Über 30 Jahre als praktizierender Feld-, Wald- und Wiesen-Arzt und Daseinsgärtner im Grossstadt-Dschungel Aussersihl in Zürich und auch als Berater von grösseren Gesundheitsmagazinen der Schweiz habe ich viele (offene) Antworten hier zusammengetragen. Seit Mai 1997 ist dieser medizinische Piratensender im Netz.
„Mir gefallen Körper, die nicht von Zwängen, sondern von Leidenschaften geformt sind!“ Theresa Lachner
Wie man geniesst und diätlos glücklich wird
Das Gute sei im Müesli zu finden, das Schlechte im Schwein.
Oder: Was dick macht, ist des Teufels. So drucken sich Heerscharen von Ernährungsfachleuten aus. Ein Spezialist aber widerspricht ihnen allen. Er will beweisen, dass «Diät nichts hilft, dass Abnehmen sogar die Lebenserwartung verkürzen» kann.
Dr. Nicolai Worin greift in seinem Buch „Diätlos glücklich“ so viele Ernährungsthesen an, dass das Lesen richtig Appetit macht.
Der Autor fährt grobes Geschütz auf. Etwa dann, wenn er die japanischen Sumo-Ringer erwähnt. Die sind ja nun wahrhaftig dick. Mindestens 7000 Kilokalorien müssten sie täglich. verdrücken, um ihre Kolossfigur zu erreichen und erhalten zu können. Ihr Gesundheitsgeheimnis scheint einfach: Sie trainieren täglich stundenlang, sie bewegen sich ständig.
«Fett macht fett.» Täglich infiltriere uns der böse Zeitgeist mit dieser unfrohen Botschaft, schreibt Worin. Fett sei Sünde. Wer ein fettes Hängebauchschwein verdrücke und sich seinerseits einen Hängebauch zulege, der schädige nicht nur sich selbst, sondern belaste auch die Gesellschaft mit vermeidbaren Kosten.
« Karg, grün, ballaststoffreich und fettarm – das macht nicht nur schlank, das bringt uns auch der ewigen Gesundheit ein Stück näher. Die Kost muss einen Hauch von vorindustrieller Armseligkeit besitzen, damit sie wirklich gesund ist – so wie das Essen eines italienischen Bauern öder eines japanischen Fischers vor hundert Jahren! »
Keine einzige, noch so seriös daherkommende Studie habe beweisen können, dass eine fettarme Ernährung die fetten Probleme lösen könne. Bedenklich stimme, dass diese Falschbotschaft «mit kommerziellem Schwung und grossem Erfolg, in die Ernährungsgemeinden hineingetragen» würde.
An auf Anhieb einleuchtenden Beispielen macht der Kollegenbeschimpfer Nicolai Worin deutlich, dass es völlig Wurscht ist, wie hoch der Fettanteil in den Speisen ist: «Zunehmen kann man nur, wenn die gesamte Kalorienzufuhr höher ist als der Energieverbrauch! Das heisst, alles macht auf Dauer <gleich dick>, ganz egal, wie fett- oder kohlenhydrathaltig die Nahrung ist, wenn damit ein Kalorienüberschuss, das heisst eine <positive Energiebilanz> zustande kommt.»
Fett Fett sein lassen
Die sich ständig in der Natur bewegenden afrikanischen Massai, deren Kalorienzufuhr zu weit mehr als der Hälfte aus Fett bestehe, seien in den meisten Fällen schlank.
Und auch ein weisser Büroangestellter, der jeden Tag über 3000 fette Kilokalorien in sich hineinfuttere, müsse keinen Bauchansatz befürchten, wenn er vor oder nach der Arbeit «entsprechende Kilometer trabt».
Der Autor lobt die Südländer, die trotz hohem Fettanteil ihrer Speisen in aller Regel schlanker bleiben als Deutsche oder gar Amerikaner. Grund: Wasser und Brot, zu den Mahlzeiten genossen, machen satter. Genauso wie das langsame Essen, Gespräche dazwischen und das bewusste Geniessen. Es käme keinem Italiener in den Sinn, Süssstoff in seinen Espresso zu kippen, keinem vernünftigen Franzosen, eine kalorienreduzierte Mousse zu bestellen.
Geradezu «pervers» sei die Fixierung auf Fett als Bösewicht. Denn Fett weide vom Menschen seit Urzeiten besonders gerne gegessen, «weil es seine Aroma- und Duftstoffe überaus betörend verströmt, weil der Geschmack köstlich und die Konsistenz angenehm ist, weil es uns sättigt und uns lebenswichtige Fettsäuren liefert. Hätte die Natur uns derart auf Fett reagieren lassen, wenn es Gift für uns wäre? Hat die Evolution bezüglich Fett gänzlich versagt? Ein Programmierfehler? Haben wir ausgerechnet gegenüber allen andern Bösewichten in der Nahrung gelernt, mit Widerwillen und Abneigung zu reagieren, etwa wenn eine verführerisch leuchtende Frucht am Baum oder Strauch uns <böse> will – und nur beim Fett nicht?» Lassen wir Fett mal Fett sein. Doch bleiben wir beim leidigen Thema des Zudickseins. Massloses Übergewicht muss ärztlich behandelt werden. Doch was ist masslos? Die paar Kilos vielleicht?
Jede Frau, jeder Mann, der sich irgendeiner nur vermeintlich logisch wirkenden Abmagerungskur unterzieht, muss sich folgender Ironie bewusst werden: «Was sind schon Gallensteine, die sich bei Reduktionsdiät gerne bilden? Wen interessiert schon die Knochenentkalkung mit dem damit verbundenen Risiko für Osteoporose und Knochenbrüche, wen kümmert die erhöhte Harnsäure, die einen kleinen Gichtanfall gerade dann auslöst, wenn man dabei ist, so richtig schlank und gesund zu werden?»
Es wird noch üppiger: «Ein bisschen Leberfunktionsstörungen, eine kleine Krise im Wasser- und Elektrolythaushalt und das bisschen Verlust an Muskelmasse an Körper und Herz – das ist doch alles zu verkraften und wird schliesslich weit übertroffen von den gesundheitlichen Vorteilen, wenn man endlich von dem lästigen Übergewicht herunterkommt.»
Nicolai Worin ist beileibe nicht der einzige, der vor dem rigorosen Abnehmen warnt, Genuss dafür um so intensiver empfiehlt.
Der Arzt Hans Balzli, Autor so unterschiedlicher Bücher wie «Körperschönheit trotz Mutterschaft» und «Nütze die Arbeitspause – Atmung und Gymnastik, die tägliche Kraftquelle des Berufstätigen», dieser Arzt war auch ein grosser Geniesser. Schon im Jahre 1931 kam sein hübsches Buch «Gastrosophie, ein Brevier für Gaumen und Geist» heraus.
Darin schrieb er: «Ich will auf keinen Fall die Bejammernswerten zu beeinflussen versuchen oder gar verführen, die – im Banne irgendwelchen Vorurteile oder Sektierereien – in die Welt hinausposaunen, die Ernährung sei etwas Niedriges, Tierisches, Materielles, und im Verfolg dieser vorgefassten Meinung jede Freude am Essen und Trinken als Sünde verschreien, ja nicht einmal den bescheidensten Tafelgenuss zulassen. Ihnen ist in ihrer Verschlossenheit und Kulturlosigkeit überhaupt nicht beizukommen, ihnen kann niemand helfen. Ich will sie ihrem grässlichen Frasse nicht abspenstig machen.» Balzli schliesst sein Vorwort ab mit dem Satz: «Denn böse sind nur hungrige und unbefriedigte Menschen.» Darüber müsste man nachdenken.
Nicolai Worin vergleicht Marilyn Monroe in ihrem Film «Some like it hot» mit dem heutigen Fotomodell Kate Moss.
Die Monroe galt damals als Traumfrau, sie hatte eine Traumfigur. «Heute würde sie eher als Model für Übergrössen» eingesetzt.
«Zu unseren Zeiten, da Kate Moss und ihre ausgehungerten Kolleginnen zur Verkörperung des Schönheitsideals geworden sind, kann man allerdings bereits wieder Hoffnung schöpfen: Schlimmer kann es eigentlich nicht mehr werden.» Nur „der geordnete Rückweg“ biete sich an.
Das heisst: Es gibt keine verbotenen Lebensmittel mehr. jedes Essen soll eine Befriedigung hinterlassen. Essen Sie mit gutem Gewissen. Geniessen Sie, darüber freut sich Ihr Wohlbefinden.
Und lassen Sie sich von niemandem terrorisieren. Auch von Ernährungsberaterinnen und -beratern und zwielichten Langzeitstudien nicht.
Klinische Studien zu Diäten
Dazu drei Studien an fast 50’000 Frauen im Alter von 50 bis 80 Jahren, die während acht Jahren den Einfluss einer Diät mit geringem Fettgehalt (low fat diet) auf die Inzidenz von Brustkrebs (sollte das Risiko vermindern!), Kolonkarzinom (dito!) und auf das kardiovaskuläre Risiko (auch das sollte abnehmen!). Und was kam dabei heraus? Die Diät reduzierte keines der geprüften Risiken – weder das für Karzinome noch jenes für Herz-Kreislauf-Vorfälle! Ob dieses Ergebnis den Eindruck verstärkt, dass mit Diäten wenig bis nichts zu ereeichen ist, und dass man zwar mit Exzessen das Leben verkürzen, es mit Restriktionen aber kaum verlängern kann?! (Prentice RL, et al. / Beresford SA, et al. / Howard BV, et al. Low-fat dietary pattern and risk of invasive breast cancer / colorectal cancer / cardiovascular disease. The Women’s Health Initiative randomised controlled dietary modification trial. JAMA 2006;295:629-42 / 643-54 / 655-66).
Fuck it, bitch. Stay fat!
Dieses Buch von Samantha Irby „We never meet in real life“ war mal dringend nötig. Das Thema ist nicht neu – ein Rant gegen Diäten – aber wie sie’s aufschreibt lässt den Leser auf diese tiefe, behäbige Weise lachen, die Alltagsweisheit signalisiert. Kostprobe: „Do you really need another article about how important it is to eat a big breakfast full of healthy fats and whole grains to curb afternoon snacking? NO, YOU DO NOT. You need bitches to write about how comfortable maternity jeans are for women who aren’t really pregnant. And sexy ways to remove a bra that has four hooks. I’m always amused when they encourage you to eat “instead” foods, like eating an apple when you really want to rub a bacon cheeseburger all over your boobs is a fair substitute.“
„Ob gesund oder krank, habe ich mich immer willig von den Gelüsten leiten lassen, die sich in mir regten. Ich räume meinen Wünschen und Neigungen großen Einfluss ein. Ich liebe es nicht, Übel durch Übel zu heilen; ich verabscheue die Heilmittel, die beschwerlicher sind als die Krankheit. (…) Alles, was ich mit Unlust zu mir nehme, ist mir schädlich, und nichts ist mir schädlich, was ich mit Lust und Hunger genieße; nie ist mir Nachteil aus einem Beginnen erwachsen, das mir großes Vergnügen bereitete. Und so habe ich meinem Vergnügen gar grosszügig vor allen ärztlichen Ratschlüssen den Vortritt gegeben.“
(Michel de Montaigne, Essais: Von der Erfahrung, S. 861f.)
Was tut mir gut?!
Schrecklich, die moralsaure Vorstellung wie all unsere versauten Nahrungsmittel uns verseuchen und verpilzen, uns wurmstichig zernagen…
Ich plädiere hingegen zu fragen: „Was tut mir gut?“ und nicht immer „Was kann mir schaden?“.
Wir sollten wieder lernen, freudvoll und schuldenfrei zu geniessen!
Soziale Kontrolle durch Gesundheit
Die Medizin ist aufs Negative fixiert, sie liebt Warnungen vor Gefahren. Wie andere Religionen hat die Medizin mittlerweile ein eigenes Moralsystem geschaffen: Rauchen, Weissbrot, Chips, Salz oder Fett essen, ein Stubenhocker sein, keine Kondome benutzen, Alkohol, Nikotin oder Haschisch konsumieren, Sonnetanken, keinen Motorradhelm tragen: All diese Dinge sind unmoralisch – der Preis solcher Sünden ist ein früher Tod. Die Folgen dieses Moralsystems sind Schuldgefühle. Und die erzeugen massiven, krankmachenden Stress, senken das Wohlbefinden und können sogar zu Depressionen führen.
Die Moral, die soziale Kontrolle, funktioniert heute nicht mehr über Sex, sondern über Gesundheit! Die Kontrolle funktioniert über den Körper-, Schlankheit-, Fitnesskult, über die Ernährung und die Leistungsfähigkeit. Seit Sparta gibt es eine Form von Gesundheitsfaschismus. Das gehört zum menschlichen Dasein. Der Kult von Reinheit, Stärke, Körper – bis hin zur Rassenreinheit im Nationalsozialismus (Siehe dazu auch der spannende Artikel über die neuen vielen Guidelines in der Medizin hier: Guidelines: the new catechism of modern medicine? Levi M.; Netherl J Med 2012 (August); 70: 253-4: guidelines.pdf)
Gesundheitsbewegungen hatten immer etwas zutiefst Antiliberales. Umgekehrt hat der Genuss immer etwas Subversives, Ideentreibendes, Verdächtiges. Dadurch bekommt Rauchen heute langsam den ambivalenten Status von Pornografie: Etwas Abstossendes und Anziehendes zugleich.
In dieser ambivalenten Situation trennen sich auch die Glückssucher von den Unglücksvermeider, zwei völlig verschiedene Typen: Die einen stellen ihr Leben völlig auf Sicherheit ein (kein Rauch, gesundes Essen, keine AKW…) und die anderen suchen das Glück, den Exzess und sind bereit, Unglück (und frühen Tod und Krankheit durch Rauchen, etc.) zu riskieren!
Zur Bedeutung des Exzess in der Menschheitsgeschichte ein berauschender Beitrag aus der Republik: kurze-geschichte-des-lasters.pdf
Essen ist der neue Sex
Mittlerweile ist es üblich, dass sich auch die ganz Braven einmal pro Woche einen sogenannten Cheatday gönnen. So jedenfalls wird es unter dem entsprechenden Hashtag in den sozialen Medien propagiert. Die «Cheater», sprich Betrüger, gehen dann allerdings nicht in eine Bar und schleppen dort zwecks Geschlechtsverkehr ein Date ab. Nein, sie dürfen an jenem Tag bloss essen, was ihnen beliebt. Also nicht nur gesundes Zeug, sondern vielleicht auch etwas Schokolade oder gar eine Fertigpizza.
Klingt eigentlich sympathisch. Ist es aber nicht. Wer sich verpflegungsstechnisch entspannen will und auch mal Süsses und Fettiges zu sich nimmt, begeht offenbar nichts weniger als einen Betrug. Als wären wir unserem Essen moralisch verpflichtet und könnten Gemüse oder Chiasamen hintergehen. Die Vorstellung mag amüsieren. Doch sie offenbart, wie verkrampft, ja dogmatisch unser Verhältnis zur Nahrungsaufnahme geworden ist. Man isst nicht mehr vorzüglich oder miserabel, sondern richtig oder falsch. Es gibt gute und böse Lebensmittel. Wer gesund speist, lebt besser, länger, glücklicher.
