Kaffee

Unsere Suchtpolitik – das Resultat von Moral, Business und Macht

Falls Sie gerne Kaffee trinken, hätten Sie vor 300 Jahren in Zürich etwas Verbotenes getan. Der Stadtrat verbot „das Trincken von Café by zwänzig Bazen Buss“, da es den Geist verwirre. In Istanbul drohten bei Kaffeekonsum gar Verstümmelung und Todesstrafe.
Dazu einfach einen kurzen Blick auf die heutigen Drogenverbote (Cannabis, Ecstasy, LSD, …), hinter denen statt primär gesundheitliche Überlegungen, vor allem machtpolitisch motivierte Gründe stehen.
Zum Schutz der Bevölkerung – insbesondere der Jugend – und im Sinne der Schadensminderung muss diese Prohibition dringend reformiert werden.

Voltaire und Kaffee

Der französische Philosoph Voltaire war der Legende nach ein sehr gieriger Kaffeetrinker. Er soll mindestens 30 Tassen Kaffee am Tag getrunken haben, manche Historiker sprechen sogar von 50 bis 80 Tassen täglich. Der Philosoph dachte, dass seine Gedanken durch das damals noch exotische Elixier stimuliert würden. Den Kaffee mischte er oft mit Schokolade, damals ebenfalls eine Delikatesse aus einem fernen Land, die ja auch anregend wirkt.
Voltaire lebte trotz ungehemmter Kaffeeleidenschaft und der Warnungen seines Arztes übrigens bis ins hohe Alter von 84 Jahren. Von ihm stammt auch der Satz: »Es gibt keine wahren Genüsse ohne wahre Bedürfnisse.«

Wann Kaffee trinken?

Kaffee beeinflusst unseren inneren Rhythmus gewaltig, falls man ihn irgendwann tagsüber trinkt. Man sollte seinen individuellen täglichen Energie-Rhythmus kennen lernen (Literatur dazu: Verena Steiner, Energiekompetenz) und den Kaffee dann nur in den „Up-Phasen“ vor unseren Energiehochs einnehmen und nie zur (gesundheitlich bedenklichen) Überbrückung unserer „Down-Phasen“! Aus diesem Grund sollte man auch auf den Espresso nach dem Mittagessen verzichten (und erst recht nach dem Abendessen).
Übrigens: Kaffee, ausnahmsweise zum Wachhalten eingesetzt, hilft viel besser, falls man viele einzelne, kleinere Schlückchen über den Tag verteilt einnimmt, als die eine grosse Tasse am Morgen (James Wyatt in Sleep, 27, S.374).

Menschen mit Schlafstörungen sollten nach 12 Uhr keinen Kaffee mehr zu sich nehmen.

Wirkungen und Nebenwirkungen

  • Für Hirn nicht mehr als 3 Tassen/Tag:
    Der tägliche Konsum von mehr als drei Tassen Kaffee beschleunigt den Abbau der kognitiven Fähigkeiten, wie eine gross angelegte Studie zeigt. Die Forscher untersuchten, wie verschiedene Mengen Kaffee und Tee die fluide Intelligenz beeinflussen, also die Fähigkeit, logisch und abstrakt zu denken, Probleme zu lösen und Muster zu erkennen. Personen, die vier oder mehr Tassen Kaffee täglich trinken, zeigen den stärksten Rückgang der fluiden Intelligenz. Dies im Vergleich zu Personen mit moderatem (ein bis drei Tassen täglich) oder keinem Kaffeekonsum.Es ist eine alte Weisheit: Ein Zuviel ist nie gut. Ausgewogenheit ist der Schlüssel. Moderater Kaffeekonsum ist in Ordnung, aber zu viel ist wahrscheinlich nicht ratsam.

    Gleichzeitig deuten die Daten darauf hin, dass mässiger Kaffeekonsum (1-3 Tassen/Tag) als Schutzfaktor gegen den kognitiven Abbau wirken kann.

    Beim Tee zeigte sich ein anderes Muster. Personen, die nie Tee tranken, erlebten einen stärkeren Rückgang der fluiden Intelligenz als solche mit mässigem oder starkem Teekonsum.

  • Wieviel Kaffee täglich ist gesund?
    Heute muss man langsam und auch vorsichtig antworten:
    Sehr wahrscheinlich sind 3-4 Kaffeedosen pro Tag für Herz und Hirn noch gesund, falls man denn nicht Herzsymptome bekommt und nervös oder ängstlich ist. Mehr dagegen wohl eher weniger.
    Ein günstiger Einfluss von regelmässigem Kaffeekonsum auf die Rate kardiovaskulärer Erkrankungen ist bereits häufiger berichtet worden.

  • Im spanischen SUN-Projekt, an dem 2017 rund 20.000 teilnehmen, wurde eine inverse Assoziation zwischen dem Kaffeekonsum und der Gesamtmortalität an Herz-Kreislaufkrankheiten gefunden. Bei Personen, die mindestens 4 Tassen täglich konsumierten war die Mortalität um 65% geringer als bei Personen, die nie oder fast nie Kaffee tranken. Besonders deutlich zeigte sich der Zusammenhang bei über 45-Jährigen. Pro zusätzliche 2 Tassen Kaffee täglich, verringerte sich die Gesamt-Mortalität im rund 10-Jahres-Follow-up um 30%. Auch wer viel Kaffee trinkt, setzt seine Gesundheit nicht aufs Spiel: Das zeigt eine grosse Studie des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (Floegel A et al; Am J Clin Nutr. 2012 Apr;95(4):901-8.). Bei 43000 Menschen wurden zwei Gruppen verglichen: Vieltrinker, die täglich vier oder mehr Tassen Kaffee tranken, und Wenigtrinker mit weniger als eine Tasse pro Tag. Nach neun Jahren konnten sie für Krebs, Herz-Kreislauf (inkl. Schlaganfall) und auch für Diabetes ein Bonus für die Vieltrinker ausmachen: Ihr Risiko für alle diese Leiden war deutlich tiefer.
    Einerseits steigt das Gesamtcholesterin und LDL-Cholersterin bei über 6 Tassen Kaffee täglich zwar etwas. Anderseits: Bei regelmässigen Kaffeetrinkern bleiben die Halsschlagader elastischer und das Infarkt-Risiko sinkt. Bereits eine bis zwei Tassen pro Tag genügen. Das fanden Forscher der Universität Athen in einer Studie mit 235 Senioren heraus. Förderlich sind vermutlich die Polyphenole und andere gesunde Inhaltsstoffe von Kaffee. (European Society of Cardiology)
    .
  • 09/2024 die Meta-Studie „Habitual Coffee, Tea, and Caffeine Consumption, Circulating Metabolites, and the Risk of Cardiometabolic Multimorbidity“, Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism (JCEM):
    Betrachtet man den Nutzen über das gesamte Spektrum der Einnahme, so sieht man wieder diese U-förmige Kurve, die darauf hindeutet, dass der optimale Wert für den täglichen Konsum bei etwa 3 Tassen Kaffee oder Tee (oder 250 mg Koffein) liegt. Ein Standard-Energydrink enthält etwa 120 mg Koffein.
    .
  • Führt Kaffee zu Rhythmusstörungen?
    Studien im Zusammenhang mit Kaffee – einem der meist konsumierten Getränke überhaupt – üben eine besondere Faszination aus. Anders kann man es sich kaum erklären, dass diese solid durchgeführte, aber doch relativ kleine Studie derart hochrangig publiziert werden konnte.
    Es wurden dazu 100 Probanden (mittleres Alter 39 Jahre, 51% Frauen) während zwei Wochen kontinuierlich hinsichtlich Auftretens von Extrasystolen und zur Messung von Schrittzahl und täglicher Schlafdauer monitorisiert. Die Studienteilnehmenden wurden sodann mittels SMS zufällig angewiesen, an bestimmten Tagen Kaffee zu trinken respektive darauf zu verzichten. Die Anzahl Kammer-Extraschläge veränderte sich durch den Kaffeekonsum nicht signifikant. Gut vereinbar mit diesen Resultaten wiesen ja bereits vorgängige Beobachtungsstudien darauf hin, dass Kaffeetrinkende kein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Vorhofflimmern haben.
    Interessant sind aber auch die Daten zu den sekundären Endpunkten der Studie: An «Kaffeetagen» war die nächtliche Schlafdauer im Schnitt eine halbe Stunde kürzer und die Probanden legten im Mittel 1000 Schritte mehr zurück. Zudem traten deutlich häufiger ventrikuläre Ektopien auf. Ob Letzteres ein Surrogatmarker für Folgekomplikationen ist, muss offenbleiben. Die bisherigen Mortalitätsdaten zum Kaffeekonsum sprechen nicht dafür. Wie die Autorenschaft selber konkludiert, generieren diese Resultate Hypothesen für weitere Studien.

