerspruch zueinander. Für ein zufriedenes und erfolgreiches Leben sind beide wichtig. Es gilt, im Alltag – einmal mehr – die richtige Balance zu finden.
„Selbst-Kontrolle“ kann so neu als „Empathie zu sich selbst“ gesehen werden – und schliesst so den Genuss sicher nicht aus.
Die Studien zeigen: Menschen, die sich dem Genuss ungeteilt hingeben können, erleben nicht nur kurzfristig mehr Wohlbefinden, sondern weisen generell eine höhere Lebenszufriedenheit auf. Sie leiden zudem weniger an Depressions- und Angstsymptomen.
Dabei zeigte sich aber, dass man sich in Genuss- oder Entspannungsmomenten nicht gedanklich ablenken lassen darf, um davon zu profitieren. Das Grübeln über Aktivitäten oder Aufgaben, die man stattdessen erledigen sollte, untergräbt das unmittelbare Bedürfnis, sich zu entspannen.
Sich einfach häufiger einen Abend auf dem Sofa, ein gutes Essen oder ein Bier mit Freunden zu gönnen, führt also nicht automatisch zu mehr Zufriedenheit, so das Fazit der Forscherinnen. Man darf gleichzeitig nicht abgelenkt sein vom Genuss. Und das sei offenbar «nicht ganz so leicht».
(Katharina Bernecker, Uni Zürich & Daniela Becker, Leibniz-Institut für Wissensmedien, Germany: The ability to pursue hedonic goals and its consequences for well-being)

Willenskraft? Selbstkontrolle? Nein: Gewohnheiten!

Wir überschätzen uns und unsere Willenskraft und unsere Selbstkontrolle. Wir glauben, wenn wir uns nur am Riemen reissen, könnten wir jederzeit unser Verhalten steuern und unsere Ziele erreichen. Das stimmt aber leider nicht.

Wann soll man skeptisch werden? die „Guru-Medizin“.

Lassen Sie sich nicht den Genuss am Leben vergällen und madig machen, z.B. von sog. Therapeuten, die ein Bild vom Menschen als Müllhalde haben, der entgiftet werden muss (Darmspülungen, Entgiftung, Ausleitung, Dauerbrause, Detoxikationen…), die ein Horrorszenario von Umweltgiften, Pilzen und Mikroorganismen ausmachen – „madig“ eben…
Es scheint auch viel „Galle“ da zu sein, eine aggressive Art, sich von sämtlichen „Nichtgläubigen“ abzugrenzen. Schulmediziner grenzen z.B. Homöopathen aus – und umgekehrt, Impfverfechter Impfgegner,…
Skeptisch soll man als mündiger Mensch werden, wenn also von schrecklichen Menschenbildern ausgegangen wird, wenn nur auf die kranken Seiten fokussiert wird und nicht auch auf die gesunden, wenn „gallig“ abgegrenzt wird – und auch wenn teure Behandlungen und Apparate als das Einzigrichtige verkauft wird (Stichwort „Guru-Medizin“). Gegen Elektrosmog und Wasseradern benötigt man keine tausendfränkigen Abschirmungen – man findet im Internet auch Bastelanleitungen für wenige Fränkli. Das Bett verstellen oder den Radiowecker, das Freihandtelefon, den Router und Repeater ausziehen und das Smartphone nachts in den Flugmodus setzen, kann schon reichen. Diätpläne müssen nicht teuer erkauft werden (ernaehrung/). Auch Fitness nicht (jogging/). Anti-Aging auch nicht (anti-aging/). Amalgam soll nicht auf ein Mal rausgerissen werden: max. zwei Plomben im Jahr sind für unseren Körper noch tragbar. Nicht gegen alles und jedes impfen – aber auch nicht nichts: individuell entscheiden (www.impfo.ch).

Was ist dann gesund?!

Man darf ja gar nicht so laut verkünden, dass Gesundheit eigentlich sehr einfach zu erlangen ist (Ärzte würden ja arbeitslos…):
Lebe massvoll, lustvoll, natürlich und mit viel Bewegung!
Der Geist soll in eine glückliche Stimmung kommen. dafür ist Warmherzigkeit der Schlüsselfaktor. Wenn Sie ein gutes Herz haben, einen offenen Geist und sich und andere Menschen achten, werden Sie gesund. Betrachten Sie die Dinge aus einer anderen Perspektive, entwickeln Sie eine distanzierte, umfassendere Sicht.
Wer sich zu sehr mit dem eigenen Ich beschäftigt, kreist um sich selbst, und das schafft vor allem Beklemmungen. Man sollte sich für etwas anderes interessieren als nur für die eigene Haut und Haare!
Auf meiner Seite über Salutogenese habe ich viel über Dinge geschrieben, die Ihre Haltung zu Ihrer Gesundheit verändern können – und über die Resilienz in Krisenzeiten.
Die „Entgiftung und Entschlackung“ jeder unserer Körperzelle mittels der wunderbaren Autophagie anregen: ganz einfach mit dem Intervallfasten! (walserblog.ch/2019/01/12/detox-intervallfasten/)

Schuldfreier Genuss

Auch in der Medizin gibt es zum Glück Gegengewichte: z.B. David Warburton, Professor für Psychopharmakologie im südenglischen Reading begann ein weltweites Netzwerk mit Leuten zu spinnen, welche die heilsame Wirkung von Dingen ergründen, „die uns Spass machen“. Heute sind fünfzig Freuden- und Genussforscher aus 13 Ländern miteinander verbündet, von Soziologinnen bis Medizinern. Ihr programmatischer Name: Arise (Associates for Research into the Science of Enjoyment ). Sie konnten in zahlreichen Arbeiten zeigen, dass so „schreckliche“ Dinge, wie Schokolade, Kaffee, Alkohol, … bei schuldfreiem Genuss mehr heilen als schaden.
Es wurde sogar gezeigt, dass ein Stück Schokoladenkuchen (oder was man sonst sehr gern mag) zum Frühstück zu besseren Abnehmen (mehr und andauernd) führt, als bereits schon ein genussfeindliches Frühstück (Steroids, 77 (2012) 323-331)!

Vor beinahe 50 Jahren stellten Psychologen die These auf, dass die Menschheit einen Hang zum Guten hat: Auch unsere menschliche Sprache neigt zum Guten. Sie enthält mehr positive Wörter als negative. Dies haben jetzt amerikanische Mathematiker bestätigt («Pnas», online). Dazu haben sie einen immensen Datensatz mit mehreren Milliarden Wörtern ausgewertet. Als Quelle dienten Filmuntertitel, Songtexte, Romane, Zeitungsartikel und andere Dokumente in zehn verschiedenen Sprachen. In allen Quelltypen waren positiv besetzte Wörter in der Überzahl. Fazit: Wir reden lieber über die Sonnenseiten des Lebens.

www.mutmacherei.net: Wollen Sie endlich mal was anderes hören als Bankenrettung, Kernschmelze und Wirtschaftslobby? Die Mutmacherei bringt Ihnen wirkliche good news, die Sie staunen lassen!

…und der sinnvolle „The Happy Broadcast“: www.maurogatti.com/the-happy-broadcast

Hier muss auch ein Medienprojekt erwähnt werden, welches – leider eine Seltenheit in der Medienszene – speziell zur Verbreitung positiver Nachrichten und Geschichten des Gelingens erschaffen wurde: www.visionews.net!

Schuldfrei und genussreich Sonnetanken

Wer Sonne meidet, stirbt früher!
Zu diesem Schluss kommt eine Langzeitstudie aus Schweden: Zu strenge Regeln im Umgang mit der Sonne können der Gesundheit mehr schaden als nutzen. Die Behörden haben in der Gesellschaft die Vorstellung gefördert, dass die Sonne ausschliesslich gefährlich sei. «Dieses Bild muss sich verändern.», so die Studienleiter.
So hatten Studienteilnehmerinnen, welche die Sonne mieden, ein doppelt so hohes Risiko an Herz- und Kreislaufkrankheiten zu sterben, als extreme Sonnenanbeterinnen. Ihre Lebenserwartung sank im Vergleich um bis zwei Jahre. Diese Resultate überzeugen auch den Hautarzt Mark Anliker aus Winterthur. «Das Ergebnis ist eindeutig und stimmt auf jeden Fall. Wer mehr Sonne tankt, lebt länger.» Was genau für die bessere Lebenserwartung der Sonnenanbeterinnen verantwortlich ist, lässt die Studie offen. Die Forscher weisen auf einen möglichen Zusammenhang mit der verstärkten Produktion von Vitamin D hin. Für Anliker ist ein gesamthaft gesünderer Lebensstil wahrscheinlicher: «Wer viel draussen an der Sonne ist, ist häufig auch körperlich aktiv. Hinzu kommt die frische Luft und das psychische Wohlbefinden.» Mehrere Studien belegen, dass die Sonne gegen Depression hilft. «Besonders morgens und abends. Das helle Sonnenlicht setzt über die Netzhaut Glücksgefühle im Gehirn frei und wirkt positiv aufs Gemüt.»
Ein Freipass für stundenlanges Sonnenbaden ist die Studie aber nicht. «Es geht darum, täglich etwa eine halbe Stunde Sonne an Sie hilft bei Ekzemen, Schuppenflechten, Akne und Allergien.»

Weiterlesen:

​Selbstoptimierung

Die Philosophin Ariadne von Schirach beschreibt in Ihrem Buch «Du sollst nicht funktionieren» die Folgen dieses Leistungsdruckes der Selbstoptimierung als fatal:
„Jenseits von Burn-Out, Einsamkeit und Angst ist doch das Schlimmste an der unablässigen Selbstoptimierung dieser überall bemerkbare Verlust von Lebensfreude. Wir verlernen, uns gehen zu lassen. Die Fähigkeit, Hingabe, Lust und Rausch zu erleben und zu geniessen, kommt uns durch diese dauernde Selbstbeobachtung und -kontrolle abhanden. Doch das ist nicht alles.
Die Philosophie rät seit Jahrtausenden, der Mensch solle sich um seine Seele kümmern. Das bedeutet, eine Beziehung zu seinem Inneren zu haben – zu seinen Gefühlen, Träumen und Werten. Zu seiner eigenen Lebendigkeit. Wenn diese Beziehung verloren geht, verlieren wir auch den Sinn unseres Lebens.
Selbstoptimierung als eine Form von Kontrolle suggeriert nun Sicherheit. Auch angesichts der umfassenden Beschleunigung versuchen wir, an etwas festzuhalten: an unserer Jugend oder an unserer Leistungsfähigkeit.
Zugleich versuchen wir uns immer wieder auf allen möglichen Märkten zu beweisen – vom Dating- bis zum Arbeitsmarkt.
Dadurch wird der Selbstwert zum Marktwert. Dabei vergisst man leicht, dass jeder Mensch, genau so wie jedes Stück Natur und jedes Tier, an sich wertvoll ist. Dieses Wissen müssen wir uns zurückerobern.
Also zurück zur Authentizität?
Da muss man differenzieren: Das Authentische des Menschen ist nicht nur sein Inneres, sondern eben Inneres und Äusseres zusammen. Diese puritanische Haltung, wir müssten uns nur auf das Innere konzentrieren und der verlogenen äusseren Welt abschwören, bringt uns auch nicht weiter.
 Was bringt uns denn weiter? Wäre ein Mittelmass aus Selbstoptimierung und Lebenskunst optimal?
Ich glaube, der entscheidende Gedanke hinter dieser Frage betrifft nicht nur das Mass, sondern auch die Motivation. Es ist sinnvoller, die Energie, die wir in die Optimierung unseres Selbst stecken, dafür zu nutzen, das Bild, das wir abgeben möchten, mit unserer inneren Wirklichkeit in Korrespondenz zu bringen.
In einer Zeit, in der die Welt so sinnlos und brutal wirkt, liegt es an jedem Einzelnen, Widerstand gegen Konkurrenz, Kälte und Gier zu leisten. Das beginnt mit einem nutzlosen Lächeln, das wir dem anderen schenken, anstatt ihn oder sie einfach nur abzuchecken. Es ist an der Zeit, wieder Lieben zu lernen und das Leben zu wagen, anstatt es nur zu verwalten.“

Zu Tantra als Grundhaltung mit Annehmen der Lust und des Körpers als „Tempel der Seele“ – im Gegensatz zur etwas rigid-streng-moralischen Grundhaltung in der westlichen Medizin: http://walserblog.ch/2016/12/14/tantra/

„Fuck it, bitch. Stay fat!“
Dieses Buch von Samantha Irby „We never meet in real life“ war mal dringend nötig. Das Thema ist nicht neu – ein Rant gegen Diäten – aber wie sie’s aufschreibt lässt den Leser auf diese tiefe, behäbige Weise lachen, die Alltagsweisheit signalisiert. Kostprobe:
„Do you really need another article about how important it is to eat a big breakfast full of healthy fats and whole grains to curb afternoon snacking? NO, YOU DO NOT. You need bitches to write about how comfortable maternity jeans are for women who aren’t really pregnant. And sexy ways to remove a bra that has four hooks. I’m always amused when they encourage you to eat “instead” foods, like eating an apple when you really want to rub a bacon cheese­burger all over your boobs is a fair substitute.“ 

Diätlos glücklich – ein Plädoyer für den Genuss!