Diese neue Moral hat voll aufs Volk übergegriffen: Die moderne Mutter sorgt sich nicht mehr, dass die Tochter an einer Party richtig küsst, sondern dass sie falsch isst. Das Essen (und andere Mediziner-Dauer-Themen, wie Bewegung, Rauchen,…) haben in unserer Gesellschaft den moralischen Stellenwert eingenommen, den Sex bis vor ein paar Jahrzehnten noch innegehabt hat! Gesunde Ernährung ist zum moralischen Imperativ geworden. Vegetarier, Veganer und Fruktarier basteln aus dem Inhalt ihres Kühlscharnks – oder besser: aus dem, was sich nicht darin findet – eine ganze Lebenshaltung. Und übrigens meist eine, mit der man sich moralisch besser fühlen kann, mit der man sich so schön vom dumben Rest der Menschheit abheben lässt. Gourmetsendungen im TV werden als Foodporn bezeichnet. Der Bioladen um die Ecke wird zum Glaubenstempel erkoren. Und wie bei jeder installierten Moral wird irgendwann vom Recht zum Widerstand Gebrauch gemacht und wird richtig cool: Im Internet gehört das Food-Selfie mittlerweile zum guten Ton. Models beissen gierig in eine Pizza oder schlecken lüstern eine Glace. Schaut alle her, wie verwegen ich bin! Junk-Food als Verführung in der Welt der oralen Enthaltsamkeit…(teils zitiert aus der Sonntagszeitung vom 20.01.2019 und Nicole Althaus in „Essen ist der neue Sex“ aus der NZZ am Sonntag vom 22.6.14 – Danke!)
Hauswartsyndrom
Die WHO listet 3350 Grenzwerte für Pestitzidrückstände in Lebensmittel auf. Das stumpft ohnehin ab und erhöht den Widerwillen gegen gesundheitsförderliche Ratschläge. Risiken breiten sich seit etwa dreissig Jahren in der medizinischen Literatur in den Medien und im Bewusstsein der Menschen geradezu epidemisch aus. Die meisten Menschen haben grosse Angst vor dem Sterben. Deshalb sind sie offen für vieles, was Gefahren und Risiken vermeintlich minimiert. Dies anderen Menschen ständig vorzuhalten, nenne ich „Hauswartsyndrom“: Man macht den anderen durch (unhaltbare) Massregelungen schuldig und dies gibt Macht. Über Schuldgefühle kann man Menschen führen. Wünschenswert wäre aber, Menschen über Achtung und Respekt vor anderen Menschen, vor Tieren, der Natur, vor Gegenständen zu führen. Was voraussetzt, dass man sich selber achtet. Wir müssen wieder lernen, Verantwortung für uns selber zu übernehmen. Verantworten heisst sich selber antworten. Indem ich mir selber antworte, entscheide ich, ob ich etwas als gesundheitsschädlich erachte oder nicht. Konkret: Wenn ich abends zu viel getrunken habe, erbringe ich anderntags nicht die gleiche Leistung; vielleicht bin ich gereizt. Nehme ich das bewusst wahr, kann ich gelassen reagieren, ohne quälende Schuldgefühle: Du hast dir gestern geschadet, das nächste Mal passt du besser auf (es kann aber auch das nächste Mal schief laufen).
Selbstbeobachtung
Wie kann man diese Selbstbeobachtung fördern? Indem man fünf Minuten pro Tag dasitzt und nichts macht – nicht Radio hört, nicht fernsieht, nicht im Internet surft, nicht Zeitung liest. Nur dasitzt. Und sich beobachtet und Fragen stellt: Willst du auf diese Weise alt werden, so wie du heute lebst? Mit welchen Gefühlen bist du heute aufgestanden? Was hast du für eine Beziehung zu deiner Partnerin, deinem Partner? Gestern hast du zuviel getrunken – wie stehst du heute dazu? Es braucht sehr, sehr wenig, um mit sich selber Kontakt aufzunehmen. Eine andere Möglichkeit, Distanz zu sich selber zu schaffen, ist ein Tagebuch führen. Oder abends vor dem Zubettgehen eine Zeichnung von sich selber machen. Was für Farben nehme ich? Was bedeuten diese Farben? Oder man kann den Tag auf ein Tonband sprechen.
Betrachten Sie die Ereignisse aus einer anderen Perspektive, entwickeln Sie eine distanziertere, umfassendere Sicht. Abgrenzung verhindert Wachstum. Oder mit Albert Einstein ausgedrückt: „Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit dem Radius Null – und das nennen sie dann ihren Standpunkt.“
Solche Methoden kann jede Person anwenden; sie verlangen weder psychologisches Wissen noch eine Therapie.
Genuss vs. Selbstkontrolle
Es herrscht noch immer die Auffassung, dass primär Selbstkontrolle helfe, ein zufriedenes und erfolgreiches Leben zu führen, indem langfristige Ziele über kurzfristiges Vergnügen gestellt werden. Doch es ist Zeit umzudenken, zeigen neuere Studien. Selbstkontrolle ist zwar durchaus wichtig für ein Leben, das als sinnhaft und erfolgreich empfundenen wird. Aber die Fähigkeit, lustvolle Aktivitäten zu geniessen, trägt mindestens ebenso viel zur Lebenszufriedenheit bei. Dabei stehen beide Fähigkeiten nicht im Widerspruch zueinander. Für ein zufriedenes und erfolgreiches Leben sind beide wichtig. Es gilt, im Alltag – einmal mehr – die richtige Balance zu finden.
„Selbst-Kontrolle“ kann so neu als „Empathie zu sich selbst“ gesehen werden – und schliesst so den Genuss sicher nicht aus. Die Studien zeigen: Menschen, die sich dem Genuss ungeteilt hingeben können, erleben nicht nur kurzfristig mehr Wohlbefinden, sondern weisen generell eine höhere Lebenszufriedenheit auf. Sie leiden zudem weniger an Depressions- und Angstsymptomen. Dabei zeigte sich aber, dass man sich in Genuss- oder Entspannungsmomenten nicht gedanklich ablenken lassen darf, um davon zu profitieren. Das Grübeln über Aktivitäten oder Aufgaben, die man stattdessen erledigen sollte, untergräbt das unmittelbare Bedürfnis, sich zu entspannen. Sich einfach häufiger einen Abend auf dem Sofa, ein gutes Essen oder ein Bier mit Freunden zu gönnen, führt also nicht automatisch zu mehr Zufriedenheit, so das Fazit der Forscherinnen. Man darf gleichzeitig nicht abgelenkt sein vom Genuss. Und das sei offenbar «nicht ganz so leicht». (Katharina Bernecker, Uni Zürich & Daniela Becker, Leibniz-Institut für Wissensmedien, Germany: The ability to pursue hedonic goals and its consequences for well-being)
Wir überschätzen uns und unsere Willenskraft und unsere Selbstkontrolle. Wir glauben, wenn wir uns nur am Riemen reissen, könnten wir jederzeit unser Verhalten steuern und unsere Ziele erreichen. Das stimmt aber leider nicht.
Wann soll man skeptisch werden? die „Guru-Medizin“.
Lassen Sie sich nicht den Genuss am Leben vergällen und madig machen, z.B. von sog. Therapeuten, die ein Bild vom Menschen als Müllhalde haben, der entgiftet werden muss (Darmspülungen, Entgiftung, Ausleitung, Dauerbrause, Detoxikationen…), die ein Horrorszenario von Umweltgiften, Pilzen und Mikroorganismen ausmachen – „madig“ eben…
Es scheint auch viel „Galle“ da zu sein, eine aggressive Art, sich von sämtlichen „Nichtgläubigen“ abzugrenzen. Schulmediziner grenzen z.B. Homöopathen aus – und umgekehrt, Impfverfechter Impfgegner,…
Skeptisch soll man als mündiger Mensch werden, wenn also von schrecklichen Menschenbildern ausgegangen wird, wenn nur auf die kranken Seiten fokussiert wird und nicht auch auf die gesunden, wenn „gallig“ abgegrenzt wird – und auch wenn teure Behandlungen und Apparate als das Einzigrichtige verkauft wird (Stichwort „Guru-Medizin“). Gegen Elektrosmog und Wasseradern benötigt man keine tausendfränkigen Abschirmungen – man findet im Internet auch Bastelanleitungen für wenige Fränkli. Das Bett verstellen oder den Radiowecker, das Freihandtelefon, den Router und Repeater ausziehen und das Smartphone nachts in den Flugmodus setzen, kann schon reichen. Diätpläne müssen nicht teuer erkauft werden (ernaehrung/). Auch Fitness nicht (jogging/). Anti-Aging auch nicht (anti-aging/). Amalgam soll nicht auf ein Mal rausgerissen werden: max. zwei Plomben im Jahr sind für unseren Körper noch tragbar. Nicht gegen alles und jedes impfen – aber auch nicht nichts: individuell entscheiden (www.impfo.ch).
Was ist dann gesund?!
Man darf ja gar nicht so laut verkünden, dass Gesundheit eigentlich sehr einfach zu erlangen ist (Ärzte würden ja arbeitslos…): Lebe massvoll, lustvoll, natürlich und mit viel Bewegung!
Der Geist soll in eine glückliche Stimmung kommen. dafür ist Warmherzigkeit der Schlüsselfaktor. Wenn Sie ein gutes Herz haben, einen offenen Geist und sich und andere Menschen achten, werden Sie gesund. Betrachten Sie die Dinge aus einer anderen Perspektive, entwickeln Sie eine distanzierte, umfassendere Sicht.
Wer sich zu sehr mit dem eigenen Ich beschäftigt, kreist um sich selbst, und das schafft vor allem Beklemmungen. Man sollte sich für etwas anderes interessieren als nur für die eigene Haut und Haare!
Auf meiner Seite über Salutogenese habe ich viel über Dinge geschrieben, die Ihre Haltung zu Ihrer Gesundheit verändern können – und über die Resilienz in Krisenzeiten.
Die „Entgiftung und Entschlackung“ jeder unserer Körperzelle mittels der wunderbaren Autophagie anregen: ganz einfach mit dem Intervallfasten! (walserblog.ch/2019/01/12/detox-intervallfasten/)
Schuldfreier Genuss
Auch in der Medizin gibt es zum Glück Gegengewichte: z.B. David Warburton, Professor für Psychopharmakologie im südenglischen Reading begann ein weltweites Netzwerk mit Leuten zu spinnen, welche die heilsame Wirkung von Dingen ergründen, „die uns Spass machen“. Heute sind fünfzig Freuden- und Genussforscher aus 13 Ländern miteinander verbündet, von Soziologinnen bis Medizinern. Ihr programmatischer Name: Arise (Associates for Research into the Science of Enjoyment ). Sie konnten in zahlreichen Arbeiten zeigen, dass so „schreckliche“ Dinge, wie Schokolade, Kaffee, Alkohol, … bei schuldfreiem Genuss mehr heilen als schaden.
Es wurde sogar gezeigt, dass ein Stück Schokoladenkuchen (oder was man sonst sehr gern mag) zum Frühstück zu besseren Abnehmen (mehr und andauernd) führt, als bereits schon ein genussfeindliches Frühstück (Steroids, 77 (2012) 323-331)!
Vor beinahe 50 Jahren stellten Psychologen die These auf, dass die Menschheit einen Hang zum Guten hat: Auch unsere menschliche Sprache neigt zum Guten. Sie enthält mehr positive Wörter als negative. Dies haben jetzt amerikanische Mathematiker bestätigt («Pnas», online). Dazu haben sie einen immensen Datensatz mit mehreren Milliarden Wörtern ausgewertet. Als Quelle dienten Filmuntertitel, Songtexte, Romane, Zeitungsartikel und andere Dokumente in zehn verschiedenen Sprachen. In allen Quelltypen waren positiv besetzte Wörter in der Überzahl. Fazit: Wir reden lieber über die Sonnenseiten des Lebens.
www.mutmacherei.net: Wollen Sie endlich mal was anderes hören als Bankenrettung, Kernschmelze und Wirtschaftslobby? Die Mutmacherei bringt Ihnen wirkliche good news, die Sie staunen lassen!
Hier muss auch ein Medienprojekt erwähnt werden, welches – leider eine Seltenheit in der Medienszene – speziell zur Verbreitung positiver Nachrichten und Geschichten des Gelingens erschaffen wurde: www.visionews.net!
Schuldfrei und genussreich Sonnetanken
Wer Sonne meidet, stirbt früher!
Zu diesem Schluss kommt eine Langzeitstudie aus Schweden: Zu strenge Regeln im Umgang mit der Sonne können der Gesundheit mehr schaden als nutzen. Die Behörden haben in der Gesellschaft die Vorstellung gefördert, dass die Sonne ausschliesslich gefährlich sei. «Dieses Bild muss sich verändern.», so die Studienleiter.
So hatten Studienteilnehmerinnen, welche die Sonne mieden, ein doppelt so hohes Risiko an Herz- und Kreislaufkrankheiten zu sterben, als extreme Sonnenanbeterinnen. Ihre Lebenserwartung sank im Vergleich um bis zwei Jahre. Diese Resultate überzeugen auch den Hautarzt Mark Anliker aus Winterthur. «Das Ergebnis ist eindeutig und stimmt auf jeden Fall. Wer mehr Sonne tankt, lebt länger.» Was genau für die bessere Lebenserwartung der Sonnenanbeterinnen verantwortlich ist, lässt die Studie offen. Die Forscher weisen auf einen möglichen Zusammenhang mit der verstärkten Produktion von Vitamin D hin. Für Anliker ist ein gesamthaft gesünderer Lebensstil wahrscheinlicher: «Wer viel draussen an der Sonne ist, ist häufig auch körperlich aktiv. Hinzu kommt die frische Luft und das psychische Wohlbefinden.» Mehrere Studien belegen, dass die Sonne gegen Depression hilft. «Besonders morgens und abends. Das helle Sonnenlicht setzt über die Netzhaut Glücksgefühle im Gehirn frei und wirkt positiv aufs Gemüt.»
Ein Freipass für stundenlanges Sonnenbaden ist die Studie aber nicht. «Es geht darum, täglich etwa eine halbe Stunde Sonne an Sie hilft bei Ekzemen, Schuppenflechten, Akne und Allergien.»
Weiterlesen:
Selbstoptimierung
Die Philosophin Ariadne von Schirach beschreibt in Ihrem Buch «Du sollst nicht funktionieren» die Folgen dieses Leistungsdruckes der Selbstoptimierung als fatal:
„Jenseits von Burn-Out, Einsamkeit und Angst ist doch das Schlimmste an der unablässigen Selbstoptimierung dieser überall bemerkbare Verlust von Lebensfreude. Wir verlernen, uns gehen zu lassen. Die Fähigkeit, Hingabe, Lust und Rausch zu erleben und zu geniessen, kommt uns durch diese dauernde Selbstbeobachtung und -kontrolle abhanden. Doch das ist nicht alles.