  • Medizinische Studien über Kaffee haben aber auch ihre Tücken – vor allem die, für den Kaffeegenuss negativen. Sorgfältige Arbeiten (z.B. über Kaffeekonsum in der Schwangerschaft und vermehrte Früh- oder Fehlgeburten und untergewichtige Kinder bei der Geburt) zeigen, dass diese Komplikationen meist nur scheinbar mit dem Kaffeekonsum zusammenhängen. Berücksichtigt man nämlich dass sich bei den „schweren“ Kaffeetrinkerinnen (mehr als 4 Tassen täglich) auch die Mehrheit der Raucherinnen und ein Drittel der Alkohol-konsumierenden Frauen, bei den Kaffee-Abstinentinnen aber nur 16% Raucherinnen und 14% Alkoholtrinkende befinden, so liess sich kein erhöhtes, durch Kaffeegenuss bedingtes Risiko mehr feststellen! (The New England Journal of Medicine 343, 1839-1845 (2000))
    Diesen Störfaktor in Studien bezeichnet man als „Confounder“.
  • Dieselben Überlegungen muss man beim vermeintlichen Osteoporoserisiko durch Kaffeekonsum anstellen, denn chronischer Alkohol- und Nikotinkonsum sind dort nachgewiesenermassen ein hohes Risiko. Sonstige Risikofaktoren für die Entwicklung einer Osteoporose im Alter sind auch viel höher einzustufen: Frauen nach der Menopause; enge Verwandte leiden bereits unter Osteoporose; Kalzium- und kalorienarme Ernährung und wenig Bewegung vor 15jährig; Frauen mit früher Menopause, entfernten Eierstöcken und Kinderlosigkeit; aber auch Konsum vieler phosphathaltiger Nahrungsmittel (wie „Soft-Drinks“=Colagetränke, Knäckebrot und bestimmte Wurstwaren, die entsprechend gesalzen sind); und eben chronischer Alkohol-, Nikotin- und möglicherweise Kaffeekonsum.
  • Menschen, die 3 oder mehr Kaffee täglich trinken haben gemäss einer grossen Studie (Bhupathiraju SN, Pan A, Manson JE, et al. Changes in coffee intake and subsequent risk of type 2 diabetes: three large cohorts of US men and women. Diabetologia. 2014;57:1346-1354. Abstract ) 37% weniger Risiko einen Diabetes Typ II zu entwickeln, als diejenigen die nur einen Kaffee täglich tranken.
    Auch konnten die Leute mit eineinhalb Kaffee mehr täglich ihr Risiko um 11% senken.
  • Kaffee hält Gefässe im Hirn fit:
    Frauen, die ein bis vier Tassen Kaffee am Tag trinken, verringern ihr Risiko für einen Schlaganfall um rund einen Viertel. Dies zeigte Susanna Larsson vom Karolinska Institut, die mit ihrem Team die Gesundheitsdaten von mehr als 34000 Frauen analysierte. Eine frühere Studie aus Finnland weist darauf hin, dass Kaffee auch Männerhirne schützt.
    (Larsson SC et al, Coffee consumption and risk of stroke in women; Stroke, 2011 Apr;42(4):908-12. Epub 2011 Mar 10)
  • Hoher Koffeinkonsum ist sogar mit einer signifikant tieferen Wahrscheinlichkeit verknüpft, an Morbus Parkinson zu erkranken (jama.ama-assn.org/issues/v283n20/full/joc91293.html).
    Es gibt sogar Studien, die zeigen, dass ein moderater Kaffeekonsum die Entwicklung einer Demenz bei älteren Frauen verhindern kann (Neurology 2007;69:536-545 August 7 2007 American Academy of Neurology The neuroprotective effects of caffeine. The Hree City Study. K.Ritchie et al.)
  • Jedoch kann hoher Konsum von Energydrinks Herz und Nieren schädigen.Ein 21Jähriger mit  seit 2 Jahre langem grossen Konsum von Energydrinks wird mit Herz- und Nierenversagen hospitalisiert.
    Der zugrunde liegende Mechanismus der Herzinsuffizienz durch Energydrinks ist nicht vollständig geklärt. Das hoch konzentrierte Koffein in Energydrinks hat positive chronotrope und inotrope Eigenschaften, vor allem durch seine Wirkung als kompetitiver Antagonist von myokardialen Adenosin-Rezeptoren und auf die Katecholamin-Freisetzung.
    Eine chronische sympathische Überstimulation durch exogenen Koffeinkonsum kann also auch eine Stresskardiomyopathie auslösen.
    Es ist auch bekannt, dass Energydrinks den Blutdruck erhöhen und eine Reihe von Arrhythmien wie Vorhofflimmern sowie supraventrikuläre und ventrikuläre Ektopien auslösen können. Im schlimmsten Fall kann es zu Herzversagen kommen.
    Dieser Fall verdeutlicht, wie wichtig es ist, bei Patienten mit Kardiomyopathie unklarer Ätiologie sorgfältig nach einer bestimmten Ursache zu suchen. Dies schließt eine gründliche Anamnese auch zum Konsum von Energydrinks ein.
    Künftige Studien sind notwendig, um herauszufinden, welche Faktoren für schweres Herzversagen oder Herzrhythmusstörungen nach Energydrinks prädisponieren. So könnten dann Risikogruppen identifiziert und entsprechend aufgeklärt werden.
    (univadis.de/viewarticle/s/lebensbedrohliche-kardiomyopathie-durch-energydrinks)
  • Gicht: Je mehr Kaffee Männer trinken, desto seltener erkranken sie an Gicht (Arthritis & Rheumatism). Männer, die vier bis fünf Tassen täglich tranken, hatten ein 40% geringeres Risiko an Gicht zu erkranken wie Männer, die keinen Kaffee tranken. Bei sechs oder mehr Kaffees pro Tag sank das Gichtrisiko sogar um 60%.)
  • Schon mehrere Studien haben gezeigt, dass Kaffee die Leber gesund erhält. Auch Leberkranke profitieren von dem Getränk. In einer Studie von 2009 mit 760 Hepatitis C-Patienten hatten Kaffeetrinker Vorteile: Bei ihnen schritt die Krankheit nur halb so oft fort wie bei den anderen!
  • Krebs: Reichlich Kaffeegenuss bewahrt Frauen möglicherweise vor Brustkrebs. Trägerinnen gewisser Genvarianten, die mindestens zwei Tassen Kaffee pro Tag tranken, erkrankten zu 30% seltener als die anderen (E.Bageman et al., Cancer Epidemiology Biomarkers & Prevention 17: 895-901).
  • Sonstige Nebenwirkungen von Kaffee hingegen sind unbestritten: Pulsbeschleunigung, Reizbarkeit, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Zittern und Muskelschmerzen. Absetzen von Koffein vermag Entzugskopfschmerz auszulösen. Kaffee steigert Angst. (Leute, die unter Ängstlichkeit leiden oder sogar Panikattacken erleben, sollten sicher nicht mehr als 400mg täglich aufnehmen oder besser gleich ganz auf Kaffee verzichten!). Personen mit Leberzirrhose oder Schilddrüsenüberfunktion laufen Gefahr verstärkter Koffein-Störwirkungen.
  • Schon fünf Tassen Kaffee am Tag steigern das Risiko (akustische) Halluzinationen zu bekommen, vorrausgesetzt man hat eine Neigung dazu.
    Australische Wissenschaftler in der Zeitschrift “Personality and Individual Differences” kamen zu diesem erschreckenden Ergebnis. “Koffein und Stress in Kombination steigern das Risiko für Psychose- ähnliche Symptome”, so Studienleiter Simon Crowe von der La Trobe University.
    Die Wissenschaftler haben 92 gesunde Studienteilnehmer in Situationen mit viel oder wenig Stress versetzt. Anschliessend befragten sie die Teilnehmer, wie viel Kaffee sie an diesem Tag getrunken hatten. Man spielte ihnen ein Tonbeispiel mit einem weissen Rauschen vor und bat sie jedes Mal sich zu melden, sobald sie das Lied “White Christmas” von Bing Crosby hörten. Das Lied wurde tatsächlich nie eingespielt, trotzdem glaubten mehrere es zu hören, und zwar vor allem jene, die unter hohem Stress standen und viel Kaffee getrunken hatten.
    Wer in dieser Hinsicht bereits verletzbar ist, kann durch Stimulanzien derart erregt und unruhig werden, dass das Sensorium durchdreht. Ängste, Schlaflosigkeit bis hin zu Halluzinationen im Sehen oder Hören können die Folge sein.
    Vor allem Nikotin und Koffein nehmen Schizophrene häufig zu sich, was nur plausibel ist: Neben Produktivsymptomen wie etwa Trugbilder sind auch sogenannte „Negativsymptome“ Kennzeichen der Krankheit. Dazu zählen die Antriebsschwäche, Kraftlosigkeit, Müdigkeit sowie Konzentrationsstörungen. Durch Zigaretten und Kaffee versuchen viele, diese Probleme zu überwinden.
    Ohne entsprechende Vorgeschichte wird niemand halluzinieren, auch wenn er fünf Tassen Kaffee pro Tag trinkt.
    Die Australier mahnen dennoch zur Vorsicht. Zuviel Koffein verbunden mit hohen Stress könnten auch bei normalen Menschen miteinander interagieren, wie die Untersuchung gezeigt habe. Kaffee als häufigste Alltagsdroge sei deshalb weniger harmlos wie oft dargestellt wird.

