Bewegung – gesunde körperliche Aktivität

Benefiz durch Bewegung.

Eine Stunde Mix an moderater Bewegung jeden Tag ergibt auf fünfzig Jahre hochgerechnet vier Jahre zusätzliche Lebenszeit. Allerdings hat man dann zwei Jahre mit Sport verbracht. Aber auch dies ist keine „verlorene“ Zeit!

Und: Wer im Haus in oberen Geschossen wohnt, lebt statistisch länger als die Bewohner im Erdgeschoss. Warum denn dies? Wer oben wohnt, benutzt öfter auch mal die Treppe statt den Aufzug – falls es überhaupt einen Lift gibt. Und dieser alltäglich Mix körperlicher Betätigungen ist gesund.

Die körperliche Fitness ist beim gesund Altwerden das Allerwichtigste

Die Lebenserwartung ist stark gestiegen. Auch mit chronischen Erkrankungen oder Bewegungsbehinderungen wird man heute über 80 Jahre alt. Wie kann man noch älter werden? Forscher untersuchten 195 Personen, die im Durchschnitt 82,3 Jahre alt waren, um Unterschiede zwischen Menschen, die 95 Jahre oder älter werden, und jenen, die dieses Alter nicht erreichen, zu finden. Entscheidend sind nicht Herzkrankheiten, chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Diabetes, Demenz, Parkinson, Krebs, Depression, Multimorbidität oder Polypharmazie, sondern die körperliche Fitness. Ein Test, der Balance, Koordination und Laufgeschwindigkeit prüfte, erfasste diese. Auch ohne Kausalitätsbeweis motivieren diese Daten, körperlich aktiv zu bleiben, wenn man den 100. Geburtstag feiern möchte.
(J Am Geriat Soc. 2024, doi.org/10.1111/jgs.18941.)

Myokine, die Botenstoffe der Muskeln

Apropos Muskeln: Haben Sie schon Mal etwas von Myokinen gehört? Das sind Muskel­botenstoffe, die durch unser Blut rauschen. Abgegeben werden sie, wenn unsere Muskeln arbeiten. Ihre heilsame Wirkung entfalten Myokine im Gehirn, im Herz, im Fettgewebe und an vielen weiteren Stellen unseres Körpers.
Muskeln wirken heilsam. Ihr Training senkt das Risiko für Diabetes, Bluthochdruck und Krebs, verbessert das Gedächtnis und verlängert das Leben. Doch warum? Forscher kommen der Antwort näher: Winzige Moleküle, Myokine genannt, halten den Körper jung. Diese Wundermittel, die Muskeln bei Aktivität freisetzen, durchströmen das Blut und wirken im Herz, Gehirn und Fettgewebe. Auch im Magen-Darm-Trakt und der Haut entfalten sie ihre Wirkung. Wir verfolgen ihren Weg im Körper.

Im Herzen stärken Myokine die Muskelzellen, verhindern starre Fasern im Herzmuskel und machen das Herz elastischer. Das ist lebenswichtig, denn das Herz muss unaufhörlich Blut pumpen. Im Gehirn fördern Myokine das Wachstum neuer Hirnzellen und Verknüpfungen. Der Hippocampus, wichtig für das Gedächtnis, wächst messbar bei regelmässigem Sport. Myokine regen Hirnzellen an, neuronale Wachstumsfaktoren auszuschütten. So verlangsamt Sport den geistigen Abbau und beugt Demenz vor.

Myokine verbessern die Zuckeraufnahme der Zellen, darunter Muskelzellen. Sie verlangsamen die Verdauung, wodurch weniger Zucker ins Blut gelangt und Blutzuckerspitzen vermieden werden. So schützen sie vor Diabetes. Myokine beeinflussen auch die Bauchspeicheldrüse und den Darm, die daraufhin GLP-1 ausschütten, das Hungergefühl bremst und den Blutzuckerspiegel stabilisiert. Sport wirkt ähnlich wie Abnehmspritzen, die GLP-1 enthalten.