Die Philosophie rät seit Jahrtausenden, der Mensch solle sich um seine Seele kümmern. Das bedeutet, eine Beziehung zu seinem Inneren zu haben – zu seinen Gefühlen, Träumen und Werten. Zu seiner eigenen Lebendigkeit. Wenn diese Beziehung verloren geht, verlieren wir auch den Sinn unseres Lebens.
Selbstoptimierung als eine Form von Kontrolle suggeriert nun Sicherheit. Auch angesichts der umfassenden Beschleunigung versuchen wir, an etwas festzuhalten: an unserer Jugend oder an unserer Leistungsfähigkeit.
Zugleich versuchen wir uns immer wieder auf allen möglichen Märkten zu beweisen – vom Dating- bis zum Arbeitsmarkt.
Dadurch wird der Selbstwert zum Marktwert. Dabei vergisst man leicht, dass jeder Mensch, genau so wie jedes Stück Natur und jedes Tier, an sich wertvoll ist. Dieses Wissen müssen wir uns zurückerobern.
Also zurück zur Authentizität?
Da muss man differenzieren: Das Authentische des Menschen ist nicht nur sein Inneres, sondern eben Inneres und Äusseres zusammen. Diese puritanische Haltung, wir müssten uns nur auf das Innere konzentrieren und der verlogenen äusseren Welt abschwören, bringt uns auch nicht weiter.
Was bringt uns denn weiter? Wäre ein Mittelmass aus Selbstoptimierung und Lebenskunst optimal?
Ich glaube, der entscheidende Gedanke hinter dieser Frage betrifft nicht nur das Mass, sondern auch die Motivation. Es ist sinnvoller, die Energie, die wir in die Optimierung unseres Selbst stecken, dafür zu nutzen, das Bild, das wir abgeben möchten, mit unserer inneren Wirklichkeit in Korrespondenz zu bringen.
In einer Zeit, in der die Welt so sinnlos und brutal wirkt, liegt es an jedem Einzelnen, Widerstand gegen Konkurrenz, Kälte und Gier zu leisten. Das beginnt mit einem nutzlosen Lächeln, das wir dem anderen schenken, anstatt ihn oder sie einfach nur abzuchecken. Es ist an der Zeit, wieder Lieben zu lernen und das Leben zu wagen, anstatt es nur zu verwalten.“
Zu Tantra als Grundhaltung mit Annehmen der Lust und des Körpers als „Tempel der Seele“ – im Gegensatz zur etwas rigid-streng-moralischen Grundhaltung in der westlichen Medizin: http://walserblog.ch/2016/12/14/tantra/
„Fuck it, bitch. Stay fat!“
Dieses Buch von Samantha Irby „We never meet in real life“ war mal dringend nötig. Das Thema ist nicht neu – ein Rant gegen Diäten – aber wie sie’s aufschreibt lässt den Leser auf diese tiefe, behäbige Weise lachen, die Alltagsweisheit signalisiert. Kostprobe: „Do you really need another article about how important it is to eat a big breakfast full of healthy fats and whole grains to curb afternoon snacking? NO, YOU DO NOT. You need bitches to write about how comfortable maternity jeans are for women who aren’t really pregnant. And sexy ways to remove a bra that has four hooks. I’m always amused when they encourage you to eat “instead” foods, like eating an apple when you really want to rub a bacon cheeseburger all over your boobs is a fair substitute.“
Eine Anleitung zur Überprüfung des Gesundheitsverhaltens
Der Dalai Lama wurde gefragt, was ihn am meisten überrascht: „Der Mensch, denn er opfert seine Gesundheit, um Geld zu machen. Dann opfert er sein Geld, um seine Gesundheit wiederzuerlangen. Und dann ist er so ängstlich wegen der Zukunft, dass er die Gegenwart nicht geniesst. Das Resultat ist, dass er nicht in der Gegenwart lebt. Er lebt, als würde er nie sterben. Dann stirbt er und hat nie wirklich gelebt.“
Bereits in der hippokratischen Medizin der Antike glaubte man, dass jeder Mensch auf seine Weise krank wird. Damals war man überzeugt, dass Gesundheit stark mit der Lebensweise zusammenhängt.
Man nahm an, dass der Mensch gesund bleibt, wenn er ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Ruhen und Arbeiten, Schlafen und Wachen, sowie einen ausgeglichenen Gefühlshaushalt wahrt. Es ging um ein Gleichgewicht, das der Körper stets neu herstellen muss. Schon in der Antike erkannte man den Zusammenhang zwischen Körper und Seele, zwischen Krankheit und psychosozialem Umfeld.
Wir sollten Gesundheit als Grundbefähigung und innere Bewältigungsfähigkeit sehen. Gesundheit bedeutet dynamische Anpassung und Transformation, die es Menschen ermöglicht, auch unter widrigen Umständen lebenswichtige Ziele zu erreichen.
Gesundheit also als Resilienz? Ich sehe das weniger statisch. Gesundheit ist nicht die Fähigkeit, zu einem ursprünglichen Zustand zurückzukehren. Der Mensch entwickelt sich immer weiter, er muss sich verändern. Gesundheit ist kein Zustand, sondern eine Ressource, die sich unter Belastungen zeigt. Es geht um Entwicklungs- und Bewältigungspotenzial.
Betrachten wir die Trauer. Man kann nicht sagen: „Ich habe einen Verlust erlebt, jetzt muss ich Trauerarbeit leisten, und dann geht es mir wieder wie vorher. “ Es wird nie mehr wie vorher sein! Die Trauer verändert den Menschen, seine Lebensziele, sein Bewusstsein, sein Verhältnis zur Welt. Der Mensch entwickelt sich ständig weiter. Nur wenn der Trauernde seine Fähigkeit zur Entwicklung verliert, indem er sich zurückzieht und handlungsunfähig wird, verliert er seine Anpassungsfähigkeit und gerät in einen krankhaften Zustand.
Ein Mensch kann also gesund sein, selbst wenn er nicht mehr wie früher funktioniert – solange er einen Umgang damit findet. Wenn wir Gesundheit fördern wollen, müssen wir die Menschen befähigen, mit den Schwankungen des Lebens zurechtzukommen und erfolgreich mit der Welt zu interagieren. Jeder Mensch hat grundsätzlich das Potenzial dazu.
Lebe massvoll, lustvoll, natürlich und mit viel Bewegung!
Eine Untersuchung der Harvard Medical School, eine der längsten (60 Jahre Beobachtung) und umfassendsten Forschungen zur menschlichen Entwicklung, zeigt: Wir können zu grossen Teilen selbst bestimmen, ob wir gesund bleiben und wie wir altern! Was unterscheidet denn Menschen, die im Alter von 60 bis 80 zufrieden und gesund sind (Happy-Well) von den traurigen Kranken (Sad-Sick) George E. Vaillant et. al. (Aging Well. Little, Brown & Company, Boston 2002, ISBN 0-316-98936-3).
Aus dem eben Gesagten kann man schliessen, dass Gewissenhaftigkeit (Selbstkontrolle, Pflichtbewusstsein…) eine der wichtigsten Faktoren zur Erlangung von Gesundheit ist. Neben dem, dass gewissenhafte Menschen weniger rauchen und Alkohol trinken und massvoller essen, gelingt es ihnen, sich bessere Lebensbedingungen zu erarbeiten. Wer schon in der Kindheit selbst-diszipliniert zu Werke geht, bekommt eher gute Noten, schafft eher eine anspruchsvolle Ausbildung und wohnt in einer gesünderen Umgebung.
Die Selbstkontrolle und – damit zusammenhängend – „Alles mit Mass!“ ist also der wahre Glücklich-Macher. Selbstkontrolle macht Kinder im späteren Leben stark. Leute mit viel Selbstkontrolle führen im Schnitt bessere und längere Beziehungen als Menschen, die sich weniger im Griff haben. Sie werden mehr gemocht und anerkannt. Sie sind weniger gestresst, fühlen sich weniger schuldig, können sich besser an neue Situationen anpassen und sind weniger beratungsresistent. Sie begehen auch weniger Verbrechen. Sie überwinden sogar Vorurteile besser. Und, nach all dem, nicht überraschend: Sie leben länger.(Roy Baumeister: Die Macht der Disziplin. Campusverlag, 2012)
Alles schön und gut: Aber eine Überdosis Disziplin ist nicht mehr gesund!
Siehe dazu auch mein Blogbeitrag über Cortisol bei zu starker Disziplin!
Wichtig ist der Wechsel von Spannung und Entspannung, von Kontakt und Rückzug, von Selbstkontrolle und Genuss! Eine eigentliche Rhythmisierung unseres Lebens. Es gibt also auch die Rückseite der Medaille durch eigentliche „Selbstknechtung“, was in Stress, Depression und Burnout enden kann. Deutungshilfe bietet der deutsche Philosoph Byung-Chul Han. Laut Han hat sich der Westen von einer Kontroll- in eine Leistungsgesellschaft umorganisiert (siehe dazu den spannenden Bericht aus dem Tages-Anzeiger).
Dazu passt, dass grosse Studien bei Ausdauersportarten zeigen, dass ein Wechsel von kurzen, sehr intensiven Trainingseinheiten und längeren langsame, ja bedächtige Einheiten für die Gesundheit optimal ist. >>> strukturelleintegration.info/2017/06/02/ausdauer/).
Zudem ist für die Gesundheit – und wir sprechen hier nicht über die Ausdauer – die Häufigkeit der Bewegung wichtiger als die Intensität oder die Dauer! „Mässig, regelmässig“ ist also die Devise.
Zudem wird immer mehr klar, dass Selbstkontrolle und Disziplin beim Gesundheitsverhalten zu eng gesehen wurden. In vielen Studien zeigte sich, dass Selbstkontrollierte zwar mehr Sport treiben, gesünder essen, sich weniger von der Arbeit abhalten lassen und bessere Leistungen erzielen – aber nur, sofern sie feste Gewohnheiten haben! Sie essen fast täglich zur gleichen Zeit, treiben Sport zu festen Zeiten und gehen fast täglich immer zur gleichen Zeit schlafen. Leute mit hoher Selbstkontrolle strukturieren ihr Leben so, dass sie gar nicht erst in Not kommen, sie anwenden zu müssen.
Wir überschätzen uns und unsere Willenskraft und unsere Selbstkontrolle. Wir glauben, wenn wir uns nur am Riemen reissen, könnten wir jederzeit unser Verhalten steuern und unsere Ziele erreichen. Das stimmt aber leider nicht.
Kurzum: Unerwünschtes Verhalten zu unterdrücken, nützt mal wieder sehr wenig. Und: Was man nicht gerne macht, sollte man automatisieren!
Eine gesunde Lebensweise senkt das Risiko für chronische Krankheiten noch deutlicher als bislang vermutet:
Wer noch nie geraucht hat, viel Obst, Gemüse und dafür wenig Fleisch isst, kein massives Übergewicht hat und sich pro Woche mehr als drei Stunden bewegt, reduziert im Vergleich zu Menschen mit gegenteiligem Verhalten sein Erkrankungsrisiko um 80 Prozent. (Langzeitstudie des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung mit mehr als 25’000 Teilnehmern, 2009).
Im Einzelnen sinken bei einer derart bewussten Lebensweise das Diabetes-Risiko um 93 Prozent und die Gefahr eines Herzinfarkts um 81 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, einen Schlaganfall zu erleiden, vermindert sich immer noch um die Hälfte und das Krebsrisiko um 36 Prozent.
Wer einen BMI unter 30 aufweist, vermindert allein dadurch sein Risiko für chronische Krankheiten um mehr als die Hälfte. Wer darüber hinaus auch in seinem Leben noch nie geraucht hat, senkt die Gefahr, chronisch zu erkranken, sogar um 70 Prozent. Aber auch Raucher und Ex-Raucher können ihr Risiko durch eine gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und ein normales Körpergewicht um bis zu 70 Prozent senken.
Eigene Einschätzung Ihres Gesundheitsverhaltens
Sie finden hier eine Sammlung von Aspekten, die Sie anregt, über Ihr Verhalten und Ihre Lebensführung nachzudenken.
Kann ich wahrnehmen, welche Gedanken und Gefühle mir gut tun – und kann ich dann bewusst wählen, diese zuzulassen.
Was ist meine Strategie, wenn ich mich schlecht fühle?
Meist ist mir bewusst, was ich gerade fühle und empfinde.
Wenn ich mit etwas nicht einverstanden bin, kann ich dies ausdrücken.
Ich fühle mich frei, anderen meine Gefühle mitzuteilen.
Für mich ist es in Ordnung, sowohl heiter und fröhlich als auch ängstlich, traurig und ärgerlich zu sein.
Ich kann anderen verständlich machen, was ich empfinde.
Es beunruhigt mich nicht, wenn ich manchmal auch heftige Gefühle habe.
Ich freue mich über Zuwendung, Anerkennung und Lob von anderen.
Wenn ich traurig bin, gestatte ich es mir, zu weinen.
Ich nehme es wahr, wenn andere bedrückt sind.
Meine Ansichten und Interessen kann ich auch Menschen gegenüber vertreten, die sehr sicher auftreten.
Ich kann Sexualität und Intimität geniessen.
Ich kann freundlich zu Mitmenschen sein – auch geben/schenken ohne eine Gegenleistung zu erwarten, einfach so (zu Kindness hier weiterlesen).
Wenn ich Hilfe brauche, suche ich sie bei Freunden oder Fachleuten.
Für mich haben Gefühle eine Bedeutung, auch wenn sie mich manchmal daran hindern, die Dinge „nüchtern“ zu betrachten.
Wenn ich ärgerlich oder zornig bin, fresse ich das nicht in mich hinein, sondern drücke meine Gefühle aus. Dies kann auch bedeuten, dass ich in mich gehe und erkenne, aus welchen Glaubenssätzen und Kernüberzeugungen diese Gefühle kommen.
Ich weiche Auseinandersetzungen nicht „um des Friedens willen“ aus.
Ich kann mich in schwierigen Lebenssituationen nachsichtig behandeln.
2. Kreativität und Ausdrucksfähigkeit
Ich habe Freude daran, mich durch Kunst, Tanz, Musik, Theaterspielen, usw. auszudrücken.
Ich habe Freude daran, täglich einige Zeit ohne Planung oder Strukturierung zu verbringen. Auch das mobile Internet ist dann nicht verfügbar (Smartphones, Tablets…)!
Ich habe oft Ideen und Einfälle, die aus mir selber kommen, in denen ich nichts nachahme.
Es macht mir Spass, mich manchmal mit ungewöhnlichen Ideen zu beschäftigen und sie mit anderen auszutauschen.
Ich interessiere mich für meine Träume und für das, was sie mir sagen.
3. Entspannung, Schlaf
Ich fühle mich selten müde oder ausgelaugt (ausser nach einer anstrengenden Arbeit – und vor dem Bettgehen).
Ich schlafe nachts leicht ein (in 10 bis 15 Minuten).