Zur Bedeutung des Exzess in der Menschheitsgeschichte ein berauschender Beitrag aus der Republik: kurze-geschichte-des-lasters.pdf

Letzte Aktualisierung:
03. Juni 2022

Gewicht Abnehmen

Bin ich überhaupt zu fett?!  

Gesundheitlich wichtig ist die sogenannte Waist-Hip-Ratio !

Kurz und bündig:  Unstrittig in der Praxis ist nur, dass ein BMI zwischen 22 und 28 erfreulich ist und dass bei 40 (und übrigens unter 15) die Alarmstufe Rot beginnt. Dazwischen herrscht Verwirrung.


(Copyright beim Photographen)

Eugénie Rebetez: ein tolles Beispiel für eine kreative Mollige, die absolut sich selbst und in Bewegung ist (und damit auch absolut „gesund“)!

Weshalb will ich abnehmen? Werde ich dabei glücklicher?

Um abzunehmen, ernähren und bewegen sich Menschen oft aus den falschen Gründen gesund. Sie wollen besser aussehen, weil sie glauben, dadurch glücklicher zu werden. Doch das funktioniert kaum: Zwar gibt es einen Zusammenhang zwischen besserem Aussehen und mehr Zufriedenheit, aber der ist so gering, dass sich der Aufwand kaum lohnt.

Nehmen wir an, Sie sind in Bezug auf Attraktivität und Glück völlig durchschnittlich. Entschlossen, schöner zu werden, investieren Sie viel Arbeit – Diät, Sport, Operationen, was auch immer – und streben danach, schöner zu sein als 84 Prozent der Bevölkerung. Wissenschaftler fanden heraus, dass Ihr Glück dadurch nur um etwa vier Prozentpunkte steigen würde. Wenn Sie bereits eine Ausbildung haben, arbeiten und verheiratet sind, würde Ihr Glück nur um zwei Punkte steigen.

Klar, dass für dieses bisschen mehr Glück kaum jemand bereit ist, fünf Stunden pro Woche zu joggen und sich von Magerquark zu ernähren, zumal die Freude am Rumsitzen und Torte essen viel unmittelbarer ist. Tatsächlich wirkt auch dieser Effekt nur kurzfristig.

Gewichtsabnahme ist noch aus weiteren Gründen nicht automatisch gleichbedeutend mit Glücklichsein >>> Geisterfett

Mit Ihnen ist alles in Ordnung!

Andere Menschen wollen Ihnen einreden, dass Ihr Übergewicht Sie behindert, um Ihnen Krücken zu verkaufen. Werfen Sie diese Krücken weg, und Sie können gehen. Das ist alles, was ich sagen kann. Ihre Angst ist: „Was, wenn ich falle?“ Legen Sie die Krücken weg, und Sie werden nicht fallen.
Das Erste, was die Menschen hören, wenn sie zu mir kommen, ist: „Mit Ihnen ist alles in Ordnung.“ Sie werden überrascht sein, wie unwillkommen diese Nachricht oft ist. Ich schlage vor, aus der Opferrolle herauszutreten und zu denken: „Andere Menschen sorgen dafür, dass ich mich so fühle.“ Ändern Sie Ihre Meinung, Ihr Urteil über sich selbst!

Sagen Sie statt: „Ich muss zuerst abnehmen, um mich wieder am Leben zu erfreuen“, lieber: „Ich sorge gut für mich und achte besser auf mich, das fühlt sich gut an und dabei bleibe ich. “ Diese Einstellung ist sanft und spendet Trost.

Wenn Sie in schwierigen Zeiten zu Kartoffelchips und der Couch greifen, sollten Sie die Strategie des „entgegengesetzten Signals“ in Betracht ziehen, die wenig geistige Anstrengung erfordert. Wenn Ihr Verstand Ihnen sagt, dass Sie sich betäuben sollen, erwachen Sie stattdessen zum Leben: Bewegen Sie sich, wenn Sie sich am liebsten verkriechen möchten; essen Sie nährstoffreiche Nahrung, wenn Sie sich nach Junkfood sehnen. Beginnen Sie damit, in den Momenten, in denen Sie den Drang verspüren, sich zusammenzurollen, einen Spaziergang im Freien zu machen. Kein Geringerer als Hippokrates nannte das Gehen „die beste Medizin des Menschen“, und Forscher sehen darin seit langem das Heilmittel für viele unserer physischen, psychischen und sogar sozialen Leiden.

Keine Verbote! Und die Reihenfolge beim Essen beachten

Damit Sie Ihr Gewicht reduzieren können, benötigen Sie zwar insgesamt weniger Kalorien als Sie verbrauchen. Am besten machen Sie sich aber keine Verbote. Füllen Sie einfach die Hälfte des Tellers mit Gemüse, einen Viertel mit Vollkornprodukten (Pasta oder Brot) und einen Viertel mit Lebensmitteln die viel Eiweiss enthalten wie Hülsenfrüchte (Erbsen, Bohnen, Lupinen), Hartkäse, Fisch oder Ei. Wenig oder kein Fleisch!
Die ideale Reihenfolge während der Mahlzeit beachten:
1. zuerst die Ballaststoffe (Gemüse, Salat, Nüsse), dann
2. die Proteine (Käse, Hülsenfrüchte, Fisch, Ei) und erst zum Schluss (falls überhaupt)
3.) die Stärke (Vollkornbrot, Pasta) und wenig Zucker (als Dessert).

Essen Sie zusätzlich etwa zwei Handvoll Früchte pro Tag und nur wenig Speisen wie Süssigkeiten oder salzige Snacks. Zum Trinken empfehle ich Ihnen zuckerfreie Getränke. Wenn Sie diese Tipps mit Bewegung kombinieren, sollten Sie auf gesunde Weise einige Kilos reduzieren können.

…und alles: mässig, regelmässig!

Wie beginne ich mit Abnehmen: mit Willenskraft? Nein:
mit Gewohnheiten

Wir überschätzen uns und unsere Willenskraft. Wir glauben, wenn wir uns nur am Riemen reissen, könnten wir jederzeit unser Verhalten steuern und unsere Ziele erreichen. Das stimmt aber leider nicht.

Orthorexie?

Testen Sie auch, ob Sie nicht an der Essstörung Orthorexie leiden, einer krankhaften Fixierung auf gesundes Essen, welches man zunehmend bei Menschen antrifft, die in diätetische Behandlung kommen: >>> mehr hier auf dieser Website!
Prüfen Sie in diesem Zusammenhang ob Sie mit Abnehmen (oder eben mit der Orthorexie) etwas im Leben kontrollieren wollen, was mit vielen anderen Dingen nie gelingt…


Weshalb sind wir heute auch immer schwerer?

Heute sind Menschen, trotz gleicher Ernährung und Bewegung, durchschnittlich etwa 10% schwerer als in den 80er Jahren.

Erstens: Mehr Chemikalien:
Pestizide, Flammschutzmittel und Stoffe in Lebensmittelverpackungen können unsere hormonellen Prozesse verändern und die Art und Weise beeinflussen, wie unser Körper an Gewicht zunimmt und es hält.

Zweitens: Mehr verschreibungspflichtige Medikamente:
Der Gebrauch von verschreibungspflichtigen Medikamenten ist seit den 1970er und 80er Jahren dramatisch angestiegen. Prozac, der erste SSRI-Blockbuster, kam 1988 auf den Markt. Antidepressiva gehören heute zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten in den USA, und viele von ihnen werden mit Gewichtszunahme in Verbindung gebracht

Drittens: Andere Darmbakterien:
Schliesslich zeigte sich auch, dass sich das Mikrobiom der Menschen zwischen den 1980er Jahren und heute stark verändert hat. Es ist allgemein bekannt, dass einige Arten von Darmbakterien eine Person anfälliger für Gewichtszunahme und Fettleibigkeit machen. Wir essen heute mehr Fleisch als noch vor einigen Jahrzehnten, und viele tierische Produkte werden mit Hormonen und Antibiotika behandelt, um das Wachstum zu fördern. Das viele Fleisch kann die Darmbakterien auf eine Art und Weise verändern, die auf den ersten Blick unauffällig ist, sich aber mit der Zeit summiert. Man weiss auch, dass die Verbreitung von künstlichen Süssstoffen eine Rolle spielt.

Was auch heisst, so die Autoren dieses Artikels in The Atlantic, dass Menschen oft gar nichts dafür können, wenn sie zu viel Gewicht auf die Waage bringen.

Mythos: Ein langsamer Stoffwechsel führt unweigerlich zu Übergewicht

Diese sorgfältige Studie zeigt, dass der Stoffwechsel individuell stark variiert: Manche Menschen verbrennen täglich bis zu 25 Prozent mehr oder weniger Kalorien als der Durchschnitt.

Jeder Mensch hat eine andere Stoffwechselrate, doch wir wissen nicht genau, warum. Schilddrüsenhormone könnten eine Rolle spielen, ebenso die Zusammensetzung der Darmbakterien (Mikrobiom), die Genetik oder die Umwelt. Es gibt kaum Studien darüber, was die Stoffwechselrate bestimmt. Das Gehirn trägt wesentlich dazu bei. Zudem haben Menschen mit mehr Muskeln eine höhere Stoffwechselrate.

Ein langsamer Stoffwechsel kann jedoch nicht als Ausrede für übermässige Fettpolster dienen. Fettleibige Menschen haben im Durchschnitt die gleiche Stoffwechselrate wie schlanke Personen, wenn man den Energieverbrauch pro Körpermasse vergleicht. Gewichtszunahme und Fettleibigkeit sind nicht das Ergebnis eines langsamen Stoffwechsels, schrieben Forscher 2021 im Magazin «New Scientist».

Ein langsamer Stoffwechsel kann Menschen Probleme bereiten, die viel Gewicht verloren haben. Wer von 100 auf 80 Kilo abgenommen hat, kann nach der Diät nicht mehr so viel essen wie jemand, der immer 80 Kilo wog. Der Grund: Die Gewichtsabnahme signalisiert dem Körper: „Achtung, das ist schlecht“. Daraufhin verlangsamt sich der Stoffwechsel, und zwar für lange Zeit. Noch sechs Jahre nach einer Diät bleibt der Metabolismus langsamer. Das erklärt, warum es so schwer ist, nach einer Diät das Gewicht zu halten. Diese Erkenntnis könnte auch motivieren, gar nicht erst überflüssige Pfunde zuzulegen.

Die gewaltige Macht des grossen Diätmarkts und der gesellschaftlichen Sicht auf das „Fettsein“

Wenn mit Diätartikeln ein ähnlicher Umsatz wie mit Rüstungsgütern erzielt wird, setzt das Kräfte frei, über deren Ergebnis man in Form von angeblichen Übergewichtskatastrophen jeden Tag in der Presse lesen kann. Deshalb finanzierte auch die Firma Knoll als Reductil®-Hersteller die deutschen Adipositasrichtlinien – um nur ein Beispiel zu nennen. Dieser täglichen Propaganda sind wir alle unterworfen und es ist wichtig, dem gewahr zu sein. Ich habe auf meiner Seite BMI einige Studien aufgeführt, die zeigen, dass es sehr unklar ist, ob Abnehmen gesundheitlich überhaupt etwas bessert.
>>> mehr über Diäten.

Vermutlich sind Sie auch schon über den Ausdruck „Fettsein“ gestolpert, der eine der schlimmsten Beleidigungen darstellt.
Über­gewicht, beziehungs­weise das Nicht­erfüllen von Body-Mass-Index-Vorgaben, ist schambesetzt und belastend. Weshalb ist das so? Medizinische Erklärungen allein liefern darauf keine befriedigende Antwort.
Vielleicht schon eher politische:
Wie Dickenfeindlichkeit und Rassismus zusammengehören!