Myokine sind natürliche Fettverbrenner. Sie lösen Fettsäuren aus dem Bauchfett und aktivieren die Fettverbrennung im Muskel. Bauchfett ist besonders schädlich, da es Entzündungen fördert und Krankheiten begünstigt. Myokine schmelzen das Fett und mindern Entzündungen. Forscher entwickeln Medikamente, die Muskelwachstum stimulieren und Fett abbauen, ohne Muskelmasse zu verlieren.

Myokine wirken auch antientzündlich, indem sie an Immunzellen andocken und entzündungshemmende Stoffe fördern. In Experimenten reagierten Probanden, die Sport trieben, weniger stark auf Bakterienbestandteile. Myokine könnten überschiessende Entzündungen verhindern. Sie lenken auch Immunzellen ins Tumorgewebe und senken das Krebsrisiko. Sport verlängert das Leben nach einer Krebserkrankung.

Krafttraining stärkt die Knochen, indem es knochenbildende Zellen aktiviert. Myokine binden an diese Zellen und hemmen knochenabbauende Zellen. Sport macht die Haut elastischer, indem er die Kollagenproduktion steigert und die Wundheilung unterstützt.

Im Muskel selbst reparieren Myokine Schäden und fördern das Muskelwachstum. Sie aktivieren Satellitenzellen, die neue Muskelzellen bilden und Eiweisse produzieren.

Wie viel Sport braucht man? Myokine werden bei jeder Muskelarbeit freigesetzt. Die WHO empfiehlt 150 Minuten moderaten oder 75 Minuten intensiven Ausdauersport pro Woche, plus zwei Einheiten Krafttraining. Jede Bewegung zählt: Schon wenige Minuten intensiver Anstrengung täglich senken das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. 4.000 Schritte täglich reduzieren das Sterberisiko.

Wer neu beginnt, sollte kleine, erreichbare Ziele setzen: Übungen nach dem Aufstehen, mit dem Fahrrad zur Arbeit oder ein Spaziergang nach Feierabend. Wichtig ist, die Übungen in den Alltag zu integrieren. So wird aus einem lästigen Ritual eine gesunde Gewohnheit. Der Gedanke an die Myokine, die bei jeder Bewegung freigesetzt werden, kann motivieren.
(Quelle: zeit.de/gesundheit)

Zuerst gute Nachrichten für die, welche nicht gerne „Sport“ machen.

Sie bewegen sich gerne. Aber Fitnessstudios können Sie nicht ausstehen, vom Joggen kriegen Sie Knieprobleme und Fahrradfahren in der Grossstadt macht Sie so nervös, dass es nicht gesund sein kann…
Es gibt nun eine neue Studie, die Sie freuen wird. Diese zeigt, dass ausgedehnte Sportsessions für die Gesundheit nicht nötig sind.
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Nicht die Dauer oder Intensität einer Aktivität ist entscheidend, sondern die Häufigkeit – und der Mix! Und… nicht mehr als sieben Stunden täglich rumsitzen!
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Die Studie, um die es hier geht, ist nicht irgendeine. Denn als man sich in den USA daran machte, die offiziellen Bewegungsempfehlungen auf den neuesten Stand zu bringen, stellte man fest, dass es fast keine neueren, grossen Studien gab, die zuverlässig zeigen konnten, wie viel Bewegung gesund war und das Leben verlängerte. Also riefen einige der Wissenschaftler eine entsprechende Studie ins Leben und werteten dafür Daten von fast 5000 Frauen und Männern aus. Das Ergebnis: Dreimal am Tag zehn Minuten (auch moderate) Bewegung oder fünfzehnmal zwei Minuten sind wahrscheinlich genauso gut wie 30-minütige Einheiten!
Wichtig: Es geht hier um Gesundheit, nicht um Ausdauer. Wenn Sie ihre Ausdauer entwickeln wollen, helfen Ihnen die zehnminütigen Sportschübe wenig. Und: Es handelte sich um eine epidemiologische Studie, das heisst, es wurde kein direkter kausaler Zusammenhang zwischen Bewegung und längerem Leben festgestellt. Sie war auch kurzfristig angelegt. Trotzdem werden die Bewegungsempfehlungen in den USA entsprechend angepasst werden.
Und… leistungsbetonte Ausdauer ist nicht gesund!
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Oder noch kürzer?!
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HIIT (high intensity interval training): einmal pro Stunde 20 Sekunden Sprint auf der Stelle…