Ich bekomme meist genug Schlaf, d.h. morgens steh ich gut auf und bin vormittags nicht müde.
Wenn ich aufgeweckt werde, fällt es mir meistens leicht, wieder einzuschlafen.
Es gibt Zeiten, in denen ich gerne allein sein mag.
Wenn es keine Möglichkeit gibt, Probleme sofort zu lösen, kann ich sie auch ruhen lassen.
Mindestens 15 bis 20 Minuten täglich meditiere ich oder versuche, mich zu zentrieren.
Ich verwöhne mich (ohne mich dafür schuldig zu fühlen), zum Beispiel durch Massagen, Nichtstun.
In meinem Alltag pflege ich ein Gleichgewicht zwischen Kontakt und Rückzug. Dabei meint Rückzug: Entspannung, Nichts-Tun und keine Füll-Aktivitäten, wie Blick in mein Smartphone,…
Damit zusammenhängend, arbeite ich auch nur 30 bis 40 Stunden pro Woche und benötige deshalb weniger Geld für Konsum und Luxus (Mehr dazu hier in diesem Blog!).
Im Winter schlafe ich etwas mehr und im Sommer weniger – und richte meinen Arbeitstag demgemäss ein: Mehr hier: www.dr-walser.ch/saisongerecht-leben/
Ehe ich eine Auszeit oder einen Urlaub plane, frage ich mich, wovon ich mich erhole. Grundsätzlich gilt: Kontrasterfahrungen sind wichtig! Wenn Du ständig in der Öffentlichkeit stehen und mit vielen wechselnden Menschen in Kontakt bist, brauchst Du Zeiten, in denen Du dich von der Welt zurückziehen und mal allein sein kannst. Wer in einem sozialen Beruf tätig ist, ständig für andere da ist, steht nach Möglichkeit in Urlaubszeiten selbst im Mittelpunkt und lässt sich „bedienen“. Wer ständig freundlich zu Kunden sein muss, sucht seine Erholung wohl besser nicht in Gruppen.
Fernreisen mit Zeitverschiebung bringen Anregung. Erholung bieten sie schon allein deshalb wenig, weil der Körper einige Tage benötigt, um sich an die Zeitverschiebung zu gewöhnen. Ich plane dafür genügend Zeit ein.
Ich mache mehrere, gut übers Jahr verteilte Urlaubstage, da sie sinnvoller sind als der grosse mehrwöchige Urlaub am Stück.
Ich habe nicht zu grosse Erwartungen an den Urlaub. Es ist mir bewusst, dass der Erholungseffekt nach den Ferien nicht lange anhält. Spätestens nach vier Wochen ist er verschwunden.
Es ist mir auch bewusst, dass „faul sein“ erlaubt ist. Die Balance zwischen Entspannung und Bewegung ist wichtig. Durch sportliche Betätigung werden Spannungen abgebaut und man erlebt sich als kompetent. Dies ist eine gute Voraussetzung für die Regeneration. Nicht nur im Urlaub die Joggingschuhe anziehen oder den Tennisschläger schwingen. Die beste Erholung garantiert die regelmässige, in den Alltag integrierte Bewegung.
Ich kann im Urlaub schnell von der Arbeit abschalten und die Arbeit gedanklich hinter mich lassen. Ich kann Abstand gewinnen und mich innerlich freimachen.
Ich mache im Urlaub auch Mastery-Erfahrungen, also körperliche oder intellektuelle Herausforderungen, wie einen Berg besteigen, eine Fremdsprache lernen oder einen See durchschwimmen.
Ich kann in meiner Freizeit frei wählen, wann und wie ich etwas mache, das mir Freude bereitet.
Ich habe in den letzten zwei Jahren sportlich etwas Neues gelernt oder begonnen.
Ich steige häufig Treppen, statt den Lift zu benutzen.
Meine täglichen Aktivitäten schliessen mittlere Anstrengungen ein (z.B. Betreuung kleiner Kinder, Arbeiten im Haushalt, Gartenpflege, Fusswege während der Arbeit…).
Meine täglichen Aktivitäten enthalten zeitweise auch schwere körperliche Arbeiten (z.B. Transport, Tragen schwerer Objekte, landwirtschaftliche Arbeit …).
Ich gehe täglich mindestens zwei Kilometer zu Fuss. Dies ist auch in kleineren Etappen mehrmals täglich möglich.
Mindestens dreimal pro Woche laufe ich 20 Minuten in mässiger und mittlerer Belastung (mehr).
Mindestens einmal pro Woche mache ich 15 bis 20 Minuten lang Yoga (oder andere Dehn-, Streck- oder Entspannungsübungen).
Ich mache fast täglich etwas Gymnastik.
Ich dusche regelmässig, erst warm, dann kurz kalt.
Ich gehe ein- oder zweimal im Monat in die Sauna.
Häufig geniesse ich sexuelle Aktivitäten mit mir oder anderen.
6. Körperliche Fürsorge
Ich rauche nicht! (= die wohl wichtigste Gesundheitsmassnahme überhaupt!)
Ich reinige meine Zähne regelmässig (mindestens zweimal pro Tag und einmal länger und mit (Interdentalbürstchen).
Ich sorge dafür, dass ich mich so wenig wie möglich Abgase, chemische Dämpfe und Lärm aussetze.
Ich nehme Änderungen in meinem körperlichen, seelischen und geistigen Befinden bewusst wahr und suche fachliche Hilfe bei auffälligen Änderungen.
Ich nehme sehr selten Medikamente oder Drogen. Ich trinke auch nicht jeden Tag Alkohol.
Ich sorge dafür, dass ich regelmässig ausreichend Schlaf bekomme.
Ich mag die Berührung durch andere.
Ich mag andere Menschen berühren, wenn ich das Bedürfnis dazu habe.
Ich „trainiere“ mein Gehirn (und für „Gehirnjogging“ genügt nicht das Lösen von Kreuzworträtsel oder Sudoka!) mit Musizieren, Tanzen, Meditieren, Lernen von Fremdsprachen, Beschäftigung mit philosophischen Themen, Umgang mit Kindern!
Ich probiere täglich draussen etwas „Sonne zu tanken“ (siehe hier über den „Segen der Sonne“)
7. Ernährung
Der grösste Teil meiner Nahrung ist pflanzlichen Ursprungs: Obst, Gemüse, Salate, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Nüsse (davon 1 Handvoll pro Tag) und Früchte (etwa 2 Handvoll Obst täglich).
Rohe, ungekochte Nahrung ist nicht die Ausnahme, sondern fester Bestandteil meiner Ernährung.
Fleisch esse ich höchstens ein- bis zweimal die Woche und achte auf Weidefleisch.
Ich vermeide soweit wie möglich tierische Fette und ersetze sie durch pflanzliche (hochwertige Öle sind Oliven-, Lein- und Rapsöl).
Ich esse selten raffinierte Nahrung und achte auf Esswaren im vollwertigen Naturzustand.
Ich bevorzuge Nahrung ohne chemische Zusätze und achte beim Einkaufen auf die Kennzeichnung von Zusätzen. Als Regel kann gelten, dass ich Esswaren einkaufe, die auch meine Urgrossmutter als Essen erkannt hätte.
Ich trinke mindestens 1,5 bis 2 Liter Flüssigkeit täglich.
Ich trinke weniger als sechs Tassen Kaffee pro Tag.
Mein Alkoholkonsum ist niedrig (nicht mehr als ein halber Liter Bier oder ein viertel Liter Wein pro Tag). – mit vielen alkoholfreien Tagen.
Mein Appetit ist gut (weder zu gering noch zu gross).
Mir macht meine Tätigkeit mehrheitlich Spass. Teils bin ich auch im wirklichen Flow.
Mein Beruf ist meine „Berufung“, d.h. ich kann dabei mindestens die drei wichtigsten Charakterstärken brauchen (siehe Test dazu hier: charakterstaerken.org).
Ich fühle mich selten in unangemessener Weise bewertet und kontrolliert.
Ich arbeite gern mit meinen KollegInnen zusammen.
Ich verrichte meine Arbeit in einer angenehmen Umgebung.
Zur Arbeit noch der Philosoph Byung-Chul Han: „Es ist vielleicht an der Zeit, über eine Lebensform nachzudenken, in der die Arbeit keine Rolle mehr spielt. Der altchinesische Denker Zhuangzi würde sie „Wandern in Musse“ nennen.“
9. Wohnen
Ich bin mit meiner Wohnsituation zufrieden.
Ich fühle mich in meiner Wohnung zu Hause.
Ich habe das richtige Ausmass von Kontakt zu Mitbewohnern, Nachbarn.
Ich mag die Strasse und die Umgebung, in der ich wohne.
Sind meine Nachbarn glückliche Menschen oder wohnen meine Freunde in meiner Nähe? (Die Wahrscheinlichkeit, ebenfalls glücklich zu werden, steigt dank einer zufriedenen Nachbarschaft gemäss eine Studie im British Medical Journal um 35 Prozent).
Die Wohnbedingungen (Grösse der Wohnung, Grünflächen, frische Luft, ruhige Lage, Geschäfte, Anregungen) sind genau richtig für mich.
Ich wohne nicht zu weit von meinem Arbeitsort weg (kurze Pendelzeit!).
Die Landesgegend (und auch das Land) in dem ich wohne gefällt mir.
10. Beziehung
Ich liebe und habe zärtliche Gefühle zum Menschen mit dem ich zusammenlebe.
Ich habe Mitgefühl zu anderen und… zu mir selbst.
Mein Lebenspartner ist glücklich und zufrieden. Gemäss Studien ist dies genau so wichtig, wie das eigene Glück und fördert meine eigene Gesundheit – unabhängig davon, wie glücklich ich selbst bin!
Mit meinem Partner trage ich Krisen und Konflikt offen und fair aus.
Wir sind zueinander selten sarkastisch, zynisch, versteckt und indirekt aggressiv, schroff zurückweisend oder anderweitig scheusslich.
Ich und mein Partner können sich das Gefühl geben, den anderen zu verstehen und zu unterstützen. Unsere Beziehung ist auch „Anerkennen von Unterschieden“. Um dieses Unterschiedliche meines Partners zu Erforschen, sind Fragen (offene und zirkuläre!) sehr wichtig.
Positive Gefühle wie Lob und Wertschätzung können wir uns gut mitteilen.
Negative Gefühle wie Wut und Ärger können ich und mein Partner angemessen äussern.
Mein Lebenspartner traut mir persönliche Entwicklungsschritte zu, bekräftigt mich auf dem angestrebten Weg, fordert zu Handlungen heraus und geht auf mich ein.
Mein sexuelles Leben ist reich, kreativ und befriedigt mich (>>> sex/)
Ich bin gewissenhaft, offen für Neues/ Erfahrungen und auch „sozial verträglich“ (ein netter Mensch…).
Lesen Sie mehr über diese drei Persönlichkeitsmerkmale, die für die Chancen einer lang dauernden Beziehung wichtig sind: >>> walserblog.ch/2015/02/14/gewissenhaft-macht-gesund
Pflegen Sie auch gute (weitere) Freundschaften? Haben Sie einen Freund*in, dem Sie anvertrauen würden, dass Sie fremd gegangen sind, dass Sie drei Millionen im Lotto gewonnen haben oder dass die eigene Mutter Alkoholikerin war?
Reservieren Sie einen Abend in der Woche diesen Freundschaften – so wie man ja auch regelmässig schwimmen, joggen oder ins Fitnessstudio geht?
Man benötigt eine gewisse Selbstachtung und Selbstliebe um offen zu sein für Freundschaften mit anderen. Besitzen Sie dies?
Können Sie sich darauf einigen, wie Sie Ihre Zeit aufteilen – allein, gemeinsam, mit Freunden und Familie, bei der Arbeit?
Sind Ihre Tages- und Wochenrhythmen, Ihr Tempo, Ihre Perspektiven auf die Lebenszeit und Ihre Einstellung zur Pünktlichkeit ähnlich oder ergänzen sie sich so, dass Sie die gemeinsame Zeit geniessen und die Herausforderungen des Lebens meistern können?
11. Umweltbewusstsein
Ich konsumiere so wenig wie möglich! („Wie viel Lebenszeit kostet mir mein Konsum?“ hier in diesem Blog!).
Ich versuche, die Verschwendung von Energie sowohl zu Hause als auch im beruflichen Bereich zu vermeiden.
Mir ist bewusst, dass die Regenwälder im Amazonas abgeholzt und verbrannt werden, da dort Rinder weiden werden, die v.a. wir in Europa (und China) essen. Zudem wird das Soja und Mais, das dort angebaut wird in grossen Mengen zu uns exportiert (für Futter unserer Tiere)!
Weniger Fleisch essen zeugt also auch von Umweltbewusstsein.
Ebenfalls bevorzugen von saisonalen und regionalen Esswaren.
Ich werfe möglichst wenig Essen weg!
Ich benutze ungiftige, abbaubare Reinigungsmittel.
Ich benutze soweit wie möglich öffentliche Verkehrsmittel – oder gehe zu Fuss oder mit dem Fahrrad.
Ich sorge für die Weiterverwendung von Flaschen, Papier, Kleidung, organischem Abfall.
Ich fliege so wenig wie möglich in die Ferien. Ich mache dabei auch keine sehr langen Autofahrten.
(mit Erlaubnis und Copyright von Psychologie Heute)
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12. Soziales Interesse
Ich informiere mich über lokale, nationale und internationale Ereignisse.
Ich habe Interesse an gesellschaftlichen Problemen und unterstütze Ziele, Personen, Gruppen meiner Wahl.
Wenn es mir möglich ist, gebe ich Zeit und Geld für Ziele aus, die mir wichtig sind.
Kenne ich meine Werte, was mir wichtig ist im Leben und Zusammenleben. Dazu ist gut, meine drei wichtigsten Charakterstärken zu kennen und sie zu leben (siehe Test dazu hier: charakterstaerken.org).
Daraus ergeben sich drei weitere Fragen:
Was ist mir persönlich wichtig?
Wofür möchte ich stehen?
Wofür möchte ich „bekannt sein“?
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Wenn ich Auto fahre, nehme ich Rücksicht auf Fussgänger und andere Mitbenützer der Strasse.
Ich bin Mitglied einer oder mehrerer Gruppen (Club, soziale/politische Organisation, Musikband …).
Ich versuche gemeinsam mit KollegInnen unsere Interessen am Arbeitsplatz zu vertreten.
Ich gebe im Leben mehr als ich nehme (u.a. Spenden,…).
13. Einstellung zum Leben, Lebenszufriedenheit
Mein persönliches Dasein erscheint mir sinnvoll.
Mein tägliches Leben ist oft voll Freude und Befriedigung (Blogbeitrag dazu!).
Ich bleibe mir selbst treu.
Ich habe eine Ahnung, was „Selbstfürsorge“ für mich bedeutet und ich probiere dies zu leben. Selbstfürsorge basiert auf drei Säulen: Achtsamkeit, Selbstdisziplin (= Empathie für sich selbst – in der Zukunft!), Abgrenzung.