Sicherlich: Übergewicht ist schädlich und verkürzt potenziell die Lebens­erwartung. Doch wie sich eine Gesellschaft zu Völlerei und Essverhalten stellt, geht über das Gesundheitliche hinaus. Der dicke Körper ist auch ein Ort des Wider­stands, der Selbst­bestimmtheit, der ungehemmten Lust. Was verlieren wir beim panischen Bemühen, den eigenen Leib zu trimmen? Der Philosoph Daniel Strassberg entwirft in seiner Republik-Kolumne eine knappe Kultur­geschichte der Dickleibigkeit. Historisch waren die Dicken die Helden der Satire, des befreienden Lachens, des Karnevals. Sie waren die Agenten eines antireligiösen Wider­stands, der Diesseits­bejahung, der antiautoritären Subversion. Schon immer war Dicksein hochpolitisch.
Warum haben wir den Sinn dafür verloren?

Wirklich abnehmen!

Wer sein Ess– und Bewegungs-Verhalten nicht längerfristig, im Prinzip für immer verändern kann, wird scheitern!

James O.Hill von der Uni in Colorado richtete eine Internet-Datenbank ein (www.uchsc.edu/nutrition/). Eintragen konnte sich jeder, der mindestens 15 Kilo verloren und das neue Gewicht mindestens ein Jahr lang gehalten hatte. Diese Gemeinsamkeiten waren durchwegs vorhanden:

  • Sie lernen eine Verhaltensänderung (für Essen und Bewegung!) und keine Diät!
  • Sie bewegen sich etwas mehr – vor allem „mässig, regelmässig“ – dies in mehreren kleinen Portionen -oder stündlich 20 Sekunden HIIT (high intensity interval training)!
  • Sie essen pro Tag nicht zuviel.
  • Sie essen regelmässig über den Tag weg, aber nicht zu häufig (max. dreimal) – also ohne Zwischenmahlzeiten: siehe auch „Dinner oder Breakfast Cancelling“!

Ergänzt durch neuere Erkenntnisse ergibt das 9 Punkte, die zum Erfolg führen:

  1. Bewegung (nicht zum Kalorienverbrennen!):
    – Kopplung Bewegung, Hirn und Nahrungszufuhr (siehe 2)!
    – Vor allem zum Muskelaufbau.
    – Fettabbau ist wahrscheinlich morgens am effektivsten.
  2. „Kortikal“ Essen = gezügeltes und langsames Essen: wird durch unser Frontalhirn gesteuert – und dieser Hirnteil wird auch durch Bewegung aktiviert!
    Dazu hilft auch das regelmässige Führen eines Ess-Tagebuchs!
  3. genügend Schlaf (>7-8 Stunden!) synchron mit
  4. regelmässiges Essen ohne Zwischenmahlzeiten (max. 3x pro Tag)!
    und optimal wäre dies innert 8 Stunden (16:8-Ernährung) und nur tagsüber zu tun – möglichst nicht mehr in der Dunkelheit: Deshalb auch Unterschied Winter und Sommer!
    Die ideale Reihenfolge während einer Mahlzeit ist:
    1. zuerst die Ballaststoffe (Gemüse, Salat, Nüsse), dann
    2. die Proteine (Käse, Hülsenfrüchte, Fisch, Ei) und nur zum Schluss eventuell
    3.) die Stärke (Brot, Pasta) und wenig Zucker (als Dessert!).
  5. Eiweissreiches Essen (sättigt gut – baut Muskeln auf…)! Aber wenig oder kein Fleisch!
    Kohlenhydrate kann man problemlos und meist stark reduzieren! Und falls doch: Stärke (Brot, Pasta) und Zucker (Dessert) immer zum Schluss.
  6. Muskel aufbauen statt Fett weghungern!
  7. Etwas kühlere Raumtemperatur verstärkt die Abnehm-Wirkung der braunen Fettzellen!
  8. Viel Obst und Gemüse lässt die Darmflora reicher werden, was sich immer mehr als enormes Gewicht gegen die Fettleibigkeit erweist!
    Vor jeder Mahlzeit eine Gemüsevorspeise!
  9. 1/2 Liter Wasser vor allen Hauptmahlzeiten trinken (und man nimmt zusätzlich ganz einfach ein weiteres Kilogramm pro Monat ab)!

Mit Alkohol nimmt man doppelt zu

Alkohol beeinflusst das Gleichgewicht zwischen Hunger- und Sättigungsgefühl: Er reduziert unter anderem die Bildung des Sättigungshormons Leptin, das das Hungergefühl hemmt. In der Folge nehmen das Sättigungsgefühl ab und der Appetit zu. Alkohol greift aber auch direkt in der Hungerregulation im Gehirn an.
Im Hypothalamus – so wird ein Teil des Gehirns genannt, das unter anderem eine zentrale Rolle bei der Appetitregulation spielt – wirkt Alkohol ähnlich wie diejenigen Hormone, die den Appetit steigern. Das ist doppelt problematisch: Alkohol selbst enthält nämlich enorm viele Kalorien. Eigentlich müsste der Regelkreis des Körpers deshalb nach der Zufuhr von Alkohol sagen, dass der Appetit gesenkt werden kann, weil ja eine Menge Energie reingekommen ist. Aber Alkohol bringt beides: Appetit und Energie. Man isst also unter Alkohol nicht nur mehr, man nimmt zusätzlich auch noch die Kalorien des Alkohols zu sich.

Individuelle Esstypen und Differenzen beim Abnehmen

Ergründen Sie Ihre Essverhaltensmuster. Sind Sie ein impulsiver Esser, essen Sie zu grosse Portionen, sind Sie ein Snacker oder eher ein Frustesser?
Es hilft, Gegensteuer zu geben. Wer zum Beispiel aus Frust isst, bekommt Appetit, wenn es emotional schwierig wird. Er muss lernen, innezuhalten und sich zu fragen: Habe ich jetzt wirklich Hunger? Was fühle ich im Moment? Was habe ich davon, wenn ich jetzt esse? Was ausser essen würde mir sonst noch guttun?

Was soll der Vielesser speziell tun?

Hunger und Sättigung sind zwei Körpersignale, die er wieder erlernen muss. Dieses Training ist auch als «achtsames Essen» bekannt. Wichtig dabei ist, sich Zeit zu nehmen und bei den Mahlzeiten eine gute Atmosphäre zu schaffen. Und dann muss man Schritt für Schritt üben, sich nicht zu überessen und sich trotzdem immer wieder mal etwas Feines zu gönnen.

Was hilft dem Snacker?

Er nimmt oft unbefriedigende oder zu unregelmässige Hauptmahlzeiten zu sich – zum Beispiel «bloss» ein Sandwich zum Zmittag – und isst dafür häufig Zwischenmahlzeiten wie Süssigkeiten, Käse, Wurst. Wichtig ist in so einem Fall, mindestens vier Stunden Pause einzuhalten bis zur nächsten Hauptmahlzeit. Und diese dann ohne Ablenkung durch TV oder Computer zu geniessen.
Zudem die ideale Reihenfolge in der Mahlzeit einhalten:
1. zuerst die Ballaststoffe (Gemüse, Vollkorn), dann
2. die Proteine (Käse, Hülsenfrüchte, Fisch, Ei) und erst zum Schluss
3.) die Stärke (Brot, Pasta) und den Zucker (Dessert).

Welches Essmuster ist am schwierigsten zu verändern?

Das impulsive. Diese Menschen greifen gern zu, wenn sich eine gute Gelegenheit bietet – und das ist praktisch überall der Fall. Wir sind ja heutzutage umgeben von Leckereien. Die Kunst ist, ab und zu bewusst nichts zu nehmen und «Nein» zu sagen. Also zum Beispiel in eine Bäckerei zu gehen und eben keinen Berliner zu kaufen.

Sind die beschriebenen Typen in der Praxis klar voneinander zu trennen?

Nein, meist zeigen sich mehrere Essverhaltensmuster in einer Mischform und dies übrigens auch bei Normalgewichtigen.

Was können Familie und Freunde beitragen?

Die langfristige Gewichtsreduktion ist extrem schwierig. Lassen Sie den Betroffenen nicht allein in der Situation. Weisen Sie ihm keine Schuld zu und bestürmen Sie ihn nicht, sondern fragen Sie besser: «Was wünschst du dir von uns? Was können wir tun? Was würde dich unterstützen?»

«Man muss sich beim Abnehmen ziemlich stark anstrengen für einen minimalen Erfolg» (Jsabella Zädow-Oberholzer in Sonntagszeitung, 24.02.2019)

Realistische Ziele

Welche Gewichtsreduktion-Ziele sind realistisch und vernünftig?!

Dauer Gewicht Bauchumfang
kurzfristig 1-2 kg / Monat 1-2 cm / Monat
mittelfristig 10% des Ausgangsgewichtes 5% nach 6 Wochen
langfristig 10% Gewicht (selten 20%) unter 88 cm für Frauen
unter 102 cm für Männer

Für die Gewichtsreduktion ist es entscheidend, ein Energiedefizit zu erreichen. Dieses wäre am besten etwa 600 Kalorien pro Tag . Man kann also z.B. drei Esslöffel Öl weglassen oder 70 g Butter oder eine grosse Flasche Cola. Ein Defizit von 18’000 kcal entspricht dann summiert dem Abbau von 2 Kilogramm Fettgewebe pro Monat. (Ein ausgezeichnetes App kann Ihnen dabei helfen: Caloryguard Pro, sogar mit Barcodeleser!).
Zu beachten ist jedoch, dass wie oder warum ein Mensch an Gewicht zunimmt, viel komplizierter ist und hängt eindeutig nicht nur von der Kalorienaufnahme und vom Verbrauch ab (siehe Studie!).

Weniger essen oder mehr bewegen?!

Vorausgeschickt folgender Gedanke zur Anregung:
WENIGER essen kann auf Ihre Psyche schlagen… aber:
MEHR bewegen verbessert Ihren psychischen Zustand eindeutig.
Bewegung fördert noch mehr:

    • Es steigert die Hirnaktivität vor allem im Frontalhirn, was die richtige Nahrungsauswahl erst möglich macht. Dazu ist das Stirnhirn nämlich da: Der präfrontale Kortex reguliert die kognitiven Prozesse, so dass situationsgerechte Handlungen erst ausgeführt werden können. In unserem Fall fördert es ein angepasstes Essverhalten!
    • Bewegung muntert auf und verbessert allgemein Ihre Gesundheit – jedoch nimmt man mit Sport eher enttäuschend wenig ab.
    • Jogging/Sport eher morgens, da mehr Bauchfettabbbau (Studienstand 2023).
    • Aber nicht nur „Bewegung allein.“ >>> siehe hier weiter unten!

Jedoch: Riesen-Mythos, der grösstenteils falsch ist:
Mit viel Sport nimmt man ab

Der Evolutionsanthropologe Herman Pontzer von der Duke University in Durham (USA) brachte diesen hartnäckigen Mythos mit seiner super-soliden Forschungsarbeit heftig ins Wanken. Dafür reiste er seit 2010 mehrmals nach Tansania und besuchte dort die naturnah lebende Gemeinschaft der Hadza. Diese Volksgruppe ist eine der letzten Jäger-und-Sammler-Gemeinschaften weltweit. Die Männer gehen mit Pfeil und Bogen auf die Jagd und legen dabei täglich rund 14 Kilometer zurück; die Frauen sammeln Beeren und graben Wurzeln aus und laufen dabei rund 8 Kilometer pro Tag. Ein wahrlich anstrengendes Leben. Und doch verbrauchen die Hadza kaum mehr Energie als Menschen in industrialisierten Ländern, die sich wenig oder zumindest viel weniger als die Hadza bewegen. Bei ihren Berechnungen korrigierten die Forschenden das geringe Körpergewicht der Hadza und berücksichtigten nur die Muskelmasse. Die Studie veröffentlichten Pontzer und sein Team 2012 im Fachblatt «Plos One».
Wie kann das sein? Wenn also alle Menschen im Durchschnitt etwa gleich viele Kalorien verbrauchen, egal, wie sie leben, heisst das auch, dass körperlich aktive Menschen dafür bei anderen Aufgaben Energie sparen. Pontzer vermutet, dass einerseits das Immunsystem weniger Kalorien verbraucht – mit dem positiven Effekt, dass so Entzündungen im Körper eingedämmt und zudem Stressreaktionen gedämpft werden. Für diese These spricht, dass bei den Hadza Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Übergewicht nicht vorkommen – bei all diesen Krankheiten spielen auch Entzündungen eine Rolle. Das alles experimentell zu beweisen, sei allerdings sehr schwierig, sagt Pontzer.
Die ETH-Forscherin Katrien De Bock hat eine alternative Erklärung. Es könnte sein, sagt sie, dass das Immunsystem bei starken körperlichen Aktivitäten eine andere Energiequelle anzapfe. Statt – wenig effizient – den Zucker (Glukose) als Brennstoff zu nutzen, setze das Immunsystem auf eine effizientere Fett-Verstoffwechselung. Auch für diese These gibt es bislang keine Belege.