Ganz so wenig Mühe kostet es doch nicht, was Wissenschaftler im Fachblatt Medicine and Science in Sports and Exercise vorstellen. Das Team der University of Texas in Austin testete Freiwillige, die auf einem feststehenden Ergometer mit Schwungrad vier Sekunden lang alles gaben. Nach einer Pause von 45 Sekunden ging es erneut für vier Sekunden in die Vollen, insgesamt fünfmal. Stündlich wiederholten die Probanden die Belastung über acht Stunden hinweg, also die Länge eines Arbeitstages.
In der Sportmedizin galt lange die Auffassung, dass Ausdauer optimal trainiert, wer dreimal pro Woche 50 Minuten joggt, radelt, schwimmt oder rudert. Mit regelmässig 150 Minuten wöchentlich könne, so die Annahme, das Leben um mehrere Jahre verlängert werden. In jüngster Zeit setzte sich die Erkenntnis durch, dass intensive Belastungen von über 6 Stunden pro Woche überhaupt nicht gesund ist und dass 75 Minuten pro Woche (in vielen kleinen Einheiten)  ähnlich nützlich sind.
Ich finde das super – wenig bringt schon Einiges. Einmal pro Stunde 20 Sekunden wären im Alltag aber leichter umzusetzen und genauso sinnvoll. Statt des Trainingsrades könne ein Sprint auf der Stelle oder ein schneller «Hampelmann» ähnliches leisten – oder draussen in der Natur mal kurz einen Anstieg schneller rauflaufen.
Die Studie hält wichtige Anregungen bereit: Kurz das sesshafte Leben unterbrechen und ein paarmal täglich ausser Atem kommen, stimuliert genussvoll Muskeln, Leber und Kreislauf. Würde man die Menschen auf zehn Minuten intensive Betätigung am Tag bringen, wäre die Rate der Herzkreislaufkrankheiten halbiert – enttäuscht aber leider gegen die Hypertonie.
(Studien hier & hier & hier (Hypertonie))

Aber bedenken Sie auch Folgendes:

Somatisches, Funktionelles und Zirkeltraining

Auf dem Fitnessmarkt gewinnen Trends wie dieses „Somatische Training“ (welch unsinniger Name – Gegensatz von psychischen Training?), funktionelles Training oder Zirkeltraining zunehmend an Beliebtheit. Diese Trainings umfassen lebensnahe, mehrgelenkige Übungen, oft mit dem eigenen Körpergewicht. Zirkeltraining verzichtet weitgehend auf Pausen und kombiniert Kraft- mit Ausdauertraining. Klingt grossartig, oder? Nicht so eintönig wie monotones Maschinentraining!

Doch diese modischen Trainingsmethoden haben eine Schattenseite: Sie spiegeln die radikal nutzenorientierte, atemlose 24/7-Multioptionsgesellschaft wider, in der man nie zur Ruhe kommt und ständig Multitasking betreibt. Obwohl sie als „kreativer“ gelten als das Training an Maschinen, fehlt ihnen für echte Kreativität eines: die Kultur der Pause, wie sie im klassischen Bodybuilding üblich ist. Die paar Minuten Erholung zwischen schweren Sätzen, in denen man ziellos durchs Studio schlendert und Gedanken schweifen lässt – solche scheinbar verschwenderischen Leerlaufphasen und ineffizienten Unbestimmtheitsmomente fehlen der Nonstop-Gesellschaft.
(Idee aus Konsumkritik von Jörg Scheller in Psychologie Heute, 10/2023)

Auch nicht tägliche Bewegung senkt die Mortalität

Eine 2022 veröffentlichte grosse Kohortenstudie aus der USA zeigt deutlich, dass Menschen, die nur ein- oder zweimal pro Woche sich sportlich bewegen (sog. „Weekend Warriors“ – aber bitte dann nicht auch noch leistungsbetont selbstoptimiert!) gesundheitlich gleich gut dastehen, wie solche, die dies täglich tun:
pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35788615/

Ausdauersport?