Ich lebe präsent und bewusst im Augenblick.
Ich lebe so, dass ich später nichts zu bereuen habe.
Wenn ich an den Tod denke, dann fühle ich mich vorbereitet und ohne Angst.
Wenn ich heute sterben würde, dann hätte ich das Gefühl, dass mein Leben einen Wert hatte.
Auch die schweren Zeiten in meinem Leben haben für mich Bedeutung und ihren Sinn.
Die Art, wie ich Menschen, die Welt und meine Existenz sehe, gibt mir Kraft.
Ich habe Vertrauen in die Zukunft.
Ich vertraue meinen Mitmenschen zuerst meist (und ein Misstrauen ist sicher nicht primär). Siehe mein Blogbeitrag dazu.
Auch wenn manche Situationen schwierig sind, macht es mir Freude zu leben.
Veränderungen in meinem Leben machen mir keine Angst.
Lebe ich „authentisch“?
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14. Spezielle Fragen an den Mann
Wie gesund bzw. ungesund verhalte ich mich? Inwiefern/wo wirkt sich mein Verhalten schädlich oder fördernd auf meine Gesundheit aus (Stichworte: Rauchen, Alkohol, Safer-Sex/Sexsucht, Verkehrsverhalten, Dickleibigkeit, Arbeitssucht, Machtsucht, Brutalität)?
Wie nehme ich mich selber wahr?
Wie kann ich sorgfältiger mit mir selber umgehen?
Kann ich auch Unvollkommenheiten in mein Leben integrieren?
Bin ich auf äussere Werte wie Geld, Erfolg, Status und Statussymbole fixiert?
Wie verhält es sich mit meinen Grenzüberschreitungen und Kontrollverlusten?
Wie bin ich in Kontakt mit meiner wilden, gefährlichen Seite? Und bin ich dort gleichzeitig auch achtsam? Achtsam mir gegenüber und beachte ich an meinen Grenzen auch diejenigen meiner Mitmenschen?
Liefere ich häufig ungebetene Erklärungen und Ratschläge (Mansplaining)?
Oder Victim Blaming: angesichts männlicher Übergriffigkeit erst einmal über das Verhalten der Frau zu sprechen?
Wie erlerne ich konstruktive Formen von Aggressivität und Durchsetzungsvermögen und wie fördere ich deren Verbreitung?
Wie funktionieren meine Beziehungsmuster?
Wie pflege ich Männerfreundschaften?
Wie fördere ich Solidarität unter Männern?
Wie integriere ich neben dem Berufs-Mann den Ehe-Mann und Vater gleichwertig in mein Leben?
Wie pflege ich meine „Eigenwelt“ neben den Bereichen der Arbeit und der Familien- oder Beziehungswelt?
Wie trage ich dazu bei, mehr Gemeinschaftssinn zu entwickeln?
Kann ich mich im Spannungsfeld zwischen instrumentaler und ganzheitlicher Vernunft für Gesundheitsförderung und Lebensqualität entscheiden, auch wenn ich dabei scheinbar persönliche Karrierenachteile in Kauf nehme?
Wie weit treibe ich den Individualismus? Engagiere ich mich v.a. zur Erfüllung meiner Macht- und/oder Selbstbestätigungsgelüste?
Die Zehn Gebote als Krisenprophylaxe für den Mann
und über die Schwäche des »starken Geschlechts«: Warum Männer früher sterben als Frauen: Neueste Daten und Vermutungen zu einer alten Frage
und sexuelle Gewalt gegen Männer und wie toxische Gendernormen verhindern, das die Männer deshalb keine oder sehr späte Hilfe holen!
15. Spezielle Fragen für die LehrerIn/BetriebsleiterIn/PolitikerIn
SCHULE
Die Gesundheitsförderung in der Schule koppelt man am besten von Verhaltenskontrolle ab, da sie dann nur Widerstand hervorruft. Wie kann ich Schüler dazu bringen, mehr Früchte und Wasser zu konsumieren, weniger zu rauchen und sich mehr zu bewegen – ohne, dass das Ganze mit Verboten, Strafen und Kontrolle verbunden ist?
Also: Nicht a priori Alkohol und Tabak usw. verdammen, sondern eine gemeinsame Diskussion darüber entfachen – auch zum Thema ambivalente Einstellung gegenüber dem Thema Gesundheit.
Kann ich eine echte Partizipation zulassen, sprich: Befragung der Schülerinnen und Schüler, welche Gesundheitsprobleme sie wahrnehmen und was sie ändern wollen und wo sie Ansatzpunkte der Änderungen sehen?
Dann immer emotionale Kompetenz stärken! Fünf Kriterien sind hier wichtig: Wissen und Denken über Emotionen, das Erkennen und der Ausdruck von Gefühlen, die Emotionsregulation sowie Empathie. Die Vermittlung der Emotionsregulation ist laut vielen Autoren dabei die wichtigste pädagogische Aufgabe, wenn es um Gefühle geht. Vor allem in den Lehrplänen für naturwissenschaftliche Fächer, Informationstechnologie oder Wirtschaft gibt es bisher leider nur sehr wenige Bezüge auf emotionale Kompetenzen.
BETRIEB
Werden Arbeitsanalysen durchgeführt?
Wird die Ergonomie der Arbeitsplätze überprüft?
Werden toxische Belastungen ermittelt?
Wird Gesundheitsberichterstattung durchgeführt, um zu ermitteln, in welchen Abteilungen welche Erkrankungen in welcher Häufigkeit auftreten?
Werden Gesundheitszirkel implementiert, um herauszufinden, wie die Arbeitnehmer welche Gesundheitsprobleme wahrnehmen und welche Lösungen es hierfür gibt?
Werden Arbeitsplätze geschaffen, die mit Gesundheitsförderungsexpertinnen besetzt werden?
GEMEINDE
Es lautet die wichtigste politische und alltägliche Entscheidung heute wohl: Trägt man selbst mehr zum kittenden Vertrauen oder eher zum spaltenden Misstrauen der Gesellschaft bei?
Werden sichere Radwege geschaffen?
Werden Planung und Realisierung von Naherholungsgebieten, in denen zum Beispiel gejoggt werden kann, gefördert?
Gibt es Innenstädte, in denen der Autoverkehr eingeschränkt ist?
Wird etwas zur Senkung der Lärmbelastung und zur Verbesserung der Luftqualität realisiert?
Wird der bürgerliche Gemeinsinn aktiviert, das heisst, dass Bürgerinnen gemeinsam ihre Gemeinde gesundheitsförderlicher gestalten (auch Stärkung nachbarschaftlicher Bindungen, Pflege von Vereinen…)?
16. Spezielle Fragen an Ihr Kind
Passung:
Beispiel: Ein Kind ist kognitiv durchschnittlich bis vielleicht etwas unterdurchschnittlich begabt. Die Eltern haben aber Erwartungen, dass es in der Schule gute Noten erziele, damit es später mehr Möglichkeiten im Leben hat. Das Kind ist aber nicht in der Lage, diese kognitive Leistung zu erbringen. Und da kommt es zu einer fehlenden Passung, weil das Kind unseren Erwartungen nicht gerecht werden kann. Das führt dazu, dass das Kind ein eingeschränktes Wohlbefinden entwickelt, dass es ihm auf lange Sicht nicht gut geht – obwohl die Eltern das Beste für es wollen. Eltern sollen die Interessen der Kinder unterstützend aufnehmen und Impulse geben – die Stärken ihrer Kinder fördern und die Schwächen akzeptieren und versuchen, mit ihnen so umzugehen, dass es zu ihrem jeweiligen Entwicklungsstand passt.
Es läuft in der Kindheit meist auf die „Vier V“ heraus: Sei vertraut, verlässlich, verfügbar, liebevoll. Das sind vier Bedingungen, die wichtig sind und die Bezugspersonen den Kindern gegenüber erfüllen sollen. Und das ist auch für eine gute Entwicklung förderlich. Mehr braucht es nicht.
Und noch speziell zum Umgang mit dem Internet:
In Kanada gibt es eine Initiative («The Canadian 24-Hour Movement Guidelines for Children and Youth»), die empfiehlt, dass Kinder und Jugendliche folgende drei Dinge beachten sollten:
60 Minuten pro Tag körperliche Aktivität,
weniger als zwei Stunden pro Tag vor einem Bildschirm (TV, PC, Smartphone etc.) und
Schlafdauer zwischen 9 und 11 Stunden.
In den USA halten nur gerade 5% aller Kinder und Jugendlichen (9–11 Jahre) diese Empfehlungen laut einer aktuellen Studie auch ein. Die mittlere Bildschirmzeit betrug in der Studie 3,6 Stunden pro Tag. Eine deutliche Reduktion wäre jedoch lohnenswert; denn die kognitiven Fähigkeiten verbesserten sich mit weniger Zeit am Bildschirm und mehr Schlafdauer. Die körperliche Aktivität hatte keinen (zusätzlichen) Einfluss.
The Lancet 2018, doi.org/10.1016/S2352-4642(18)30278-5.
Hier ein Test zu Ihrer Berufs- und Lebenszufriedenheit (Charaktertest VIA (values in action) – ca. eine halbe Stunde Zeitaufwand): www.charakterstaerken.org der Forschergruppe um Willibald Ruch der Uni Zürich.
„Langlebigkeit“:
Mythos 1:
Pestizide in Lebensmittel machen uns krank.
Gefühlte versus reale Risiken für die Gesundheit!
Welche Themen für uns persönlich und subjektiv die grössten gesundheitlichen Risiken darstellen, sind meist überhaupt nicht die wahren Gefahren! Wahrnehmungsunterschiede sind abhängig von Medienberichten, Gewöhnlichkeit des Risikos sowie Schrecklichkeit.
Oder anders gesagt: Man stirbt nicht an den Dingen, vor denen man sich fürchtet! (aus Tagesanzeiger, 26.03.2016, Constantin Seibt, Fürchte dich nicht)
Die grossen Risiken sind also: Völlerei, Bewegungsmangel, Rauchen und der alltägliche Strassenverkehr (Im Jahre 2011 starben in Deutschland im Strassenverkehr 3991 Personen = 11 Tote durch PKW-Unfälle täglich – „So etwas passiert anderen, nicht mir!“). Eine weitere spannende Faktensammlung zur Lebenserwartung hier >>>
Und… dies alles soll nicht heissen, dass man nichts gegen Pestizide in unseren Nahrungsmittel tun soll! Biologisch hergestellte Pflanzen zu essen, bedeutet auch, dass der Bauer, der sie produziert hat, die Erde und auch seine Tiere sorgfältig und natürlich behandelt!
Mythos 2:
Das heilsame Lachen Frohe Stimmung und Bekundung guter Gesundheit gehen oft Hand in Hand. Die Gefühlslage erweist sich als gewichtiger für die Einschätzung der eigenen Gesundheit als Hunger, Obdachlosigkeit und Sicherheit vor Kriminalität. Doch auch hier wird die gefühlte Gesundheit erfasst. Und dies heisst nicht, dass sie auch objektiv wirklich gesund sind! Also sorgt häufig eine robuste Gesundheit für eine gute Stimmung! Es ist sogar so, dass Frohnaturen Menschen sind, die sich wenig Gedanken über mögliche Missgeschicke machen. Dies wird vielen zum Verhängnis und sie rauchen eher, trinken mehr Alkohol und pflegen mit Vorliebe riskante Hobbies. Folgerichtig starben viele von ihnen bei Unfällen oder frühzeitig an den Suchtfolgen. No risk – no fun also!
Mythos 3:
Die kranken Neurotiker Umgekehrt kann es durchaus Vorteile haben, zu jenen Menschen zu gehören, die immer etwas befürchten oder beklagen (im Fachjargon „Neurotizismus“ genannt). Er fühlt sich zwar unglücklicher und kränker, aber er lebt länger! Objektiv sind sie tatsächlich „gesünder“ – doch will ich „objektiv gesünder“, aber unglücklich sein – oder lieber glücklich, aber etwas kurzlebiger?! (Howard Friedmann, M.Kern: Personality, well-being and health. The Annual Review of Psychology, 65, 2014, 719-742)
Mythos 4:
Religion verlängert das Leben Viele Studien suggerieren, dass Gottgläubige gesünder sind. Wenn man dies aber näher betrachtet, findet man dabei als wichtigste Faktoren, dass dies Menschen auch disziplinierter und massvoller lebten – und dass dies die Gründe für mehr Gesundheit waren.
Die einzige „Religion“, die gesünder macht, ist sicher der „Humanismus“ und das Studieren der Philosophie, das Sich-Wundern!
Mythos 5:
Die Ehe hält jung Bei Männer stimmt dies zwar – wohl aber, weil ihre Frau mehr soziale Kontakte schafft, ihn auch mal ermahnt, weniger zu rauchen oder zu trinken und mal zum Arzt zu gehen… Frauen dagegen gewinnen durch das Ehedasein nichts! Es gilt sogar: Je jünger die Ehefrau, umso länger lebt der Mann. Umgekehrt stimmt dies aber auch nicht! (Sven Drefahl: How does the age gap between partners affect their survival? Demography, 47/2, 2010, 313-326)
Mythos 6:
Bloss keinen Stress! Stress an sich schadet nicht! Akuter und vorübergehender Stress! Jedoch chronische Stresssituationen, Dauerstress sind sehr ungesund! Wenn jemand seiner Arbeit nicht gewachsen ist oder überhaupt ständig zuviel von ihm verlangt wird, dies ist krankmachend. Und… chronischer Stress in der Jugend (z.B. auch durch Armut!) verändert uns rein neurobiologisch negativ (hier unten lesen Sie mehr darüber). Dauerstress ist der ärgste Feind des Kohärenzgefühls (siehe bei Salutogenese).
Übrigens: Die erfolgreichen Arbeitstiere leben nicht zuletzt deshalb gut und lange, da sie besonders gewissenhaft sind. Also auch hier ist wieder die Selbstkontrolle der wichtigste Faktor zur Gesundheit.