Mit Sport allein kann man Gewicht verlieren, ist also weitgehend falsch!

Viele Studien haben gezeigt, dass Sport treiben kaum einen Einfluss hat auf eine Gewichtsabnahme. «Die Idee, dass man mit Sport Gewicht verliert, wird überverkauft», sagt Pontzer. Dafür gebe es kaum Evidenz. Um Gewicht loszuwerden, müsse man vor allem die Ernährung anpassen. Immerhin: Sport kann durchaus helfen, nach einer Diät das Gewicht zu halten.
Trotz des geringen Einflusses auf die Gewichtsabnahme: Sport treiben ist sehr wichtig für die Gesundheit. Das hat man auch bei der Covid-Pandemie gesehen. Sportlich aktive Menschen hatten bei einer Corona-Infektion eine bessere Prognose gehabt. Sie hatten ein kleineres Risiko, schwer an Covid zu erkranken, hospitalisiert werden zu müssen oder an Covid zu sterben.

Pontzer bringt es auf den Punkt: «Sportliche Aktivität verhindert, dass man krank wird, aber das beste Mittel zur Gewichtskontrolle ist die Ernährung.» De Bock ergänzt: «Am besten ist es, Ernährung und Sport zu kombinieren.»
(zitiert aus dem Tagesanzeiger vom 18. Februar 2023)

Zudem eine Warnung vor Fitnesstracker/Schrittzähler

Eine der grössten kontrollierten Studien über Tracker-Technologien wurde 2016 von der Universität Pittsburgh veröffentlicht. Sie ergab, dass Erwachsene, die eine Diät machten und 18 Monate lang einen Aktivitätsmonitor trugen weniger – ja, weniger! – Gewicht verloren als diejenigen, die dies nicht taten. Die Menschen, die die Geräte trugen, bewegten sich im Allgemeinen auch weniger.
Ein Erklärungsansatz: Allein die Tatsache, dass man seine Aktivität misst, könnte verändern, wie man sein Aktivsein erlebt (weil man zum Beispiel beim Spazierengehen ständig auf seinen Schrittzähler guckt). Das ergab eine andere Studie von Jordan Etkin von der Duke University aus dem Jahr 2016. Durch das Messen fühle die Aktivität sich eher „wie Arbeit“ an, das sei demotivierend (www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5480209/)

Regelmässiges Kurzfasten (auch Intervall- oder Intermittierendes Fasten genannt) ist zum Abnehmen nicht besser, aber auch nicht schlechter als die normale Reduktionsdiät

In der letzten Zeit erlebt das Fasten, insbesondere das Kurzfasten – d.h. nur 16 bis maximal 72 Stunden lang nichts Festes essen und nur kalorienfreie Getränke trinken – selbst in der eher konservativen „Schulmedizin“ ein eigentliches Revival.
Mit dieser Kürze der Fastenzeit vermeidet man viele unangenehme Nebenwirkungen des längeren Nichts-Essens, wie die Übersäuerung der Gelenke (mit Gichtanfällen als Extrem) oder die Verstopfung und auch den nachträglichen Jo-Jo-Effekt.
Das tageweise Kurzfasten ist – wie in meiner Hausarztpraxis x-fach erprobt – recht einfach realisierbar und meist sozial verträglich. Nehmen Sie dazu immer den Tag der Woche, an dem Sie meist am wenigsten soziale Ereignisse haben.

Regelmässig, d.h. zum Beispiel einmal wöchentlich angewendet, nennt man dies auch Intervall- oder Intermittierendes Fasten. Natürlich wäre dieses Intervallfasten auch zweimal wöchentlich je 24 Stunden möglich, aber härter anzuwenden (sogenanntes 5:2-Fasten).
Man kann natürlich auch eine gemilderte Form einflechten: als Früchtetag (nur ganze Früchte und keine Säfte! Unser Körper kann mit Fruchtsäften alleine nichts anfangen…).
Intermittierendes Fasten ist auch täglich möglich- oder „in der Mehrheit aller Tage“, indem man 16 Stunden „Nachtfastenzeit“ hat und in den bleibenden 8 Stunden maximal 3mal isst (sog. „16:8-Fasten“ oder auch „Dinner Cancelling“ beim Weglassen des Abendessens oder eben „Breakfast Cancelling“)
Mehr dazu hier >>> www.dr-walser.ch/dinner_cancelling/


(Copyright der Grafik: thesimpleway.de)
und noch mehr zur Autophagie beim Intervallfasten.
und die grosse Studie, die Intervallfasten und Reduktionsdiät vergleicht (aus Medscape).

Mit KKB Bauchfett abnehmen

Morgens wie ein Kaiser, mittags wie ein König und abends wie ein Bettler essen (KKB) hat gewisse Vorteile.  Man kann damit beeinflussen, wo man abnimmt – und auch zunimmt. Heute weiss man, dass wir mehr Bauchfett einlagern, wenn wir abends mehr essen. Das ist deshalb problematisch, weil dort das viszerale Fett sitzt, das am Entzündungsgeschehen im Körper beteiligt ist. Mit KKB nimmt man also mehr am Bauch ab!

Abnehmen beginnt im Kopf und in der Seele:
Geniessen nicht vergessen

Jeder weiss aus eigener Erfahrung, wie hochemotional das Essen besetzt ist. Gefühle wie Angst, Frustration, Stress oder Trauer „frisst“ man buchstäblich „in sich hinein“, der Schokoriegel spendet Trost, vor dem übervollen Kühlschrank wird die innere Leere „gestopft“. Jede zweite übergewichtige Person hat auch schwerwiegende psychische Beschwerden. Am häufigsten sind Depressionen, Angststörungen oder zwanghaftes Verhalten. Die Ursachen dieser psychischen Symptome sind nicht eindeutig auszumachen. Ist es die psychische Disposition, aufgrund derer jemand kompensatorisch zu essen beginnt? Oder die Esssucht, die psychologische Folgen hat?

Falls ein Mensch den Ganzkörperspiegel im Bad entfernt, weil „es mir schlecht wird, wenn ich mich sehe“. Falls jemand seit Jahren nicht mehr im Schwimmbad war und den Kontakt mit jedem gegengeschlechtlichen Wesen panisch meidet – dann geht es therapeutisch nicht in erster Linie darum, Kindheitstraumata aufzuarbeiten. Mit dem Hausarzt oder der Psychologin befragt man viel besser den Ist-Zustand. Man hält fest, wo unauflösbare Widersprüche bestehen: Warum gibt es diese Kluft zwischen Wille und Verhalten? Was widersetzt sich einer Veränderung? Das Ziel ist, die Spaltung zwischen „ich will“ und „ich kann nicht“ aufzuheben. Es wäre gut, bewusst zu registrieren, wann jemand viel isst. Nach einer Kränkung? Aus Langeweile vor dem Fernseher?

Bedürfnisse bestimmen unser Leben. Was bestimmt, welchem Bedürfnis ich nachgebe oder widerstehe? Eine grosse Studie der University of Chicago ergab, dass verschiedene Bedürfnisse zu bestimmten Zeiten stärker oder schwächer ausgeprägt waren. Beispielsweise sehnten sich die Teilnehmer vor allem Montagmorgens nach einem Kaffee und Samstagabends nach Alkohol (und der Wunsch, Geld auszugeben, war samstags am grössten). Ausserdem stellte sich heraus, dass Menschen, die vormittags einige Bedürfnisse unterdrückt hatten, infolge davon nicht mehr genug Energie aufbrachten, um im Verlauf des restlichen Tages weiteren Bedürfnissen zu widerstehen. Wer also am Nachmittag oder Abend standhaft bleiben will, ist nach Möglichkeit vormittags weniger streng mit sich: Also ein klares Argument für ein reichhaltiges Morgenessen! (Wilhelm Hofmann et al.: What people desire, feel conflicted about, and try to resist in everyday life. Psychological Science, 23, 6/2012, 582-588)
Es wurde sogar gezeigt, dass ein Stück Schokoladenkuchen (oder was man sonst sehr gern mag) zum Frühstück zu besseren Abnehmen (mehr und andauernd) führt, als bereits schon ein genussfeindliches Frühstück! (Steroids, 77 (2012) 323-331)
Literatur dazu:
Ein interessantes Achtsamkeitstraining, das sehr gut zu Verhaltensänderungen beim Essen helfen kann, findet man in „Die Minus-1 Diät“ von Ronald Schweppe und Aljoscha Schwarz  (Südwest-Verlag, ISBN 978-3-517-08655-2).

Sich abgrenzen lernen

Ein zentrales Thema sind Grenzen. Übergewichtige, die im Körperlichen Grenzen sprengen, an deren dickem Panzer scheinbar alles abprallt, haben oft Mühe, sich von der Umwelt abzugrenzen. Sie können sich weniger gut durchsetzen, getrauen sich nicht, ihre  Bedürfnisse zu kommunizieren, nehmen sie schon gar nicht wahr. Sie werden leichter ausgenutzt. Die täglichen Demütigungen hinterlassen wiederum Spuren. Übergewichtige werden gerne für Funktionen missbraucht, für die sie überqualifiziert sind. Sie sind etwa Mädchen für alles im Grossraumbüro. Gemütlich und mütterlich. Sie werden über die emotionale Seite und nicht über die Leistung definiert. Therapeutisch übt man also, sich zu wehren, die Selbstachtung und den Selbstwert zu stärken, Grenzen zu setzen. Der Hunger verändert sich, wenn sich die Sozialkompetenz verbessert. Es ist gut, wenn Betroffene lernen, zu ihren negativen Gefühlen wie Wut und Schmerz zu stehen, die buchstäblich unter viel Fett und Kilos verborgen liegen, statt sie hinunterzuschlucken. Indem sie Nein sagen lernen und „Ich…“, können sie aus der Opferrolle herausfinden.

Fleischkonsum/Vegetarismus und Abnehmen

Im Jahr 2020 erschien eine Studie des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig, in der etwa 9000 einigermassen repräsentative Leipziger untersucht wurden.
Je mehr Fleisch die Menschen assen, umso dicker waren sie! Wer Fleisch ganz weglässt, kann seinen BMI um 1,5 Punkte senken. Das Ergebnis blieb auch bestehen, als die Faktoren Bildung und Alter (die beide stark mit dem BMI zusammenhängen) aus den Daten herausgerechnet wurden.
Wieso sind Fleischesser dicker? Die Leipziger Forscher betonen, dass ihre Daten nur eine Korrelation wiedergeben und keine Kausalität. Sie haben aber Vermutungen über die Ursachen: Fleischprodukte haben generell eine hohe Kaloriendichte, ausserdem werden sie oft in verarbeiteter Form konsumiert. Natürlich kann es auch damit zu tun haben, dass Vegetarierinnen und Vegetarier generell mehr auf eine gesunde Ernährung achten, was sich dann auch aufs Gewicht auswirkt.

Weisse und braune Fettzellen

Es gibt zwei Arten von Fettzellen: „gute“ braune und „böse“ weisse. Das weisse Fett (vor allem im Bauch drin, um die inneren Organe) ist ein Energiedepot für Zeiten des Hungers und für Zeiten intensiver Bewegung. Das braune Fett sitzt beim Erwachsenen oberhalb der Schlüsselbeine, entlang der Wirbelsäule und um die Nieren herum, aber auch zwischen den weissen Fettzellen (insgesamt nur etwa 100 Gramm). Braune Fettzellen sind winzige Hochleistungsöfen, die nichts anderes machen als Zucker und Lipide aus dem Blut zu filtern und in Wärme umzuwandeln. Dünne Menschen – so eine neue wissenschaftliche Vermutung – besitzen besonders viel braunes Fett und heizen sich mit seiner Hilfe buchstäblich schlank. Dicke Menschen hingegen besitzen fast keines von ihm. Das heisst, statt in Abwärme verwandeln sie ihre überschüssigen Kalorien in Speck.
Ursprünglich hatten Forscher das Gewebe bei Babys entdeckt. Ihr kleiner Körper nutzt die braunen Fettzellen, um Wärme zu produzieren. Immer wenn es den Kleinen fröstelt, werfen sie ihre körpereigenen Mini-Heizwerke an. Braune Fettzellen speichern mithin nicht nur Fett, sondern verbrauchen es. Das tun die Zellen auch mit dem Fett der weissen Zellen. Es wäre also fürs Abnehmen sehr förderlich, wenn weisses Fettgewebe in braunes verwandelt werden könnte. Dies gelingt mit dem natürlichen Stimulus Kälte! Bei Normaltemperatur zeigt sich keine Aktivität des braunen Fetts. Doch bereits zwei Stunden in einem Raum bei 16 Grad genügen, und schon laufen braune Fettzellen auf Hochtouren. In Studien zeigen Menschen auch bereits nach einer Woche nach 15minütigen Kälteschocks täglich eine erhöhte Wärmeproduktion.
Vernünftige Schlussfolgerung:
Etwas kühlere Raumtemperatur verstärkt die Abnehm-Wirkung der braunen Fettzellen!
Hundert Gramm zusätzliches braunes Fett verbrennt an einem Tag so viel Energie wie ein intensives, einstündiges Fitnesstraining. Auf ein Jahr hinaus könnte man so vierzig Kilogramm abnehmen – ganz ohne Diätplan oder Sport.