Wir sind ja meist überzeugt, dass Ausdauersport gesund ist und er unser kardiovaskuläres Risiko reduziert. Eine belgische Forschergruppe belehrt uns nun eines Besseren (Studie).
Sie verglichen das Ausmass der Koronarsklerose von 191 lebenslangen Ausdauersportlern mit 191 Späteinsteiger-Ausdauersportlern (Beginn nach dem 30. Lebensjahr) sowie mit 176 gesunden Nicht-Athleten, die in ihrem Leben keinen Ausdauersport betrieben hatten. In allen drei Gruppen handelte es sich nur um Männer mit einem medianen Alter von 55 Jahren. Keiner der Probanden war Raucher, keiner war übergewichtig und bei keinem war eine koronare Herzkrankheit bekannt. Die Koronarsklerose wurde mittels Computertomographie quantifiziert: Anzahl und Lokalisation von Plaques, Verkalkungs-Score und -Häufigkeit sowie Stenosegrad der Koronarien. Überraschend fand sich eine Dosis-Wirkungs-Beziehung, das heisst je länger der Ausdauersport betrieben wurde, desto wahrscheinlicher fand sich eine relevante Koronarsklerose. Die Parameter, die für eine ischämische Herzkrankheit prädestinieren, waren bei den lebenslangen Ausdauersportlern am höchsten: Anzahl Plaques, proximale Plaques, signifikante Stenosen und gemischte Plaque-Verkalkungen. Bei den Nicht-Sportlern waren sie am geringsten, die Späteinsteiger lagen meist dazwischen.

Stopp Ausdauersport?! Ist dies die anatomisch-pathologische Erklärung des Sport-Paradoxes «plötzlicher Herztod bei Athleten»? Die Autorenschaft schlägt vor, die Studie zeitlich noch auszudehnen, um auch entscheidende kardiovaskuläre Ereignisse zu erfassen.

Hatte Winston Churchill doch recht? Auf die Frage eines Reporters, warum er trotz Whisky und Zigarrenrauchen so alt geworden sei, soll er geantwortet haben: «No sports!». Er starb im Alter von 91 Jahren. Was er aber verschweigt: Er hatte immer Hunde und ging mit ihnen im Grünen spazieren. Dies war wohl Match-entscheidend!

Im Rhythmus gesunden – „3in3“, mässig und regelmässig – genussvoll, im Grünen!

In vielen medizinischen Studien hat man entdeckt, dass erst eine gewisse Dauer an moderater Bewegung – „rhythmisch“ – die Voraussetzung für Prophylaxe und Heilung bei Krankheiten schafft: dies zur Abwehrstärkung und Immunmodulation, gegen chronische Entzündungen (auch Neuroinflammation) und Autoimmunstörungen (M.Crohn), selbst gegen Krebs (Prostata) und auch zum Abnehmen (oder beim Metabolisches Syndrom).

Die Gesamtdauer beträgt etwa 3 Stunden oder mehr pro Woche mässige Bewegung und regelmässig auf 2-3 Portionen verteilt – oder eben viel häufiger. Deshalb nenne ich die daraus folgende Regel „3in3“ oder besser den „3in3-Rhythmus“, will heissen: (mindestens) 3 Stunden Bewegung pro Woche in 3 Portionen: also 3×1 Stunde – oder 6×30 Minuten, etc.. – und es sollte nicht intensiver und langdauernder Sport sein, sondern die Bewegung kann (für die Gesundheit und nicht unbedingt für die Ausdauer) kurz und moderat, jedoch dann täglich und häufig sein!

Entscheidend ist der Rhythmus von Unruhe und Ruhe oder Bewegung, von Spannung und Entspannung, von Selbstkontrolle und Genuss, von Kontakt und Rückzug – von Arbeit und Freizeit. Der Philosoph Byung-Chul Han nennt dies „Lücken“ im Leben (Interview, Das Magazin: 39/2014): „Glück heisst ursprünglich „Gelücke“. Es hat mit Lücken zu tun. Vielleicht ist die Lücke sogar wesentlich für das Leben…“ – und weiter: „Kommunikation ohne Lücke ist Lärm. Wir ertragen heute keine Lücke, keine Stille mehr.“ Jede Lücke wird sofort mit dem Zücken des Smartphones gefüllt. Man verträgt keine Lange-Weile mehr (siehe meinen früheren Blogbeitrag darüber: http://walserblog.ch/2012/10/27/langeweile-alles-andere-als-langweilig/).