Achtung: Der Mode-Putscher GUARANA enthält mit 3-8% deutlich mehr Koffein als Kaffeebohnen (1-2%) oder Teeblätter (1-4%).
Nochmals Achtung: Koffein ist in vielen Mischmedikamenten gegen Schmerzen enthalten (die man sowieso meiden sollte).

Auch mit koffeinfreiem Kaffee  lebt man länger

(Prospektive Kohortenstudie mit 500.000 Menschen im Journal of the American Medical Association (JAMA)) Erstmals wurde dabei der individuelle Koffein-Metabolismus der Teilnehmer berücksichtigt, der sich genetisch bedingt unterscheidet – und es wurde differenziert, ob die Menschen koffeinhaltigen oder koffeinfreien Kaffee bevorzugen.

Das Mortalitätsrisiko war bei den Kaffeetrinkern allgemein geringer und sank tendenziell mit der Menge getrunkener Tassen im Vergleich zu Nicht-Kaffeetrinkern: So lag die Hazard Ratio (HR) mit einer Tasse pro Tag bei 0,92, bei 4 bis 5 Tassen bei 0,88 und bei 8 oder mehr Tassen bei 0,86. Dabei spielte es keine Rolle, ob die Person ein guter oder schlechter „Koffein-Verwerter“ war (also wie aktiv der genetisch bedingte Koffein-Metabolismus war) und ob laut Antwortbögen koffeinfreier, gefilterter oder löslicher Kaffee getrunken worden war.
Am Koffein liegt es also wohl nicht, dass Kaffee das Mortalitätsrisiko eher senkt als steigert., aber es sind natürlich wesentlich mehr Substanzen als nur Koffein im Kaffee. So fördert Kaffee etwa den Spiegel des körpereigenen Peptids Adiponektin im Blut, das mit einer erhöhten Insulinsensitivität in Verbindung gebracht wird.

Weiterhin schlüsselten Loftfield und Kollegen nach Geschlecht (45% Männer, 55% Frauen), Alter (unter und über 55 Jahren), Raucherstatus, allgemeinem Gesundheitsstatus (gut ca. 75% / schlecht ca. 25%), BMI, Diabetes (bei ca. 5%) sowie dem Auftreten von Krebs, Herzinfarkt und Schlaganfall (gemeinsam ca. 10% der Teilnehmer) auf. In allen Subgruppen blieb der Trend erhalten, dass Kaffee, auch in grosser Menge von über 6 Tassen täglich, das Mortalitätsrisiko senkte.

