Der Rundrücken

Hyperkyphose der Brustwirbelsäule

Eine „Kyphose“ (griechisch: Buckelung) der Wirbelsäule im Brustbereich führt zum Rundrücken.

Die sogenannte Lendenlordose ist ein Hohlkreuz.
Das Hauptproblem des Rundrückens besteht darin, dass er mit dem Alter zunimmt, besonders schnell zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr. Man schätzt, dass 20-40% der Menschen über 60 Jahre an Hyperkyphose leiden. Diese führt zu erheblichen Beschwerden: Schmerzen, Sturzneigung, eingeschränkte Lungenkapazität, verminderte körperliche Belastbarkeit, Magen-Darm-Probleme und zu wenig Platz im Brustraum, was auch Herz-Kreislauf-Probleme verursacht. Zudem erhöht sich die Sterblichkeit.

Überraschend ist, dass nur etwa ein Drittel der ausgeprägten Hyperkyphosen auf osteoporotische Wirbelfrakturen zurückzuführen ist. Es gibt sogar Hinweise, dass der Rundrücken selbst Wirbelfrakturen verursachen kann.

Witwenhöcker – heute auch Smartphonehöcker oder ihunch!

Ich beobachte derzeit eine starke Zunahme von sogenannten „Witwenhöckern“, die früher nur bei Frauen über 70 auftraten, nun aber auch bei sehr jungen Menschen. Die Ursache liegt auf der Hand: Überall – auf der Strasse, in der Strassenbahn – sehen wir diese neue Haltung, die durch das ständige Starren auf das Smartphone entsteht.

„Ihump“ oder „Ihunch“ sind in den US bereits medizinische Begriffe.

(Foto: SZ-Grafik: Michael Mainka: Quelle: Dr. Ken Hansrai)

Je schiefer der Kopf, umso grösser die Belastung für den Nacken: Zerren bei einer Neigung von 15 Grad noch rund 12 Kilogramm an den Halswirbeln, so sind es bei 60 Grad bereits mehr als doppelt so viel. Das ständige Starren auf Smartphones ruft deshalb früher oder später einen Rundrücken hervor.

Rundrücken durch Krafttraining/Bodybuilding

Das Training unserer oberflächlichen Muskeln führt stets zu einem Ungleichgewicht: Die Vorderseite wird kräftiger und verkürzt, während die Rückseite schwächer bleibt und einen Rundrücken im Brustbereich entwickelt. Ein Beispiel ist der „Sixpack“, der auftrainierte Rektusbauchmuskel. Er verkürzt sich und zieht das Brustbein stark nach unten, was einen Buckel formt. Dies sieht man deutlich bei allen Bodybuildern:

Lesen Sie auch meine Seite über Krafttraining und meinen Blogbeitrag über den flachen Bauch.

Wanderstöcke können einen Rundrücken fördern

Beim Benützen von Wanderstöcken beim Berggehen besteht die Gefahr, dass man sich zu sehr auf das Einstecken der Stöcke konzentriert und dabei jeweils nach unten schaut. Der Hals streckt man dabei nach vorne – und es kann daraus sogar ein Rundrücken entstehen.
Mehr über Wanderstöcke.

Was tun?

Zunächst tröstet es den Menschen, dass unser Körper, selbst die Knochenzellen und die Wirbelsäule, sehr anpassungsfähig sind und sich nach dem Prinzip „form follows function“ auch im hohen Alter noch verändern können. Um einen Rundrücken oder andere Wirbelsäulendeformationen wie Hohlkreuz, Flachrücken oder Skoliose zu therapieren, muss man daher die Funktion, also die Alltagsbewegungen, zum Positiven verändern.

Für eine erfolgreiche Korrektur des Rundrückens wäre wichtig, dass wieder die drei Eigenschaften des Gleichgewichts des menschlichen Körpers erfüllt wären.