Nur wenn wir im Tages-, Wochen- und Jahresverlauf jene Erholungspausen einhalten, die uns biologisch vorgeschrieben sind, kann unser Organismus seine Funktionen – wie beim Resetting eines Computers – immer wieder synchronisieren und Abweichungen vom Sollzustand (auch zum Beispiel krebsartiges Ausflippen von Organzellen mit Abwehrvorgängen des Immunsystems) ausgleichen. Ignorieren wir diese Bedürfnisse, werden die Abweichungen immer grösser – und damit verliert auch der Organismus immer mehr die Fähigkeit, von selbst in seine Ordnung zurückzufinden.

Unsere vorgegebenen biologischen Rhythmen scheinen übrigens 90 Minuten lang zu sein (wie nachts die 90 Minuten auseinander liegenden Tiefschlafphasen): 70 Minuten Aktivität, dann 20 Minuten Ruhe und Erholung. Mein Vorschlag: Alle 60 Minuten tagsüber 10 Minuten Rückzug und Pause. So stellen Sie ihren inneren Rhythmus wieder von der Hamsterrad- zurück in die heilsame Ruhe-Frequenz und stärken so unter vielem anderen auch unser Immunsystem.

Bewegung in Rhythmen lassen besser denken

Schon in den antiken Wandelhallen, dann in der Kreuzgängen der Klöster, auch Schüler, die im Gehen Vokabeln büffeln, Schauspieler, die beim Rollenlernen herumlaufen – alle sie wussten es, was nun in den Neurowissenschaften benannt werden kann, dass im Gehen gewisse Hirnregionen (vor allem der Hippocampus) besser arbeiten können.
Der Rhythmus, vor allem regelmässige von mittlerer Geschwindigkeit sind gut zum Lernen geeignet. Regelmässige, langsame für Meditation und tranceartige Zustände.
Man kann sogar behaupten, dass das abstrakte Denken nur eine verfeinerte Nutzung der praktischen Funktionen unseres Gehirns ist, die darin besteht, den Körper in angemessener Art und Weise zu bewegen. Deshalb ist die Affinität des Denkens zur Bewegung und des Gehens vorhanden.
(Mehr darüber hier >>>)

Wie beginne ich: mit Willenskraft? Nein: mit Gewohnheiten!

Wir überschätzen uns und unsere Willenskraft. Wir glauben, wenn wir uns nur am Riemen reissen, könnten wir jederzeit unser Verhalten steuern und unsere Ziele erreichen. Das stimmt aber leider nicht.

Entscheidend ist der passende Mix

Eine Metastudie der Columbia University an über 130’000 Menschen von 2021 ergab: Ein tägliches Training von 30 Minuten reduziert die Gefahr von Frühsterblichkeit um bis zu 80 Prozent – aber nur bei jenen Menschen, die weniger als sieben Stunden pro Tag sitzen. Bei Erwachsenen, die das aber mehr als 11 Stunden täglich tun, ist ein solches Training so gesehen wirkungslos. Wer zu lange sitzt, macht also die lebensverlängernde Wirkung der halbstündigen Schinderei im Fitnesscenter quasi zunichte.
Entscheidend ist der passende Mix.
Auch Menschen, die nur wenige Minuten bei mittlerer oder hoher Intensität trainieren, können das Risiko von Frühsterblichkeit senken – vorausgesetzt, sie bewegen sich sonst mindestens sechs Stunden lang. Zum Beispiel Eltern mit kleinen Kindern, die es aus zeitlichen Gründen nicht schaffen, 30 Minuten in einem Fitnessstudio ihre Muskeln und ihr Herz zu stählern. Nichtsdestotrotz könnten sie ein gesundes Bewegungsprofil pflegen, indem sie in ihrem Alltag körperlich oft aktiv sind, zum Beispiel öfters einmal die Treppe nehmen anstatt den Lift, Strecken gehen anstatt zu fahren.
( Chastin S., McGregor D. et al: Joint association between accelerometry-measured daily combination of time spent in physical activity, sedentary behaviour and sleep and all-cause mortality; British Journal of Sports Medicine, May 2021)