Für die Belastbarkeit der getroffenen Aussagen spricht auch, dass sie die Ergebnisse vieler bereits veröffentlichter Studien zum Thema Kaffeekonsum bestätigen.
Kaffee, aber auch Tee, sind keine Medikamente, der Genuss geht meist mit Ruhe und einer Parasympathikus-Aktivierung einher, was sich nur positiv auf die Gesundheit auswirkt.

Lediglich Schwangere sollten sich etwas zurückhalten. Allen anderen empfehle ich: Zurücklehnen und den Kaffee guten Gewissens geniessen!

Veröffentlicht am 15. Juni 2017 von Dr. med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
16. August 2024

Menopause – Wechseljahre

Die Perimenopause eine Zehnerjahrkrise

Fast alle Beschwerden von Frauen, die landläufig den Wechseljahren (oder Klimakterium oder Perimenopause) zugeschrieben werden, sind gar nicht typisch für dieses Lebensalter. Vielmehr treten Symptome wie Erschöpfung, Schlafstörungen, depressive Stimmung, Muskelschmerzen oder Harnwegsprobleme in sämtlichen Lebensphasen, von der Jugend bis ins hohe Alter auf. (K.Weidner u.a.: Klimakterische Beschwerden über die Lebensspanne? PPmP, 62/7, 2012, 266-275).

Man beobachtet einen Anstieg dieser „unspezifischen“ Symptome (und vieler mehr…) gehäuft vor und um die Zehnerjahre, also schon gegen 30, dann 40 und eben um 50jährig! Weiter dann auch wieder gegen 60 und 70. Diese runden Geburtstage haben es in sich: Man rekapituliert dann sein bisheriges Leben und schaut nach vorne. Was hat man „erreicht“, was will man noch… Dies alles kann in eine eigentliche Krise führen. Man/frau nennt sie dann auch „Quarterlife-Crisis“ oder „Midlife-Crisis“.

Der einzige Symptomenkomplex, der sich in diesen Studien tatsächlich mit den „Wechseljahren“ verknüpfen lässt, sind nächtliche Hitzewallungen und Schweissausbrüche – und meist damit zusammenhängenden Schlafstörungen. Diese Beschwerden nahmen im Alter zwischen 50 und 60 Jahren merklich zu. Allerdings war auch hier nur eine Minderheit betroffen (ein Viertel aller Frauen klagt über mittlere bis sehr starke Beschwerden durch aufsteigende Hitze – vor allem nachts). Ab dem 60. Lebensjahr liessen die Symptome wieder stetig nach. Übrigens muss man bei Wallungen, die nur tagsüber auftreten auch an andere Ursachen denken (z.B. Schilddrüsenerkrankung, Dauerstress).

Insgesamt stehen die angeblichen „Wechseljahrbeschwerden“ zwar nicht mit den Wechseljahren, wohl aber mit der Lebenssituation und der psychischen Belastung in Verbindung: Häufiger betroffen sind Frauen, die sich gestresst, niedergeschlagen und erschöpft fühlen.

Dies alles lässt die Forscher eher einen psychosomatischen als einen hormonellen Hintergrund vermuten. Es handelt sich hier also um unspezifische, seelische, körperliche und kognitive Symptome, die bereits in jüngeren Lebensjahren, aber auch nach dem Klimakterium zu beobachten sind. Man zweifelt heute stark daran, dass diese Beschwerden auf einen Progesteron- oder Östrogenmangel zurückzuführen sind.

Woman on fire

Die wechseljährigen Frauen sind „unangepasst“, „übertrieben“, wild, unangenehm für die Partner. Sie sind nicht mehr angepasst. Sie machen auf Unstimmigkeit aufmerksam. Sie sind nicht mehr die „liebe Mutter daheim“. Sie zeigen ein Verhalten, vergleichbar mit der Pubertät, welche ebenfalls eine wilde Wechselzeit ist.
Sie steht manchmal auch etwas neben sich – und versteht sich selbst nicht…

Wichtig ist es – für die betroffenen Frauen, wie auch für die Umgebung – dies als Prozess zu verstehen und nicht als „störende Krankheit“, die weg muss (mit Hormonen!).
In diesem Prozess entwickelt sie sich in eine reifere Frau – mit mehr Facetten. Ihr Feuer kann nachher wieder gleichmässiger brennen!

Weiterlesen dazu: Francine Oomen, „Francine und die total heisse Phase“, Wechseljahre für Anfängerinnen, Knaur Verlag
Oder hier: „Wechseljahre“ mit ganz anderen Augen anschauen – viel positiver: „Midlife-Boomer„!
Und hier ganz unten…

Siehe auch speziell zu den Blütenjahre im Frausein hier >>>

Psychosoziale Krise

Wechseljährige Frauen zeigen eine ganze Palette von Symptomen, die – wie bereits beschrieben – kaum mit dem Abfall der Hormonproduktion in Zusammenhang stehen. Die alternde Frau genoss bis Anhin in der Industriegesellschaft einen niedrigen Sozialstatus. Sie wird weder mehr als egosteigernder Potenzbeweis noch als Mutter gebraucht. Das Diktat der Jugendlichkeit tyrannisiert die Frauen im Westen. Der Mythos der asexuellen älteren Frau hatte zum Ende des 20. Jahrhunderts Bestand. Männer „reifen“ und kommen in die „besten Jahre“, die Frau „altert“ und kommt ins „Klimakterium“. Die Menopause schockiert Frauen, die ihr Alter verdrängt haben. Der Wechsel vom begehrten zum unsichtbaren Objekt wirkt um so traumatischer, je mehr sich eine Frau auf ihre traditionelle weibliche Rolle verlassen hat. Berufsfrauen leiden weniger darunter als Hausfrauen, gut ausgebildete weniger als ungebildete. Viele Frauen gleiten in eine eigentliche „psychosoziale Krise“.
Dafür, dass hier eine psychische Dynamik vorliegt, spricht auch, dass neuere Studien mit medikamentösen Antidepressivatherapien ebenso wirksam waren wie mit Östrogen. Womit nicht gesagt sei, dass ich nun rate, die eine Pille mit der anderen auszutauschen! Mehr darüber hier unten >>>
Den Verlusten an Selbstwertgefühl, an Attraktivität und an Fruchtbarkeit kann man aber, anstelle der illusorischen und gefährlichen Verlängerung der Jugend mit Hormonen, Gewinne entgegensetzen: Lebenserfahrungen, Freiräume, freie Zeit (in der Nach-Kinder-Phase), Potential für neue Beziehungen, kreative Lebensgestaltung, Wegfall des Kompetitionsdruckes. Viele Frauen erleben nach der Menopause einen eigentlichen Energieschub. Mann und Frau tragen Hormone des anderen Geschlechtes in sich. Wenn sich mit zunehmenden Alter die eigengeschlechtlichen Hormone vermindern, fallen die gegengeschlechtlichen relativ stärker ins Gewicht, und die Frauen haben die Möglichkeit, mehr „männliche“ Energien zu mobilisieren (und umgekehrt beim Mann). Nach C.G.Jung könnte man sagen: Eine wesentliche Aufgabe der zweiten Lebenshälfte und eine unumgängliche Station auf dem Weg zur Individuation ist die Integration der eigenen Gegengeschlechtlichkeit (Er nannte dies Animus in der Frau und Anima im Mann). Östrogene verhindern diesen wichtigen Lebensschritt der Frau.