Kaffee ist ein gutes Hilfsmittel zum Abnehmen

  • Schwarzer Kaffee hat praktisch keine Kalorien (ca. 2 kcal/Tasse).
  • Kaffee zügelt den Appetit, besonders wenn er vor den Mahlzeiten getrunken wird.
  • Koffein macht uns nicht nur wach und munter: Die psychoaktive Substanz regt auch die Fettverbrennung (Lipolyse) an, wie mehrere Studien nachweisen konnten. Ein Effekt, der sich in Kombination mit Bewegung allerdings noch erheblich steigern lässt.
    Ich empfehle den Menschen, die abnehmen wollen, ab und zu ein «Nüchterntraining» einzulegen: Morgens, statt zu frühstücken, schwarzen Kaffee zu trinken und dann ein lockeres Spazieren von nur 30 Minuten.
    Mässig, regelmässig ist auch hier das Effektivste.

Essentielles Eiweiss

Eiweisse sättigen enorm – und sie heizen uns zudem auf.

In jeder Mahlzeit – auch, falls eine Zwischenmahlzeit nötig wird – sollten immer auch Eiweisse gegessen werden. Aber wenig bis kein Fleisch! Also Abschied von handgestrickten Ernährungsempfehlungen, z.B. „zum Znüni ein Apfel“. Die Nahrungsmittel-Pyramide behält (selbst für Zwischenmahlzeit) ihre Gültigkeit. Zudem ist zu beachten, dass die Proteine eine sehr hohe Thermogenese aufweisen, d.h. es gehen ein Drittel der Gesamtenergie bei der Verdauung als Wärme verloren (bei Fett nur 2 bis 3% und bei Kohlenhydraten 7%). Proteine heizen also ein!

Eine Kalorie ist also nicht eine Kalorie! Man nimmt also durch eine Kalorie Proteine nicht gleich viel zu wie durch eine Kalorie Zucker oder noch weniger als durch eine Kalorie Fett!

Wann sind Sie mit Übergewicht gefährdet, ein metabolisches Syndrom, resp. einen Diabetes zu entwickeln?

Lassen Sie bei Ihrem Hausarzt einen Glukosetoleranztest (wikipedia.org/wiki/OGTT) durchführen. Falls dabei als Ergebnis eine normale Insulinsensitivität herauskommt, können Sie vorerst beruhigt sein (gutartige Adipositas) – aber bei bestehender Insulinresistenz ist Bewegung und Abnehmen lebensnotwendig! (Arch Intern Med 168(15):1609-1616, 2008 – Identification and Characterization of Metabolically Benign Obesity in Humans, Norbert Stefan et al.)

In einer 15jährigen Beobachtungsstudie (Donald M.Lloyd-Jones et al., Circulation 2007;115:1004-1011) mit 2700 Männern und Frauen wurde eindeutig gefunden, dass ein stabiles Körpergewicht (BMI) unabhängig vom Ausgangswert langfristig das Risiko für ein Metabolisches Syndrom senken kann!

Schlafhygiene

Der Tagesrhythmus und die Tageseinteilung, insbesondere der Schlaf, können ein Schlüssel für das Management von Übergewicht und Adipositas sein. Übermüdung führt nämlich zu einer Dysfunktion des Frontalhirns und dadurch zu unkontrolliertem Essverhalten, zu langer Schlaf zu Bewegungsmangel. Bei grösseren Kollektiven zeigt sich das idealste Gewicht bei einem täglichen Schlaf zwischen 7 und 8 Stunden. Schlafmangel erhöht das Ghrelin und erniedrigt das Leptin, was zu mehr Hunger führt. Es wurde von Paolo Suter (Thieme: Checkliste Ernährung) durch die Regelung der Schlafhygiene allein bei einzelnen Patienten schon eine Gewichtsreduktion von 10 Kilogramm erreicht!
Sorgen Sie deshalb unbedingt für genügend Schlaf! >>> www.dr-walser.ch/schlaf/!
Auch „Sozialer Jetlag“ führt zu Übergewicht:
Wer am Wochenende einen völlig anderen Schlafrhythmus hat als unter der Woche, ist eher übergewichtig oder gar fettleibig. Und je grösser dieser „Soziale Jetlag“ ist, desto grösser ist auch das Übergewichtsrisiko, berichten deutsche Forscher im Fachblatt „Current Biology“. Für die Studie analysierten sie die Schlafmuster und den BMI von rund 65’000 Menschen (Social Jetlag and Obesity, Till Roenneberg et al, Current Biology – 10 May 2012)

Licht und Nahrung synchron

Ein regelmässiger Tagesablauf mit gut eingeplanten Esszeiten ist sehr wichtig. Licht und Nahrung sind die wichtigsten Taktgeber für den Menschen. Sie sind am besten synchron. Das heisst man nimmt nach Möglichkeit eine Hauptmahlzeit und eine bis zwei kleinere Mahlzeiten pro Tag zu sich. Nach Möglichkeit isst man nur bei Tageslicht, da mit Eintreten der Dunkelheit unser Stoffwechsel sich grundlegend umstellt und Fett und auch Kohlenhydrate viel langsamer abgebaut werden.

Vielleicht kann zwei- bis dreimal in der Woche ein „Dinner Cancelling“ eingebaut werden (>> lesen Sie dort).

Glykämischer Index

Für die Ernährung im Alltag hat sich eine Liste der Lebensmittel bewährt, die das Insulin nicht so hoch treiben. Dazu gehören Tomaten und andere Gemüse genauso wie schwarze Schokolade (siehe hier >>>!)

Stresshunger

Verzichten Sie nicht auf zu viel. Wenn der psychische Druck zu gross wird, hört man zu früh mit den guten Vorsätzen wieder auf. Langsam aber kontinuierlich abnehmen.

Essen Sie langsam! Das Hungergefühl verschwindet erst 20 bis 30 Minuten nach Beginn der Mahlzeit. Darum Pausen beim Essen einlegen; Gabel nach jedem zweiten Happen weglegen und langsam kauen.

Weitere Tricks:

  • Ein Glas Wasser täuscht den Magen. Wenn Sie zehn Minuten vor dem Essen Wasser trinken, wird der Magen schon vorgefüllt. So nehmen Sie bei der Hauptmahlzeit automatisch weniger Kalorien zu sich. Noch besser wirkt Grüntee. Im Tierversuch an Mäusen reduziert das Polyphenol aus grünem Tee die Körperfettzunahme. Nehmen Sie Grüntee medizinisch optimal ein: >>> Anleitung hier.
    Und immer zuerst etwas Ballaststoffe essen: Gemüse, Vollkorn, Nüsse.
  • Einkaufen mit vollem Magen. So kaufen Sie weniger.
    Betätigen Sie sich nicht als Müllschlucker. Esswaren, die sonst schlecht werden, müssen Sie nicht in Ihrem Magen entsorgen. Kaufen Sie von vornherein weniger ein.
  • Wir essen den Teller leer und futtern, bis keine Nuss mehr in der Packung ist. Der Grund: Unser Massstab ist die Portion, nicht unser Hunger! Unser Essverhalten wird in hohem Masse von der Essportion bestimmt – unabhängig von Grösse und ihrem Kaloriengehalt. Welche Portionengrösse dabei als richtig empfunden wird, hängt von der jeweiligen Kultur ab: Während beispielsweise ein Joghurtbecher in Frankreichs Supermärkten durchschnittlich 125 Gramm enthält, sind es in der Schweiz 180 und in den USA bereits 227 Gramm. Praktische Konsequenz: Immer nur die Portion auf den Tisch und in den Teller, die man wirklich essen will (ev. kleiner Teller)! Oder: 20 bis 30% am Schluss im Teller zurücklassen.
  • Der „Hosentrick“: Ziehen Sie immer die gleichen Anzüge an wie damals, als Sie noch Ihr Wunschgewicht hatten. Wenn es dann plötzlich eng wird und Sie die Hosen kaum mehr zu kriegen, heisst es handeln!
  • Essen Sie viele Früchte aber die richtigen: Erdbeeren, Himbeeren und Wassermelonen enthalten fast keinen Zucker. Bananen und Büchsenfrüchte sind dagegen Kalorienbomben. Und… trinken Sie keine Fruchtsäfte, mit denen der menschliche Körper nicht umgehen kann (ein viel zu schneller Zuckeranstieg und massive Insulinausschüttung mit späterer überschiessender Gegenreaktion…).
    Während der Mahlzeiten kommen deshalb Stärke und Zucker zum Schluss als Dessert.
  • Auch Gemüse enthalten wenig Kalorien und sind reich an Ballast- und Füllstoffen. So hat man rasch ein Gefühl von Sattheit.
    Immer eine Gemüsevorspeise (auch Salat) vor jeder Mahlzeit!
  • Meiden Sie Fruktose-Süssungsmittel!
    In den letzten Jahrzehnten kam es zu einem drastischen Anstieg des Konsums von freier Fruktose (welche etwa 1,6mal süsser ist als Glukose oder Saccharose), da das billigere Süssmittel „high fructose corn syrup“ (HFCS) in vielen unseren Getränken, Backwaren und anderen süssen Lebensmitteln beigefügt wurde. Daten aus den USA zeigen eine parallele Entwicklung zwischen der rasanten Zunahme von Übergewicht und den Zusätzen an freier Fruktose. Im Gegensatz zur Glucose wird die Fructose insulinunabhängig verstoffwechselt. Da Insulin indirekt einen Anteil an der Erzeugung des Sättigungsgefühls hat und zudem Fructose in höheren Mengen die Fettsynthese fördert, kann durch den starken Einsatz von HFCS als Süssstoff leicht Übergewicht entstehen. Patienten mit Gewichtsproblemen wird zuallererst vom Konsum von mit HCFS oder Saccharose gesüssten Getränken abgeraten. In der Schweiz gibt es aber bisher keine Deklarationspflicht für die Mengen einzelner zugesetzter Zuckerarten wie Fruktose, Saccharose, Maltose usw.!
    Neuere Studien zeigen aber, dass ein moderater Fructose-Konsum (<1–1,5 g/kg/d) bei ausgeglichener Ernährung sicher zu sein scheint. Ein übermässiger Zuckerkonsum hingegen ist schädlich, und dies unabhängig von der Zuckerart.
  • Der TV-Konsum und der Bauchumfang verhalten sich proportional:
    Je mehr Fernsehen, je grösser der Bauch!

(Copyright beim Cartoonisten/Illustrator)

Diät machen? NEIN!

Abnehmen ist leichter, als nach einer Abmagerungskur sein neues Gewicht zu halten. Jegliche Art von Diäten zeitigt in den ersten Monaten einen „Erfolg“ von durchschnittlich 10 Kilogramm weniger! Aber auch jede dieser Diäten kippt nach etwa einem Jahr in den sogenannten Jo-Jo-Effekt und man nimmt wieder unweigerlich zu! Oft wird der fehlende Wille zur Beibehaltung einer Diät für diesen Effekt verantwortlich gemacht. In einer sehr genauen und grossen Studie (Sumithran P, et al.: Long-term persistence of hormonal adaptations to weight loss. New Engl J.Med. 2011;365(17):1597-1604) konnte nun bewiesen werden, das dies nicht stimmt: Es ist nicht der Wille, es sind hormonelle Veränderungen die für den erneuten Gewichtsanstieg mitverantwortlich zeichnen.
Die gegenregulatorische Auslenkung der Hormone, welche für eine höhere Energieaufnahme beziehungsweise verringerten Energieverlust verantwortlich ist (Leptin, Peptid YY, CCK, Insulin, Amylin, Ghrelin, GIP, PP), bleibt über mindestens zwölf Monate hinweg erhalten und zwar auch dann, wenn das ursprünglich vorhandene Körpergewicht fast wieder erreicht ist. Es ist also ein langer Kampf des Willens gegen die eigenen Hormone, den man meist verliert – und der gegenregulatorisch sogar dann über das Ziel hinausschiesst: Man ist also zum Schluss also noch schwerer als zu Beginn der Diät!

Schlussfolgerung: KEINE DIÄT – NUR HALTUNGSVERÄNDERUNGEN!