Sitzen ist das neue Rauchen

Der Vergleich bleibt im Gedächtnis und trifft teilweise zu: Amerikanische Forscher analysierten über ein Dutzend Studien zum Sitzen. Sie entdeckten, dass Menschen, die mehr als acht Stunden täglich sitzen und sich nicht bewegen, ein Sterblichkeitsrisiko aufweisen, das dem von Rauchern ähnelt.
Doch Rauchen und Sitzen unterscheiden sich grundlegend. Rauchen ist eine Sucht, die 20 bis 30 Prozent der Erwachsenen betrifft. Sitzen hingegen betrifft uns alle von klein auf: in der Schule, im Bus, bei der Arbeit. Sitzen prägt unsere Sozialisation. Während wir mit dem Rauchen aufhören können, ist es kaum möglich, nie wieder zu sitzen. Allerdings ist nicht jede Minute im Sitzen schädlich.
Nach acht Stunden Sitzen pro Tag steigt das Krankheitsrisiko, wenn wir uns nicht bewegen. Viele Studien belegen dies. Wer stundenlang ununterbrochen sitzt, erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen wie Typ-2-Diabetes.
Auch unser Gehirn profitiert von Bewegung. Beim Gehen oder in Bewegung denken wir oft klarer. Telefonate oder Besprechungen lassen sich gut bei einem Spaziergang an der frischen Luft führen.
Selbst im Sitzen lohnt es sich, in Bewegung zu bleiben. Ändern Sie laufend Ihre Sitzhaltung. Mal ein Bein überschlagen, die Knie anziehen oder im Schneidersitz sitzen – all das hilft, nicht steif zu werden.

Schrittzähler – Fitnesstracker

Zuerst mal sollte eine Sportuhr und Schrittzähler  kein Instrument zur weiteren Selbstoptimierung, sprich Selbstkasteiung sein und damit auch ein  „neoliberalen Handgelenk-Stasi“, der uns kontrolliert und beherrscht. Nein, im besten Fall können sie uns aber vor Selbsttäuschungen befreien!

Wie viele Schritte braucht es denn für ein gesünderes Leben?
Es ist eine Zahl, die Forscherinnen und Forscher mehr umtreibt als andere: die Anzahl Schritte, die es braucht, um bis ins hohe Alter gesund zu sein. Hoch im Kurs ist dabei die 10’000, vor über 50 Jahren zu Werbezwecken erfunden und bis heute ein Renner. Doch ist sie tatsächlich das Mass aller Dinge? Eine internationale Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist in einer jüngst publizierten gross angelegten Studie nicht nur dieser Frage nachgegangen. Sie hat daneben erforscht, welche Rolle die Schrittfrequenz spielt. Genauer: ob sich die positive Wirkung der Bewegung verstärkt, wenn man zügiger marschiert.

Für die Studie trugen gegen 80’000 Erwachsene zwischen 40 und 80 Jahren während sieben Tagen ununterbrochen einen Fitnesstracker am Handgelenk. Dieser zählte nicht nur ihre Schritte, sondern registrierte auch deren Kadenz – also wie viele Schritte es pro Minute jeweils waren.

Bereits 2000 Schritte zeigen eine Wirkung:
Im Anschluss an die Beobachtungswoche mit Fitnesstracker dokumentierten die Forscherinnen das Befinden der Teilnehmenden während sieben Jahren. 2813 Probanden erkrankten und 1325 starben in dieser Zeitspanne an Krebs, 10’245 erlitten Herz-Kreislauf-Erkrankungen, und 664 Personen erlagen diesen. Anhand des grossen Datensatzes stellten die Wissenschaftler fest, dass sich nicht erst bei 10’000 Schritten eine positive Wirkung auf die Gesundheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigte.
Denn: Deren Risiko, vorzeitig zu sterben, Herz-Kreislauf-Probleme zu bekommen oder an Krebs zu erkranken, sank pro 2000 Schritte täglich um rund 10 Prozent. Sprich, wer 4000 Schritte täglich geht, senkt es um 20 Prozent, bei 6000 Schritten sind es 30 Prozent und so weiter. Laut Studienautorinnen geht diese Rechnung auf bis zu einer Anzahl von 10’000 Schritten. Darüber hinaus konnten sie die zusätzliche Wirkung nicht belegen.