Raumprozesse in der Mitte des Lebens

Meist erlebt die Frau um 50 eine Entwicklung zu mehr Raum in ihrem Leben. Sie befreit sich von Hausarbeiten und alten Rollen und macht mächtige Schritte in ein Leben nach aussen oder nach innen, d.h. wird tiefer, spiritueller, weiser…  

Dies verzahnt sich häufig mit einer Entwicklung ihres Mannes, der in der Mitte des Lebens auch sanfter wird, gelassener, auch tiefer, spiritueller, weiser – also weniger bullig, durchdringend und draufgängerisch. Im Idealfall gibt er Raum her, welcher seine Frau beleben kann. Eine Zeit von Reibereien (und Raumkämpfe) ist also um die 50 in einem Lebenspaar fast schon unumgänglich. Das Tröstliche dabei ist, dass die zwei Entwicklungen gegenläufig zum selben Resultat führen kann: Die ältere Frau nimmt mehr Raum ein als vor 50 und der Mann weniger. Das Paar erlebt eine neue Ebenbürtigkeit und Harmonie.

Was aber bei starken Wechseljahrbeschwerden?

Zuerst mal Positives zu den „Wallungen“:
Frauen, die am Anfang der Menopause häufig in Hitze  ausbrechen, haben ein stärkeres Herz und gesündere Blutgefässe. Das erkannte eine Forscherin der Northwestern University in Chicago, die mehr als 60000 Frauen untersuchte. Frauen, die früh Wallungen erlitten, bekamen am seltensten Herzkrankheiten und Schlaganfälle. Bislang glaubten Ärzte, das Gegenteil sei der Fall. (Menopause, 2011 Feb 19. Vasomotor symptoms and cardiovascular events in postmenopausal women.Szmuilowicz ED et al.)

Kurzfristig symptomorientiert ist noch die einzig vertretbare Form der Hormonanwendung nur transdermal, bioidentisch als Spray, Gel oder Pflaster über die Haut (und nicht mehr mit Tabletten über Magen-Darm und die Leber). Zudem nie länger als 5 Jahre – und nie über 60jährig aus.
Sehr vorsichtig sollte jede Frau mit folgenden Krankheiten in der Vorgeschichte sein:
Brustkrebs (selbst oder familiär); Thromboembolien; Cerebrovaskuläre Erkrankungen und KHK; Diabetes; adipöse oder auch magere, untergewichtige Frauen (Brustkrebsriskio mit Kombinationspräparaten höher); Juckreiz oder Gelbsucht in einer früheren Schwangerschaft oder durch Antibabypille; Leberkrankheit.

Es gibt bei milderen Formen eine Alternative: Östrogene pflanzlichen Ursprungs aus Traubensilberkerze (Cimicifuga). Wir müssen aber hier aufpassen, dass wir nicht wieder dieselben Fehler machen wie bisher mit dem Östrogen selber, da Langzeitstudien z.B. zur Brustkrebsgefahr fehlen! Dann auch Phytoöstrogene aus Soja- oder Jamswurzel-Steroiden oder auch aus dem Fenchelöl (8 Wochen lang täglich 2 x 100mg bessert angeblich Menopause-Symptome um 50%). Hier fehlen aber ebenfalls grössere Studien! Es schadet aber sicher nichts, wenn Sie viele Sojaprodukte essen.

  • Traubensilberkerze (Wurzelextrakt – Cimicifuga racemosa) v.a. gegen vegetative Beschwerden (50% verschwinden völlig, 30-40% besser) und psychische Störungen. Eignet sich aber nicht zur Osteoporose-Prophylaxe.
  • zu Beginn der Wechseljahre, wenn Symptome ähnlich wie bei PMS: Mönchspfeffer (siehe hier)
  • Nachtkerzenöl-Kapseln
  • Teemischung: 20 Teile Frauenmänteli, 15 Teile Johanniskraut, 10Teile Zitronenmelisse, 15 Teile Schafgarben, 15 Teile Rosmarin, 15 Teile Salbei
  • Durch Gewichtsabnahme zu weniger Beschwerden in den Wechseljahren:
    Um herauszufinden, ob es durch eine Gewichtsabnahme zu einer Verbesserung der Hitzwallungen von übergewichtigen Frauen in der Menopause kommt, haben US-amerikanische Forscher/innen eine randomisierte, kontrollierte Studie mit 338 übergewichtigen bis fettleibigen Frauen in der Menopause konzipiert. Sechs Monate lang absolvierten die Frauen entweder ein intensives verhaltenstherapeutisches Programm zur Gewichtsreduktion oder ein Aufklärungsprogramm über gesundheitliche Folgen von Übergewicht (Kontrolle).
    Ergebnis: Die Gewichtsabnahme verbesserte die Hitzewallungs- Symptomatik deutlich.
    Die Forscher/innen errechneten z.B. eine Verbesserung der Symptomatik von OR 1.32 pro 5kg Gewichtsabnahme.
    (Arch Intern Med 170(13):1161-1167, 12 July 2010 © 2010 to the American Medical Association: An Intensive Behavioral Weight Loss Intervention and Hot Flushes in Women. Alison J. Huang, Leslee L. Subak, Rena Wing, et al. Link zum Abstract: http://archinte.ama-assn.org/cgi/content/abstract/170/13/1161?etoc)

Trockene Scheide

  • viel eigenen Speichel benützen!
  • Schleimhautpflege: Leinsamen, -öl innerlich als Budwig-Creme und lokal Rheum rhaponticum D2 Salbe Weleda, tgl. 2 x anzuwenden, ev. mit Applikator auch vaginal einführen. Auch Dorins Yams-Zäpfle aus der Berg-Apotheke könnten geeignet sein. Zur akuten Linderung eine Woche lang täglich, dann 2x wöchentlich anzuwenden.
  • Achten Sie auf den Säurehaushalt. Die Ernährung soll zu rund vier Fünftel aus basebildenden und nur zu einem Fünftel aus säurebildenden Nahrungsmitteln bestehen. Milchprodukte sind zwar reich an Kalzium, sind aber säurebildend. Man sollte sie deshalb nicht im Übermass konsumieren. Listen mit säurebildenden Nahrungsmitteln erhalten Sie in guten Buchhandlungen.
  • Ergänzen Sie Ihren Menüplan mit Soja-Produkten. Soja und andere Bohnenarten besitzen Inhaltsstoffe, die eine östrogenähnliche Wirkung haben.
  • Vermeiden Sie Koffein und Alkohol im Übermass (2 bis 4 Gläser Alkohol wöchentlich)
  • Bewegen Sie sich häufig. Sportarten, die mehr Gewicht auf den Knochen bringen sind vor allem gut wirksam (Jogging, Springseilen,…). Kräftige Muskeln entlasten zudem das Skelett. Trainierte Menschen stürzen weniger und haben daher seltener Knochenbrüche.
  • Yoga, autogenes Training und Tai Chi helfen, psychische Schwankungen auszugleichen und geben ein gutes Körpergefühl.
  • Bauen Sie Stress ab. Nehmen Sie den Alltag im dritten Lebensabschnitt etwas gelassener.