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Mythos 7:
Geld bringt Gesundheit und ein langes Leben! In seiner Studie «Wellbeing and Policy» untersucht der britische Ökonom Richard Layard, wie stark das Glücksempfinden vom Gehalt abhängt. Das überraschende Ergebnis: Die Korrelation ist viel geringer als angenommen. Geistliche, die 2013 kaum mehr als 20 000 £ verdienten, sind zufriedener als Chefs und hohe Kader, die es durchschnittlich auf fast 120 000 £ brachten. Besonders zufrieden sind auch Bauern und Sekretärinnen. Beide verdienen etwa gleich viel wie Bauarbeiter, die aber besonders unglücklich sind.Als wegweisend für die Entwicklung des Forschungszweigs gilt eine Erkenntnis des amerikanischen Ökonomen Richard Easterlin aus dem Jahr 1974: Reiche sind innerhalb eines Landes zwar glücklicher als Arme, aber wenn der Wohlstand eines Landes insgesamt steigt, ändert dies nichts am Glücks-empfinden. Layard erklärt das «Easterlin-Paradox» damit, dass sich Menschen intensiver mit ihrem Umfeld vergleichen, also das relative Gehalt in den Mittelpunkt rücken, statt ihr absolutes Gehaltsniveau wertzuschätzen.Vor allem Banken sind laut Layard mit der Angewohnheit, hohe leistungsabhängige Boni auszuschütten, auf dem Irrweg. Die Ausschüttungen führten zu einer Unzufriedenheit, die in keinem Verhältnis zum Wert des Geldes stehe. In einem Umfeld, in dem mit guten Leistungen viel Geld zu verdienen sei, leisteten Leute nicht mehr, sondern weniger. Vielleicht aus Angst, zu versagen.Unter Ökonomen stösst die Entwicklung auch auf Kritik. Alternativen zum BIP würden mit einer spezifischen Agenda im Hinterkopf konstruiert und könnten leicht von Regierungen manipuliert werden, argumentiert etwa der Schwede Johan Norberg. Er spricht von «Glücks-Paternalismus». Das BIP sei nicht perfekt, aber immerhin wertfrei. Davon abzugrenzen ist die reine „Lebenserwartung“, die mindestens in den USA mit steigendem Einkommen zunimmt. Dies gilt aber vor allem für die ganz Armen und die ganz Reichen. Dort ist das Verhalten gegenüber der eigenen Gesundheit völlig verschieden: Ärmere Menschen sind weniger gebildet, rauchen mehr und sind weniger körperlich aktiv… (Chetty R, et al. JAMA.2016;315 (16):1750-66)
Daraus lässt sich zunächst eine naheliegende Forderung ableiten: Man spricht am besten weniger über Geld. Layard verweist zur Unterstützung auf ein Experiment der Uni Berkeley. Dort wurden die Gehälter der öffentlichen Angestellten auf einer Website veröffentlicht. Bei Uni-Angestellten, die das zunächst nicht mitbekamen, änderte sich nichts am Wohlempfinden, während bei jenen, die gezielt informiert wurden, die Zufriedenheit messbar zurückging.
Die Glücksforschung, eine wachsende Teildisziplin der Ökonomie, kombiniert Empirie mit neurowissenschaftlichen Erkenntnissen. Sie bringt Ergebnisse hervor, über die sich selbst der Dalai Lama freuen würde. Einkommen und Aufstiegschancen spielen bei der zentralen Frage, ob Menschen mit ihrem Leben zufrieden sind, eine viel geringere Rolle als jahrzehntelang angenommen. Körperliche und seelische Krankheiten sind in entwickelten Volkswirtschaften ein triftigerer Grund, unglücklich zu sein, als Armut.
Update 2021: Geld macht glücklich, das gilt in der Wissenschaft als Konsens – aber nur bis zu einer gewissen Einkommensobergrenze. Ein Forscher sah sich nun die Beziehung zwischen Einkommen und Wohlbefinden erneut an und stellte fest, dass die Befragten von umso grösserem Wohlbefinden berichteten, je höher ihr Einkommen war – eine Obergrenze liess sich nicht definieren. Es wurden dazu die Angaben von mehr als 33 000 US-Amerikaner*innen zwischen 18 und 65 Jahren ausgewertet. Sie machten unter anderem Angaben zu ihrer allgemeinen Lebenszufriedenheit und ihrem momentanen Wohlbefinden. Diese Unterscheidung ist wichtig, weil das momentane Wohlbefinden in anderen Studien nur selten erfasst worden sei. Das mag der Grund sein, dass er – anders als frühere Studien – keine Einkommensglück-Obergrenze feststellen konnte. Die Auswertung zeigte aber auch: Befragte mit geringerem Einkommen, denen Geld nicht so wichtig war, waren zufriedener. Dass die Bedeutung des Geldes eine Rolle spielt, zeigt eine weitere Studie: Befragt wurden hier knapp 700 Personen in ländlichen und städtischen Regionen in zwei Ländern mit sehr geringem Durchschnittseinkommen. Ihre Zufriedenheit war hoch – Geld war den Befragten aber auch nicht wichtig. Geld macht also nur dann glücklich, wenn es uns viel bedeutet. (S. Miñarro u. a.: Happy without money; Plos One, 2021 & M. A. Killingsworth: Experienced well-being rises with income, even above $ 75,000 per year. PNAS, 118/4, 2021)
Mythos 8: Der Ärger mit dem Ärger!
„Nichts und niemand kann Dich ärgern – ausser Du dich selbst!“ Fritz Perls
Zudem gibt es keine „kleinen“, alltägliche Aufregungen oder Ärger. Sie alle stören den Frieden meines Geistes gleichermassen. Sie alle verhindern, dass ich jemals etwas gelassener werde: Lesen Sie dazu meinen Blog.
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Mythos 9:
Das Natürliche ist immer besser als das Chemisch-Synthetische!
Meine liebste Denkfalle ist die Annahme, dass alles Natürliche gesünder und milder wäre als etwas Chemisches, Synthetisches. Als Beispiel: Alle pflanzlichen Medikamente sind besser als synthetische. Da will ich nur an – kaum erforschte – toxisch wirkende Pflanzen, wie Digitalis (Fingerhut) erinnern, die (in falscher Dosis) selbst tödlich wirken können!
Armut in der Jugend – Was sie anrichtet!
Armut ist Stress – chronischer Stress! Stress heisst rein biologisch, den Körper für die Flucht bereitzumachen. Die Stresshormone, die dabei ausgeschüttet werden, haben – je nachdem, ob es sich um einen milden, kurzzeitig auftretenden Stressfaktor oder um einen massiven, längeranhaltenden handelt – unterschiedliche Auswirkungen auf das Gehirn. Chronischer Stress ist anders als kurzzeitiger Stress nicht hilfreich, um eine Aufgabe zu bewältigen, sondern sorgt dafür, dass die Fähigkeit zur Problemlösung abnimmt. Denn Teile des präfrontalen Cortex schrumpfen bei chronischem Stress, während das Angstzentrum im Hirn, die Amygdala angeregt wird.
Forschungsergebnis liefern heute den Schlüssel zum Verständnis, wie sehr das sozioökonomische Umfeld das weitere Leben bestimmt. Und zwar schon bei 5-jährigen Kindern. Es wird bereits dann der Grundstock gelegt für die Gesundheit, die ein Mensch 20 Jahre später haben wird. Studien zeigen, dass 10-jährige Kinder aus ärmeren Familien doppelt so viel Stresshormon im Blut haben, wie Kinder aus reicheren Familien. Damit wird deutlich, dass die Startbedingungen über Wohl und Wehe entscheiden. Auf neurobiologischer Ebene.
Eine Warnung an Gesundheitsförderer
Der Gesundheitsexperte schreibt vor, dass sich der Laie gesundheitsgerecht verhalten soll oder seine Gesundheit mehr in die Hand nehmen soll, ohne zu fragen, ob der Laie Gesundheit will, und schon gar nicht, wenn er ungefragt muss. Mit den schönen Worten der Gesundheitsförderung (zur Gesundheit befähigen) wird also etwas unterschlagen, was als Pflicht zur Gesundheit besser umschrieben wäre. Gesundheit wird zur Norm. Eine Erfolg versprechende Gesundheitsförderung hätte nicht nur kulturelle Muster wahrzunehmen und zu berücksichtigen, sie müsste sich auch fragen, ob es ihrem Anliegen gut tut (Menschen zur Gesundheit zu befähigen), wenn dieses mit einer staatsbürgerlichen Pflicht sozusagen identisch ist. Möglicherweise ist dies ein wesentliches Problem, an dem Gesundheitsförderung bisher gescheitert ist. Es ist gut, falls mir bewusst ist, dass sie auf die eine oder andere Weise etwas mit Machtausübung verbunden ist (gemäss Foucault ein Teil der Disziplinarmacht von mittleren und höheren Schichten gegenüber den unteren). In unserer Gesellschaft werden diejenigen diskriminiert, die dem Anschein nach zentrale Werte des Abendlandes verstossen, gegen die Idee der Mässigung beziehungsweise des rechten Masses (griechische Antike), gegen christliche Gebote, die sich zum Beispiel gegen Völlerei (Adipositas) oder Süchte (Drogen, Rauchen) richten. Diese Debatte über Mässigung passt aber wenig zu dem hedonistischen Bild, mit dem sich unsere Gesellschaft gerne umhüllt. Maximale Lust, maximaler Spass scheinen das Gebot der Stunde zu sein, also Party ohne Ende. Das Paradoxon des Kapitalismus, mit dem einerseits grenzenloser Luxus und Genuss versprochen werden, dessen Geist allerdings radikale Askese einklagt. Hoher Blutdruck, Schlaflosigkeit, Leistungssportler werden deshalb nicht diskriminiert. Die bürgerliche Aufklärung kreiert allerdings einen historischen Gegenspieler, die Romantik, die von vernünftiger Lebensführung nun gar nichts wissen will. Sie setzt auf das Gefühl, auf Müssiggang, Entgrenzung, Risiko und Todessehnsucht.
Oder: Jeder hat ein Recht auf ungesundes Verhalten, das oft attraktiv und bequem ist. Es existiert hier kein „gut“ oder „böse“, kein „normal“ oder „sündig“ (Christoph Klotter: Warum wir es schaffen nicht gesund zu bleiben. Eine Streitschrift zur Gesundheitsförderung. 2009, Reinhardt, München).
Gesundheit ist ein Wert, der mit anderen Werten wie Genuss, Müssiggang, Risiko konkurriert. Vieles, was als unvernünftig, unsittlich usw. etikettiert wird, wird attraktiv. Ein Verhalten als Sünde zu definieren, führt dazu, diese Verhalten eher zu verstärken. Gesundheitsförderung positioniert sich am besten in einer Balance zwischen Produktivität und Spiel. Sie ist nach Möglichkeit nicht alleine um Nützlichkeit zentriert. Sie könnte sich auch damit anfreunden, selbst ein Teil des Unproduktiven zu sein, des Müssigganges, des Faulenzens, des Spiels.
Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts!
Wenn wir Gesundheitsförderung betrachten, müssen wir zum Schluss noch die Charta des Spiritus Rector, des Ideen- und Ratgebers anschauen, der WHO: Für diese erschöpft sich das Ganze nicht in Rückenkursen und Stressbewältigungstraining, sondern sie ist ein nahezu sozialrevolutionäres Programm. Gesundheit für alle bedeutet Frieden, Sicherheit, Bildung, Essen, Einkommen, ein stabiles Ökosystem, nachhaltige Ressourcen und soziale Gerechtigkeit, also Demokratie und Menschenrechte. Eine Gesundheitsförderung versetzt die Menschen am besten in die Lage, sich um ihre Gesundheit zu kümmern und befähigt sie, bessere Kontrolle über ihre Lebensbedingungen zu haben. Die Gesundheitsförderung geht also auch die Politik an, die Schule, den Betrieb, die Gemeinde.
Gesundheit ist eine ausgewogene Ganzheit, ein Gleichgewicht, eine Harmonie von Kräfte und Funktionen: uns intensiv um unser physisches Selbst kümmern; den Verstand konstruktiv nutzen; unsere Gefühle ausdrücken; kreativ mit unserer Umwelt verbunden sein; unsere physische Umwelt wichtig nehmen; unser Leben als sinnvoll erfahren. Gesundheit hat zu tun mit Lebendigkeit, mit Lebenssinn und mit der Fähigkeit, trotz Leiden und Anfechtung sein Leben zu führen, sich zu entfalten, die oder der zu werden, die oder der man ist. Damit trägt Gesundheit auch zum Funktionieren von Freundschaften, Familien und Gemeinschaften bei. Gesundheit in diesem umfassenden Sinn sollte für alle Menschen erreichbar sein.
Selbstoptimierung
Die Philosophin Ariadne von Schirach beschreibt in Ihrem Buch «Du sollst nicht funktionieren» die Folgen dieses Leistungsdruckes der Selbstoptimierung als fatal:
„Jenseits von Burnout, Einsamkeit und Angst ist doch das Schlimmste an der unablässigen Selbstoptimierung dieser überall bemerkbare Verlust von Lebensfreude. Wir verlernen, uns gehen zu lassen. Die Fähigkeit, Hingabe, Lust und Rausch zu erleben und zu geniessen, kommt uns durch diese dauernde Selbstbeobachtung und -kontrolle abhanden. Doch das ist nicht alles.
Die Philosophie rät seit Jahrtausenden, der Mensch solle sich um seine Seele kümmern. Das bedeutet, eine Beziehung zu seinem Inneren zu haben – zu seinen Gefühlen, Träumen und Werten. Zu seiner eigenen Lebendigkeit. Wenn diese Beziehung verloren geht, verlieren wir auch den Sinn unseres Lebens.
Selbstoptimierung als eine Form von Kontrolle suggeriert nun Sicherheit. Auch angesichts der umfassenden Beschleunigung versuchen wir, an etwas festzuhalten: an unserer Jugend oder an unserer Leistungsfähigkeit.
Zugleich versuchen wir uns immer wieder auf allen möglichen Märkten zu beweisen – vom Dating- bis zum Arbeitsmarkt.
Dadurch wird der Selbstwert zum Marktwert. Dabei vergisst man leicht, dass jeder Mensch, genau so wie jedes Stück Natur und jedes Tier, an sich wertvoll ist. Dieses Wissen müssen wir uns zurückerobern.
Also zurück zur Authentizität?
Da muss man differenzieren: Das Authentische des Menschen ist nicht nur sein Inneres, sondern eben Inneres und Äusseres zusammen. Diese puritanische Haltung, wir müssten uns nur auf das Innere konzentrieren und der verlogenen äusseren Welt abschwören, bringt uns auch nicht weiter.
Was bringt uns denn weiter? Wäre ein Mittelmass aus Selbstoptimierung und Lebenskunst optimal?
Ich glaube, der entscheidende Gedanke hinter dieser Frage betrifft nicht nur das Mass, sondern auch die Motivation. Es ist sinnvoller, die Energie, die wir in die Optimierung unseres Selbst stecken, dafür zu nutzen, das Bild, das wir abgeben möchten, mit unserer inneren Wirklichkeit in Korrespondenz zu bringen.
In einer Zeit, in der die Welt so sinnlos und brutal wirkt, liegt es an jedem Einzelnen, Widerstand gegen Konkurrenz, Kälte und Gier zu leisten. Das beginnt mit einem nutzlosen Lächeln, das wir dem anderen schenken, anstatt ihn oder sie einfach nur abzuchecken. Es ist an der Zeit, wieder Lieben zu lernen und das Leben zu wagen, anstatt es nur zu verwalten.“
Es ist also sehr gut zu erkennen, dass es nicht so wichtig ist, dass sie eine bessere Version von sich selbst werden. Es ist viel wichtiger, ein anständiger Mensch zu werden.