Auf dieser Abbildung sieht man links eine normal geschwungene Wirbelsäule und rechts eine Hyperkyphose der Brustwirbelsäule. Bei diesem Rundrücken rechts fehlen folgende Kriterien eines Gleichgewichts:

>> Tiefenaktivität oder Kernstabilisierung und Oberflächenentspannung

Unser Gleichgewicht profitiert, wenn tiefe Strukturen in unserem Körper aktiv werden und die Stabilität übernehmen, während sich oberflächliche Muskeln entspannen. Diese tiefen Strukturen nennt man „tiefe Rumpfstabilisatoren“, „lokale Muskeln“ oder „Core“ (dazu gehören die Psoasmuskeln, der Beckenboden = M. Pubococcygeus, M. Transversus abdominis, Mm. Multifidi und Mm. Rotatores, M. Serratus, M. Longus colli,).

Jede optimal ausgeführte Alltagsbewegung und -haltung beginnt mit der Aktivierung dieses lokalen Systems, also der tiefen Rumpfstabilisatoren. Erst wenn diese aktiv sind, können die globalen, oberflächlichen Muskeln ökonomisch und entspannt arbeiten.

Beim Rundrücken ist es wichtig, dass sich die verkürzte Vorderwand des Oberkörpers wieder entspannt und verlängert. Dafür ist der zweite Punkt nötig:

>> Hüftgelenksaktivität oder „Hüftachse hinter dem Lot“

Ein aktives Hüftgelenk fördert das Gleichgewicht besser als das Knie, das oft sprachlich im Vordergrund steht: „in die Knie gehen“, „Kniebeuge“. Ein gutes Beispiel dafür ist die „halbe Hocke“, die hauptsächlich aus den Hüftgelenken kommt.

Achten Sie beim Gehen auf die Federung aus der Hüfte (Hüftachse hinter Schulterachse) und beim Stehen auf eine leichte Faltung. Für optimales Stehen und Gehen im Gleichgewicht lesen Sie „Ökonomie der Bewegung“.

>> Lange Mittellinie mit vorne konvexer Form

Eine lange Mittel- und Frontallinie des Rumpfs, von Kinn bis Schambein, fördert die Balance und die beiden genannten Qualitäten. Diese Linie schafft einen langen Innenraum des Oberkörpers, den man durch eine vorne konvexe Mittellinie erreicht – also durch ein senkrechtes Brustbein und ein Schambein, das hinter dem Lot liegt. So können Schultergürtel und Kopf ruhig auf dem Rumpf balancieren.

Studien zeigen, dass die aufrichtenden Multifidi-Muskeln der Wirbelsäule erst aktiv werden, wenn die Mittellinie des Rumpfs vorne konvex ist. Bei einem Rundrücken, der hinten konvex ist und das Becken vor das Lot bringt, bleiben diese Muskeln inaktiv.

Diese Eigenschaften des Gleichgewichts und damit die funktionell bessere, sprich ökonomischere Alltagsbewegung können Sie im ROLFING lernen.

Falten gegen eine Wand

Mehr Raum im Oberkörper stärkt Herz und Kreislauf. Im Laufe des Lebens verkürzt sich bei uns Menschen die Frontallinie, was oft zu einem Rundrücken im Alter führt. Methoden wie Rolfing, Alexandertraining und Pilates können die Frontal- und Mittellinie verlängern, den Oberkörper aufrichten und mehr Innenraum schaffen. Diese Techniken zielen darauf ab, die tiefen Rumpfmuskeln zu aktivieren und die oberflächlichen Muskeln zu entspannen.

Katzen haben schon immer gewusst, was sich gegen eine Verkürzung der Vorderwand machen lässt:
Als Mensch auf zwei Beinen tut man dies am besten aufrecht stehend gegen eine Wand –
und dies ist die beste Übung gegen einen Rundrücken.

 

Veröffentlicht am 12. Juni 2017 von Dr. med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
05. September 2024