Wundermittel zum Abnehmen gibt es nicht. Mit ein bisschen Motivation und den richtigen Tipps lässt sich aber der Bauch überlisten und Kilos abbauen – mit langfristigem Erfolg. „Diät“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Lebensweise“, kurzfristige Hungerkuren sind also nicht die Idee. Deshalb gehört die Unterstützung, das Empowerment schon immer zum Kerngeschäft des Hausarztes.
Wichtig ist auch vor allem die Praktikabilität. Dabei spielt es eigentlich keine Rolle, ob sie sich Atkins, Ornish, Weight Watchers, Zone Diät oder sonst irgendwie nennt. Wer sich genau an die Vorschriften hält, wird am ehesten Erfolge sehen. Wichtig ist bei der Auswahl der „Diät“ für die ÄrztIn/ErnährungsberaterIn, diese mit dem  Patienten zu besprechen und auf seine individuellen Wünsche einzugehen. Und am Wichtigsten ist dann die „Treue des Klienten“ – ich schlage jeweils in meiner Hausarzt-Sprechstunde einen Zeitraum von einem Jahr mit monatlichen Sitzungen vor. Die neue Lebensweise wird zuerst geübt und kann dann „ewig“ beibehalten werden.
Dazu: In einer grossangelegten Studie (Yancy WS, et al. A low carbohydrate, ketogenic diet versus a low-fat diet to treat obesity and hyperlipidemia. Ann Intern Med 2004;140:769-77) wurden übergewichtige, hyperlipidämische (mit zu hohen Blutfetten) Freiwillige per Training und Gruppenmeetings mit einer „low carbohydrate“ (wenig Kohlenhydrate) und andere mit „low-fat“ (wenig Fette) behandelt: nach 24 Wochen hatte die KH-arme-Diät die Nase vorn (grösserer Gewichtsverlust und weniger Blutfette, resp. Anstieg des HDL). Aber: nach einem Jahr waren die beiden Gruppen wieder gleichauf!

Oder diese Studie: Gibt es Unterschiede zwischen den Kalorienreduktions-Diäten mit unterschiedlichen Nährstoffzusammensetzungen?
Die US-Forscher dieser Studie wiesen 811 übergewichtige Erwachsene zufällig einer von vier verschiedenen Diäten zur Gewichtsabnahme zu. Die verschiedenen Energieanteile von Fett, Eiweiss und Kohlenhydrate in diesen Diäten waren 20-15-65%, 20-25-55%, 40-15-45% und 40-25-35%. Die Ernährung bestand aus ähnlichen Lebensmitteln und fand sich in Guidelines für Herz-Kreislauf-Gesundheit. Den Teilnehmern wurden Gruppen- und Einzel-Instruktionssitzungen während 2 Jahre angeboten.
Resultat: „In 6 Monaten verloren die Teilnehmer bei jeder Diät im Durchschnitt 6 kg, was 7% des ursprünglichen Gewichts entsprach. Nach 12 Monaten fingen alle wieder an Gewicht zuzulegen. Nach 2 Jahren war der Gewichtsverlust ähnlich bei denen, die eine Diät mit 15% Protein und diejenigen mit 25% Protein (3,0 und 3,6 kg durchschnittlich). Bei denen mit einer Diät mit 20% Fett und die mit einer von 40% Fett (3,3 kg für beide Gruppen), und die mit einer Diät von 65% Kohlenhydrate und die mit 35% Kohlenhydrate (2,9 und 3,4 kg). Unter den 80% der Teilnehmer, die die Studie beendet hatten, war der durchschnittliche Gewichtsverlust 4 kg, und 15% der Teilnehmer hatten eine Reduzierung von mindestens 10% ihres ursprünglichen Körpergewichts. Sättigungsgefühl, Hunger und Zufriedenheit mit der Ernährung, und die Teilnahmefreudigkeit an Gruppensitzungen war für alle Diäten gleich. Die Teilnahme stand in starkem Zusammenhang mit dem Gewichtsverlust (0,2 kg pro Sitzung). Alle Diäten verbesserten die Blutfette und die Blutzuckersituation (Insulinspiegel). “
Die Autoren zogen den Schluss: „Kalorienreduzierte Diäten führen zu klinisch sinnvollem Gewichtsverlust, unabhängig von der Zusammensetzung der Makronährstoffe.“
(N Engl J Med;360(9):859-873, 26 February 2009)

Ozempic® und Wegovy® u.a.

Während neulich erregt darüber diskutiert wird, dass mit der Mode von heute – Hüfthosen, bauchfrei – auch das verheerende Körperideal aus der Heroin-chic-Zeit zurückkehre, verzeichnet gleichzeitig ein dänischer Hersteller für Diabetes-Spritzen Rekordgewinne. Dessen Medikament Ozempic® bringt als Nebenwirkung das Hungergefühl zum Verschwinden – und sorgt für einen rasanten Gewichtsverlust. Der Run auf das neue Diät-Wundermittel ist so gross, dass es zu Engpässen für jene kommt, die wegen ihrer Zuckerkrankheit auf die Injektionen angewiesen sind. Spätestens seit ruchbar wurde, dass sich Kim Kardashian mittels Ozempic® von ihren Kurven verabschiedet hat, scheint klar: Dünn zu sein, ist wieder hip.

Liraglutid (Ozempic®) und Semaglutid (Wegovy®) sind GLP-1-Agonisten oder Glitazone. Sie ahmen das Darmhormon GLP-1 nach. Das senkt den Blutzuckerspiegel nach dem Essen, lässt den Magen sich langsamer entleeren und sendet ans Gehirn das Signal, satt zu sein.
Mit Semaglutid nimmt man durchschnittlich 15 und mit Liraglutid 7 Prozent des Körpergewichts ab.
Die GLP-1-Rezeptoragonisten waren bisher nur zur Injektion erhältlich. Jetzt ist dieses Antidiabetikum auch in einer oralen Form (Rybelsus®) verfügbar, welches einmal täglich eingenommen werden muss.

Effizient, aber Jo-Jo-Gefahr

Aber funktioniert eine nachhaltige Gewichtsreduktion mit einer wöchentlichen Semaglutid-Spritze wirklich? Eine englische Studie, die im pharmakologischen Fachjournal «Diabetes, Obesity and Metabolism» veröffentlicht wurde, stellte bei 232 Probandinnen und Probanden, die während 68 Wochen wöchentlich 2,4 mg Semaglutid injizierten, tatsächlich einen durchschnittlichen Gewichtsverlust von 15 Prozent fest. Zudem erhielten 104 Studienteilnehmende einen Placebo; ihr Gewicht reduzierte sich in der gleichen Zeit um nur 2 Prozent. So weit, so gut?

Das Medikament vermag Appetit und Hungergefühle deutlich zu reduzieren. Sobald man es absetzt, fällt dieser Effekt komplett weg – und bereits ein Jahr nach dem Absetzen der wöchentlichen Spritze hatten die Teilnehmer zwei Drittel ihres früheren Gewichtsverlusts wiedererlangt, schreiben die Forschenden von der University of Liverpool in der Zusammenfassung der Studie.
Das bedeutet: Entweder muss man das Medikament ständig weiter einsetzen. Langzeiterfahrungen , gerade mit dem höher dosierten Wegovy®, fehlen allerdings.

Auch Antisuchtmittel bei Rauchen, Alkohol oder Essstörungen?

Es hat sich nun gezeigt, dass Semaglutid & Co neben dem Appetit auch ein Suchtverlangen (gegen Rauchen, Alkohol,…) unterdrückt. Dies passt natürlich zum gehypten Auftritt dieser Medikamente. Die Social-Media-Posts gehen nun mit Erfolgsmeldungen durch die Decke…

Bei Essstörungen:
Es bleibt abzuwarten, ob die leichtere Erreichbarkeit von Schlankheit beispielsweise das Auftreten von Essstörungen beeinflusst.  Hoffnungen setzt die Forschung momentan auf die stark Appetit zügelnde Wirkung der GLP-1-Analoga, die bei der Behandlung von bestimmten Formen von Essstörungen helfen könnten. Bei der Binge-Eating-Störung essen Menschen während Heisshungerattacken unkontrolliert ungewöhnlich grosse Mengen Lebensmittel. Es stellt sich die Frage, ob sich solche Essanfälle mit Medikamenten wie Ozempic® vermindern oder gar verhindern lassen.

Auch die Bulimie, die Ess-Brech-Sucht, zeichnet sich durch regelmässige Essanfälle aus, verbunden aber mit selbst herbeigeführtem Erbrechen oder dem Missbrauch von Abführmitteln. Sollten sich GLP-1-Analoga tatsächlich als Therapeutikum für bestimmte Essstörungen erweisen, wäre das ein enormer Fortschritt für die psychosomatische Medizin und eine Befreiung für viele Betroffene. Diese Mittel könnten somit nicht nur das Körpergewicht normalisieren, sondern auch das Essverhalten.

Aber Achtung:
Dazu braucht es jetzt weitere Untersuchungen. In solcher Euphorie wird immer zuerst übers Ziel hinaus geschossen, weshalb man noch nicht mit gutem Gewissen diese neue Indikationsausweitung als bare Münze nehmen kann.
Zudem hatten wir dies schon etliche Male, dass eine Sucht mit Medikamenten behandelt wurde, worauf man darauf regelmässig von diesen neuen Mittel abhängig wurde, deren Langzeit-Nebenwirkungen man noch gar nicht kennt. Dies geschah auch intensiv mit Amphetaminen zum Abnehmen, mit Nikotinersatzpräparate gegen das Rauchen, usw..

Warten wir also die laufenden Studien aus der Forschung ab – und auf mehr Langzeiterfahrung.

Kostspielig und fiese Nebenwirkungen

Die neuen «Wundermittel» Ozempic® und Wegovy® scheinen auf den ersten Stich ein einfacher Weg zur Gewichtsabnahme zu sein. Doch nicht alle, die gerne ein paar Pfunde purzeln lassen möchten, bekommen diese Medikamente einfach so.

Eine Behandlung mit Wegovy® kostet im Monat knapp 190 Franken (Schweiz), im Jahr also über 2000 Franken. Eine Monatsdosis Ozempic — für Patienten mit Diabetes Typ 2 — schlägt mit 120 Franken zu Buche.
Die Krankenkassen übernehmen diese Kosten, allerdings nur mit Einschränkungen: Sie zahlen erst ab einem BMI von 35 oder ab einem BMI von 28 oder mehr bei mindestens einer Begleiterkrankung. Zudem muss das Medikament von einem Facharzt an einem Adipositaszentrum oder einer Diabetes-Ärztin verschrieben werden. Hausärzte dürfen das Medikament zwar auch verschreiben, allerdings ohne Kostengutsprache.

Mittelfristig allerdings wird es anders aussehen. Derzeit stecken rund 120 ähnliche Produkte in der Pipeline. In ein paar Jahren werden neue Konkurrenzprodukte auf den Markt gelangen. Zudem werden die Pharmaunternehmen ihre Produktionskapazitäten stark erweitern, um die hohe Nachfrage zu decken. Das dürfte zu sinkenden Medikamentenpreisen führen.

Die wichtigste Neuerung aber wird eine schluckbare Version sein, die bald auf den Markt kommen wird. Sowohl Novo Nordisk als auch Eli Lilly, die Produzenten von Ozempic® und Mounjaro®, haben solche Abnehmpillen in der Entwicklung.

Eine weitere Einschränkung besteht heute. Die Vergütung der Krankenkassen wird nur für maximal drei Jahre gewährt. Damit haben wir grosse Mühe. Denn Studie um Studie hat gezeigt, dass die Betroffenen nach Absetzen der Spritze wieder an Gewicht zulegen. Immerhin: Selbst eine nur dreijährige Gewichtsreduktion kann die Lebenserwartung verlängern und das Risiko für Begleiterkrankungen hinauszögern.

All diese Einschränkungen bedeuten auch: Die meisten Betroffenen müssen die Spritzen nach wie vor selbst bezahlen. Ein Teil meiner Patientinnen und Patienten kann das aber definitiv nicht. Denn von Fettleibigkeit betroffen sind eher Menschen aus niedrigen sozialen Schichten.

Deshalb soll auf jeden Fall immer auch begleitend zu den Spritzen die hier empfohlenen Ernährungsumstellung gemacht werden. Und…
erst recht nach dem Erreichen des Wunschgewichts und…
immer kombiniert mit körperlichen Aktivitäten.