Gegen Demenz lässt sich mit Spaziergängen ebenfalls wirkungsvoll vorgehen – und bei dieser Prävention muss die 10’000er-Marke nicht geknackt werden. Um das Risiko einer Demenz um die Hälfte zu reduzieren, reichen offenbar 9000 Schritte. Doch auch wer weniger unterwegs ist, beugt in dieser Hinsicht vor. Gemäss Studie sinkt die Gefahr einer Demenzerkrankung bereits bei 4000 Schritten um 25 Prozent.

Zügige sind gesundheitlich im Vorteil:
Allerdings sind Schritte nicht gleich Schritte. Die gross angelegte Studie zeigt, dass auch das Tempo eine präventive Rolle spielt. Dazu haben die Forscherinnen untersucht, wie hoch die maximale Schrittfrequenz der Probandinnen innert einer halben Stunde pro Tag jeweils war. Und stellten fest: Teilnehmerinnen, die schnell – pro Minute 80 bis 100 Schritte – unterwegs waren, erfreuten sich einer besseren Gesundheit. Im Vergleich zu langsamen Geherinnen senkten die Zügigen das Risiko eines vorzeitigen Todes um 35 Prozent, jenes einer Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankung um 25 Prozent und jenes, an Demenz zu erkranken, um 30 Prozent.

Laut Studienautoren geht es im Grundsatz darum, schneller zu marschieren als das Wohlfühltempo, das sich die Menschen mit der Zeit angewöhnt haben – und so den Puls nach und nach in die Höhe zu treiben. Denn schon 30 Minuten zügiges Gehen pro Tag hat einen positiveren Effekt. Diese halbe Stunde reduziert das Risiko einer Herz-, einer Krebs-, aber auch einer Demenzerkrankung stärker, als wenn man genau dieselbe Schrittzahl in gemächlicherem Tempo zurücklegt.

Die gute Nachricht für Faulpelze ist dabei, dass es offenbar nicht nötig ist, die empfohlene halbe Stunde am Stück zu gehen, damit sich diese Wirkung entfaltet. Gemäss Studie können es auch mehrere kürzere Intervalle sein, die über den Tag hinweg verteilt werden. Ob joggen statt gehen das Risiko einer Erkrankung noch zusätzlich senkt, vermochten die Wissenschaftlerinnen nicht zu eruieren. Doch eine wissenschaftliche Arbeit aus dem Jahr 2013 legt nahe, dass es für den Herz-Kreislauf kaum eine Rolle spielt, ob eine Person eine bestimmte Strecke joggend oder zügig marschierend zurückgelegt – mit ein Grund ist, dass der Geher dafür länger braucht als der Läufer.
Auch Forscherinnen und Forscher der Harvard Medical School in den USA haben sich mit der allheilbringenden Schrittzahl befasst. Sie haben für eine Studie aus dem Jahr 2019 rund 17’000 ältere Frauen mit Schrittzählern ausgerüstet. Nach etwas mehr als vier Jahren zeigte sich: Der positive gesundheitliche Effekt setzte bei rund 3000 Schritten pro Tag ein. Bei 4400 Schritten täglich halbierte sich das Risiko der Probandinnen, früh zu sterben.

Weitere Risiken der Fitness-Tracker

Neben den psychologischen Aspekten warne ich auch vor einer möglichen Fehlinterpretation der gesammelten Daten. Die meisten Menschen sind keine Experten für die Analyse ihrer eigenen Gesundheitsdaten. Falsche Schlussfolgerungen können die Folge sein. Auch die ethischen Implikationen der Technologie müssen thematisiert werden. Wenn Unternehmen wie Amazon ihre Mitarbeiter mit Wearables überwachen, stellt sich die Frage, ob diese Art von „Überwachungskapitalismus“ die Grenze zur Ausbeutung überschreitet.

Fitness-Tracking hat also zwei Gesichter: Auf der einen Seite hilft es, mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren, auf der anderen Seite birgt es Risiken für psychische Gesundheit und persönliche Freiheit.