Gibt es ein Androgenmangel-Syndrom bei der Frau?

Just zu einem Zeitpunkt, wo der Nutzen und die Sicherheit einer langfristigen Östrogengabe nach der Menopause zunehmend hinterfragt werden, ist immer öfter die Rede von einem Androgenmangel-Syndrom der Frau. Nicht nur der alternde Mann, so plädieren die Verfechter des neuen Syndroms, sondern auch Frauen nach der Menopause fühlten sich in gewissen Fällen dank der Gabe männlicher Geschlechtshormone vitaler und hätten eine grössere sexuelle Spannkraft. Die Existenz eines solchen Syndroms – zumindest bei gesunden, älteren Frauen – ist in Fachkreisen allerdings äusserst umstritten, denn die Rolle der Androgene im weiblichen Organismus ist wenig untersucht, allfällige Mangelsymptome äussern sich unspezifisch und mit breiten individuellen Schwankungen. Vor allem die Abgrenzung der Symptome (vor allem Libidomangel) gegenüber dem Ausdruck einer unbefriedigenden partnerschaftlichen Situation, einer Depression oder weiterer Krankheiten ist äusserst schwierig. Es fehlen auch grosse Studien, weshalb hier gar nicht weiter darauf eingegangen wird.

Ersatz mit synthetischen, oral eingenommenen Hormonen erhöht Demenzrisiko

Eine kürzlich veröffentliche Fall-Kontroll-Studie (08/2023) bekräftigt erneut den Verdacht, dass in der Postmenopause verabreichte Hormone das Demenzrisiko erhöhen. Knapp 5600 Frauen, die an einer Demenz erkrankt waren, wurden einer zehnmal so grossen Kontrollgruppe gegenübergestellt. Man stellte fest, dass bei den demenzkranken Frauen signifikant häufiger eine Hormonsubstitution mit Östrogen und Gestagen durchgeführt worden war als bei denjenigen der Kontrollgruppe (HR 1,24 [1,17–1,33]). Der Unterschied war auch bei Frauen zu beobachten, die Hormone nur relativ kurz (maximal 1 Jahr) eingenommen hatten, sowie bei den Untergrupppen von Frauen mit einer Alzheimererkrankung und von Frauen mit einer Demenz, die nach dem 65. Altersjahr begann («Late onset dementia).
Kein erhöhtes Demenzrisiko fand sich bei den Frauen, die nur vaginal verabreichte Östrogene oder nur Gestagene verwendet hatten.
(Volltext der Studie aus dem BMJ: Menopausal hormone therapy and dementia: nationwide, nested case-control study)

Der Langzeitgebrauch von postmenopausalen Hormonen ist nun mehrmals in grossen Studien nachgewiesen, mit einem erhöhten Risiko für Alzheimer- Demenz assoziiert. Das Alter bei Therapiebeginn und das verwendete Gestagen scheinen keinen Einfluss auf das Risiko zu haben.
(z.B. Savolainen-Peltonen H, Rahkola-Soisalo P, Hoti F et al. Use of postmenopau- sal hormone therapy and risk of Alzheimer’s disease in Finland: nationwide case- control study. BMJ. 2019 Mar 6;364:l665.)

„Women´s Health Initiative“: Brustkrebs und Hormonersatztherapie bei postmenopausalen Frauen

Eine weitere Studie im Rahmen der „Womens´s Health Initiative“ untersuchte das Risiko des Auftretens von Brustkrebs im Zusammenhang mit der Einnahme einer Hormonersatztherapie. Die 16.608 eingeschlossenen postmenopausalen Frauen zwischen 50 und 79 Jahren wurden im Schnitt elf Jahre lang beobachtet.
Ergebnis: Frauen, welche Östrogen plus Progesteron einnahmen, erkrankten häufiger an invasivem Brustkrebs als diejenigen, welche Plazebo einnahmen (HR 1,25). Auch war der Brustkrebs unter Hormoneinnahme häufiger „node-positive“ (HR 1,78) und die Sterblichkeit am Brustkrebs war größer (HR1,96).
(JAMA 304(15):1684-1692, 20 October 2010 © 2010 American Medical Association
Estrogen Plus Progestin and Breast Cancer Incidence and Mortality in Postmenopausal Women. Rowan T. Chlebowski, Garnet L. Anderson, Margery Gass, et al.:  Link zum Abstract: http://jama.ama-assn.org/cgi/content/abstract/304/15/1684)

Update 2021:
Das Schicksal der Frauen, die zwischen 1993 und 2004 an den Studien der Women’s Health Initiative (WHI) teilgenommen haben, wird weiter beobachtet. In diesen Studien erhielten bekanntlich hysterektomierte Frauen nach der Menopause doppelblind konjugierte equine Östrogene (CEE) oder Placebo; Frauen mit intaktem Uterus wurden dagegen, ebenfalls doppelblind, mit CEE in Kombination mit dem Gestagen Medroxyprogesteron oder Placebo behandelt. Die Behandlungsdauer betrug median 7,2 Jahre (CEE allein) bzw. 5,6 Jahre (kombinierte Hormone). Die vorliegende Arbeit befasst sich ausschliesslich mit den Brustkrebs-Fällen und Brustkrebs-bedingten Todesfällen. Fast alle 27’347 Frauen konnten median über mehr als 20 Jahre nach der Hormongabe nachbeobachtet werden. Die neuen Daten stimmen weitgehend mit den bereits bekannten überein. Frauen, die nur Östrogene (CEE) erhielten, erkrankten signifikant seltener an einem Brustkrebs (jährlich 0,30%) als diejenigen, die Placebo erhielten (jährlich 0,38%). Auch die Brustkrebssterblichkeit war unter CEE kleiner als unter Placebo. In der grösseren Studie bei Frauen mit intaktem Uterus kam es dagegen unter der kombinierten Hormontherapie signifikant häufiger zu einem Brustkrebs (jährlich 0,45%) als unter Placebo (0,36%). Auch Brustkrebs-Todesfälle waren häufiger nach der Hormontherapie, aber nicht signifikant.