Und wenn man das Medikament nimmt, heisst das meist nicht, dass man einfach gleich weiter isst wie zuvor. Die «Gefahr» dafür ist gering. Denn Semaglutid führt in mehr als 20% aller Fälle zu Brechreiz und Erbrechen, Übelkeit, Durchfall oder Verstopfung und Magenschmerzen. Als weitere «häufigste» Nebenwirkungen werden für Wegovy® genannt: Kopfschmerzen, Müdigkeit, Verdauungsstörungen, Schwindel, Aufstossen, Unterzuckerung bei Patienten mit Typ-2-Diabetes, Blähungen, und gastroösophageale Refluxkrankheit…

Eine neue Datenbank-Studie weist auf ein signifikant erhöhtes Risiko einer erektilen Dysfunktion unter Semaglutid hin [1].

Dagegen scheinen GLP-1-Agonisten das Risiko von Krebs oder psychischen Krankheiten nicht nennenswert zu erhöhen.

Diese Nebenwirkungen können allerdings vermindert werden durch langsame Anpassungen der Dosierung und gehen grundsätzlich mit der Behandlungsdauer oft zurück.

Fortsetzung folgt …

Die Aufzählung dieser Nebenwirkungen erinnert mich an ein anderes Medikament, das vor gut 20 Jahren seinen Siegeszug als Schlankheitsmittel begonnen hat: Xenical®. Dessen Wirkstoff Orlistat ist inzwischen in zahlreichen nicht rezeptpflichtigen «Fett-weg-Produkten» vertreten, die man in Apotheken und Drogerien kaufen kann. Orlistat verringert – ohne den Appetit zu zügeln – die Resorption von Fett und damit die Energieaufnahme aus dem Darm, indem fettzerlegende Enzyme gehemmt werden. Was vielen Nutzerinnen und Nutzern allerdings schnell einmal die Lust an diesem Inhaltsstoff verdorben hat, sind auch hier die Nebenwirkungen: akuter, übel riechender Durchfall, etwas uncharmant «Fettstuhl» genannt, der auftritt, wenn man sich nicht an eine fettarme Diät hält. Es gilt also abzuwarten, wie es mit den neuen «Wunderspritzen» weitergehen wird.

Wenn man sich nach dem Abnehmen immer noch dick fühlt: Das Phänomen „Geisterfett“

Gewichtsabnahme ist nicht automatisch gleichbedeutend mit Glücklichsein
Eine weit verbreitete falsche Vorstellung besteht darin, dass schlank zu werden automatisch bedeutet, glücklicher zu werden.
Zwar verbessern sich oft Lebensqualität und psychosoziale Aspekte, doch nicht für alle. Manche Patienten „sehen“ ihren Gewichtsverlust nicht – ein Phänomen, das als „Phantomfett“, „Geisterfett“ oder „rudimentäres Körperbild“ bekannt ist.
Die meisten Menschen sind nach einer Gewichtsabnahme mit ihrem Aussehen oder zumindest ihrer Körperform zufrieden – obwohl einige mit der schlaffen, hängenden Haut, die auf eine Gewichtsabnahme folgen kann, unzufrieden sind und sich einer plastischen Operation unterziehen, um dies zu beheben. Es gibt aber eine Untergruppe von Menschen, die mit ihrem Körperbild, einschliesslich ihrer Form, unzufrieden sind.
Diese Unzufriedenheit kann schon vor der Gewichtsabnahme bestehen oder neu entstehen, weil die Gewichtsreduktion zuvor ignorierte psychosoziale Probleme ans Licht bringt.
Einige Probleme zeigen sich bereits zu Beginn der Behandlung, andere werden während oder nach der Gewichtsabnahme sichtbar. Psychosoziale Beratung nach bariatrischen Operationen oder massivem Gewichtsverlust durch Abnehmen wird viel zu wenig in Anspruch genommen.

Geisterfett

Forschung bestätigt, dass viele Patienten nach bariatrischen Operationen trotz erheblichem Gewichtsverlust sich weiterhin als „fettleibig“ wahrnehmen. In einer Studie berichteten Patienten 18 bis 30 Monate nach dem Eingriff, dass sie keinen Unterschied in Grösse und Form feststellen konnten.
Die Gewöhnung an das frühere Aussehen könnte eine Rolle spielen. Man beobachtet dies nicht nur beim Gewichtsverlust, sondern auch bei anderen körperverändernden Eingriffen. Das Gehirn braucht Zeit, um sich an das neue Aussehen zu gewöhnen. Bei einer Nasenkorrektur zum Beispiel kann es eine Weile dauern, bis sich die Patienten daran gewöhnt haben, ihr neues Gesicht im Spiegel zu betrachten, nachdem sie jahrzehntelang eine markantere Nase gesehen haben.

Jahre des sozialen Stigmas

Es kann auch einige Zeit dauern, bis Menschen die jahrelange Stigmatisierung der Fettleibigkeit überwunden haben. Negative Einstellungen, die übergewichtige und fettleibige Menschen als „faul, willensschwach, ohne Selbstdisziplin und Willenskraft“ darstellen, sind allgegenwärtig. Soziale Medien und die Medien im Allgemeinen verstärken dies, indem sie unrealistische, idealisierte Körperbilder und abschätzige Botschaften über Menschen mit Gewichtsproblemen verbreiten.
Das Körperbild ist ein Konstrukt und nicht das, was man im Spiegel sieht. Es ist das mentale Konstrukt unseres physischen Selbst.
Das Körperbild entwickelt sich in einem breiteren gesellschaftlichen Kontext und wird durch das ethnische, rassische und kulturelle Erbe der Person beeinflusst.
Jugendliche sind besonders anfällig für Körperunzufriedenheit. Dies wird bei fettleibigen Jugendlichen noch verstärkt, da sie im Vergleich zu Jugendlichen mit geringerem Gewicht häufig unter gewichtsbedingter Viktimisierung und verinnerlichter gewichtsbedingter Stigmatisierung leiden. Gewichtsstigmatisierung äussert sich oft in Hänseleien und Mobbing.
Mobbing und Hänseleien in der Kindheit und Jugend, die mit dem Aussehen zusammenhängen, können bis ins Erwachsenenalter nachhallen.

Psychiatrische Vorgeschichte und Trauma

Negative Erfahrungen, insbesondere sexueller oder körperlicher Missbrauch, können ebenfalls für die Unzufriedenheit mit dem Körper nach einer Gewichtsabnahme verantwortlich sein. Wenn Menschen mit einer derartigen Missbrauchsgeschichte viel Gewicht verlieren durchleben sie oft eine Phase emotionaler Turbulenzen.
Misshandlungen in der Kindheit können auch mit Störungen des Körperbildes im Erwachsenenalter in Verbindung gebracht werden, wie eine Metaanalyse von 12 Studien mit 15.481 Teilnehmern ergab.
Sexueller Missbrauch ist laut diversen Studien bei Patienten mit Fettleibigkeit überraschend häufig. Eine Untersuchung von 131 Patienten ergab, dass 60% derjenigen, die über eine Vergewaltigung oder sexuelle Belästigung in der Vergangenheit berichteten, mehr als 50 Pfund Übergewicht auf die Waage brachten, gegenüber nur 28% der alters- und geschlechtsgleichen Kontrollgruppe ohne Missbrauchsgeschichte. Andere Studien haben diese Ergebnisse bestätigt.
Übergewicht kann eine „adaptive Funktion“ haben. Es kann ein Selbstschutzmechanismus sein, der sie vor sexuellen Annäherungsversuchen durch potenzielle Liebespartner oder Missbraucher „isoliert“.
Manche stellen fest, dass nach einer Gewichtsabnahme verdrängte Erinnerungen an einen sexuellen Übergriff aufgrund des neuen, „attraktiveren“ Aussehens an die Oberfläche kommen. Da sie sich in ihrem dünneren Körper verletzlich fühlen, müssen sie sich möglicherweise als übergewichtig betrachten, um dieses Gefühl des „Schutzes“ aufrechtzuerhalten.
Eine Gewichtsabnahme kann auch Erinnerungen, Flashbacks oder Albträume auslösen, wenn die Betroffenen zu dem Gewicht zurückkehren, mit dem sie missbraucht wurden.

Dissoziation, Depression, Angst, Trauma

Dissoziation ist ein weiterer Mechanismus, der Trauma mit Körperdysmorphie nach Gewichtsverlust verbindet.
Dissoziation vom Körper ist oft ein Bewältigungsmechanismus, um mit einer überwältigenden traumatischen Erfahrung umzugehen. Personen mit einer Vorgeschichte von Depressionen, Angstzuständen oder posttraumatischen Belastungsstörungen haben ein höheres Mass an Körperdysmorphie, sowohl vor als auch nach einer Gewichtsabnahme.
Depressionen, Ängste und Traumata spielen eine Rolle dabei, wie man sich selbst sieht und wie man sich trägt. Dies ist bei jeder Art von Psychopathologie der Fall. Depressiv zu sein ist, als würde man sich selbst durch eine Wolke sehen. Es ist das Gegenteil einer ‚rosaroten Brille‘ und man sieht sich stattdessen durch eine negative Linse.

Psychotherapie

Ziel einer Psychotherapie ist es, irrationale und dysfunktionale Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen durch Techniken wie Selbstbeobachtung, kognitive Strukturierung, Psychoedukation, Desensibilisierung und Expositions- und Reaktionsvermeidung zu verändern.
Gewichtsabnahme ist nicht automatisch gleichbedeutend mit Glücklichsein
Eine weit verbreitete falsche Vorstellung besteht darin, dass schlank zu werden automatisch bedeutet, glücklicher zu werden.
Wenn man sich nicht intensiv mit dem Thema Selbstmitgefühl auseinandergesetzt und verstanden hat, dass das, was man im Innersten ist, nichts mit dem Aussehen zu tun hat, kann man sich leer fühlen, wenn man diesen Punkt erreicht hat. Man weiss immer noch nicht, wer man ist und was man zur Welt beiträgt, man sich so sehr auf das Abnehmen konzentriert hat.
Eine Gewichtsabnahme kann auch Fragen nach dem Selbstwertgefühl „entlarven“, selbst wenn man Komplimente über sein „verbessertes“ Aussehen erhält. „Lob und Komplimente nach einer Gewichtsabnahme können ein zweischneidiges Schwert sein. Man könnte denken: ‚Ich wurde nicht akzeptiert oder gelobt, als ich übergewichtig war. Die einzige Möglichkeit, akzeptiert oder anerkannt zu werden, besteht darin, Gewicht zu verlieren, also muss ich weiter abnehmen.
Dies schürt die Angst vor einer erneuten Gewichtszunahme und kann dazu führen, dass man sich weiterhin als übergewichtig ansieht, vielleicht um motiviert zu bleiben, mit der Gewichtsabnahme fortzufahren. Das Gefühl, dass der eigene Wert davon abhängt, dünn zu bleiben, beeinträchtigt die Körperzufriedenheit.
Tovar, Autor des Buches „Deprogram Diet Culture: Rethink Your Relationship with Food, Heal Your Mind, and Live a Diet-Free Life“ („Überdenken Sie Ihre Beziehung zum Essen, heilen Sie Ihren Geist und leben Sie ein diätfreies Leben“) ermutigt die Menschen, den Schwerpunkt von der Gewichtsabnahme auf ein ganzheitliches Selbstwertgefühl zu verlagern und Hindernisse für diese Gefühle sowohl vor als auch nach der Gewichtsabnahme zu erforschen.
Endokrinologen und andere Mediziner können dazu beitragen, indem sie sich nicht auf „Gewichts- und Körperscham“ einlassen, so Tovar.
Sie empfiehlt den Ärzten, die Patienten zu ermutigen, sich auf ihren eigenen Körper einzustellen und ihnen dabei zu helfen, sich bewusster zu machen, wie verschiedene Nahrungsmittel ihr körperliches und emotionales Wohlbefinden beeinflussen.
„Setzen Sie realistische Erwartungen durch offene, nicht wertende Gespräche über die komplexen Zusammenhänge von Stoffwechsel, Gewicht und Gesundheit. “ Tovar rät, sich nicht auf die Gewichtsabnahme als primäres Ziel zu konzentrieren, sondern auf Gesundheitsmarker wie Blutzucker, Energieniveau, geistiges Wohlbefinden und körperliche Fitness.
Zuhören statt belehren, sei die Devise. „Beginnen Sie mit Einfühlungsvermögen und stellen Sie Fragen wie etwa: ‚Wie fühlen Sie sich im Moment mit Ihrer Gesundheit? Welche Veränderungen haben Sie in letzter Zeit an Ihrem Körper festgestellt? ‘. “ Dies schaffe Raum für den Patienten, seine Bedenken zu äussern, ohne sich verurteilt oder beschämt zu fühlen.
„Überweisen Sie Patienten an eine psychologische Fachkraft, wenn ein Patient Anzeichen für Essstörungen oder ein schlechtes Körperbild aufweist oder wenn emotionale Faktoren eine wichtige Rolle in der Beziehung zu Essen und Gewicht spielen. Wenn ein Patient in einem Kreislauf aus Diäten und Gewichtszunahme gefangen ist, mit Essanfällen kämpft oder Symptome von Depressionen oder Ängsten im Zusammenhang mit seinem Körper zeigt, ist psychologische Hilfe unerlässlich. “
Letztendlich solle das Ziel der Behandlung darin bestehen, ein sicheres, unterstützendes Umfeld zu schaffen, in dem die Patienten heilen können – nicht nur körperlich, sondern auch emotional und geistig.
(Quelle: Wenn man sich nach dem Abnehmen immer noch dick fühlt: Das Phänomen „Geisterfett“ kann viele Ursachen haben – Medscape – 14. Okt 2024)

Aufgepasst mit Diät bei Kindern!