Es ist völlig in Ordnung, Träume zu haben und unmögliche Ziele zu verfolgen. Aber es lohnt sich auch zu bedenken, dass alles im Leben nur vorübergehend ist. Auch gibt es etwas, was Psychologen die „hedonische Tretmühle“ nennen: Wann immer Sie etwas erreichen, gibt es immer irgendein weiteres Ziel, das Sie erreichen möchten. Das Erreichte wird schnell schal. Und so läuft man immer im Kreis, immer auf der Suche nach dem nächsten Ziel und wird nie glücklich und zufrieden sein. Wenn Sie das einmal erkannt haben, dann ist es an der Zeit zu fragen: Was ist wirklich wertvoll – nicht nur für mich, sondern für möglichst viele Menschen, ob sie mir nahestehend sind oder nicht.
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Veröffentlicht am 02. Juni 2017 von Dr. med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
10. Juli 2024
From cure to care – von der Pathogenese zur Salutogenese und zur Selbstheilung
„From cure to care“: Der Aufruf der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu einer neuen Sichtweise in der Medizin, weist in eindrücklich klarer Form auf den Kernunterschied zwischen „Krankheits-“ und „Gesundheitsmedizin“ hin: Die Erstere hat sich darauf spezialisiert, Krankheiten zu kurieren – sie versteht unter Gesundheit das Nichtvorhandensein von Krankheit – während die Andere sich um die Gesundheit sorgt – sie versteht unter Gesundheit das Vorhandensein von Lebensqualitäten (siehe hierzu mehr hier: www.dr-walser.ch/gesund/).
Ich mache auch nicht mehr die spaltende Unterscheidung von Schul- zur Alternativmedizin, sondern nur noch von salutogenetisch ausgerichteter Medizin und Ärzt*innen und pathogenetisch. Beide Arten Gesundheitsverständnis findet man sowohl in der Schul-, wie auch in der Komplementärmedizin („Gurumedizin„!).
Ist Heilung möglich? Nein! Nur Selbstheilung!
Gesundheit „gelingt“ statt dass sie „gemacht“ wird.
Welches sind die Bedingungen, damit es gelingt?
Der Mensch will, dass er gesund wird (er vertraut sich)!
Der Arzt/Therapeut vertraut darauf, dass der Mensch im Grunde gut ist!
Der Kranke kann dem „Heiler“ vertrauen.
Und dieses Vertrauen hat eng zu tun mit den drei Faktoren der salutogenetischen Grundhaltung (dem sogenannten Kohärenzgefühl):
1.) Er versucht seinen Prozess verstehen zu können.
2.) Er hat das Bewusstsein, dass er beim Heilungsprozess mitbeteiligt ist.
3.) Er hat dabei auch das Gefühl, dass all dies einen Sinn hat.
Vom „Warum?“ zum „Wozu ist es gut?“.
Seit Beginn meiner Praxistätigkeit habe ich vermieden, zu Beginn eines Gesprächs “Was fehlt Ihnen?” zu sagen. Auch «Warum?» tritt immer mehr in den Hintergrund. Bereits im Verlauf des ersten Kontakts wird dagegen wichtig, die Frage aufzuwerfen “Wozu ist es gut?!” (Lesen Sie dazu auch meine Seite über Genuss und Schuldgefühle in der Medizin: www.dr-walser.ch/genuss/).
Die Hausarztarbeit beginnt bereits vor der Sprechstunde. Wenn ich in meiner Arbeit salutogenetisch wirken will, ist es sehr förderlich, wenn ich als Arzt/Therapeut grundsätzlich Vertrauen in meinen Mitmenschen habe und er „im Grunde gut“ ist (Lies das mutmachende Buch von Rutger Bregman). Ich selbst sollte wissen und spüren, welches meine eigenen gesundmachenden Ressourcen sind. Ich weiss, was mir Freude macht und für was ich mich begeistern kann. Nur wer selbst vertraut, gesund lebt und sich zu pflegen weiss, kann diese „Gesamthaltung“ auch weitergeben.
Aus der Hirnforschung wissen wir wiederum, dass nur ein Arzt, der mit Begeisterung und Freude seine Patienten einlädt und ermutigt, ja inspiriert, eine neue Haltung einzunehmen, überhaupt Veränderungen erreichen kann. Das Hirn des Patienten wird sich nur durch Freude oder Begeisterung verändern: The brain runs on fun!
Fragen Sie sich also, was Sie von einem Arzt erwarten, der Ihre gesunden Ressourcen ansprechen soll und nicht nur Ihre kranken Seiten?! Ist er auf Ihren Schmerz fixiert? Dazu den Witz:
Patient: „Überall wo ich meinen Finger hinhalte, tut’s mir weh. Was habe ich, Herr Doktor?!“
„Sie haben ihren Finger gebrochen!“.
(Mehr zum Lachen: www.dr-walser.ch/witz/!)
Fragen Sie sich auch, ob Ihre Hausärzt*in/Therapeut*in Sie als einzigartige Persönlichkeit sieht? Pflegt sie die Beziehung zu Ihnen? Pflegt sie ebenfalls die Beziehung zu anderen Ärzt*innen (besucht sie Balintgruppen, Ärzte-Qualitätszirkel, etc.)? Wie gesund wirkt sie eigentlich selbst?! Ist sie begeistert von ihrem Beruf?! Und kann sie die Dinge mit Begeisterung rüberbringen?! Sieht sie mich als Mensch und „ganz“, d.h. auch als Teil meiner Nächsten, meiner Familie, in meinem Beruf…? Interessiert sie sich auch für meine Bewegung, für meine Ernährung, meine Liebe, wie ich mich pflege? Interessiert sie sich auch für meine Ängste, vor allem meine existentiellen Ängste (vor Tod, vor Einsamkeit, vor der Sinnlosigkeit der Krankheit, des Lebens,…)? Bezieht sie mein Umfeld mit ein? Schickt sie mich nur zu weiteren Profis des Gesundheitswesens, wie z.B. Physiotherapeut*innen oder rät sie mir, mich auch durch eine Freund*in massieren zu lassen? Braucht sie auch selbst ihre Ressourcen, z.B. berührt sie mich auch mit den Händen oder spricht sie nur? Überweist sie mich in eine Kuranstalt (unter lauter Kranken) oder rät sie mir, sich einige Tage in meinem Lieblingsgasthof in den Bergen (unter Gesunden) zu erholen? Glaubt sie an meine Heilung (oder besser: Selbstheilung)?!
Positiv-realistische Weltsicht der Salutogenese
Man kann die positiv-realistische Einstellung der Salutogenese am besten mit zwei einfachen Handlungsmaximen beschreiben:
Rechne mit dem Schlimmsten, aber hoffe auf das Beste! Viele Menschen belasten sich mit Negativszenarien, die selbst dann, wenn sie nicht eintreffen, erheblichen Stress verursachen (etwa, wenn man bei jedem Wehwehchen eine tödliche Krebserkrankung befürchtet). Besser ist es, wenn du in jeder Situation zunächst einmal ein positives Ergebnis erwartest, da dies nicht nur mit angenehmeren Gefühlen verbunden ist, sondern dich auch stärker motiviert, deine Ziele zu erreichen.
Sei aber gefasst, wenn das Ergebnis negativ ausfallen sollte und dir ein schwerwiegendes Übel widerfährt. Denn auch dann solltest du versuchen, das Beste aus deiner Lage zu machen: Entweder indem du daran arbeitest, das Übel zu überwinden, oder indem du lernst, es besser zu ertragen. Hierauf bezieht sich auch die zweite Maxime:
Ertrage, was du nicht verändern kannst, aber verändere, was du nicht ertragen musst!
Anders ausgedrückt:
Geh im Zweifelsfall vom Guten aus! In den meisten Fällen wird man dann bestätigt werden, weil die meisten Menschen im Grunde gut sind (Lies Rutger Bregman „im Grunde gut“!).
Versuche, den anderen zu verstehen, auch wenn du keine Zustimmung aufbringen kannst!
Beispiele: Norwegisches Gefängniswesen, Nelson Mandela… (auch dies ist wunderbar klar in Rutger Bergmans Buch „im Grunde gut“ beschrieben)
ICE = Ideas, Concerns, Expectations!
Eine wunderbare Art, die Welt eines Menschen verstehen zu lernen (für Ärzt*innen oder Therapeut*innen), der dich aufsucht und dir seine „Symptome“ schildert, ist das Erfragen seiner eigenen IDEEN über all die Dinge, die ihm widerfahren.
Dies kann auch die „Patient*in“ mit sich selbst tun.
Darin äussern sich dann auch seine/Ihre BEDENKEN und auch die ERWARTUNGEN, die er/sie an die Medizin im Allgemeinen und auch an mich als Arzt hat.
Dieses Interesse an der Erschaffung seiner Welt (was jeder Mensch zu jeder Minute auf seine ureigene Art tut – und auch in Liebesbeziehungen zu soviel Missverständnisse führt!) – dieses Interesse lässt mich noch nach Jahrzehnten als Arzt begeistert arbeiten!
Es geht also um Bewusstwerdung, dass wir unsere eigene Welt oder „Wahrheit“ bauen. Niemand kann dich wütend machen – ausser du selbst! Dieser Wahrheitsgehalt wird deutlich, wenn man sich die unterschiedliche Reaktionen von Menschen auf Verkehrsstaus, schlechte Nachrichten oder persönliche Kritik vor Augen führt.
Fritz Perls, der Begründer der Gestalttherapie (und auch ich) glauben, dass wir unsere Wirklichkeit verändern können, sobald wir Verantwortung für unsere Weltsicht und für das Leben, das wir uns schaffen, übernehmen („Wahrheit kann nur ertragen werden, wenn man sie selbst entdeckt!“).
Fritz Perls: „Beziehung ist Anerkennung von Unterschieden!“ – und dies gilt auch für die therapeutische!
Das Konzept der Salutogenese von Aaron Antonovsky
Das Konzept der Salutogenese wurde vom israelisch-amerikanischen Soziologen Aaron Antonovsky (1923 – 1994) entwickelt. Seine beiden Hauptwerke dazu sind „Health, stress and coping: New perspectives on mental and physical well-being“ (1979) und „Unraveling the mystery of health. How people manage stress and stay well“ (1987).
Aus Kritik an dem vor allem biomedizinischen Krankheits- und Präventionsmodell gibt Antonovsky der Frage, warum Menschen gesund bleiben, den Vorrang vor der Frage nach den Ursachen von Krankheiten und Risikofaktoren. Primär geht es um die Bedingungen von Gesundheit und Faktoren, welche die Gesundheit schützen und erhalten.
In „Unraveling the mystery of health“ (deutsch: „Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit“, 1997) beschreibt Antonovsky das Konzept der Salutogenese – im Vergleich zur Schulmedizin – anhand der Metapher eines Flusses:
Die pathogenetische Herangehensweise (die sich ausschliesslich mit der Entstehung und Behandlung von Krankheiten beschäftigt) gleicht im Bild von Antonovsky dem Versuch, Menschen mit hohem Aufwand aus einem reissenden Fluss zu retten, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie sie da hineingeraten sind und warum sie nicht besser schwimmen können. Die Salutogenese hingegen sieht den Fluss als den Strom des Lebens: „Niemand geht sicher am Ufer entlang. Darüber hinaus ist für mich klar, dass ein Grossteil des Flusses sowohl im wörtlichen wie auch im herkömmlichen Sinn verschmutzt ist. Es gibt Gabelungen im Fluss, die zu leichten Strömungen oder in gefährliche Stromschnellen und Strudel führen. Meine Arbeit ist der Auseinandersetzung mit folgender Frage gewidmet: ‚Wie wird man, wo immer man sich in dem Fluss befindet, dessen Natur von historischen, soziokulturellen und physikalischen Umweltbedingungen bestimmt wird, ein guter Schwimmer?'“
Diese Flussmetapher kann auf chronische Schmerzen, Tinnitus, etc. angewendet: Man darf sich dadurch nicht von den begleitenden Emotionen umhauen lassen, sondern kann lernen, auf ihnen zu surfen wie auf einer Welle. Manche Menschen zerbrechen daran. Du zerbrichst, wenn du nicht mehr weisst, wo oben und unten ist. Ich muss nach oben streben, zum Licht und zur Luft, um atmen zu können.
Woher weiss man, wo oben ist?
Loslassen. Den Kampf loslassen. Nicht kämpfen!
Sich wehren gegen das, was passiert ist, gegen das Schicksal ist unser erste Impuls. Wenn du aber kämpfst und deine Energie im Kampf verbrauchst, ist es kaum möglich, nicht zu ertrinken. Wenn du loslässt, treibt dein Körper an die Oberfläche. So sind wir Menschen geschaffen, in der physischen Welt, aber auch metaphorisch.
Gesundheits- und Krankheitskontinuum
Der üblichen (dichotomen) Trennung in gesund und krank (Gesundheit schliesst hierbei Krankheit aus – und umgekehrt.) stellt das Konzept der Salutogenese ein Kontinuum mit den Polen Gesundheit / körperliches Wohlbefinden und Krankheit / körperliches Missempfinden (health ease / disease continuum) gegenüber. Weder völlige Gesundheit noch völlige Krankheit sind für lebende Organismen wirklich zu erreichen. Jeder Mensch, auch wenn er sich (überwiegend) als gesund erlebt, hat auch kranke Anteile, und solange Menschen am Leben sind, sind auch noch Teile von ihnen gesund. Die Frage, so Antonovsky, ist also nicht, ob jemand gesund oder krank ist, sondern wie nahe bzw. wie entfernt er von den Endpunkten Gesundheit und Krankheit jeweils ist.
Kohärenzgefühl – Gefühl der Stimmigkeit und Zuversicht
Den zentralen Aspekt des salutogenetischen Modells bildet für ihn das Kohärenzgefühl (sense of coherence, SOC – Kohärenz bedeutet Zusammenhang, Stimmigkeit.). Ausgangspunkt für die Überlegungen Antonovskys ist die Annahme, dass der Gesundheits- bzw. Krankheitszustand eines Menschen (sieht man von Faktoren wie Krieg, Hunger oder schwierigen hygienischen Umständen ab) wesentlich durch eine individuelle, psychologische Einflussgrösse (oder vielleicht besser „Geisteshaltung“, resp. ein geistiges Konstrukt, welches seelischer Einflüsse unterliegt) bestimmt wird, nämlich durch die Grundhaltung des Individuums gegenüber der Welt und dem eigenen Leben. Von dieser Grundhaltung hängt es seinem Verständnis nach nämlich massgeblich ab, wie gut Menschen in der Lage sind, vorhandene Ressourcen zum Erhalt ihrer Gesundheit und ihres Wohlbefindens zu nutzen. Je ausgeprägter das Kohärenzgefühl einer Person ist, desto gesünder ist sie bzw. desto schneller wird sie gesund und bleibt es. Eine erste Definition Antonovskys beschreibt das Kohärenzgefühl als „eine grundlegende Lebenseinstellung, die ausdrückt, in welchem Ausmass jemand ein alles durchdringendes, überdauerndes und zugleich dynamisches Gefühl der Zuversicht hat, dass seine innere und äussere Erfahrenswelt vorhersagbar ist und eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich die Angelegenheiten so gut entwickeln, wie man vernünftigerweise erwarten kann“ („Health, stress and coping: New perspectives on mental and physical well-being“ ,1979). Aus dieser Definition wird zugleich auch deutlich, dass diese Grundeinstellung zum Leben fortwährend mit neuen Lebenserfahrungen konfrontiert und von ihnen beeinflusst wird.