Die gesundheitlichen Risiken einer Hormonsubstitution scheinen offensichtlich vorwiegend auf den Gestagenen zu beruhen. Ob es aber wirklich sinnvoll wäre, hysterektomierten Frauen über längere Zeit Östrogene als «Brustkrebsschutz» zu verordnen? Dabei muss man sich fragen, ob die heute verwendeten «reinen» Östrogene nicht nur hinsichtlich der Brusttumoren, sondern auch in Bezug auf kardiovaskuläre Probleme unbedenklich sind. Leider verfügen wir zu dieser Frage über keine Studien, die sich mit den WHI-Studien vergleichen liessen. Solange diese Wissenslücke nicht gefüllt ist, muss weiterhin zu einem sehr zurückhaltenden Umgang mit Östrogenen geraten werden.
(Etzel Gysling in infomed-screen 25 — No. 3, Copyright © 2021 Infomed-Verlags-AG)

Zeit des Ankommens

(Sabine Dermon am 30.05.22 im Tagesanzeiger)
Nun, ich erlebe die „Wechseljahre“ gerade als wundervolle Zeit des Ankommens. Und zwar bei mir selbst. Während sich meine Töchter gerade am Finden und auf der Suche nach sich selbst sind, weiss ich genau, wer ich bin, was ich kann, wo meine Stärken und Schwächen liegen. Ich fühle mich geerdet und stabil und erlebe eine nie da gewesene innere Gelassenheit dem Leben gegenüber. Ich fühle mich geborgen und in Frieden mit meinem «ich». Ich schätze nicht nur meine Schokoladenseiten, sondern akzeptiere auch Makel und Unvollkommenheit – etwa, dass ich einen katastrophalen Orientierungssinn habe.
Überhaupt nehme ich bezüglich Müssen und Sollen immer mehr den Fuss vom Gaspedal. Ich rücke mich und meine Bedürfnisse stärker ins Zentrum. Ja, ich erfinde mich neu! Das hört sich nun dramatisch an und ja, bei manch einer Frau in dieser Lebensphase wird das Leben gehörig umgekrempelt, den Job an den Nagel gehängt und der Mann verlassen; gottlob selten umgekehrt.
Bei manchen sind es allerdings nur Nuancen, kleine innere Weichen, die neu gestellt werden. Die Frage nach der inneren Zufriedenheit mit dem eigenen Leben steht da plötzlich ganz gross im Raum. Es ist auch eine Zeit des Infragestellens. Bewährtes möchte ich erhalten, Neuem einen Raum geben. Zeit, Entscheidungen zu treffen und eine erste Lebensbilanz zu ziehen. Für viele in diesem Alter sind entscheidende Phasen abgeschlossen – das Haus ist gebaut, die Kinder aus dem Gröbsten raus, der Berufsweg dümpelt vor sich hin, wie vielleicht auch das Eheleben.
Ich aber verspüre einen neuen Tatendrang, mein Leben zu optimieren! Möchte Neues anpacken und Routinen durchbrechen. Anders als früher, lasse ich die Dinge aber auch auf mich zukommen, statt alles steuern zu wollen.

Das Leben kann nur vorwärts gelebt werden.
Kürzlich las ich von 9 Dingen, welche eine junge Frau von einer gestandenen 50-Jährigen lernen könnte. Dinge wie, sich selber zur Priorität Nummer 1 zu machen, lernen «nein» zu sagen, aufzuhören darüber nachzudenken, was andere von einem halten, sich selber nicht zu ernst zu nehmen etc. All diese Phrasen kann ich unterschreiben. Aber – es ist ein Dilemma. Denn leider gelangt man zu diesen wunderbaren Erkenntnissen nur über Erfahrungen – nicht über Ratschläge! Ich merke dies jeweils, wenn ich mit neun-mal-klugen Lebensweisheiten bei meinen Teenietöchtern antanze und ihnen das Leben erklären will.
Die schauen mich dann bedröppelt an und denken sich wohl, die Mutter hat wieder ihre fünf Minuten und echt keine Ahnung vom anstrengenden Teenieleben – und was für uns gut und wichtig ist! Wieder eine Erkenntnis mehr: Das Leben kann nur vorwärts gelebt und vor allem durchlebt werden. Es gibt keine Abkürzung! Nur so gelangt man wie ich, irgendwann bis zur Mittelstation. Und die Aussicht da oben gefällt mir. Ich versuche, den Panoramaweg einzuschlagen und werte Stolpersteine als das, was sie sind: neue Aufgaben- und Übungsfelder. Schliesslich will ich ganz nach oben, bis zum Gipfel. Die Wanderschuhe sind geschnürt!
(Sabine Dermon am 30.05.22 im Tagesanzeiger)

Literatur zu den Wechseljahren:
vonOomen, Francine, „Francine und die total heiße Phase“ – Wechseljahre für Anfängerinnen; Knaur Verlag
Dr.med. Christiane Northrup, „Weisheit der Wechseljahre“; Goldmann Verlag, ISBN-10: 3-442-21907-8

Lesen Sie auch dies!
und über
die Wechseljahre beim Mann!
und über die Blütenjahre der jungen Frau!

Veröffentlicht am 13. Juni 2017 von Dr. med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
11. September 2024

Osteoporose

Osteoporose-Prophylaxe

Wichtig ist die maximal im Leben (um 30jährig) erreichte Knochendichte. Frauen, die regelmässig Bewegung haben (vielleicht auch zweimal pro Woche 30 Minuten Krafttraining machen) und keine Zigaretten rauchen, nicht untergewichtig sind und viel Kalzium essen (v.a. als Mädchen und junge Frauen bis 25 Jahren) und 2 bis 4 Gläser Alkohol wöchentlich trinken (aber nicht mehr!) erreichen eine grössere Knochendichte und Knochengesundheit.
Es existiert aber auch eine genetische Komponente, die vielleicht sogar am wichtigsten ist. Zudem verstärken eine früh eintretende Menopause, übermässigen Alkoholkonsum und eine frühere länger dauernde Kortisonbehandlung (mit Tabletten oder Spritzen) die spätere Osteoporose.

Kalzium aus natürlichen Quellen!

Aufnahme von 700 mg Kalzium täglich wird als ideal angesehen: Keine Kalziumtabletten  sondern nur aus natürlichen Quellen:
Der Kalziumgehalt wichtiger Nahrungsmittel in mg/100g: Milch 120, Joghurt 120, Quark 90, Emmentaler 1020, Gouda 820, Parmesan (Hartkäse!) 1300, Grünkohl 200, Broccoli 100, Fenchel 110, Haselnuss 225, Mandel 250, Sojabohnen 260, weisse Bohnen 105, Linsen 75, Weizenvollkornbrot 65, Schweinekotelett 10, Forelle 20, Kartoffeln 10.
Genau so wichtig ist reichlich Gemüse („Nature“, Bd.401, S.343: bestimmte Gemüsesorten hemmen den Abbau der Knochensubstanz bei Ratten: Petersilie, Salat, Rucola, Tomaten, Gurken, Knoblauch, Dill und Zwiebeln) und Früchte essen und sehr sparsam tierische Fette.