Man schaue sich mal die Arbeiten des amerikanischen Psychologen Myles Faith an. Der hat deutliche Hinweise dafür gefunden, dass mollig veranlagte Kinder besonders dann zunehmen, wenn sich ihre Eltern Sorgen machen, dass ihre Kinder zunehmen und eine Nahrungsrestriktion einführen. Dazu macht man sich den vielfach publizierten Zusammenhang zwischen Dauerstress (steter Cortisol-Überschuss) und Wachstum des viszeralen Bauchfetts klar – des einzigen Fettgewebes, bei dem tatsächlich ein Bezug zu späteren chronischen Erkrankungen zu beobachten ist. Wohlgemerkt, dieses Körperfett entsteht nicht durch Mast, sondern durch Stress.

Und nun bringen wir also schon den Vier- bis Fünfjährigen bei, dass sie im falschen Körper stecken, dass der Appetit ihr Feind ist, dass sie bestimmte Dinge machen und den Körper besiegen müssen, weil sie sonst nicht zum Kindergeburtstag eingeladen werden und später keinen Job kriegen. Und das hören sie tagaus, tagein. Und dann lernen sie Zielsetzungen, bei denen sie physiologischerweise scheitern müssen, weil der Körper immer wieder in Form von „binge eating“ (Fressattacken) korrigierend eingreift. Ein solches Essverhalten nennt man „restraint eating“, und das gilt als enormer Stressauslöser!
Was wäre ein Ausweg? Bewegung ist eine gute Sache. Stress wird aber dabei nur abgebaut, wenn Bewegung aus Freude gemacht wird und nicht durch Angstmotivation!
(aus Ars Medici 2, 2010, Dr. Gunter Frank: „Abspeckprogramme sind Psychoterror!“)

Ist mein Kind zu dick?!

BMI – Perzentilkurven

Das richtige Gewicht für Jungen und Mädchen prüft man je nach Geschlecht und Alter spezifisch mit den sogenannten Perzentilkurven des BMI. Schauen Sie nach, ob Ihr Kind noch im „grünen Bereich“ liegt:
Perzentilen für Jungen
Perzentilen für Mädchen

Übergewichtige Kinder benötigen eine „Sonderbehandlung“

Das Erste und Wichtigste ist wieder die alltägliche Bewegung aus Freude und nicht durch Angstmotivation >>> siehe z.B. www.schtifti.ch.
Die Eltern gehen am besten mit dem gutem Beispiel voran:
Auch sie bewegen sich viel: Wandern mit ihren Kindern, machen Bewegungsspiele, aktive Ferien… und sitzen wenig vor dem Fernseher oder Smartphone.
Essen Eltern unkontrolliert oder halten sie oft Diäten ein, tendieren die Kinder zu Übergewicht oder Essstörungen. Eltern erlauben nach Möglichkeit ihren Kindern, in Bezug auf die Ernährung, ihre eigene innere Regulierung zu entwickeln und sorgen gleichzeitig dafür, dass gesunde Nahrungsmittel zur Verfügung stehen.
Je jünger das Kind, desto unwahrscheinlicher ist es, dass die überzähligen Pfunde erhalten bleiben. Oft erfolgen die Gewichts- und Grössenzunahme nicht gleichzeitig, sondern nacheinander. Und normalerweise kommen die Pfunde vor den Zentimetern.
Was aber absolut gilt: Je grösser die Portionen, die man Kindern vorsetzt, desto mehr essen sie! Die Menge, welche Kinder essen, hat nichts mit dem Speiseplan der vorangegangenen Tagen und Stunden zu tun, sondern nur mit der Portionengrösse auf dem Teller.
Generell ist der Massstab am besten die Gesundheit und nicht das Aussehen des Kindes: Wichtiger als das Gewicht sind ein gesundes Essverhalten und ausreichende körperliche Aktivität. Man sieht auch, dass Dritt- und Viertklässler, deren Fernseh- und Smartphonekonsum auf 30-60 Minuten pro Tag beschränkt wurde, nach neun Monaten messbar schlanker waren als solche, die vor der Glotze sassen, so lange sie wollten.
Was und wie wir essen, wird stark von der Umwelt, also zunächst von der Familie beeinflusst. Eltern greifen in die Ernährungsweise ihrer Kinder am besten möglichst wenig ein. Das Schlimmste, was sie tun können, ist, Nahrung einzuschränken. Ein völliges Verbot, zum Beispiel von Süssigkeiten oder Pommes Frites, macht diese für Kinder nur besonders attraktiv.
Dann spielen die psychosozialen Familienverhältnisse eine grosse Rolle für den Erfolg einer dauernden Gewichsabnahme des Kindes: vor allem eine depressive Mutter wird nach Möglichkeit mitbehandelt.

Essgewohnheiten ändern

  • Keine grosse Portionen auftischen: das Kind isst alles, was im Teller ist!
  • Nicht mehr vor dem Fernseher, sondern nur noch am Esstisch essen und Smartphone weglegen und ausschalten.
  • Mindestens eine gemeinsame Mahlzeit pro Tag einhalten (mit möglichst allen im Haushalt lebenden Mitgliedern).
    Dabei gemeinsam die Mahlzeit beginnen und beenden (Rituale).
  • Bei jeder Mahlzeit mindestens fünfmal das Besteck ablegen und eine kleine Pause machen. Gründlich kauen und langsam essen.
  • Zu jeder Mahlzeit Wasser oder ungesüssten Tee trinken.
  • Täglich zweimal Früchte und dreimal Gemüse oder Salat essen. Die Eltern bestimmen, was das Kind isst; das Kind bestimmt, wie viel es davon isst.
  • Keine Askese: Jede Woche sind fünf erlaubte Gluscht-Portionen Süsses erlaubt (Schoggistängel, Portion Sorbet etc.). Immer zum Schluss der Mahlzeit, als Dessert.
  • Wenn möglich mindestens eine warme Mahlzeit pro Tag (Sättigungseffekt tritt bei warmen Speisen schneller ein).
  • Reichhaltiges Frühstück, viel zu Mittag und eher wenig zum Nachtessen und keine Zwischenmahlzeiten! Nach 19 Uhr nichts mehr essen.
  • „Reservetank“ (z.B. Nüsse, etwas Käse oder ein kleiner Apfel) griffbereit halten gegen plötzlich grossen Hunger (z.B. auf dem Nachhauseweg von der Schule), um nicht Süsses zu naschen.
  • Maximal 30-60 Minuten TV täglich – und dasselbe für den PC/Spielkonsole!
  • Wut und Trauer – Gefühle:
    Wenn ich wütend bin, versuche ich meine Wut abzureagieren, bevor ich etwas esse. Z.B. raus an die frische Luft und rennen, schreien, Boxsack schlagen… Oder sich Zeit nehmen für das Kind und mit ihm sein, sprechen…
    Wenn ich traurig bin, versuche ich erst mal etwas anderes zu machen, das mir Spass macht, bevor ich mir was zu Essen hole.

Warum sich Kinder oft einseitig ernähren

Pommes mit Ketchup, Pfannkuchen mit Sirup und Schokolade: Kinder bevorzugen bekannte Speisen und meiden alles, „was der Bauer nicht kennt“. Kein Grund zur Sorge! Einseitige Ernährung ist eine normale Phase der Kindheit und möglicherweise ein evolutionäres Erbe. Die Kinder unserer Vorfahren konnten sich zwar selbst Nahrung beschaffen, aber sie konnten noch nicht entscheiden, welche Früchte und Wurzeln ihnen gut tun und welche ihnen schaden könnten. Wenn heutige Kinder schwierige Esser sind, dann kommt darin möglicherweise eine angeborene, sinnvolle Furcht vor fremden Nahrungsmitteln zum Ausdruck. Eltern zwingen ihre Kinder daher am besten nicht zu mehr Vielfalt, sondern vertrauen darauf, dass die schwierige Phase mit dem Älterwerden zu Ende gehen wird. Kinder sind durchaus in der Lage, ihre Nahrungsaufnahme selbständig zu steuern. Wird dagegen der Zugang zu „schlechten“ Nahrungsmitteln eingeschränkt, bekommen diese für die Kinder eine übermässige Attraktivität. Sie werden möglicherweise durch die Eingriffe der Eltern zu einem ungesunden Essverhalten verleitet. So belegt eine Studie, dass Kinder, die erst ihren Spinat aufessen mussten, ehe sie Kuchen geniessen durften, eine Abneigung gegen Gemüse und eine Vorliebe für Süsses entwickelten. Und Mädchen, die zu Hause nur wenig Süssigkeiten essen durften, griffen, wenn sie die Wahl hatten, sehr viel häufiger zu Schokoriegeln und Bonbons als Kinder, die zu Hause freien Zugang zu Süssem hatten.
Auch wenn jüngere Kinder gesundes Essen zunächst ablehnen, irgendwann probieren sie es doch. Und dann, so zeigen Studien, brauchen sie nur zwischen fünf und zehn Erfahrungen, um das neue Nahrungsmittel gerne zu essen (Psychology today, 9/10, 2003).

Wie mache ich meinem Kind Gemüse trotzdem schmackhaft:

lesen Sie hier >>>


(Copyright beim Illustrator)

Weiterführendes

Lesen Sie auch über Hyperinsulinismus und metabolisches Syndrom
über glykämischen Index und glykämische Last
und allgemein zur Ernährung lesen Sie hier: ernaehrung/
Ein optimales App fürs iPhone und iPad, welches auch Ihre Kalorien zählt und auch die Kohlenhydratzufuhr separat anzeigen lässt: Caloryguard Pro
& App mit nützlichen Zugriff auf viele Esswaren, deren Kalorien- und Fettgehalt erfasst werden kann: My Fitness Pal

Literatur/Quellen

  • Ein interessantes Achtsamkeitstraining, das sehr gut zu Verhaltensänderungen beim Essen helfen kann, findet man in „Die Minus-1 Diät“ von Ronald Schweppe und Aljoscha Schwarz, Südwest-Verlag, ISBN 978-3-517-08655-2.
  • Alle wichtigen Dinge für ein Essverhaltensänderung vereint (viele Tipps und Tricks, sehr lebhaft präsentiert) in „Die Nebenbei-Diät“ von Elisabeth Lange, Stiftung Warentest, 2011.
  • Viele gute Tipps zum Entrümpeln und Vereinfachen des Essverhaltens auch in „simplify Diät“ von Dagmar Von Cramm, Knaur Taschenbuch, 2012.
  • Sehr empfehlenswert: Jessie Inchauspé, „Der Glukose-Trick„, das Praxisbuch, Heyne
  • Einsame Spitze: Michael Pollan: „64 Grundregeln ESSEN: Essen Sie nichts, was Ihre Grossmutter nicht als Essen erkannt hätte.“
  • Fuck it, bitch. Stay fat!
    Dieses Buch von Samantha Irby „We never meet in real life“ war mal dringend nötig. Das Thema ist nicht neu – ein Rant gegen Diäten – aber wie sie’s aufschreibt lässt den Leser auf diese tiefe, behäbige Weise lachen, die Alltagsweisheit signalisiert. Kostprobe:
    „Do you really need another article about how important it is to eat a big breakfast full of healthy fats and whole grains to curb afternoon snacking? NO, YOU DO NOT. You need bitches to write about how comfortable maternity jeans are for women who aren’t really pregnant. And sexy ways to remove a bra that has four hooks. I’m always amused when they encourage you to eat “instead” foods, like eating an apple when you really want to rub a bacon cheese­burger all over your boobs is a fair substitute.“
  • (1) Able C, et al. Prescribing semaglutide for weight loss in non-diabetic, obese patients is associated with an increased risk of erectile dysfunction: a TriNetX database study. Int J Impot Res. 2024 May 22. doi: 10.1038/s41443-024-00895-6.

Veröffentlicht am 30. Mai 2017 von Dr. med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
04. September 2024