Einschub aus der Hirnphysiologie: Das Kohärenzgefühl ist eventuell eine gute Einfügung der Amygdala-Reize im Hippocampus, was unsere Ängste verbessert. Und die Inkohärenz (Chaos, Unstimmigkeit, Unsicherheit) in unserem Hirn erzeugt Angst.
Aus drei Faktoren – so Antonovsky – setzt sich die Grundhaltung, die Welt zusammenhängend und sinnvoll zu erleben, zusammen:
Gefühl von Verstehbarkeit (sense of comprehensibility)
Das Gefühl von Verstehbarkeit meint die Fähigkeit von Menschen bekannte und auch unbekannte Stimuli als geordnete, konsistente, strukturierte Informationen verarbeiten zu können.
Gefühl von Handhabbarkeit bzw. Bewältigbarkeit (sense of manageability)
Das Gefühl von Handhabbarkeit bzw. Bewältigbarkeit ist die Überzeugung eines Menschen, dass er geeignete Ressourcen zur Verfügung hat, um den Anforderungen zu begegnen – wozu auch der Glaube an die Hilfe anderer Menschen oder einer höheren Macht zählt.
Gefühl von Sinnhaftigkeit bzw. Bedeutsamkeit (sense of meaningfulness)
Das Gefühl von Sinnhaftigkeit bzw. Bedeutsamkeit ist das Ausmass, in dem man das Leben als emotional sinnvoll empfindet: Dass wenigstens einige der vom Leben gestellten Probleme und Anforderungen es wert sind, das man Energie in sie investiert, dass man sich für sie einsetzt und sich ihnen verpflichtet; dass sie eher willkommene Herausforderungen sind, als Lasten, die man gerne los wäre.
Antonovsky sieht diese motivationale Komponente als den wichtigsten Aspekt des Kohärenzgefühls an, denn ohne das Erleben von Sinnhaftigkeit neigt der Mensch dazu, das Leben vor allem als Last zu empfinden und jede weitere sich stellende Aufgabe als Qual.
Antonovsky geht davon aus, dass das Leben immer stressvoll ist. Stress ist nicht zu vermeiden. Entscheidend aber ist, ob ich dem stressvollen Ereignis, etwa einer Prüfung, Sinn verleihen kann, ob mir klar ist, dass diese Prüfung notwendig ist (zum Beispiel, um mir bewusst zu machen, ob ich genügend Kompetenz besitze, um dann in einem bestimmten Bereich zu arbeiten), ob ich die Prüfungsfragen verstehe (Verstehbarkeit), ob ich mit der Prüfungssituation zurecht komme (pünktlich sein, nicht panisch sein, mir genügend Zeit für jede Frage nehme, usw.). Das wäre die Handhabbarkeit.
Ein stark ausgeprägtes Kohärenzgefühl führt dazu, dass ein Mensch flexibel auf Anforderungen reagieren kann. Es aktiviert die für diese spezifische Situation angemessenen Ressourcen und wirkt damit als flexibles Steuerungsprinzip, das den Einsatz verschiedener Verarbeitungsmuster (Copingstrategien) in Abhängigkeit von den Anforderungen anregt.
Vergleichen Sie auch dieses Kohärenzgefühl mit der „Resilienz„, die psychische und physische Stärke bezeichnet, die es Menschen ermöglicht, Lebenskrisen, wie schwere Krankheiten ohne langfristige Beeinträchtigungen zu meistern. Kurz: Gedeihen trotz widriger Umstände!
Auch mit dem psychologischen Begriff der „Selbstwirksamkeit“!
Entwicklung und Veränderung des Kohärenzgefühls
Das Kohärenzgefühl entwickelt sich im Laufe der Kindheit und Jugend und wird von den gesammelten Erfahrungen und Erlebnissen beeinflusst. Während sich das Kohärenzgefühl in der Adoleszenz noch umfassend verändern kann, ist es mit etwa dreissig Jahren, so Antonovsky, ausgebildet und relativ stabil. Im Erwachsenenalter ist es deshalb nur noch schwer veränderbar, und eine solche Veränderung erfordert eine harte und kontinuierliche (z.B. therapeutische) Arbeit.
Ob sich ein starkes oder ein schwaches Kohärenzgefühl herausbildet, hängt für Antonovsky vor allem von den gesellschaftlichen Gegebenheiten ab, d.h. insbesondere von der Verfügbarkeit generalisierter Widerstandsressourcen, die ein starkes Kohärenzgefühl entstehen lassen.
Ressourcen
Verena Steiner teilt in ihrem Buch „Energiekompetenz“ die Ressourcen des Menschen in drei Bereiche auf:
Ich-Bereich
physisch
emotional
mental
Atmung
Schlaf, Rhythmus
Gesundheit
Fitness
Ernährung
Sinne
Selbstachtung
Selbstvertrauen
Stimmung
Lebensfreude
Optimismus
Sozialkompetenz (mit Sich-Einfühlen-Können in andere und Beziehungsfähigkeit)
Ziele Engagement für die Gesellschaft
Herausforderungen Reflexion, Philosophie
Träume, Hoffnung Religion, Spiritualität
Dauerstress schwächt Kohärenz und Lebensmut
Menschen, die ihr Leben als kohärent – also als sinnvoll, versteh- und bewältigbar – empfinden, sind vor Krankheiten besser geschützt. Allerdings hängt, das Kohärenzempfinden auch seinerseits von körperlichen Einflüssen ab: Gerät der Organismus dauerhaft aus dem Gleichgewicht, zum Beispiel durch permanenten Stress, so senkt dies auf längere Sicht das Kohärenzgefühl; die Betreffenden empfinden dann ihren Alltag zunehmend als sinnentleerte Zumutung.
Auf diesen Zusammenhang machte jetzt wieder ein schwedisches Forschungsteam aufmerksam (Psychosomatic Medicine, Bd. 68/5, 2006). Petra Lindfors und ihre Kollegen von der Uni Stockholm griffen auf medizinische Labordaten von 369 gesunden Frauen zurück, die im Alter von 43 Jahren einen ärztlichen Routinecheck absolviert hatten. Für jede Teilnehmerin wurde nun abgezählt, in wie vielen Kennwerten (etwa Blutdruck, Blutfette, maximale Pumpleistung des Herzens, Waist-Hip-Ratio) sie im riskanten oberen Viertel landeten. Die individuelle Summe dieser Risikowerte bildete ein Mass für die so genannte „allostatische Last“: das Ausmass der Abweichung vom physiologischen Gleichgewicht.
Sechs Jahre später wurden die Frauen nochmals kontaktiert und füllten einen Fragebogen zu ihrem Kohärenzempfinden aus. Sie wurden gefragt, inwieweit sie „die Dinge, die ihnen alltäglich widerfahren“ im Grossen und Ganzen verstehbar fänden, ob Probleme sie hoffnungslos stimmten oder eher zur Suche nach Lösungen anspornten und ob sie den Alltag als „eine Quelle persönlicher Befriedigung“ empfinden. Es stellte sich heraus: Je höher die „allostatische Last“ einer Teilnehmerin sechs Jahre zuvor ausgefallen war, desto schlechter stand es nunmehr um ihren Sinn für Kohärenz. (Übrigens: Auch Rauchen, geringe Bildung und ein Singleleben waren der Kohärenz abträglich.).
Die „allostatische Last“ ist ein Mass dafür, wie stark das Gleichgewicht des Körpers gestört ist – mutmasslich vor allem durch wiederholten und chronischen Stress. Stress ist eine natürliche Anpassungsreaktion des Körpers auf Anforderungen; er ist unschädlich, wenn der gestresste Organismus anschliessend ausreichend Zeit findet, sich wieder von dem Aufruhr zu erholen. Ist dies nicht gewährleistet, zum Beispiel weil der Stress über Tage und Wochen anhält, so findet der Körper nicht wieder vollständig zum Gleichgewicht zurück: Allostatische Last häuft sich an.
Dieses körperliche Ungleichgewicht wirkt sich offenbar auch seelisch aus und schmälert das Kohärenzempfinden und damit den Lebensmut – ein Teufelskreis, fürchten die schwedischen Untersucher: „Ein schwaches Kohärenzempfinden wird die Kapazität eines Menschen, seinen Alltag erfolgreich zu bewältigen, weiter reduzieren, was wiederum Spannung und Stress verstärkt, die körperlichen Ressourcen verschleisst und das Gesundheitsrisiko erhöht.“ Andererseits gilt wohl auch umgekehrt: Wer sein Leben als kohärent und sinnhaft empfindet, baut Stress rascher ab und schont seine körperlichen Ressourcen.
Dauerstress ist Atemlosigkeit, Spannung, Enge. Die neuen „Simultanten“ unserer Beschleunigungs-Gesellschaft („Zeit ist Geld!“) leben im Dauerstress von simultan, d.h. nebeneinander machen von e-mailen, simsen, essen, telefonieren, das Kind versorgen, sich fortbewegen…!
Stress ist übrigens auch „ansteckend“! Man sollte sich von gestressten Menschen fernhalten um selber zur Ruhe zu kommen.
Meditation greift hier ein und kann diesen Teufelskreislauf von Dauerstress durchbrechen.
Selbstwirksamkeit
Unter Selbstwirksamkeit (self-efficacy beliefs) versteht man in der Psychologie die Überzeugung einer Person, auch schwierige Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können. Geprägt wurde der Begriff von dem amerikanischen Psychologen Albert Bandura.
Albert Bandura erforschte in zahlreichen Experimenten und Studien seit den 1960er-Jahren, wie das menschliche Verhalten und Denken durch Lernen und selbstbezogene Überzeugung beeinflusst wird. Eine wesentliche Erkenntnis Banduras war, dass Menschen meistens nur dann eine Handlung beginnen, wenn sie davon überzeugt sind, dass sie diese Handlung auch tatsächlich erfolgreich ausführen können. Diese Überzeugung, eine Handlung erfolgreich ausführen zu können, bezeichnete Bandura als Selbstwirksamkeits-Überzeugung, wobei in vielen Fällen unerheblich ist, ob die Person tatsächlich zur Ausführung in der Lage ist oder nicht: Ohne Selbstwirksamkeits-Überzeugung werden Herausforderungen oft nicht angenommen.
Selbstwirksamkeit ist das zentrale Konstrukt in Banduras Social Cognitive Theory (SCT) und wird heute in vielen Bereichen angewendet:
Gesundheitsprävention: Mit Selbstwirksamkeit schaffen es Menschen eher, schädliche Verhaltensweisen zu ändern (Rauchen, Alkohol)
Therapie: Selbstwirksamkeit spielt eine Schlüsselrolle bei der Therapie von Phobien und Ängsten
Sport: Selbstwirksamkeit ermöglicht Sportlern ihre Leistung zu steigern und im Wettkampf abzurufen
Aufbau von Selbstwirksamkeit
Nach Bandura können Selbstwirksamkeits-Überzeugungen auf vier Wegen vermittelt werden:
Durch Erfolgserlebnisse:
Erfolgserlebnisse führen auf natürliche Weise zu einer Stärkung von Selbstwirksamkeit. Auf der anderen Seite führen wiederholte Misserfolge – vor allem wenn die Ursachen dafür der eigenen Person zugeschrieben werden – zu einer Schwächung von Selbstwirksamkeit.
Beobachten von erfolgreichen Modellpersonen:
Wird der Erfolg anderer Personen beobachtet, die einem selbst wichtig oder ähnlich sind, so stärkt das ebenfalls die Selbstwirksamkeit. Weiter verstärkt werden kann dieser Effekt noch dadurch, dass die Modellpersonen öffentlich belohnt werden.
Einfluss sozialer Gruppen:
Soziale Gruppen haben oft einen negativen Einfluss auf die Selbstwirksamkeit. Hört man immer wieder von anderen Menschen, dass man ein Versager ist, werden Selbstwirksamkeits-Überzeugungen nachhaltig geschwächt.
Interpretation von Emotionen und Empfindungen:
Gerade unter Druck nehmen viele Menschen körperliche Empfindungen (feuchte Hände, Zittern, Herzrasen) als Zeichen für ein mögliches Scheitern wahr. Durch Übungen können Menschen lernen, diese Empfindungen neu zu interpretieren, z.B. als Zeichen freudiger Erregung. (Quelle: Bandura, Albert (1997). Self-efficacy: The exercise of control. New York: W. H. Freeman)
Regenerationsfähigkeit und Plastizität
Die Kraft unserer Ressourcen zeigt sich auch in der unglaublichen Regenerationsfähigkeit des menschlichen Körpers:
Ein wunderbares Beispiel für diese enorme Plastizität und Regenerationsfähigkeit ist das vollständige Nachwachsen einer amputierten Fingerendkuppe (dies auch trotz freiliegendem Knochen!) unter einem sehr einfachen Folienverband – ohne Operation, ohne Antibiotika und selbst ohne Desinfektion! Wir sind hier wirklich der Eidechse mit ihrem nachwachsenden Schwanz sehr ähnlich.
(D.Hoigné, U.Hug: Amputationsverletzungen am Fingerendglied: Regeneration mittels Folienverband; Schweiz Med Forum 2014;14(18):356-360)
Parasympathikus
An anderem Ort habe ich Vergleiche von Kohärenzsteigerung durch Kräftigung des parasympathischen Teils des Vegetativen Nervensystems (orientalisch gesehen: Stärkung des Yin) angestellt: /parasympathikus/!
Rolfing
Rolfing, die strukturelle Körperarbeit, die ich auch ausübe, ist ein wunderbar salutogenetisches Konzept, eine Ressourcenarbeit im schönsten Sinne des Wortes, wo Symptome wie Schmerzen oder zum Beispiel eine Skoliose aus dem Fokus geraten und die freie, ökonomische Alltagsbewegung und -haltung wichtig werden – und erst sekundär und beiläufig dann vielleicht auch noch die obigen Symptome verschwinden.
Lesen Sie dazu noch mehr auf meiner Website:
Zur Grundhaltung mit Annehmen der Lust und des Körpers als Tempel der Seele – Im Gegensatz zur etwas rigid-streng-moralischen Grundhaltung in der westlichen Medizin: www.dr-walser.ch/genuss/
Zur Hingabe an den Moment (im Hier und Jetzt sein) oder raus aus dem Hamsterrad und rein in die Entspannung: www.dr-walser.ch/entspannung/
Zum Wunsch, den Anderen so zu lieben wie er ist (bedingungslose Liebe): www.dr-walser.ch/sex/
Ich habe hier einiges aus dieser Quelle zitiert:
Jürgen Bengel, Regine Strittmatter & Hildegard Willmann: „Was erhält Menschen gesund? Antonovskys Modell der Salutogenese – Diskussionsstand und Stellenwert“. Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung Band 6, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln 2001
Veröffentlicht am 27. Mai 2017 von Dr. med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
17. Juni 2022