Also könnte man auch raten:

  • Ernähren Sie sich schon vor der Menopause (ab 40) kalzium- und vitaminreich, mit wenig tierischen, dafür um so mehr pflanzlichen Eiweissen (Hülsenfrüchte, Tofu).
    Kalzium stärkt die Knochen. Gute Kalziumquellen sind vor allem Milchprodukte (Hartkäse!), dann Haselnüsse, Gemüse (z.B. Kohlrabi), Früchte (z.B. Mandarine), auch Trockenfrüchte, Sardinen, Eier und Mineralwasser:
    Täglich können wir maximal 700 mg aufnehmen!
    Davon sollte alles aus natürlichen Quellen stammen (keine Tabletten: Erhöhen Arterienverkalkungs- und Herzinfarktrisiko! >>> Lit.).
     

     

    KALZIUMQUELLEN AUS DER NAHRUNG

     

    Nahrungsmittel

     

    Menge/gängige Portion

     

    Kalziumgehalt

    Milch

    1 Glas

    300 mg

    Joghurt

    1 Becher (180g)

    200 mg

    Hartkäse (z.B. Emmentaler, Parmesan)

    100 g

    1000 mg

    Weichkäse (z.B. Camembert)

    100 g

    600 mg

    Haselnüsse

    100 g

    225 mg

    Gemüse (z.B. Kohlrabi)

    100 g

    70 mg

    Früchte (z.B. Mandarine)

    100 g

    33 mg

    Eier

    100 g

    55 mg

    Sardinen

    100 g

    380 mg

    Mineralwasser

    1 Glas

    unterschiedlich – bis zu 50 mg

  • Vitamin D:
    Über 60jährig sollte man bei nachgewiesenem Mangel im Blut (neben der Sonnenbestrahlung, die uns ja das Vitamin D schenkt) 800 IE pro Tag zu sich nehmen (am besten als Öl oder mit fettigem Essen: wird dann besser aufgenommen) – vor allem von November bis Mai (wenig Wintersonne). Lassen Sie einmal vom Hausarzt Ihren Vitamin D-Spiegel (25-Hydroxi-Vitamin-D3 wichtig) im Blut messen, da in der ganzen EU heute etwa die Hälfte aller Menschen zuwenig Sonne auf der Haut hat, um genügend Vit.D zu bilden. In der Nahrung ist es eher schwierig genügend davon zu kriegen (man müsste zweimal täglich fetten Fisch oder Austern essen – Mahlzeit!).
  • Vermeiden Sie Koffein und Alkohol im Übermass (2 bis 4 Gläser Alkohol wöchentlich verbessert die Knochendichte – aber nicht mehr!).
  • Bewegen Sie sich häufig. Sportarten, die mehr Gewicht auf den Knochen bringen sind vor allem gut wirksam (Jogging, Springseilen,…). Kräftige Muskeln entlasten zudem das Skelett. Trainierte Menschen stürzen weniger und haben daher seltener Knochenbrüche. Also ist auch zweimal wöchentlich eventuell 30 Minuten Krafttraining (auch zügiges Bergauf- oder Bergab-Gehen) sehr günstig.
  • Yoga, autogenes Training und Tai Chi helfen, psychische Schwankungen auszugleichen und geben ein gutes Körpergefühl.
  • Bauen Sie Stress ab. Nehmen Sie den Alltag im dritten Lebensabschnitt etwas gelassener.

Risikomessung (u.a. auch DEXA-Messung)

  • Zuerst mal die einfache Frage, ob frau/man in letzter Zeit einmal auf das Becken, ausgestreckten Unterarm oder Rücken gefallen ist. Falls man dabei keinen Knochen gebrochen hat, ist eine behandlungswürdige Osteoporose unwahrscheinlich!
  • Das Osteoporose-Screening lässt man bei Frauen unter 65 und Männern unter 70 Jahren ohne Risiko besser bleiben! (siehe auch „Choosing wisely!“)
  • Ein einfacher klinischer Test, um das Osteoporose-Risiko bei der Frau nach den Wechseljahren zu beurteilen, wurde bei der Durchsicht von 191 Studien gefunden (siehe infomed-screen. April 2005 – Jahrgang 9/ Nr.4).
    Die sog. Vortestwahrscheinlichkeit wird aus
    – dem Gewicht (unter 51 kg) – besser ist der BMI (unter 20),
    – der sog. Flèche (Abstand Hinterkopf zur Wand über 0 – beim Aufrechtstehen mit dem Rücken an der Wand) und für
    – den Rippenbogen-Beckenschaufel-Abstand (2 Querfinger oder weniger) berechnet.
    Falls diese Faktoren eintreffen, sollte eine Knochenmineraldichte-Messung (DEXA) gemacht werden.
    DEXA-Messung auch bei jedem Knochenbruch, der durch eine relativ kleine Gewalteinwirkung entstand (z.B. aus Stand umgefallen und das Bein gebrochen: sog. Niedrigtrauma-Fraktur – erst ab 40 Jahre). Rauchen (bei über 60jährigen) und eine mehrmonatige Kortison-Therapie mit Tabletten (über 5mg Prednison täglich) sind ebenfalls Gründe zur Knochendichtemessung.
    Man muss aber auch auf die unklare Datenlage zum DEXA-Screening hinweisen: siehe dazu die Kommentare der Evidenzbasierten Medizin: osteoporose_state_of_the_art.pdf
  • Hat man bereits eine DXA-Messung gemacht, zeigt dieser Test hier >>> mit allen Zusatzfaktoren, ob wirklich eine Therapie nötig ist (DVO Leitlinien 2014)!
  • Ein genauer Risikokalkulator kann auch mit 11 Faktoren erstellt werden und wurde anhand der Women’s Health Initiative WHI im JAMA (2007;298:2389-2398) vorgestellt: siehe http://hipcalculator.fhcrc.org/ .
    Noch praktischer und in der Hausarztpraxis besser abschneidend ist Qfracture. Die Variablen, die hier für die Berechnung des Risikos gebraucht werden sind alle aus der Anamnese ohne weitere Untersuchungen (Labor, Knochendichte) erhebbar: www.qfracture.org
  • Als weiterer Risikofaktor, in diesem Kalkulator nicht berücksichtigt, könnte sich möglicherweise die Major Depression entpuppen. Das zumindest legen Ergebnisse einer Studie des US-National Institute of Mental Health NIMH in Bethesda/Maryland nahe. Dabei hatten depressive Frauen in 17% im Oberschenkelhals eine verminderte Knochendichte gegenüber nur 2% in der Kontrollgruppe.
  • Überraschend ist, dass „nur“ etwa ein Drittel auch ausgeprägter Hyperkyphosen auf osteoporotische Wirbelfrakturen zurückgeführt werden können. Es gibt sogar Gründe anzunehmen, dass der Rundrücken als Ursache von Wirbelfrakturen anzusehen ist >>> Lesen Sie mehr zum Rundrücken auf dieser Website

Veröffentlicht am 13. Juni 2017 von Dr. med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
26. Mai 2023