Zuviel des Guten: Sport- oder Bewegungssucht

Wer zu exzessiv und zwanghaft Sport treibt und dabei Verletzungen und Krankheiten ignoriert und seine Sozialkontakte schleifen lässt, der leidet an einer sogenannten Sport- oder Bewegungssucht. Sie haben keine sportlichen Ziele, sie trainieren um des Trainings willen. Dabei spielt es keine Rolle, wie viele Stunden jemand pro Woche trainiert. Sonst müsste man die meisten Spitzensportler als sportsüchtig klassifizieren. Das sind diese aber (meist) nicht. Sobald sich im Training ein Muskel hart anfühlt, hört ein Spitzensportler  sofort auf. Und es ist auch kein grosses Problem, wenn sie an einem Tag mal nicht trainieren können.

Der Begriff Sport- oder Bewegungssucht ist zwar schon fast 50 Jahre alt, doch erst in den letzten Jahren ist exzessives Sporttreiben mit all seinen negativen Konsequenzen in den Fokus der Sportwissenschaft gerückt. Mittlerweile gibt es viele Studien und Fallberichte, die darauf hindeuten, dass Sportsucht in mehreren Punkten anderen Verhaltenssüchten ähnelt, etwa der Spielsucht, Kaufsucht oder Internetsucht.

So konnten in einer Metastudie zum Thema «Exzessives Sporttreiben» gezeigt werden, dass von neun identifizierten Kriterien einer Spielsucht sieben ein Pendant bei einer Sportsucht haben. Dazu zählen unter anderem:

  • Trainingsumfang steigt mit   der Zeit.
  • Entzugssymptome, wenn   Trainings ausfallen.
  • Gedanken kreisen ständig   um den Sport.
  • Sport als Mittel, um mit   negativen Stimmungen und  Stresssituationen umzugehen.
  • Job, Partnerschaft und  soziale Kontakte leiden unter  dem exzessiven Sport.

Trotz dieser Parallelen zur Spielsucht: Offiziell anerkannt ist die Diagnose Sportsucht (noch) nicht. Weder im internationalen Handbuch der statistischen Klassifikation von Krankheiten (ICD-11) noch im Diagnostischen und statistischen Leitfaden psychischer Störungen (DSM-5) wird «Sport- oder Bewegungssucht» aufgeführt. Von den Verhaltenssüchten gilt bislang einzig die Spielsucht als offizielle Diagnose.

Übertraining ist die Bezeichnung für die physiologischen Vorgänge, Sportsucht das Wort für die psychologische Seite des gleichen Phänomens.

Der Zusammenhang zwischen Essstörungen und Sportsucht ist mittlerweile gut belegt, wobei Essstörungen in der Regel zur Sportsucht führen. Der Umkehrschluss gilt aber nicht. Bei weitem nicht jede oder jeder Sportsüchtige habe auch Ernährungsprobleme.

Es wird heute auch vermutet, dass exzessives Sporttreiben eine Reaktion auf chronischen Stress oder bedrückende Situationen sein kann. Von verschiedenen anderen Suchterkrankungen weiss man, dass diese oft mit Depressionen, Angststörungen oder psychotischen Erkrankungen einhergehen. Genau dies könnte auch bei der Sportsucht der Fall sein.

Bewegung auf dieser Website

Eines meiner Kernthema in Arbeit auch als Sportarzt und Rolfer und auf dieser Website dr-walser.ch ist die Bewegungs- und Haltungsverbesserung.
Zusammengefasst habe ich auf folgenden Seiten darüber bereits geschrieben:

Hier habe ich noch weitere Arten von Bewegung aus gesundheitlichem Winkel erforscht. Im Zentrum steht für mich meist eine gesunde Haltung und ein ökologisches, also gelenk- und gewebeschonendes Bewegungsmuster:

Dann auch die Auswirkung von Bewegung zur Prophylaxe oder Therapie weiterer Krankheiten:

Und Auswirkung direkt auf Körpersymptome:

Hier finden Sie noch meinen speziellen Blog über Rolfing, Haltung, Bewegung mit Themen wie „Richtiges Stehen am Stehpult“, Probleme einer gespannten Extensorenschlinge, Kniegelenke schonen, HIIT – Ausdauer optimal trainieren, Wanderstöcke, flacher Bauch, Rucksack tragen,…

Letzte Aktualisierung durch Thomas Walser:
01. September 2024